Abänderung des Gesetzes vom 29. Dezember 1966 über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz) (Nr. 80/2003), 1. Lesung
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Meine Damen und Herren Abgeordnete. Wir setzen unsere Beratungen fort. Wir kommen zu Traktandum 17: Abänderung des Gesetzes vom 29. Dezember 1966 über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel, genannt Arbeitsgesetz. Der Bericht und Antrag der Regierung Nr. 80/2003, den wir heute in 1. Lesung behandeln, steht zur Diskussion. Abg. Elmar Kindle:
Herr Präsident, Damen und Herren. Mit dem vorliegenden Bericht und Antrag will die Regierung eine einheitliche und sozialverträgliche Lösung finden, um die Ladenöffnungszeiten für Lebensmittelgeschäfte wie auch für Tankstellenshops am Sonntag zu gewährleisten. Durch die einheitliche Einbeziehung der Ladengeschäfte und Tankstellenshops in die gesetzliche Regelung sind diese somit gleichgestellt. Mit einem Lohnzuschlag von 50% und der Festlegung einer Mindestanzahl von freien Sonntagen im Jahresquartal wird den Bedürfnissen der Arbeitnehmer besonders Rechnung getragen. Ich finde es richtig, dass den Arbeitnehmern ein solcher Zuschlag für Sonntagsarbeit gewährt wird. Wenn kein Zuschlag gewährt wird, ist der nächste Schritt die Einführung einer 7-Tage-Woche und die völlige Verwässerung des Sonntags. Die Sonntagsarbeit darf meines Erachtens nur dem Konsumverhalten der Bevölkerung zuliebe nicht um jeden Preis Schule machen. Ich weiss, dass es heute schon viele Berufe gibt, die die 7-Tage-Woche kennen, so zum Beispiel im Bereich der Medizin und der Pflege, im Bereich des öffentlichen Verkehrs und der öffentlichen Sicherheit, im Bereich der Telekommunikation, um nur ein paar zu nennen. Bei den aufgezählten Bereichen handelt es sich aber vorwiegend um die Aufrechterhaltung der Grundversorgung im weiteren Sinne. Wenn kein Arzt am Sonntag arbeitet, gibt es keine medizinische Versorgung im Notfall, um nur ein Beispiel zu nennen. Wenn aber am Sonntag die Ladengeschäfte geschlossen bleiben, muss deswegen niemand Hunger leiden. Die Öffnungszeiten für Ladengeschäfte am Sonntag haben ihre Berechtigung nur dem Konsumverhalten und der Bequemlichkeit des Konsumenten zuliebe und auf der anderen Seite den Wirtschaftsgedanken des Unternehmers. Es gibt aber noch eine andere Seite, zum Beispiel die Seite der Zulieferer: Wenn der Konsument am Sonntag einkaufen geht, möchte er nur Frischprodukte und nicht ein Produkt, das einen Tag alt ist. Das heisst dann, dass auch die Zulieferer am Sonntag arbeiten müssen, was wiederum heisst, dass dann in letzter Konsequenz auch über das Lastwagenfahrverbot zum Beispiel am Sonntag gesprochen werden muss. Ich weiss, dass dies nicht gewollt ist und auch weit hergeholt ist. Wenn aber 4'000 Konsumenten das Verlangen nach Frischprodukten haben, dann wird dies der nächste Schritt sein. Damit möchte ich nur aufzeigen, dass in letzter Konsequenz mehr dahinter steckt als nur die Sonntagsarbeit für Verkäufer. Das möchte ich einfach gesagt haben. Ich verwehre mich nicht gegen die neue Regelung, dass zukünftig die Ladengeschäfte den Tankstellenshops gleichgestellt werden und die Arbeitnehmer einer Sonntagsarbeit nachgehen können. Ich appelliere einfach an eine restriktive Handhabung im Bereich der Sonntagsarbeit. Es ist nämlich so: Wer A sagt, muss auch B sagen. Dessen muss man sich heute schon bewusst sein. Unter der Voraussetzung, dass die Sonntagsarbeit weiterhin die Ausnahme bleiben soll, und unter der Voraussetzung, dass dies alles auf Freiwilligkeit basiert, kann ich für Eintreten plädieren. Ich habe noch eine Frage im Zusammenhang mit dem Lohnzuschlag: Ich gehe davon aus, dass der Lohnzuschlag von 50% auf den Mindestlohn im Detailhandel bezogen ist. Muss es nicht so sein, dass der Zuschlag auf den effektiven Bruttolohn bezogen werden muss? Diesbezüglich gibt es keine Auskünfte im Bericht und Antrag der Regierung.Abg. Dorothee Laternser:
Danke, Herr Präsident. Meine Damen und Herren Abgeordnete. Ich sehe keine Notwendigkeit, dass Lebensmittelgeschäfte an Sonntagen geöffnet sein sollen. Es war in den letzten rund 100 Jahren eine soziale Errungenschaft, die Arbeitszeiten für Arbeitnehmer schrittweise auf ein sozial-, familien- und gesundheitsverträgliches Mass zu reduzieren, sowohl im Hinblick auf die Arbeitsstunden pro Tag als auch im Hinblick auf die Arbeitstage pro Woche. Die 6-Tage-Woche mit gesetzlich garantierter Sonntagsruhe war ein Meilenstein. Später kam dann die 5-Tage-Woche. Im Jahre 1991 wurde hier im Land durch eine Volksabstimmung der Samstag schulfrei, unter anderem mit dem Argument, dass so die Familien mehr Zeit für und miteinander hätten. Jetzt sollen wir wieder einen Schritt zurückgehen. Immer mehr Personen, Mütter und Väter, leisten Sonntagsarbeit. Und das geht zulasten der Familien, der Kirchen, des kulturellen und des sozialen Lebens, zulasten der Vereine und eventuell auch der Gesundheit der Betroffenen. Und warum das Ganze? Sechs Tage in der Woche kann eingekauft werden, samstags bis 17 Uhr. Jeder hat einen Kühlschrank, eine Tiefkühltruhe. Wozu braucht der Kunde die Möglichkeit, sonntags Lebensmittel einzukaufen? Ich sehe dafür, wie gesagt, keine Notwendigkeit.Für wen ist der verkaufsoffene Sonntag ein Vorteil? Für die Betriebe gilt: Sind die Lebensmittelgeschäfte 7 Tage offen, verteilt sich eben der Umsatz von 6 auf 7 Tage, aber er wird damit, das heisst, bezogen auf denselben Kundenkreis, nicht einfach grösser, denn jeder Franken kann ja nur einmal ausgegeben werden. Anders, das heisst, umsatzsteigernd ist es natürlich, wenn man mit dem verkaufsoffenen Sonntag Kundschaft aus dem benachbarten Ausland anzieht, nachdem in Österreich sonntags die Lebensmittelgeschäfte nicht geöffnet sein dürfen, ausser Tankstellenshops, ebenso wie weitgehend in der Schweiz. Dort wurde ja in verschiedenen Volksabstimmungen die Sonntagsruhe verteidigt, meines Wissens erfolgreich, ausser im Thurgau. Die Stadt St. Gallen möchte beispielsweise noch einen Schritt weitergehen, und zwar indem sie die Sortimentsbeschränkung der Tankstellenshops künftig kontrollieren will. Der Betrieb hat also am Sonntag mehr Umsatz durch den Grenzverkehr, dafür aber auch höhere Kosten durch den 50-prozentigen Zuschlag zum Lohn. Das rechnet sich nicht für alle Unternehmen, eher für die grösseren. Kleinere Betriebe, Familienbetriebe, werden sich aber aus Wettbewerbsgründen kaum dieser zusätzlichen Öffnungszeiten entziehen können. Es wird auf diese Weise ein Verdrängungswettbewerb zulasten der Familienbetriebe unterstützt. Offene Lebensmittelgeschäfte an Sonntagen brauchen auch Zulieferer. Das heisst, auch dort werden Personen beschäftigt sein. Es ist eine Kettenreaktion, wie mein Vorredner auch schon sagte. Eine Kettenreaktion, die immer mehr Personen, Familien, betrifft. Das sind Schritte für mich auf dem Weg zu einer 7-Tage-Woche. Ganz abgesehen davon bedeutet das am Sonntag eine vermehrte Belästigung der Bevölkerung durch Verkehr und Lärm, hervorgerufen durch Zulieferer und Einkaufende. Nächste Frage: Was bringt es dem Arbeitnehmer, der diese Sonntagsarbeit leistet? Es gibt sicher Einzelne, die gerne am Sonntag arbeiten. Aber für die meisten ist es schwierig. Abgesehen vom kirchlichen Aspekt leidet das Familienleben darunter, die sozialen Kontakte, das Vereinsleben. Aber es fehlt auch ganz einfach der Tag der Musse, des Entspannens. Denn für viele dieser Frauen - und es sind ja hauptsächlich Frauen, die im Lebensmitteldetailhandel am Sonntag arbeiten - für viele dieser Frauen geht am Montag der ganz normale Alltag weiter, also die Aufgaben in der Familie. Der 50-prozentige Lohnzuschlag, so wie er vorgesehen ist, ist aus meiner Sicht absolut angebracht, zumal im Detailhandel die Löhne vergleichsweise niedrig sind. Abschliessend möchte ich noch drei Fragen an die Regierung stellen:- Laut geltendem Arbeitsgesetz - Art. 18 Abs. 2 - sind die gesetzlichen Feiertage den Sonntagen gleichgestellt. Heisst das, dass der vorgeschlagene neue Art. 27a auch für die gesetzlichen Feiertage gelten soll? Wenn ja, was ich annehme, möchte ich eine Anschlussfrage stellen: Meines Wissens gibt es für einige wenige hohe Feiertage eine spezielle Regelung. Welche Feiertage sind das und werden sie von dem geplanten Art. 27a ausgenommen sein?
