Beschluss Nr. 135/2022 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses (Richtlinie 2010/31/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Gebäuderichtlinie II)) (Nr. 92/2022)
Landtagspräsident Albert Frick
Wir kommen zu Traktandum 14: Beschluss Nr. 135/2022 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses (Richtlinie 2010/31/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Gebäuderichtlinie II)).Der Bericht und Antrag trägt die Nr. 92/2022, er steht zur Diskussion.Abg. Patrick Risch
Besten Dank für das Wort, Herr Präsident. Am 19. Mai 2010 hat das Europäische Parlament und der Rat diese Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden verabschiedet. Sagenhafte zwölf Jahre später hat der gemeinsame EWR-Ausschuss, also Norwegen, Island und Liechtenstein, diese Richtlinie in das EWR-Abkommen übernommen. Zwölf Jahre, eine unglaublich lange Zeit. Vermutlich hat die EU diese Richtlinie zwischenzeitlich bereits durch eine abgeänderte Richtlinie ersetzt.Kann die Regierung mir bitte erklären, an was oder wem es gelegen hat, dass es zwölf Jahre brauchte, bis so ein wichtiges Thema für den Klimaschutz und Energieverbrauch es endlich in das EWR-Recht schaffte? Wollten Island oder Norwegen nicht? Oder hat sich Liechtenstein zwölf Jahre geziert und geweigert, etwas Konkretes für den Klimaschutz zu tun? Doch nun zuerst einmal vielen herzlichen Dank, dass uns nun endlich dieser Bericht und Antrag heute vorliegt, damit der Landtag dieser EU-Richtlinie zustimmen kann und somit endlich klare Mindestanforderungen für neue und bestehende Gebäude gelten. Und einen Dank an die EU, dass Druck von aussen kommt, damit Liechtenstein sich auch in dieser Thematik bewegt. Die Regierung fasst auf Seite 4 zusammen, was die Richtlinie 2010/31/EU bringt:- Mindestanforderungen für neue und bestehende Gebäude sowie gebäudetechnische Systeme;
- ab 31. Dezember 2018 müssen neue Gebäude, die von Behörden als Eigentümer genutzt werden, die Anforderungen des «Niedrigstenergiegebäudes» erfüllen, ab 31. Dezember 2020 bei allen neuen Gebäuden.
- Weiters werden folgende Aspekte eingeführt: Kostenoptimum als Schlüsselkriterium,
- Vorbildfunktion öffentlicher Stellen,
- Einführung eines Qualitäts- und Kontrollsystems bei Energieausweisen,
- Anpassung an den technischen Fortschritt und
- Sanktionen.
Die Regierung schreibt, dass die Gebäuderichtlinie durch Abänderungen des Baugesetzes, Energieeffizienz- und Energieausweisgesetzes in liechtensteinisches Recht umgesetzt wird. Schön, dass endlich etwas vorwärtsgeht.Nun aber nochmals zu meiner Frage: Warum wurde die Übernahme in EWR-Recht derart lange verzögert und durch wen?Diese Richtlinie war von den EU-Ländern bis zum 9. Juli 2012 umzusetzen und ab diesem Tag anzuwenden. Nun stellt sich mir die Frage: Wäre diese Richtlinie vom gemeinsamen EWR-Ausschuss nicht auf die lange Bank geschoben worden, wäre, wie bei allen staatlichen Bauten, ohne Wenn und Aber der Niedrigstenergiestandard angewendet worden? Wäre von vornherein klar gewesen, dass das Dienstleistungszentrum Giessen, das Landesspital, das SZU II als Vorzeigeobjekte geplant worden wären? Wären diese Gebäude mit einer Solaranlage auf dem Dach und an der Fassade geplant worden, wenn die Gebäuderichtlinie bei uns schon gelten würde? Liechtenstein hat sich auch gleich eine Ausnahme von der Richtlinie gesichert. Auf Seite 8 schreibt die Regierung, dass für Liechtenstein aufgrund der sehr geringen Grösse des Gebäudebestandes in Liechtenstein und seiner Klima- und Gebäudetypologie von der Verpflichtung zur Durchführung eigener Berechnungen zur Festlegung