Abkommen zur Koordinierung der sozialen Sicherheit zwischen Island, dem Fürstentum Liechtenstein, dem Königreich Norwegen und dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien und Nordirland (Nr. 98/2023)
Landtagspräsident Albert Frick
Wir kommen zu Traktandum 32: Abkommen zur Koordinierung der sozialen Sicherheit zwischen Island, dem Fürstentum Liechtenstein, dem Königreich Norwegen und dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien und Nordirland.Der Bericht und Antrag der Regierung trägt die Nummer 98/2023 und steht zur Diskussion.Abg. Bettina Petzold-Mähr
Besten Dank für das Wort, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, geschätzte Regierung. Als Folge des Brexits musste Liechtenstein für die Zusammenarbeit mit UK neue rechtliche Grundlagen schaffen. Hierfür wurden in der Vergangenheit bereits drei Abkommen abgeschlossen. Als Erstes wurde das Abkommen abgeschlossen, dieses gewährleistet den EWR-, EFTA-Staatsangehörigen, die zum Zeitpunkt des Austritts in UK lebten, weitgehend die gleichen Rechte wie vor dem Austritt. Als Zweites wurde das Handelsabkommen zwischen der Schweiz und UK, welches mittels Zusatzabkommen auf Liechtenstein ausgedehnt wurde und den Warenverkehr regelt, abgeschlossen. Als letztes kam das Freihandelsabkommen im Jahr 2022 dazu, welches den grenzüberschreitenden Dienstleistungshandel einschliesslich Finanzdienstleistungen und auch Bereiche wie Investitionen, Schutz des geistigen Eigentums, digitaler Handel, Kapitalverkehr und öffentliches Auftragswesen regelt. Mit diesem hier nun vorliegendem Abkommen, wird nun auch die Lücke im Bereich der sozialen Sicherheit geschlossen. Zum einen wird eine Gleichstellung für liechtensteinische Staatsangehörige, die sich in UK aufhalten, zum Beispiel Studenten, Urlauber oder Arbeitnehmer, analog der Abkommen der EU und Schweiz mit UK geschaffen. Zum anderen ist dieses Abkommen auch für unsere Wirtschaft von grosser Bedeutung, da es auch alle Grenzgänger umfasst. Ein Grenzgänger, der in Liechtenstein arbeitet, aber nicht in Liechtenstein lebt, erfüllt nun auch das Erfordernis des rechtmässigen Aufenthalts gemäss dem Abkommen, was natürlich sehr zu begrüssen ist. Dieser Zusatz wurde von Liechtenstein im ganzen Prozess mehrfach mit viel Nachdruck verhandelt, da er für die anderen Staaten weniger von Relevanz ist. Ich werde dem Abkommen zustimmen und möchte mich ausdrücklich bei allen Beteiligten für ihren Einsatz und ihr Verhandlungsgeschick bedanken. Besten Dank. Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Abg. Wendelin Lampert
Besten Dank, Herr Präsident, für das Wort. Ich habe nur zwei Fragen, die erste betrifft die Seite 10. Da führt die Regierung aus: «Die wichtigste Ausnahme betrifft die Invalidenversicherung. Das Abkommen sieht keinen Export von Leistungen der Invalidenversicherung vor. Das bedeutet, dass liechtensteinische Staatsangehörige keine britischen Invalidenleistungen beziehen können, wenn sie ausserhalb von UK leben.» Da würde mich interessieren, wie sieht das auf der anderen Seite aus? Können britische Staatsangehörige Leistungen aus der IV von Liechtenstein beziehen? Es wird dann auch noch erwähnt, diese Ausnahme hätten auch EU-Mitgliedsstaaten oder auch die Schweiz UK zugestanden. Es wird dann aber erwähnt, dass die Schweiz einen sogenannten Reziprozitätsvorbehalt kenne, den wir nicht haben. Und ich frage mich schon: Wäre das für Liechtenstein nicht auch ein Vorteil, gerade