Beschluss Nr. 172/2002 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses (Richtlinie 2002/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2002 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft) (Nr. 16/2003)
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Damit kommen wir zu Traktandum 15: Beschluss Nr. 172/2002 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses (Richtlinie 2002/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2002 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft). Der Bericht und Antrag der Regierung Nr. 16/2003 steht zur Diskussion.Abg. Hugo Quaderer:
Danke, Herr Präsident. Mit der Richtlinie zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft wird das Ziel verfolgt, den Einbezug der Arbeitnehmer in die Unternehmensabläufe und in die Entscheidungen, welche die Beschäftigten betreffen, sicherzustellen. Mit der Richtlinie sollen somit die Arbeitnehmer stärker in die Gestaltung der Zukunft des eigenen Unternehmens einbezogen werden. Gemäss den allgemeinen Erwägungen, welche dem eigentlichen Inhalt der Richtlinie vorangestellt sind, ist aus der Sicht der EU-Politikmacher die rechtzeitige Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer eine Vorbedingung für die erfolgreiche Bewältigung von Umstrukturierungsprozessen und für erfolgreiche Anpassungen der Unternehmen an die im Zuge der Globalisierung der Wirtschaft geschaffenen neuen Rahmenbedingungen. Aus diesen Gründen ist nach Ansicht der EU-Kommission der Erlass eines harmonisierten Rechtsrahmens für die Anhörung und Unterrichtung der Arbeitnehmer notwendig. Die Richtlinie soll garantieren, dass einerseits die Belastung für die Unternehmen oder Betriebe auf ein Mindestmass begrenzt, und andererseits aber auch die wirksame Ausübung der eingeräumten Rechte gewährleistet wird. Mit dem Gesetz über die Information und Mitsprache der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Betrieben, dem so genannten Mitwirkungsgesetz, hat Liechtenstein das Instrument der Information von Arbeitnehmern bereits eingeführt. Die Regierung schreibt im vorliegenden Bericht und Antrag allerdings, dass die nun neu umzusetzende Richtlinie entscheidend weiter geht als das Mitwirkungsgesetz, weshalb mit der Umsetzung der Richtlinie eine Abänderung des Mitwirkungsgesetzes notwendig sei. Zur Einschätzung der Frage, ob die vorliegende Richtlinie 2002/14 auch tatsächlich mit den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen in Liechtenstein systemkompatibel ist, stellen sich deshalb konkrete Fragen zu den Erfahrungen, welche mit dem Mitwirkungsgesetz in den letzten Jahren gemacht wurden. So möchte ich von der Regierung wissen: Wie sind die Erfahrungen bezüglich Art. 4 des Mitwirkungsgesetzes? Konkret: In wie vielen Betrieben hat eine geheime Abstimmung betreffend die Bestellung einer Arbeitnehmervertretung bereits stattgefunden? Interessant ist auch zu wissen, wie viele Betriebe und Unternehmen es in Liechtenstein mit 20 bzw. 50 Arbeitnehmern gibt. Für mich ist dieses quantitative Kriterium wichtig bei der Beurteilung der praktischen Auswirkungen der Richtlinie. Wie stellt sich die Regierung zur Frage der gemäss Richtlinie geforderten Einrichtung von Betriebsräten und Gewerkschaftsvertretungen? Aufgrund der mit dem Mit-wirkungsgesetz gemachten Erfahrungen kann die Regierung sicherlich eine realistische Einschätzung abgeben. Ich habe auch noch eine konkrete Frage zu Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie. Dort heisst es, ich zitiere: «Die Mitgliedstaaten können spezifische Bestimmungen für Unternehmen oder Betriebe vorsehen, die unmittelbar und überwiegend politischen, koalitionspolitischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Bestimmungen oder Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäusserung dienen, falls das innerstaatliche Recht Bestimmungen dieser Art zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie bereits enthält». Meine Frage: Gibt es in Liechtenstein Unternehmen, welche unter diese Ausnahmeregelung fallen könnten?Ich bin mir durchaus bewusst, dass meine Fragen zum Teil ins Detail gehen, was bei einer Übernahme der Richtlinie eher unüblich ist. Zur Einschätzung der praktischen Auswirkungen der Richtlinie - die Abg. Ingrid Hassler hat das bei Traktandum 12 bereits erwähnt - und somit zur Relevanz für Liechtenstein ist es aber für mich wichtig, bereits jetzt Antworten zu diesen Fragen zu bekommen. Für mich stellt sich auch die konkrete Frage nach dem Unterschied zwischen einem Betrieb und einem Unternehmen gemäss der Definition in der Richtlinie. Zum Schluss möchte ich auch die Aussage im Bericht und Antrag hinterfragen, dass mit der Umsetzung der Richtlinie keine personellen und finanziellen Konsequenzen für das Land Liechtenstein verbunden sein sollen. Ich bitte die Regierung, hierzu noch nähere Ausführungen zu machen. Je nach Anzahl der unter die Richtlinie fallenden Betriebe und Unternehmen könnte nach meinem Dafürhalten ein doch beträchtlicher Vollzugsaufwand hinzukommen. Zur Erreichung der in der Richtlinie vorgegebenen Ziele ist nicht nur eine richtlinienkonforme Umsetzung in einem Gesetz notwendig. Wenn hier nicht totes Recht geschaffen werden soll, ist ein angemessener Vollzug des Gesetzes unabdingbar. Grundsätzlich unterstütze ich die mit der Richtlinie verfolgten Zielsetzungen. Ich werde der Übernahme der Richtlinie deshalb zustimmen.Abg. Peter Lampert:
Herr Präsident, geschätzte Damen und Herren Abgeordnete. In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit ist es wichtig, dass auch die Arbeitnehmer über die Situation eines Unternehmens unterrichtet werden. Es macht keinen Sinn, wenn die Geschäftsleitung eines Unternehmens die tatsächliche Lage verschleiert und eines Tages der Betrieb dann doch Personal abbauen oder sogar die Produktion einstellen muss. Die Richtlinie, die wir hier in Behandlung ziehen, regelt die Information zwischen Geschäftsleitung und Arbeitnehmer so, dass schliesslich in ganz Europa ein einheitlicher Standard herrscht. Die Arbeitnehmer werden künftig über wirtschaftliche und strategische Angelegenheiten unterrichtet. Über die Beschäftigungsentwicklung müssen sie ebenfalls informiert werden, haben aber auch das Recht auf Anhörung. Ebenso steht den Arbeitnehmern das Recht zu, im Fall von Unternehmensentscheidungen mit möglichen Änderungen für die Arbeitsverträge informiert und angehört zu werden. Ich finde, dass diese Forderungen keine übertriebenen Forderungen sind. Allerdings frage ich mich, ob dieses Recht der Anhörung und Information über die Situation eines Unternehmens nicht für alle Arbeitnehmer gelten soll. Nach dem Regierungsbericht gelten die Arbeitnehmerrechte je nach Entscheidung der Mitgliedstaaten für Unternehmen mit mindestens 50 Arbeitnehmern oder Betriebe mit mindestens 20 Arbeitnehmern. Ich frage mich, ob wir hier nicht alle Betriebe mit einbeziehen sollen, denn in unserem Land hat ein grosser Teil der Betriebe weniger als 20 Mitarbeiter. In der Richtlinie ist immer wieder die Rede von Arbeitnehmervertretern. Wir haben zwar den Liechtensteinischen Arbeitnehmerverband, aber wie wir vernommen haben, war die Delegiertenversammlung vor kurzem nicht beschlussfähig, weil zu wenig Delegierte anwesend waren. Ich denke, wenn wir auf der theoretischen Seite mit dieser Richtlinie die Rechte der Arbeitnehmer stärken, so sollten wir sie auch auf der praktischen Ebene unterstützen. Die Arbeitnehmervertreter in einzelnen Betrieben sollen einen gewissen Rückhalt in einer landesweiten Organisation haben. In diesem Zusammenhang möchte ich die Regierung anfragen, ob sie eine Möglichkeit sieht, durch staatliche Unterstützung die Situation beim Liechtensteinischen Arbeitnehmerverband zu verbessern? Da die Richtlinie erst bis zum 23. März 2005 umgesetzt werden muss, wäre noch genügend Zeit vorhanden, etwas zu unternehmen. Weil die Richtlinie die geforderte Anhörung und Unterrichtung offen lässt, stellt sich für mich die Frage: Wie soll das gehandhabt werden? Braucht es dazu ein Reglement? Gibt es nähere Bestimmungen, in welchem Rahmen eine Information oder eine Anhörung zu erfolgen hat? Damit nicht jeder Betrieb auf seine Art vorgehen kann, würde ich es als sinnvoll erachten, wenn ein einheitlicher Standard in unserem Land geschaffen wird. Gerade ein kleines Land bietet die Chance, dass eine Vereinheitlichung ohne grosse Probleme gemacht werden kann. Ich möchte die Regierung anfragen: Hat sie schon bestimmte Vorstellungen über die konkrete Handhabung der Richtlinie? Ebenso stelle ich die Frage: Wer wird die Kontrolle über die richtige Handhabung der Information und Anhörung ausüben? Ich danke der Regierung für die Beantwortung meiner Fragen und werde dem Beschluss zustimmen.Abg. Wendelin Lampert:
Danke, Herr Präsident. Werte Damen und Herren Abgeordnete. Vieles wurde gesagt, aber noch nicht alles. Die Richtlinie 2002/14/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft bezweckt primär die folgenden Punkte: Im Zuge der Globalisierung der Wirtschaft ist es notwendig, die Arbeitnehmer frühzeitig über die Umstrukturierungsprozesse zu informieren und ihnen somit eine Chance zu geben, sich in die neuen Arbeitsorganisationen zu integrieren. Die Weiterentwicklung des Binnenmarktes muss sich harmonisch vollziehen und in einer Art und Weise, die sicherstellt, dass die wirtschaftliche Entwicklung allen Bürgern gleichermassen zugute kommt. Der beschleunigte und erhöhte Wettbewerbsdruck durch die Umsetzung der Wirtschafts- und Währungsunion erfordert begleitende Massnahmen auf einzelstaatlicher Ebene. Die bestehenden Rechtsrahmen sind allzu sehr darauf ausgerichtet, Wandlungsprozesse im Nachhinein zu verarbeiten, anstatt präventive Massnahmen im Vornherein zu gewährleisten. Es wird primär auf Veränderungen reagiert, anstatt mit rechtzeitigen Aktionen Veränderungen zu verhindern. Die Gründung und Entwicklung von kleineren und mittleren Unternehmungen darf nicht behindert werden. Deshalb soll die Richtlinie für Unternehmungen erst ab mindestens 50 Beschäftigten und für Betriebe erst ab mindestens 20 Beschäftigten massgebend sein. Die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer soll die Belastung der Unternehmer oder Betriebe auf ein Mindestmass begrenzen, zugleich aber die wirksame Auswirkung der eingeräumten Rechte gewährleisten. Diese Richtlinie bringt Rechte und Pflichten sowohl für Sozialpartner als auch für die Unternehmens- und Betriebsebene mit sich. Unternehmen und Betriebe können auf eine Unterrichtung oder Anhörung verzichten, wenn dies der Firma schwer wiegenden Schaden zufügen würde. Weitere Punkte sind: Der Dialog zwischen den Sozialpartnern soll gefördert werden. Die Unterrichtung, Anhörung und Mitwirkung der Arbeitnehmer soll in geeigneter Weise unter Berücksichtigung der in verschiedenen Mitgliedstaaten herrschenden Gepflogenheiten weiterentwickelt werden. Risiken der Unternehmungen sollen frühzeitig erkannt werden und somit den Arbeitnehmern die Möglichkeit geben, sich weiterzubilden, um eine Beschäftigungsunfähigkeit zu vermeiden. Die Beschäftigungsstrategie der Gemeinschaft soll mit den folgenden drei Schwerpunkten umgesetzt werden: Antizipation, Prävention und Beschäftigungsfähigkeit. Das übergeordnete Ziel der Strategie ist Beschäftigungssicherung. Beim Durchlesen der Richtlinie haben sich für mich drei Fragen ergeben. Bei zwei Fragen handelt es sich um dieselben wie diejenigen des Abg. Hugo Quaderer betreffend den Unterschied zwischen der Unternehmung und dem Betrieb. Dies wurde zwar bereits im Rahmen der Aussenpolitische Kommission diskutiert, jedoch kann mich die Antwort nicht überzeugen und auch anhand der Begriffsdefinition gemäss Art. 2 der Richtlinie ist der Unterschied nicht plausibel dargelegt. Kann die Regierung konkrete Beispiele aufzeigen, bei welchen Firmen es sich um Unternehmen und bei welchen es sich um Betriebe handelt?Die zweite Frage bezieht sich auf Art. 8 der Richtlinie, gemäss welcher bei Verstössen administrative oder rechtliche Verfahren sowie Sanktionen, die im Verhältnis