kostenoptimaler Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden gemäss Art. 5 der Richtlinie ausgenommen wird. Zur Festlegung des kostenoptimalen Niveaus der Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz kann Liechtenstein die Berechnungen einer anderen Vertragspartei heranziehen. Soweit die Regierung auf Seite 8. Ich erwarte von der Regierung, dass sie beim Heranziehen von Berechnungen anderer Vertragsparteien sich an den Besten orientiert und nicht an denjenigen, die sich mit der laschesten Umsetzung der EU-Richtlinie brüsten. Mit «Besten» meine ich die Leuchttürme der EU-Länder, die sich am meisten beim Klimaschutz und Energiesparen anstrengen und nicht mit den Ländern, die am wenigsten tun.Ich kann leider nur nochmals den Kopf schütteln, dass die Vorgängerregierungen wussten, dass diese Richtlinie kommen wird, aber es nicht für notwendig befanden, frühzeitig zu reagieren. Wäre es eine EU-Richtlinie gewesen, welche Konsequenzen für den Finanzplatz gehabt hätte, hätte Liechtenstein mit Sicherheit die EU-Richtlinie schon vorab umgesetzt, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu sichern. Doch beim Klima und Energiesparen, da will oder wollte Liechtenstein offensichtlich nicht an erster Linie stehen. Ich hoffe, dass sich das nun ändert. Besten Dank.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Stv. Abg. Nadine Vogelsang
Besten Dank für das Wort, Herr Präsident, und besten Dank an die Regierung für die Ausfertigung dieses Berichts und Antrags. Bereits seit 2009 gilt die Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie I in Liechtenstein. Diese fordert die Einführung von Energieausweisen für Gebäude, höhere Anforderungen an die Gebäudeeffizienz und eine Inspektionspflicht für Heiz- und Klimaanlagen. Laut aktuellem Monitoringbericht zur Energiestrategie zeigte sich im Jahr 2020 eine Abnahme der energetisch besonders hochwertigen Neubauten und Sanierungen. Um diesem Trend entgegenzuwirken, ist die Umsetzung der Richtlinie zur Einführung der Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich, MuKEn 2014, sowie der aktuellen EU-Gebäuderichtlinie I bis Ende 2022 geplant. Zwischenzeitlich wurde die Gebäuderichtlinie I vom Europäischen Parlament und des Rates überarbeitet. Laut der Gebäuderichtlinie II müssen die Mitgliedstaaten neu Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden nach einem kostenoptimalen Niveau festlegen. Die Berechnung des kostenoptimalen Niveaus ist von entscheidender Bedeutung, um das Energieeffizienzpotenzial des nationalen Gebäudebestands und das Potenzial der erneuerbaren Energien voll auszuschöpfen und zu vermeiden, dass die Bürgerinnen und Bürger für die Verbesserung der Energieeffizienz ihrer Wohnungen und Büros mehr Geld als notwendig ausgeben müssen. Ohne solche Berechnungen ist es für Eigentümer/-innen und Mieter/-innen schwierig, die richtigen Entscheidungen für Neubauten oder Renovierungen zu treffen. Hinsichtlich der Pflicht zur Berechnung des kostenoptimalen Niveaus von Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz darf Liechtenstein die Berechnungen des Mitgliedstaates Österreichs heranziehen. Das bedeutet, dass Liechtenstein lediglich das Ergebnis der Berechnungen Österreichs mit den geltenden Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz vergleichen wird und keine eigene Berechnung erstellen muss.Ebenso hat Liechtenstein neu nationale Pläne zur Erhöhung der Zahl der Niedrigstenergiegebäude zu erstellen und der EFTA-Überwachungsbehörde mitzuteilen. «Big Sister is watching us.» Zur Dokumentierung der Pläne soll der Anhang der Energiestrategie 2030 beziehungsweise der jährliche Monitoringbericht zur