Beteiligung des Fürstentums Liechtenstein am Instrument für finanzielle Hilfe im Bereich Grenzverwaltung und Visumpolitik (Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands) (BMVI-Fonds) (Nr. 86/2023)
Landtagspräsident Albert Frick
Wir kommen zu Traktandum 11: Beteiligung des Fürstentums Liechtenstein am Instrument für finanzielle Hilfe im Bereich Grenzverwaltung und Visumpolitik (Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands). Der Bericht und Antrag trägt die Nr. 86/2023 und steht zur Diskussion.Abg. Dietmar Lampert
Besten Dank für das Wort, Herr Präsident, geschätzte Damen und Herren Abgeordnete. Mit dem Beitritt Liechtensteins zum Schengen-Raum am 19. Dezember 2011 hat sich unser Land auch zur Übernahme von Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstandes verpflichtet. Im Rahmen seiner Assoziierung an Schengen/Dublin beteiligte sich Liechtenstein bereits in der Vergangenheit am Aussengrenzenfonds (AFG) und dem Nachfolgeinstrument, dem Fonds für die innere Sicherheit im Bereich Aussengrenzen und Visa, dem sogenannten ISF-Borders. Im Rahmen dieser Fonds werden Schengen-Staaten, die aufgrund ihrer ausgedehnten Land- oder Seegrenzen sowie bedeutenden internationalen Flughäfen hohe Kosten für den Schutz der Schengen-Aussengrenzen tragen, mit projektgebundenen Mitteln unterstützt. Im vorliegenden Bericht und Antrag geht es um die Übernahme der Verordnung EU-2021/1148, einem Finanzierungsinstrument im Bereich Grenzverwaltung und Visumpolitik, dem sogenannten Border Management and Visum Instrument, kurz BMVI-Fonds, dem Nachfolger des ISF-Borders. Beim BMVI handelt es sich um einen Solidaritätsfonds, welcher den Aussengrenzenschutz erhöhen und die Visa-Erteilung verbessern soll. Das übergeordnete Ziel ist die Erhöhung der Sicherheit des gesamten Schengen-Raums. Dazu gibt es einige Auflagen und zu erfüllende Regeln, welche auch technische Bedürfnisse nach sich ziehen, zum Beispiel Scanner an Grenzen, Funkgeräte, IT-Systeme, usw. Auch Liechtenstein soll sich als Schengen-Staat an diesem Fonds beteiligen und ist deshalb zur Übernahme der Verordnung im Rahmen von Schengen verpflichtet. Als Schengen-Staat hat Liechtenstein wiederum auch selbst die angesprochenen Auflagen zu erfüllen und kann die dafür nötigen Ausgaben wiederum auch grösstenteils aus dem Fonds refinanzieren. Aus heutiger Sicht wird sich Liechtenstein über die Laufzeit von sieben Jahren, 2021 bis 2027, mit circa EUR 2,9 Mio., inklusive der Reserven am BMVI Fonds beteiligen und im gleichen Zeitraum Fördergelder von voraussichtlich EUR 8 Mio. für Massnahmen zur Unterstützung der integrierten Grenzverwaltung und der gemeinsamen Visumpolitik beziehen, was gesamthaft gesehen als klar vorteilhaft zu bewerten ist.Sämtliche Schengen-assoziierten Staaten, darunter die Schweiz, werden sich am BMVI-Fonds beteiligen. Der speziellen Ausgangslage Liechtensteins wurde in einem mit der EU-Kommission verhandelten Zusatzabkommen Rechnung getragen. Aber im Gegensatz zur Schweiz kann Liechtenstein in der direkten Mittelverwaltung am BMVI-Fonds teilnehmen. Dies bedeutet, dass liechtensteinische Projektnehmer ihre Finanzierungsanträge direkt bei der EU-Kommission stellen können. Dadurch muss Liechtenstein keine zusätzliche nationale Behörde einzurichten. Dadurch resultiert ein geringerer Verwaltungsaufwand und ermöglicht Liechtenstein dennoch die volle Erfüllung seiner Pflichten im Rahmen der Schengen-Assoziierung. Diese Zusatzvereinbarung darf also durchaus als Erfolg bewertet werden, dazu gilt ein Dank an allen daran Beteiligten. Ich kann somit den Anträgen der Regierung folgen und bin für das Eintreten auf diese Gesetzesvorlage. Besten Dank.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Abg. Manuela Haldner-Schierscher