der Schwere des Vergehens wirksam, angemessen und abschreckend sind, angewendet werden müssen. Was für konkrete Sanktionen könnte dies im Fall eines Verstosses gegen diese Richtlinie sein?Und die dritte Frage - auch diese wurde bereits vom Abg. Hugo Quaderer gestellt: Ergeben sich im Zusammenhang mit den finanziellen und personellen Auswirkungen keine weiteren Konsequenzen? Auch hier ist nachzulesen, dass weder personelle noch finanzielle Konsequenzen entstehen. Trifft diese Aussage so pauschal zu? Entstehen nicht zum Beispiel bei der Landesverwaltung oder sonstigen Einrichtungen des öffentlichen Rechts mitunter erhebliche personelle und dadurch auch finanzielle Konsequenzen?Die Richtlinie soll mit einer Anpassung des Mitwirkungsgesetzes umgesetzt werden. Ein Zielkonflikt ist bereits vorprogrammiert: Wie soll die Belastung, welche durch die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer entsteht, für die Unternehmen und Betriebe auf ein Mindestmass begrenzt werden und gleichzeitig die wirksame Ausübung der eingeräumten Rechte gewährleistet werden?In den Erwägungsgründen ist explizit aufgeführt, dass die Unterrichtung und Anhörung Rechte und Pflichten sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber mit sich bringt. Für mich ist der Sachverhalt eindeutig. Es wird zu Mehraufwendungen auf beiden Seiten kommen, und somit werden auch Mehrkosten entstehen. Die Regierung wird jedoch sicherlich einen Weg finden, der die Interessen der Arbeitnehmer sicherstellt, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und Betriebe weiterhin gewährleistet und die Vorgaben der Richtlinie berücksichtigt. Die Umsetzung muss grössenverträglich für unser Land erfolgen, Aufwand und Ertrag müssen die verschiedenen Interessen der Partner berücksichtigen. Ich werde dem Beschluss Nr. 172/2002 vom 6. Dezember 2002 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses zustimmen, da es in einer Welt, die sich immer mehr globalisiert - und somit der Wettbewerbsdruck auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber täglich zunimmt - Rahmenbedingungen für die Gleichbehandlung aller Marktteilnehmer braucht.Abg. Paul Vogt:
Ich weiss nicht, ob ich meinen Vorredner richtig verstanden habe. Aber ich habe aus seinem Votum herausgehört, dass es Ziel dieser Richtlinie sei, die Informationsrechte und die Mitwirkungsrechte auf ein Minimum zu beschränken. Ich hoffe, ich habe das falsch aufgefasst, denn meines Erachtens ist genau das Gegenteil der Fall. Diese Richtlinie will ein Mindestmass an Mitwirkung und Information garantieren. Für mich ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die Arbeitnehmer ein Recht auf Information und Anhörung in vielen Fragen haben. Sie sind die unmittelbar Betroffenen von strukturellen Änderungen, sie sind die unmittelbar Betroffenen, wenn es um die Zukunft eines Unternehmens geht. Und in diesem Sinn meine ich auch, dass es unmittelbar mit ihrer Würde zusammenhängt, dass sie ein Recht auf Information haben. Leider ist es in Liechtenstein immer so, dass, wenn man von Arbeitnehmervertretungen spricht, dann gleich das Wort Sozialismus kommt. Ich halte das für unerträglich. Die EU ist meines Erachtens keine sozialistische Organisation. Auch der Landtag war immer sehr zurückhaltend, wenn es um Mitwirkungsrechte geht. Ich finde es daher gut, dass von aussen ein gewisser Druck kommt, dass dieses elementare Anliegen unserer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gesetzlich verankert wird. Ich hoffe, dass sich die Regierung dazu durchringen kann, nicht nur das absolute Minimum gesetzlich zu verankern - das wäre ein Minimum bei den Informationsrechten mit Betrieben mit über 50 Beschäftigten -, sondern dass man hier etwas weiter geht und nicht nur das absolute Minimum gesetzlich gewährleistet. Die Richtlinie eröffnet hier durchaus einen gewissen Spielraum.Bereits bei den Kleinen Anfragen hat der Abg. Peter Sprenger eine Anfrage zum Mitwirkungsgesetz gestellt. Ich möchte diese Anfrage unterstützen. Insbesondere geht es natürlich um die Frage: Inwiefern fühlt sich die Regierung zuständig, die dort verankerten Rechte der Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmervertretungen zu kontrollieren? Werden diese Rechte eingehalten oder werden hier Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer übergangen, weil sich keine Stelle beim Staat zuständig fühlt, dies zu kontrollieren? Offenbar ist es auch so, dass das Amt für Volkswirtschaft nicht bereit ist, Auskünfte zu erteilen, welche Unternehmen überhaupt verpflichtet wären aufgrund der Beschäftigtenzahl, ArbeitnehmerInnen-Vertretungen einzuführen oder wenigstens darüber eine Abstimmung durchzuführen. Ich denke, dass die Regierung verpflichtet ist, auch zugunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die auf diesen Rechten bestehen wollen, Schutzmassnahmen zu ergreifen. Es gibt Repressalien gegenüber einzelnen Beschäftigten, die diese Rechte durchsetzen möchten. Ich möchte gerne von der Regierung wissen: Wie will die Regierung diese Repressalien verhindern? Dies ist auch ein ganz wichtiger Punkt, der hier in der Richtlinie aufscheint.Abg. Wendelin Lampert:
Werter Kollege Vogt. Als Arbeitnehmer werde ich natürlich die Rechte der Arbeitnehmer versuchen zu verteidigen. Aber bereits die Richtlinie, wenn Sie die Gründe der Erwägung nachlesen, zum Beispiel Punkt 22: «Der gemeinschaftliche Rahmen für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer sollte die Belastung der Unternehmen oder Betriebe auf ein Mindestmass begrenzen, zugleich aber auch die wirksame Ausübung der eingeräumten Rechte gewährleisten». Oder dann Punkt 27: «Unterrichtung und Anhörung bringen Rechte und Pflichten für die Sozialpartner auf Unternehmens- oder Betriebsebene mit sich». Auch die Richtlinie erkennt, dass es eine Mehrbelastung geben wird. Primär will sie die Informationspflicht gegenüber den Arbeitnehmern. Die Regierung wird hier einen Weg finden müssen, der primär einmal die Interessen der Arbeitnehmer sicherstellt, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und Betriebe weiterhin gewährleistet und die Vorgaben der Richtlinie berücksichtigt. Es ist hier ein schmaler Grat, den man wandert. Das ist mir schon klar. Aber ich denke mir, wir müssen doch beide Seiten sehen. Und wie Sie auch richtig gesagt haben: Die Richtlinie lässt Spielraum offen und diesen wird die Regierung mit Sicherheit dementsprechend ausnützen. Abg. Markus Büchel:
Danke, Herr Präsident. Ich bin schon etwas verwirrt, auch aufgrund der verschiedenen Voten und Forderungen, die hier hervorgebracht werden. Auf der einen Seite sagt man, wir sollten den Wirtschaftsstandort Liechtenstein nicht unnötig strapazieren und sollten nicht Forderungen aufstellen, die uns gegenüber unseren Nachbarn und Wettbewerbern benachteiligen, und dann fordert man im gleichen Zuge wieder, dass man das, was die EU von uns in der Umsetzung der Richtlinie verlangt, dass man das noch verschärft und ausdehnt, dass man Repressalien einführt usw. Also, man muss sich schon einmal entscheiden, in welche Richtung man gehen will. Ich möchte jetzt auch nicht die Rechte des Arbeitnehmers in Liechtenstein abschwächen, dass die jetzt schlechter sein sollen und sie keine Möglichkeit haben sollen, sich zu wehren. Ich getraue mich hier zu behaupten, dass das bei den grösseren Firmen in Liechtenstein überhaupt kein Thema ist. Dass es auf die Bereiche noch ausgedehnt wird, die hier angeschrieben sind, auch das finde ich sinnvoll. Aber auf der einen Seite muss man auch von jedem Arbeitnehmer verlangen können, dass, wenn er seine Rechte durchsetzen will, dass er sich halt einem Verband anschliesst, dass er dem Arbeitnehmerverband beitritt, dort vielleicht auch etwas Initiative und Unterstützung für diesen Verband zeigt, der eben der Sozialpartner der Wirtschaft ist und auch diese Rechte und Anliegen der Mitarbeiter oder Arbeitnehmer durchsetzt. Aber das hier in eine Form zu bringen und zu verschärfen gegenüber unseren Wettbewerbern wäre komplett daneben.Abg. Ingrid Hassler-Gerner:
Ich werde wie bisher all die Richtlinien natürlich unterstützen. Mir fallen vier Punkte auf, die sich durch die Einführung der Richtlinie und die Übernahme in das nationale Recht nach etwa 2 Jahren gegenüber dem jetzigen Mitwirkungsgesetz, das wir haben, unterscheiden. Zuerst ist es einmal das, dass wir zwar auch immer noch keine Mitbestimmungsrechte einführen, aber immerhin neu das Anhörungsrecht mit all seinen Konsequenzen. Das ist sicher eine Weiterentwicklung der Rechte der Arbeitnehmer und das ist auch für Arbeitgeber wahrscheinlich noch einmal eine zusätzliche Herausforderung. Der zweite Unterschied liegt darin, dass wir im jetzigen Gesetz Betriebe ab 50 Arbeitnehmer dem Gesetz unterstellt haben, neu bleibt es bei Unternehmen ab 50 Arbeitnehmer. Aber wenn wir dann entsprechend der Frage des Abg. Wendelin Lampert geklärt haben, welche Unternehmen hier im Land neu als Betriebe gelten, dann wird das Gesetz ausgeweitet, und zwar auch auf Betriebe mit 20 Arbeitnehmern. Dann sind wir dann noch einmal weiter entfernt als vom jetzigen Regelungswerk. Der dritte Punkt ist - und darum habe ich mich auch gemeldet - und dazu möchte ich auch noch um Auskunft bitten entsprechend Seite 5 des APK-Protokolls, dass in den Anwendungsbereich neu auch die öffentlichen Unternehmen fallen. Das war bzw. ist bis jetzt nicht der Fall. Hier wollte ich erfahren, wen dies in Liechtenstein konkret betreffen kann und wie weit die mit der Umsetzung dieser Richtlinie verbundenen Rechtswirkungen für öffentliche Unternehmen - für mich sind auch vielleicht der Staat oder andere Anstalten gemeint - wie weit diese gehen. Und der 4. Punkt - ich glaube, das darf man in der Praxis nicht unterschätzen - ist Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie, wo genau umschrieben wird, was die Unterrichtung und Anhörung umfasst. Und da sind schon, wenn man es wirklich praktiziert, weit reichende Informationen beabsichtigt. Es geht hin bis zur strategischen Ausrichtung des Unternehmens. Und zu diesen vier Fragenkomplexen wäre ich um die Antwort der Regierung froh. Ich habe alle davon in der APK angesprochen und auch darum gebeten, dass das Ressort Wirtschaft uns heute eine mündliche Stellungnahme abgibt, weil es ja nachher eigentlich beim Gesetz Ihr Amt ist, Herr Regierungsrat, das alles umsetzen wird.Abg. Paul Vogt:
Ich erlaube mir noch einmal eine kurze Replik: Herr Abg. Wendelin Lampert. Es geht hier schon um ein Mindestmass an Mitwirkungsrechten, das garantiert wird. Die Philosophie der Richtlinie ist die, dass man versucht, die Auswirkungen für die Betriebe möglichst klein zu halten. Es muss aber gewährleistet sein, dass die Mitwirkungsrechte effektiv sind und wirklich wahrgenommen werden können. Ich denke, Sie haben den entsprechenden Passus auch zitiert hier in der Richtlinie. Es geht wirklich darum, die Ausübung der Mitwirkungsrechte zu gewährleisten. Nur Informationen, die besonders sensibel sind oder deren Vermittlung für die Betriebe von erheblichem Schaden sein könnten, da ist eine Zurückhaltung möglich. Aber grundsätzlich ist das Anliegen das, dass man dieses Mitwirkungsrecht effektiv macht. Dann eine kurze Replik zum Abg. Markus Büchel: Ich denke nicht, dass dieses Mitwirkungsrecht eine Benachteiligung der liechtensteinischen Industrie darstellen kann, weil dies ja Mindestvorschriften sind, die in allen andern europäischen Unternehmen ebenfalls gewährleistet sind.Im Übrigen bin ich nicht Ihrer Meinung, dass die Einrichtung von Arbeitnehmervertretungen in der liechtensteinischen Industrie bereits heute eine Selbstverständlichkeit ist. Das zeigen Äusserungen aus dem Bereich der Betroffenen ganz klar.Abg. Markus Büchel:
Herr Abg. Vogt. Ich würde dann gerne einmal hören, was für Betriebe das sind. Ich würde das ganz gerne mit Ihnen auch einmal privat besprechen. Grundsätzlich kann ich sagen, dass alle in der Industrie- und Handelskammer zusammengefassten Betriebe - Industrien sage ich jetzt mal - überhaupt kein Problem mit dieser Richtlinie und mit diesen Vorgaben haben, die auch die Regierung hier erstellen wird, auch wenn sie noch stärker ausfallen würden, als wie das, was hier beschrieben ist. Wir haben einen Gesamtarbeitsvertrag mit dem Arbeitnehmerverband Liechtenstein, der ohne weiteres das abdeckt. Und auch alle Betriebe sind dort organisiert. Vielleicht erkundigen Sie sich einmal beim Arbeitnehmerverband, wie das in der liechtensteinischen Industrie funktioniert. Was ich angesprochen habe sind Betriebe in einer Grössenordnung von 2 bis 5 oder 6 Personen. Das habe ich angesprochen. Die Industrie hat da kein Problem. Und darum möchte ich hier einfach anmahnen, dass hier bei der Umsetzung grössenverträglich gehandelt wird und nicht auf die Industrie bezogen, sondern auf die Bereiche, die eben das tagtägliche Leben bei uns ausmachen und wo wir jeden Tag Dienstleistungen von denen zu einem günstigen Preis, zu einem konkurrenzfähigen Preis, erwarten.Landtagspräsident Klaus Wanger:
Wenn es keine weiteren Wortmeldungen mehr aus dem Plenum gibt, gebe ich das Wort Herrn Regierungsrat Frick.Regierungsrat Hansjörg Frick:
Danke, Herr Präsident. Die Regierung wird die Richtlinie umsetzen mit Inhalten, die die Minimalvorgaben abdecken. Dies erscheint aus verschiedenen Gründen angezeigt. Auszugehen ist von einer in Liechtenstein traditionell gegebenen gut funktionierenden Sozialpartnerschaft. Der in der Richtlinie an erster Stelle genannte Grund für die Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft liegt in der Zielsetzung, den sozialen Dialog zwischen den Sozialpartnern zu fördern. Ein über die Richtlinienvorschläge hinausgehendes Regelungsbedürfnis ist in Liechtenstein nicht vorhanden. Dies hängt selbstverständlich auch mit der typischen KMU-Struktur der liechtensteinischen Unternehmenslandschaft zusammen. Drei Viertel aller Unternehmen im sekundären Sektor beschäftigen weniger als 10 Arbeitnehmer, im tertiären Sektor ist die Durchschnittsgrösse noch geringer. Die Richtlinie hält selber fest, dass auf irgendwelche Auflagen verzichtet werden soll, die die Gründung und Entwicklung von KMU verhindern könnte. Die dargelegte Argumentation wird auch gestützt durch die Leseart der Richtlinie. Die Vorgaben sind generell formuliert und lassen offensichtlich einen weiten Umsetzungs- respektive Auslegungsspielraum. Es ist damit legitim, den Unternehmen, welche durch die Richtlinien erfasst sind, einen angemessenen grossen eigenen Interpretationsspielraum zu belassen. Die Richtlinie will eben nur einen allgemeinen Rahmen vorgeben. Auch die Umsetzungsfristen deuten in diese Richtung. Die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften sind bis spätestens 23. März 2005 zu erlassen, also eine relativ lange Frist. Konkret gelten ab dem genannten Datum die Vorschriften für Unternehmen mit mindestens 50 Arbeitnehmern im Inland bzw. Betriebe mit mindestens 20 Arbeitnehmern im Inland. Ein gewisser Umsetzungsspielraum ergibt sich zusätzlich dadurch, dass nach dem vorzitierten Rechtstext die Mitgliedstaaten bestimmen, nach welcher Methode die Schwellenwerte für die Beschäftigenzahl errechnet werden. Solche Detailausführungen sollen am besten auf Verordnungsebene geregelt werden und lassen auch noch einigen Auslegungsspielraum.Zu den Begriffen «Unternehmen» bzw. «Betrieb» ist anzumerken, dass sowohl private wie öffentliche Unternehmen mit wirtschaftlicher Tätigkeit bzw. Betriebe gemeint sind. Als Betrieb ist eine gemäss den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten definierte Unternehmenseinheit zu verstehen. Wir in Liechtenstein würden den Betrieb als Arbeitsstätte definieren, also örtliche oder technische Einheit, während das Unternehmen die rechtliche Einheit umfasst. In den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung. Darunter fallen gemäss der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht die Tätigkeiten von Organen oder Einrichtungen, die vom Gesetzgeber zur Verfolgung eines rein sozialen Zwecks geschaffen worden sind und deren Tätigkeit eher auf dem Gedanken der Solidarität der Mitglieder und der Umverteilung von Einkünften als auf einer bestimmten wirtschaftlichen Gegenleistung beruht. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass jene Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen sind, welche der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben dienen. Die Mitwirkung der Arbeitnehmerschaft in Betrieben ist im liechtensteinische Recht hauptsächlich im Mitwirkungsgesetz geregelt. Abgesehen von spezifischen Situationen sieht das Mitwirkungsgesetz lediglich ein reines Informationsrecht und kein Anhörungsrecht vor. Die Umsetzung der Richtlinie soll aber nicht dazu führen, dass ein nationales Regelwerk entsteht, das die Art und Weise der Unterrichtung und Anhörung bis ins letzte Detail vorschreibt. Der vorgegebene Rahmen für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer sollte die Belastung der Unternehmen oder Betriebe auf ein Mindestmass begrenzen, zugleich aber auch die wirksame Ausübung der eingeräumten Rechte gewährleisten. Ziel und Inhalt der Richtlinie ist die Festlegung eines allgemeinen Rahmens mit Mindestvorschriften für das Recht auf Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer von im Inland ansässigen Unternehmen bzw. Betrieben. Es geht also rein darum, die Arbeitnehmer der betroffenen Unternehmen respektive Betriebe über verschiedene generelle Themen zu informieren und ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, im Rahmen eines Meinungsaustausches ihre eigene Sicht einzubringen. Dies kann auch über Arbeitnehmervertretungen erfolgen. Konkret umfasst die Unterrichtung und Anhörung drei Bereiche:- Die jüngste Entwicklung und wahrscheinliche Weiterentwicklung der Geschäftstätigkeit und Wirtschaftssituation. Das ist nur ein Unterrichtungserfordernis.
- Die Beschäftigungssituation, Struktur und wahrscheinliche Entwicklung sowie allenfalls geplante vorbeugende Massnahmen bei einer Beschäftigungsbedrohung. Unterrichtung und Anhörung ist damit gemeint.