Energiestrategie 2030 genutzt werden. Ausserdem muss Liechtenstein ein Verzeichnis der bestehenden sowie der geplanten Massnahmen und Instrumente, die der Umsetzung der mit der Richtlinie 2010/31/EU verfolgten Zielen dienen, erstellen und alle drei Jahre aktualisieren. Dem ist Liechtenstein bereits mit der Energiestrategie 2030 nachgekommen.Zudem wird Liechtenstein verpflichtet, Massnahmen zur regelmässigen Inspektion von Heizungsanlagen und Klimaanlagen zu ergreifen. Darüber ist ein Bericht zu erstellen und die betroffenen Eigentümer und/oder Mieter zu informieren.Aufgrund dieser Verschärfungen fallen zusätzliche Aufgabenschwerpunkte beim Amt für Hochbauten und Raumplanung an, sodass eine zusätzliche Stelle von 60 Prozentstellen notwendig wird. Ich hoffe, diese Verschärfungen führen nicht nur zu einer Vergrösserung des Verwaltungsapparates, sondern bewirken auch eine Trendumkehr bei der Gebäudeeffizienz.Ich bitte die Regierung, bei den erforderlichen Gesetzesanpassungen ein allfälliges Regelungsgefälle zur Schweiz zu vermeiden und den Zusatzaufwand im Baugewerbe in Grenzen zu halten. Dem Antrag der Regierung erteile ich meine Zustimmung. Besten Dank.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Abg. Sascha Quaderer
Danke für das Wort. Ich sehe das diametral anders als es der Abg. Patrick Risch. Ich habe überhaupt keine Eile mit diesem Papiertiger hier. Wenn man unter Punkt 7.2, finanzielle Konsequenzen, schaut - wir haben es gerade gehört von der Abg. Nadine Vogelsang - es braucht 60 Stellenprozente. Was ist hier vorgesehen? Es werden nationale Pläne für Gebäude errichtet, es werden Berichte erfasst und man erstattet dann eben Bericht, man richtet Kontrollsysteme ein, das heisst, man produziert einen Haufen Papier oder E-Mails oder was auch immer. Im schlimmsten Fall gibt es mehr Arbeit für die Unternehmer draussen und Effizienzverluste hier im Land. Und ich habe für solche wiederkehrenden Ausgaben, die eigentlich nur Berichte erstatten und wo Kontrollen vonstattengehen, nicht so eine Eile. Da habe ich auch eine Frage an die Regierung: Kann man das nicht mit einer Minimalumsetzung machen? Oder ob das wirklich nicht ohne zusätzliches Wachstum in der Landesverwaltung erledigt werden kann? Es muss ja nicht immer eine Liechtenstein-finish-Version oder Liechtenstein-polish-Version sein. Also ich tue mich hier schwer, das muss ich ehrlich sagen. Danke.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Regierungschef-Stellvertreterin Sabine Monauni
Besten Dank, Herr Landtagspräsident. Geschätzte Damen und Herren Landtagsabgeordnete. Ja, «gut Ding braucht Weile». Die Prozesse in Brüssel sind oft beschwerlich und langsam. Man hat auch in diesem Landtag oft die Forderung oder den Wunsch gehört, grössenverträgliche Lösungen mit Brüssel auszuhandeln. Hier geht es eben genau um eine solche grössenverträgliche Lösung, die man nun mit der EU-Kommission aushandeln musste. In diesem Fall waren es vor allem Island und Norwegen, die nach Speziallösungen für ihren speziellen Gebäudebestand mit der EU-Kommission suchten. Eine dieser Lösungen findet auch auf Liechtenstein Anwendung, dass wir diese sehr komplizierten Kostenberechnungen für einen relativ kleinen Gebäudebestand eben nicht in der EU-Dimension übernehmen müssen. Ich finde das sehr zielführend und gut, dass das gelungen ist. Aber das ist nicht, weil Liechtenstein nicht wollte. Das ist ein Zusammenspiel von langwierigen Verhandlungen, wo alle drei EWR/EFTA-Staaten involviert sind, da wir ja mit einer Stimme sprechen, sonst können wir diese Richtlinie nicht übernehmen. Bezüglich des Votums des Abg. Sascha Quaderer möchte