Besten Dank. Mit einer gemeinsamen Visumpolitik und dem kohärenten Management der Aussengrenzen «soll eine solide und wirksame integrierte europäische Grenzverwaltung an den Aussengrenzen aufrechterhalten werden, um ein hohes Mass an innerer Sicherheit zu gewährleisten und damit auch beizutragen, den freien Personenverkehr innerhalb des Schengen-Raums zu gewährleisten». So ist es in der Zusammenfassung des vorliegenden Berichts und Antrags zu lesen. Auf Seite 31 und 32 krönen dann die betroffenen UNO-Nachhaltigkeitsziele diesen Antrag auf finanzielle Hilfe im Bereich Grenzverwaltung und Visapolitik. Die genannten SDG 10: Weniger Ungleichheiten, 16: Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen sowie insbesondere das Unterziel 10.7: die Erleichterung einer geordneten, sicheren, regulären und verantwortungsvollen Migration und Mobilität von Menschen durch die Anwendung einer planvollen und gut gesteuerten Migration könnte ja die Hoffnung aufkeimen lassen, dass Europa gewillt ist, eine verantwortungsvolle, humanitäre Migrationspolitik zu verfolgen.Doch was passiert stattdessen? Eine unsägliche Diskursverschiebung in ganz Europa nach Rechtsaussen. Das Thema Migration steht im Fokus der politischen Debatten, vorzugsweise mit dem Spin der Abschottung. Die Festung Europa muss gesichert werden gegen den scheinbar unkontrollierbaren Ansturm von Menschen, die unter Umständen gar keine «richtigen» Flüchtlinge sind. Wir wollen nur die «guten» Flüchtlinge, die nach unserem subjektiven Ermessen tatsächlich Grund hatten zu flüchten. Wir wollen Migration von Arbeitskräften, nicht «Arbeitskräfte» mit Anführungszeichen. Es ist kein Tabu mehr, öffentlich in einer wohltemperierten Grausamkeit darüber zu sinnieren, dass man halt das «undenkbare Denken» und «moralisch schwierige Entscheidungen» zu treffen habe. Wir nehmen es in einer unerschütterlichen Unaufgeregtheit in Kauf, dass vor den Aussengrenzen tausende Frauen, Männer, Jugendliche, Kinder, Babys auf der Flucht vor Krieg, Terror, Ausbeutung, Missbrauch, Gewalt, Hunger, Dürren, Überschwemmungen, Perspektivenlosigkeit und Elend im Mittelmeer ertrinken. Und mit jedem Todesopfer ertränkt Europa die letzten Reste an Menschlichkeit. Denn wo kommen wir denn hin, wir können sie doch nicht alle aufnehmen.Um eine verantwortungsvolle Migrationspolitik zu gestalten, ist es unerlässlich, auch die Fluchtursachen zu bekämpfen. Dies ist ein Akt der globalen Solidarität und Gerechtigkeit. Es geht darum, die Lebensbedingungen so zu verbessern, stabile Verhältnisse und Frieden in den Herkunftsländern zu fördern, Klimaschutzmassnahmen zu ergreifen, sodass Menschen nicht zur Flucht gezwungen sind.Welche Punkte sind wichtig für eine migrationsfreundliche und menschenwürdige Politik?- Sichere und legale Migrationswege um das Sterben auf den Migrationsrouten zu verhindern und den Menschenhandel zu bekämpfen.
- Faire Asylverfahren
- Förderung der Integration
- Antidiskriminierung
- Familienzusammenführung
- Entwicklungshilfe und Kooperation
- Klimagerechtigkeit
- Arbeitsmigration
- Bildung und Aufklärung über Migration und das Wichtigste:
- Achtung und Wahrung der Menschenrechte
Es ist mir klar, dass Liechtenstein verpflichtet ist, sich finanziell zu beteiligen an den Kosten für Grenzverwaltung im Schengen-Raum und es naiv wäre zu glauben, dass wir den grossen Ländern die Asylpolitik diktieren können. Dennoch befinde ich mich in einem Dilemma. Nur das Geld zu sprechen, ohne Forderungen und Bedingungen zu stellen, hiesse, das gegenwärtige System, wie es ist, hinzunehmen. Das Geld nicht zu sprechen, als stiller Protest, ist zwar eine Haltung, die jedoch den Verlierern einer menschenverachtenden Migrationspolitik auch nicht hilft. Deshalb bitte ich die Regierung auszuführen, wie sie die Migrationspolitik Europas beurteilt. Teilen Sie die Haltung, dass mehr getan werden kann und getan werden muss, die Fluchtursachen zu bekämpfen und eine menschenwürdigere Migrationspolitik zu betreiben? Wie kann sich Liechtenstein in die Diskussion über die künftige Migrationspolitik Europas einbringen? Vielen Dank.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Abg. Bettina Petzold-Mähr
Besten Dank für das Wort. Ich bedanke mich bei der Regierung für diesen Bericht und Antrag und bei meinem Vorredner, dem Abg. Lampert, für die ausführliche und aufschlussreiche Zusammenfassung. Aus Gründen der Effizienz werde ich hier jetzt auf eine neuerliche Zusammenfassung beziehungsweise die Wiederholungen verzichten. Ich werde diesem Finanzbeschluss zustimmen, da ich die Effizienzvorteile, die diese Vorlage mit sich bringt für unsere Verwaltung, begrüsse und den Wert dieser Vorlage für Liechtenstein erkenne. Besten Dank.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Abg. Georg Kaufmann