für solche Abkommen, wenn wir auch einen solchen Vorbehalt hätten? Die Regierung führt dann auf Seite 10 aus, dass sie das nicht als sinnvoll ansieht. Aber ich möchte da doch die Regierung bitten, noch Ausführungen zu machen, ob das nicht doch auch sinnvoll wäre, denn persönlich gehe ich davon aus, dass britische Staatsbürger durchaus ein Anrecht auf Leistung aus der IV von Liechtenstein haben, und umgekehrt gilt das nicht. Dann der zweite Punkt, Seite 24 zum Anhang 3: Da sind die Vertragsstaaten aufgelistet, die den Anspruch auf Sachleistungen für Familienangehörige von Grenzgängern einschränken und Liechtenstein gehört nicht zu diesen Staaten. Das wird dann auch in der grünen Beilage entsprechend bestätigt. Da möchte ich die Regierung bitten, auch Ausführungen zu machen, ob hier mitunter eine Änderung angedacht ist oder wie hier der Stand der Dinge ist.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Regierungsrätin Dominique Hasler
Herr Präsident, geschätzte Frauen und Herren Abgeordnete. Nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU und dem EWR mussten, wie wir alle wissen, die bestehenden Rechte gesichert und die Beziehungen zu UK neu geregelt werden. Und ich möchte dies nochmals zusammenfassen, was das auch für einen Prozess in der Zusammenarbeit mit Ihnen zur Folge hatte. Die Regierung hat dem Hohen Landtag in diesem Zusammenhang in den letzten Jahren mehrere Abkommen vorgelegt. Das Austrittsabkommen, das gewährleistet, dass die Personen, die bereits vom 1. Januar 2021 in UK beziehungsweise in Liechtenstein gelebt haben, ihren bisherigen Rechte beibehalten. Dann das Handelsabkommen zwischen UK, der Schweiz und Liechtenstein, das den zollfreien Warenverkehr weiterführt und das freie Handelsabkommen zwischen UK, Island, Liechtenstein und Norwegen, das die Handelsbeziehungen neben dem Warenverkehr wie Dienstleistungen, Investitionen, Kapitalverkehr und Schutz des geistigen Eigentums regelt. Das vorliegende Abkommen ergänzt die bestehenden Abkommen um den wichtigen Bereich der sozialen Sicherheit, denn die solzialversicherungsrechtliche Koordinierung ist von sehr grosser Bedeutung für den Wirtschaftsstandort, was sich zum Beispiel in jüngster Vergangenheit an den Diskussionen über die Regelungen im Zusammenhang mit Homeoffice gezeigt hat. Im gesamten Brexitprozess stand für die Regierung bei den Verhandlungen auch bei diesem Abkommen im Zentrum, eine Schlechterstellung von liechtensteinischen Staatsangehörigen in Vergleich zu EU-Bürgerinnen und -Bürgern sowie schweizerischen Staatsangehörigen zu vermeiden. Zudem sollte die sozialversicherungsrechtliche Koordinierung mit UK so weit als möglich auf dem gleichen Niveau wie vorher fortgeführt werden können. Wir sind sehr dankbar, dass beide Ziele erreicht werden konnten. Das Abkommen deckt sich mit dem Abkommen zwischen der EU und UK sowie zwischen der Schweiz und UK. Zusätzlich wurden auch liechtensteinspezifische Anliegen aufgenommen. So können mit der Ausdehnung der persönlichen Geltungsbereiche auf sämtliche Staatsangehörigkeiten alle in Liechtenstein lebenden und arbeitenden Personen vom Abkommen profitieren. Das Abkommen stellt im Bereich der sozialen Sicherheit weitgehend den Status quo vor Brexit wieder her, was den Versicherten, den Unternehmen und den zuständigen Institutionen zugute kommt. Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen, die diese Verhandlungen geleitet haben, für ihren sehr wichtigen Einsatz bedanken.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Regierungsrat Manuel Frick