ich einfach sagen: Wir suchen in Liechtenstein stets die beste Lösung oder Umsetzung für solche Richtlinien. Hier geht es ja vor allem darum, dass wir auch das Regelungsgefälle zur Schweiz auflösen können, das wir jetzt aktuell haben. Ich denke, daher wird auch die Umsetzung hier einen Mehrwert für unsere Bauherren und Planer haben, weil wir hier wieder mit den Schweizer Mustervorschriften - die wir ja benutzen, um die Richtlinie umzusetzen - das Regelungsgefälle dann auflösen können, und ich denke daher auch, es wird zu weniger Aufwand und Komplexität auf dem Markt führen. Also ich denke, dass diese Richtlinie doch auch einen Mehrwert hat. Ich bin der Meinung, wenn man Vorschriften erlässt - und diese kantonalen Mustervorschriften für das Bauwesen sollen dann auch entsprechend im Vollzug angewendet werden -, dann braucht es halt auf der Verwaltungsseite auch einen gewissen Aufwand. Und ich denke, die 60% sind hier sicher nicht überproportional bemessen. Besten Dank.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Regierungsrätin Graziella Marok-Wachter
Besten Dank für das Wort. Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete. Ich möchte noch auf das Votum von Herrn Patrick Risch erwidern, wo er zum Ausdruck bringt, dass bei einer früheren Einführung der EU-Gebäuderichtlinie die grossen Hochbauprojekte des Landes einen anderen Standard hätten. Ich kann Ihnen versichern, alle vier Projekte - der Neubau des Dienstleistungszentrums Giessen, des Schulzentrums Unterland II, die Erweiterung des Schulzentrums Mühleholz und die Umnutzung des Post- und Verwaltungsgebäudes in Vaduz für die Landesbibliothek - erfüllen die Vorgaben dieser EU-Gebäuderichtlinie II, obwohl diese in Liechtenstein noch nicht umgesetzt wurde. Wir haben das bereits in der Postulatsbeantwortung betreffend die Vorbildfunktion des Staates im Bereich Klima und Energie festgehalten. Alle im Bau befindlichen Hochbauten mit dem Label «Standard nachhaltiges Bauen Schweiz», also kurz SNBS, sind nach diesem Label zertifiziert. Wenn die Gebäude nach diesem Label zertifiziert sind, erfüllen sie die Anforderungen der EU-Gebäuderichtlinie. Die Mitarbeiter der Abteilung Baurecht im Amt für Hochbau und Raumplanung bestätigen mir dabei, dass wenn ein Gebäude eben mit diesem Label zertifiziert wird, es gleichzeitig die Anforderungen der Gebäuderichtlinie II erfüllt - dies unabhängig davon, ob es sich um eine Zertifizierung SNBS Silber, Gold oder Platin handelt. Ich möchte diese Ausführungen auch nutzen, um zu erwähnen, dass wir initial beim Erweiterungsbau beim Schulzentrum Mühleholz die Zertifizierung SNBS Silber angestrebt haben. Abklärung der Stabsstelle für staatliche Liegenschaften haben nun ergeben, dass wir mit zusätzlichen Mitteln die Zertifizierung SNBS Gold erreichen können. Wir prüfen daher aktuell die Erstellung eines Berichts und Antrags mit einem Ergänzungskredit, der es Ihnen in diesem Hohen Haus ermöglicht, zu entscheiden, ob wir ein noch hochwertigeres Schulzentrum bauen sollen oder nicht. Wie gesagt, die Vorgaben der EU-Gebäuderichtlinie halten wir jedenfalls ein. Besten Dank.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank. Es gibt keine weiteren Wortmeldungen, somit wenden wir uns dem Antrag zu: «Der Hohe Landtag wolle dem Beschluss Nr. 135/2022 vom 29. April 2022 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses die Zustimmung erteilen.» Wer mit diesem Antrag einverstanden ist, gebe bitte die Stimme ab. Abstimmung: Zustimmung mit 21 Stimmen
Landtagspräsident Albert Frick
Der Landtag hat mit 21 Stimmen die Zustimmung erteilt und wir haben Traktandum 14 abgeschlossen. -ooOoo-