Ich möchte auch noch gerne einige Aussagen machen, und vor allem meine Fraktionskollegin in ihren Ausführungen unterstützen. Gemäss dem Bericht und Antrag geht es um eine solide und wirksame integrierte europäische Grenzverwaltung an den Aussengrenzen und diese soll zwei Ziele haben. Erstens, innere Sicherheit zu gewährleisten, das heisst unerwünschte Migration zu verhindern. Zweitens, den freien Personenverkehr innerhalb des Schengen-Raumes zu gewährleisten. Dafür wurden die letzten Jahre EUR 2,76 Mia. im Rahmen des ISF-Borders ausgegeben. Jetzt sollen in den nächsten sechs Jahren dreimal so viel, EUR 6,2 Mia., dafür ausgegeben werden. Auf der Seite 19 lese ich sogar, dass für Migration und Grenzverwaltung total EUR 22,7 Mia. ausgegeben werden. Und wie erreichen wir die beiden Ziele? Wie steht es darum, dass wir unerwünschte Migration verhindern? Wo stehen wir heute? Und wie steht es mit dem freien Personenverkehr innerhalb der EU? Immer mehr Länder möchten wieder Grenzkontrollen einführen. Also beide Ziele werden nicht erreicht und ich frage mich denn auch, sollte Europa nicht langsam überlegen, ob sie mit dieser Abschottung auf dem richtigen Weg sind? Danke.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Regierungschef-Stellvertreterin Sabine Monauni
Besten Dank. Ich glaube, es ist klar, um was es hier geht. Es ist eine Schengen-Weiterentwicklung. Wir sind verpflichtet, im Rahmen der Schengen-Beteiligung diese auch mitzutragen, vor allem sind wir verpflichtet, uns auch finanziell an der Grenzverwaltung der Aussengrenzen zu beteiligen. Ich denke, als Land ohne Flughafen und Aussengrenze gebührt es sich auch, dass wir hier zu den Lasten der Länder, die eben an den Aussengrenzen sind, beitragen. Ich denke auch, dass es hier letztlich auch nicht um die gemeinsame Asylpolitik geht respektive nur indirekt. Es geht hier um die Sicherheit im Inneren von Europa, dass wir eben ohne Grenzkontrollen im Inneren reisen können. Ich meine, das ist der grosse Vorteil, wenn wir klare Regeln an den Aussengrenzen haben. Sie haben gefragt, wie die Regierung die europäische Migrationspolitik beurteilt. Hier möchte ich festhalten: Wir sind nicht EU-Mitglied, wir sitzen zwar am Tisch als Schengen-assoziiertes Mitglied bei den Innenministerräten, aber wir sind nicht Teil der gemeinsamen europäischen Asylpolitik. Wir machen uns aber jeweils stark und geben Voten ab, dass wir uns für eine humanitäre Asylpolitik einsetzen, die auch den Menschenrechten Rechnung trägt, aber wir als Land Liechtenstein haben kein Stimmrecht und können hier auch nicht darauf einwirken. Aber wenn es um den Schengen-Besitzstand geht, da sind wir dann gefordert, diesen eben zu übernehmen, aber die gemeinsame Asylpolitik steht ausserhalb der Schengen-Beteiligung und insofern können wir hier auch nicht mitstimmen. Besten Dank.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank. Keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zum Antrag; wir wenden uns zuerst den zwei Anträgen der Regierung zu und wenden uns danach dem Finanzbeschluss zu. Ich bitte den Parlamentsdienst die Anträge zu lesen. Die Anträge lauten: Der «Hohe Landtag wolle der Übernahme der Verordnung (EU) 2021/1148 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juli 2021 zur Schaffung eines Instruments für finanzielle Hilfe im Bereich Grenzverwaltung und Visumpolitik im Rahmen des Fonds für integrierte Grenzverwaltung zustimmen» und «dem Abkommen zwischen der Europäischen Union und dem Fürstentum Liechtenstein über zusätzliche Regeln in Bezug auf das Instrument für finanzielle Hilfe im Bereich Grenzverwaltung und Visumpolitik im Rahmen des Fonds für integrierte Grenzverwaltung für den Zeitraum 2021 bis 2027 seine Zustimmung erteilen».Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank. Wer mit diesen Anträgen einverstanden ist, möge bitte die Stimme abgeben. Abstimmung: Zustimmung mit 23 Stimmen
Landtagspräsident Albert Frick
Dem Antrag der Regierung wurde mit 23 Stimmen zugestimmt. Wir kommen zum Finanzbeschluss. Ich bitte den Finanzbeschluss zu lesen. Art. 1 wird aufgerufen.
Landtagspräsident Albert Frick
Art. 1 steht zur Diskussion.
Sie wird nicht benützt. Wir können weiterlesen.
Art. 2 wird aufgerufen.
Landtagspräsident Albert Frick
Art. 2 steht zur Diskussion.
Sie wird nicht benützt. Wir stimmen ab. Wer dem vorliegenden Finanzbeschluss die Zustimmung erteilen will, möge bitte die Stimme abgeben.
Abstimmung: Zustimmung mit 22 Stimmen
Landtagspräsident Albert Frick
Der Landtag hat dem Finanzbeschluss mit 22 Stimmen bei 25 Anwesenden zugestimmt und wir haben Traktandum 11 erledigt. -ooOoo-