Besten Dank für das Wort. Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete. Ich werde gerne auf die Fragen des Abg. Lampert eingehen. Ich kann da als ehemaliger Diplomat etwas in der Vergangenheit schwelgen, da es ein Mischthema ist zwischen der Aussenpolitik und dem Sozialversicherungsrecht, und ich es auch geschätzt habe, da wieder mal mit dem ehemaligen Diplomatenkolleg/-innen zusammenzuarbeiten, welche, das kann ich hier bestätigen, hervorragende Arbeit geleistet haben. Nun zu Ihren drei Fragen. Können britische Staatsangehörige Leistungen aus der liechtensteinischen IV beziehen? Ja, britische Staatsangehörige können Leistungen aus der liechtensteinischen IV beziehen, wenn sie die Voraussetzungen, wie die Mindestversicherungszeit von einem Jahr, erfüllen. Die zweite Frage: Wäre ein Reziprozitätsvorbehalt, wie ihn die Schweiz hat, nicht genau für solche Abkommen doch sinnvoll? Ein Reziprozitätsvorbehalt ist für Liechtenstein aus Sicht der Regierung nicht sinnvoll. Erstens verfügt Liechtenstein, wie im Bericht und Antrag ausgeführt, nicht über die Ressourcen, um regelmässig bilaterale Sozialversicherungsabkommen abzuschliessen beziehungsweise es besteht bei Staaten, wie zum Beispiel den USA, aufgrund der geringen Anzahl von Fällen kein Interesse an einem Abkommen mit Liechtenstein. Mit einem Reziprozitätsvorbehalt würde Liechtenstein einen verhältnismässig grossen Personenkreis vom Bezug einer IV-Rente ausschliessen, wenn diese in ihren Heimatstaat zurückkehren. Zweitens ist der vorliegende Fall insbesondere speziell, als normalerweise Abkommen gerade den gegenseitigen Export vorsehen. Die Ausnahme für UK hat ihren Grund darin, dass IV-Renten in UK nicht als Sozialversicherungsleistung, sondern als Sozialhilfe gelten. Sozialhilfeleistungen sind nicht exportpflichtig. Für Norwegen, Island und Liechtenstein war diese Tatsache nicht verhandelbar, da sie bereits von der EU und der Schweiz in ihrem Abkommen mit UK akzeptiert worden war. Dann die dritte Frage zum Anhang 3: Das Abkommen sollte so weit wie möglich die im EWR geltenden Regelungen übernehmen. Da war der Fokus darauf gerichtet, möglichst wenige Abweichungen zu EWR-Regelungen und auch zum EFTA-Übereinkommen, insbesondere zur Vaduzer Konvention zu haben. Dies gewährleistet, dass die Handhabung in der Praxis für die Anwender möglichst einfach ist, weil es praktisch keine Unterschiede gibt. Sowohl im EWR-Abkommen als auch im EFTA-Übereinkommen sind in den Anhängen 3 bei den Sachleistungen für Familienangehörige von Grenzgängern Norwegen, Island und das Vereinigte Königreich angeführt. Eine Änderung wäre in Anbetracht der Homogenität in der Anwendung nicht wünschenswert.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank. Wenn es keine weiteren Wortmeldungen mehr gibt, wenden wir uns dem Antrag der Regierung zu. Der Antrag lautet: Der «Hohe Landtag wolle dem Abkommen zur Koordinierung der sozialen Sicherheit zwischen Island, dem Fürstentum Liechtenstein, dem Königreich Norwegen und dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien und Nordirland seine Zustimmung erteilen.» Wer mit diesem Antrag einverstanden ist, möge bitte die Stimme abgeben.
Abstimmung: Zustimmung mit 25 Stimmen
Landtagspräsident Albert Frick
Der Landtag hat mit 25 Stimmen die Zustimmung einhellig erteilt. Und wir haben Traktandum 32 erledigt. -ooOoo-