- Entscheidungen, die wesentliche Veränderungen der Arbeitsorganisation oder der Arbeitsverträge mit sich bringen können. Auch hier ist natürlich die Unterrichtung und Anhörung gemeint.
Der Zeitpunkt der Unterrichtung sowie die Art und Weise und inhaltliche Ausgestaltung derselben müssen dem Zweck angemessen sein und können damit nach Ansicht der Regierung weitgehend im Ermessen des betreffenden Unternehmens oder Betriebes belassen werden. Einen in der Richtlinie vergleichbaren Regelungsgegenstand enthält das Gesetz über die Information und Mitsprache der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, in den Betrieben das Mitwirkungsgesetz, sowie das Gesetz über die europäischen Betriebsräte, welches die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen regelt. Zudem sieht das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch besondere Mitwirkungsrechte beim Übergang von Betrieben und bei Massenentlassungen vor. Das Arbeitsgesetz schliesslich regelt die Mitwirkungsrechte in Fragen von Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes. Die Umsetzung der Richtlinie ist wohl am ehesten im Mitwirkungsgesetz zu vollziehen, wobei es wichtig ist, dass klar definiert wird, was unter Mitwirkung bzw. Unterrichtung und Anhörung zu verstehen ist. Einigen grösseren liechtensteinischen Industriebetrieben ist die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer schon durch das Gesetz über die europäischen Betriebsräte bekannt. Die Richtlinie sieht vor, dass für den Fall der Nichteinhaltung geeignete Massnahmen vorzusehen sind, insbesondere Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, damit die sich aus der Richtlinie ergebenden Verpflichtungen durchgesetzt werden können. Die verlangten angemessenen Sanktionen müssen wirksam, angemessen und abschreckend sein. Die Regierung wird eingehende Überlegungen anstellen, dieser Richtlinienvorgabe gerecht zu werden. Andererseits wird sie im Sinne der vorgehenden Ausführungen auch bei diesem Punkt die Umsetzung so gestalten, dass die Definition der Nichteinhaltung von Vorschriften pragmatisch gefasst werden soll. Dann noch einige Worte zu vertraulichen Informationen: Auch das wurde angeschnitten. Den Arbeitnehmern und den sie unterstützenden Sachverständigen ist es nicht gestattet, die ihnen ausdrücklich als vertraulich mitgeteilten Informationen an Dritte weiterzugeben, auch noch nach Ablauf ihres Mandats. Der Arbeitgeber ist in besonderen Fällen und unter Beachtung der in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften festgelegten Bedingungen nicht verpflichtet, Informationen weiterzugeben oder eine Anhörung durchzuführen, wenn eine Verbreitung der betreffenden Informationen die Tätigkeit des Unternehmens erheblich beeinträchtigen oder dem Unternehmen schaden können. Das Mitwirkungsgesetz enthält zwar eine Verschwiegenheitspflicht der Arbeitnehmervertretung, sieht jedoch nicht die Möglichkeit des Arbeitgebers vor, die Mitwirkung des Arbeitnehmers bei vertraulichen Informationen einzuschränken. Die Regierung unterstützt die Zielsetzung der Richtlinie, dass die Arbeitnehmer ab gewissen Unternehmens- und bzw. Betriebsgrössen durch den Arbeitgeber über wichtige grundsätzliche Entwicklungen informiert werden sollen, wodurch der soziale Dialog gefestigt und gefördert werden kann. Die Regierung ist jedoch nicht der Ansicht, dass die sehr allgemeinen Vorgaben der Richtlinie in unnötig ausführlicher Weise umzusetzen sind, denn unter solchen Prämissen könnten gerade der bestehende soziale Friede in Liechtenstein und das gute Einvernehmen zwischen den Sozialpartnern sowie generell die positiven Rahmenbedingungen Schaden erleiden, was der Zielrichtung der Richtlinie ausdrücklich widersprechen würde. Dann komme ich noch zu einigen Detailfragen: Nochmals zur Unterscheidung «Unternehmen» und «Betriebe»: Ich bin vorhin bereits darauf eingegangen. Der Betrieb ist eben eine einzelne Arbeitsstätte, das Unternehmen bezeichnet die rechtliche Einheit. Das kann also ein Teil eines Konzerns sein, der vielleicht eben nur 18 Mitarbeiter hat. Der ist natürlich auch mitbetroffen, wenn die Gruppe mehr wie 50 Mitarbeiter hat, umgekehrt aber der Einzelbetrieb ab 20 Mitarbeitern.Dann die Verwaltung: Also die Landesverwaltung ist nach dieser Auslegung nicht diesem Gesetz unterworfen, hingegen aber sicherlich sind es die Betriebe wie eben Post AG oder Anstalt LKW, die ganz klar nach betriebswirtschaftlichen Vorgaben gewinnorientiert arbeiten.Dann zu den Erfahrungen mit dem Mitwirkungsgesetz: Ich kann auf diese Kleine Anfrage jetzt noch nicht eingehen. Selber habe ich damit keine Erfahrungen gemacht, hingegen aber aus der Industrie. Hier kann ich die Ausführungen des Abg. Büchel nur bestätigen. Meine Erfahrungen aus der Industrie waren, dass praktisch alle Betriebe Betriebsräte - oder wie immer sie auch heissen - haben und dieses auch gut funktioniert.Dann zu den Kosten: Dazu kann ich sagen, dass nach meiner Meinung der Vollzug dieses Gesetzes keine Kosten nach sich ziehen wird, da hier weder Regierung noch Verwaltung in einem grösseren Rahmen involviert sein werden, höchstens einmal partiell eine Kontrolle durchführen. Mehr kann es nicht sein. Bis heute hat diese Funktion die Arbeitnehmervertretung durchwegs übernommen. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich je einmal diesbezüglich mit einem Amt Kontakt hatte. Hier ist also auch nichts vorgesehen. Dann vielleicht noch einmal die Präzisierung «Anhörung» oder «Informationsrecht»: Unter Anhörung versteht man die Durchführung eines Meinungsaustausches und eines Dialogs zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Dabei muss es nicht zwingend zu einem Konsens kommen. Und Informationsrecht heisst: Recht auf Information. Mitberaten oder mitwirken ist in diesem Falle ausgeschlossen.Ich hoffe, ich habe alle Fragen beantwortet und keine vergessen.Abg. Paul Vogt:
Herr Regierungsrat, Sie haben schon eine etwas sehr eigenartige und einseitige Lesart, wenn es um diese Richtlinie geht. Ich möchte das am Punkt 22 der Präambel verdeutlichen. Sie haben gesagt, die Richtlinie beschränke das Informations- und das Anhörungsrecht auf ein Mindestmass. Im Punkt 22 heisst es aber, die Belastung der Unternehmer oder Betriebe soll auf ein Mindestmass begrenzt bleiben. Das ist etwas anderes, wenn es um die Belastung der Unternehmen geht, also die konkrete Benachteiligung, oder das, was die Unternehmen zu erbringen haben. Ich möchte die Regierung wirklich ersuchen, nicht immer nur das absolut Notwendige zu tun, was uns von aussen aufgebrummt wird. Ich muss das so drastisch formulieren. Ich bin froh, dass der Abg. Markus Büchel erwähnt und darauf hingewiesen hat, dass die liechtensteinischen Industriebetriebe, so weit sie das bis heute realisiert haben, positive Erfahrungen gemacht haben mit den Arbeitnehmervertretungen, und ich denke, auf diesen positiven Erfahrungen sollte man aufbauen. Es sollte hier eine Basis gelegt werden für gegenseitiges Vertrauen. Die Arbeitnehmer sind nicht daran interessiert, den Unternehmen zu schaden, sondern sie sind, wie die Unternehmer auch, an einem gedeihlichen Fortkommen des Unternehmens interessiert. Und ich meine, dazu braucht es einfach diese Informationsrechte. Im Übrigen noch ein Wort zum sozialen Frieden: Es ist keineswegs so, dass Informations- und Anhörungsrechte möglicherweise den sozialen Frieden gefährden. Im Gegenteil: Ich sehe das als ein wichtiges Mittel an, dass der soziale Friede gefestigt und gestärkt wird, wenn die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihrer Würde entsprechend die notwendigen Informationen bekommen, wenn es um ihre eigene Zukunft geht. Das, glaube ich, wird den sozialen Frieden und die Sozialpartnerschaft stärken.Abg. Ingrid Hassler-Gerner:
Danke. Ich habe zwei Verständnisfragen: Habe ich Sie richtig verstanden, dass rund zwei Drittel der in Liechtenstein ansässigen Betriebe im Sinne ihrer Definition im Bereich Gewerbe und Industrie kleinere Betriebe sind, KMU, die Arbeitnehmer so um 10 Personen herum haben? Für mich wäre das eben gerade umgekehrt ein Argument, dass dann ja zwei Drittel der Betriebe gar nicht von dieser Richtlinie betroffen wären, das heisst, dass sie keine Anhörung und Informationsrechte erhalten würden. Man hat ja gefragt: Wie viel Betriebe könnte diese Massnahme betreffen? Und dazu möchte ich wissen, ob ich das richtig verstanden habe, dass rund zwei Drittel Kleinbetriebe sind, die nicht darunter fallen.Das Zweite war die Definition von «Unternehmen» oder «Betrieb»: Da haben Sie den Art. 2 Abs. a und b, glaube ich, aus der Richtlinie zitiert. Beim Unternehmen sind es Unternehmen, die im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten, also aller vielleicht in Zukunft 28 Länder sind, und beim Betrieb schreiben Sie, dass es Unternehmenseinheiten sind, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates sind, also ein hiesiges Unternehmen. Da wollte ich nur noch einmal wiederholen, dass wir neu das Mitwirkungsgesetz für hiesige Unternehmen von jetzt 50 auch auf 20 Arbeitnehmer herabsetzen müssen. Das ist mein Verständnis.Und meine Frage ist: Wenn jetzt ein deutscher Betrieb in Liechtenstein einen Kleinbetrieb bzw. eine Filiale mit 8 Arbeitnehmern hat, aber in einem der Mitgliedstaaten, wo die Richtlinie gilt, einen Grossbetrieb führt, dann sind das sicher über 50 Personen, wenn man es zusammenrechnet. Dann gilt das als Unternehmen und dann wären auch diese 8 Personen hier in Liechtenstein diesem Gesetz unterstellt. Das war meine Frage eigentlich über die Anwendung von Art. 2 in Bezug zum Unterschied von Unternehmen und Betrieb.Abg. Wendelin Lampert:
Danke, Herr Präsident. Ich möchte Regierungsrat Frick für die ausführliche Beantwortung der Fragen bedanken. Jetzt habe ich aber zur zweiten Frage noch eine Rückfrage: Ich habe zu Art. 8 nach den konkreten Sanktionsmöglichkeiten gefragt bzw. wie diese aussehen könnten. Gibt es hier schon Vorstellungen? Gehe ich da zu sehr ins Detail oder können Sie mir dazu keine Antwort geben?Dann noch zum Votum des Abg. Paul Vogt bzw. zu Punkt 22 der Präambel: Es ist natürlich schon so, wenn hier steht: Die Belastung ist auf ein Mindestmass zu begrenzen. Jede Anhörung und Unterrich-tung ist halt eine Belastung. Und wenn man sie natürlich ausweitet, dann gibt es einfach eine Mehrbelastung für die Unternehmung. Dieser Informationsfluss, der wird ja nicht vom - ich bring wieder einmal den Heiligen Geist ins Spiel - der macht das nicht. Man muss Personen zur Verfügung haben, die diese Informationen transportieren. Das heisst, muss man Leute haben, man muss jemanden anstellen. Das muss man sich schon bewusst sein. Aber ich denke mir, die Regierung wird hier sicher einen Weg finden, wie man das auch vernünftig umsetzen kann.Abg. Alois Beck:
Ich bin froh, dass der Herr Regierungsrat hier eigentlich klare Ausführungen gemacht hat. Es geht hier sicher darum, dass wir unsere bewährte Tradition bewahren können, und andererseits diese Richtlinie, die auch ihre berechtigten Anliegen hat, umsetzen. Dies aber in einer Art und Weise, die uns - wenn man das so will - gewisse Standortvorteile eben bewahren lässt. Es ist eben nicht so, Herr Abg. Paul Vogt: Weil ja alle diesen Mindeststandard umsetzen müssen, haben hier alle die gleich langen Spiesse - möchte ich einmal sagen. Es ist eben so, dass einige etwas mehr und andere etwas weniger machen. Und man sollte nicht ohne Not - aus meiner Sicht - von einer guten Tradition abgehen. Es wurde auch hier ganz klar - meiner Ansicht nach - ausgeführt, dass das, was hier in der Richtlinie gefordert wird, umgesetzt wird, dass man sich aber eher an diesen Minimumstandard ausrichtet, aus den schon angeführten Gründen. Man kann sich dann bei der Beratung des Gesetzes sicher überlegen, wo es da oder dort Sinn macht, dass man von diesem Minimumstandard abweicht. Das kann man dann sicher gut überlegen und das wird dann bei der Debatte auch Gegenstand sein.Was ich aber jetzt schon deponieren möchte, wenn man hier teilweise das Wort geredet hat, dass man eben auch die kleinen und kleinsten Betriebe hier im Sinne einer Harmonisierung noch aufnehmen soll. Da habe ich meine Bedenken. Wenn in einem Betrieb dieser Grössenordnung eine solche formelle Einrichtung notwendig ist, glaube ich nicht, dass dieser Betrieb lange überleben wird. In dieser Grössenordnung ist es zwangsläufig so, dass diese Punkte, die hier gefordert werden, so oder so Thema der alltäglichen Geschäftspraxis sind und sein müssen. Und das ist auch der Fall. Ich kann mir das sonst anders nicht vorstellen. Und bei den grösseren Betrieben ist es meiner Erfahrung nach auch so, dass dieser Dinge vielleicht nicht überall so formell gemacht werden, aber dass die Mitarbeiter in einer Art und Weise und stufengerecht informiert werden, die diesen Zielen eben auch gleichkommt. Heutzutage geht ja das auch nicht, sonst kann man die Mitarbeiter nicht mehr bei der Stange halten. Wir müssen einfach aufpassen - das ist meine Meinung -, dass wir hier nicht in formelle Strukturen hineingeraten, in denen andere Länder sind, und es dann schwer haben, aus diesen Strukturen zurückzukommen. Mir ist auch klar, dass hier das nicht in einem so umfassenden Sinne schon geregelt ist, dass hier gleich schwer wiegende Konsequenzen zu erwarten sind. Es geht hier einfach darum, bestimmte Tendenzen schon jetzt sichtbar zu machen. Und ein Letztes vielleicht: Man sollte nicht von Extrembeispielen ausgehen und dadurch anderen unnötige Fesseln anlegen. Ich bin überzeugt, dass bei den kleineren Betrieben sowieso das gehandhabt wird. Bei den grösseren - so haben wir gehört - ist das auch der Fall, dass nicht aufgrund von einzelnen, vielleicht eben bekannten Beispielen dann versucht wird, einen ganzen Teppich über alle zu legen, wenn hier formalistische Strukturen gemacht werden, die es eben vielleicht da und dort als Erschwernisse zu taxieren gilt. Das einfach ein paar grundsätzliche Überlegungen. Ich habe auch generell nicht das Gefühl, dass unsere Arbeitnehmerschaft unzufriedener als in anderen Ländern ist, wo es diese teilweise noch viel stärkeren Rechte gibt. Aber, wie gesagt: Ich würde mich auch grundsätzlich am Minimumstandard orientieren. Wenn es sinnvoll ist, in einzelnen Bereichen darüber hinauszugehen oder etwas anderes zu machen, bin ich dafür durchaus zu haben. Aber, wie gesagt: In einer heutigen Wirtschaftswelt ist es für mich nicht vorstellbar, dass ein Unternehmen ohne Information und Anhörung geführt werden und so lange auch erfolgreich bestehen kann.Abg. Ingrid Hassler-Gerner:
Der Herr Regierungsrat Frick und ich hätten noch etwas zu besprechen.Landtagspräsident Klaus Wanger:
Dann gebe ich das Wort Herrn Regierungsrat Frick.Regierungsrat Hansjörg Frick:
Danke, Herr Präsident. Ich versuche noch einmal kurz einige Antworten auf die Fragen der Abg. Ingrid Hassler zu geben. Ich habe hier ausgeführt, dass drei Viertel der liechtensteinischen Unternehmen weniger als 10 Arbeitnehmer haben. Das ist der Sekundärsektor bzw. das sind drei Viertel aller Unternehmen. Im tertiären Sektor ist die Durchschnittsgrösse noch wesentlich geringer. Das heisst also, für die Unterrichtung und Anhörung hat dieses Gesetz keine Anwendung. Und da möchte ich anknüpfen an die Ausführungen des Abg. Beck. Die Regierung ist hier derselben Meinung, dass es nicht notwendig ist, dass so ein Anhörungsrecht institutionalisiert wird. Wenn in einem solchen Kleinbetrieb mit fünf Mitarbeitern das institutionalisiert werden muss, dann ist sowieso irgendwo der Wurm drin, weil hier arbeitet ja im Normalfall der Eigentümer oder dann irgendein Meister direkt mit den Mitarbeitern zusammen. Und da weiss jeder in etwa, wie es um den Betrieb bzw. wie es um die Arbeitsauslastung und den Arbeitsvorrat steht. Im Weiteren muss erwähnt werden, dass die Regierung noch nicht mit der Ausarbeitung des Gesetzes begonnen hat. Es wird ja jetzt erst einmal vom Landtag zugestimmt, dass die Regierung den Auftrag bekommt, dieses Gesetz auch auszuarbeiten. Noch kurz zur Anfrage betreffend den deutschen Betrieb mit einer kleine Filiale in Liechtenstein: Meines Erachtens ist es so, wenn das eine Unternehmensgruppe ist, die mehr wie 50 Mitarbeiter insgesamt beschäftigt, dann sind auch kleine Unternehmen, also Teile davon, diesem Unterrichtungs- und Anhörungsgesetz unterstellt. Dann noch zur Frage der Sanktionen: Dazu kann Ihnen die Regierung heute keine Auskunft geben. Diesbezüglich hat man noch keine Überlegungen angestellt. Ich möchte vielleicht noch ganz kurz auf das Votum des Abg. Paul Vogt eingehen: Es ist nicht vorgesehen, dass hier auf das absolute Minimum gegangen wird. Es wird aber so viel im Gesetz verankert werden, dass die Richtlinie umgesetzt ist. Letztlich ist es aber jedem einzelnen Betrieb anheim gestellt, auch wesentlich mehr zu tun und besser zu informieren, 3-mal oder 5-mal im Jahr zu informieren, oder eben, wie das vielfach der Fall ist, dass Betriebsversammlungen gemacht werden, die vielleicht 2-mal im Jahr stattfinden, wo dann Rede und Antwort gestanden wird.Landtagspräsident Klaus Wanger:
Gibt es weitere Fragen an Herrn Regierungsrat Frick? Das ist nicht der Fall. Dann stimmen wir ab über den Antrag der Regierung. Wer dem Beschluss Nr. 172/2002 vom 6. Dezember 2002 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses die Zustimmung erteilen will, möge bitte die Hand erheben.Abstimmung: Einhellige Zustimmung
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Damit haben wir Traktandum 15 erledigt.-ooOoo-