- Im Bericht und Antrag auf Seite 17 schreibt die Regierung, dass der Terminus «Ladengeschäfte» relativ breit gewählt wurde, damit es - ich zitiere: «keiner weiteren Gesetzesänderung bedürfe, sollte sich die Regierung in Zukunft entscheiden, weiteren Verkaufsgeschäften eine Bewilligung zum Offenhalten zu geben». Die Bestimmungen des vorgeschlagenen Art. 27a des Arbeitsgesetzes sei bewusst weiter gefasst als diejenige des Art. 2 der Verordnung über die Sonn- und Feiertagsruhe. Und eine Seite weiter schreibt die Regierung, dass die Bewilligung zur Sonntagsarbeit allerdings nur bei berechtigtem Interesse und gegen ein Bedürfnis erteilt werde oder auch in Zukunft werden solle. Es müsse sich ein Bedürfnis der Sonntagsarbeit bestätigen lassen. Meine Frage ist nun: Wie geht das in der Praxis vor sich? Wie kann ich bestätigen, dass ein Bedürfnis oder ein berechtigtes Interesse für die Sonntagsarbeit besteht? Und mit welcher Begründung oder Berechtigung wird die Regierung in Zukunft entsprechende Bewilligungsgesuche anderer Geschäfte abweisen? Warum soll man am Sonntag nicht auch Möbel, Bücher, Fernseher usw. einkaufen können?
- In Art. 27a Abs. 2 (neu) ist vorgesehen, dass der Arbeitgeber für die Sonntagsarbeit einen Lohnzuschlag von 50% zu gewähren hat. Sehr irritiert hat mich in diesem Zusammenhang die in der Presse abgedruckte Aussage eines Teilnehmers des Round-Table-Gesprächs der Regierung zu diesem Thema. Ich zitiere aus der Presse: Ein Unternehmer sagte - das wird in der Zeitung so wiedergegeben - ich zitiere: «Da wir unseren Angestellten schon jetzt über CHF 20 Stundenlohn bezahlen, also wesentlich über dem Mindestlohnstandard, würde sich in unseren Läden bei einem 50-prozentigen Aufschlag auf den Mindestlohn de facto finanziell nichts ändern». Das kann doch nicht der Sinn des Gesetzes sein, dass die Woche über höhere Löhne gezahlt werden und am Sonntag der Mindestlohn, sodass man mit 50-prozentigem Aufschlag auf das Niveau des Lohnes wieder an den Lohn während der Woche herankommt. Das kann nicht der Sinn des Gesetzes sein. Damit würde ja das Ganze unterlaufen und ist für mich klar abzulehnen.
Ich bitte die Regierung, dazu Stellung zu nehmen. Danke. Abg. Ingrid Hassler-Gerner:
Die zu ändernde Bestimmung im Arbeitsgesetz hat zwei Seiten: Sie will den Schutz der Arbeitnehmer, die Sonntagsarbeit in Ladengeschäften und Tankstellenshops verrichten, verbessern, und der Gesetzgeber soll durch den neuen Art. 27a generell die Sonntagsöffnung für Ladengeschäfte und Tankstellenshops von 7 bis 17 Uhr erlauben. Damit werden nicht nur Ladengeschäfte den Tankstellenshops gleichgestellt oder die Tankstellenshops den Ladengeschäften gleichgestellt - wie man will -, sondern vor allem dem Sonntagseinkauf die Türen weit geöffnet. Der Terminus «Ladengeschäft» - ich zitiere von Seite 17 - sei von der Regierung gewählt worden, «da er nicht nur die primär betroffenen Lebensmittelgeschäfte beinhaltet, welche durch diese Bestimmung anvisiert werden. Damit bedarf es keiner weiteren Gesetzesänderung, sollte sich die Regierung in Zukunft entscheiden, weiteren Verkaufsgeschäften eine Bewilligung zum Offenhalten zu geben». Das sind zwei Sätze als Zitat aus dem Regierungsbericht. Das ist reine Wahrheit und sagt genug aus, was der weitere Trend ist: open house. Bei Druck von aussen wird man die Verordnung ändern respektiv erweitern oder erweitern können und wir werden das Einkaufsparadies werden. Wenn man auch noch auf Seite 24 liest, was die Regierung der Gewerbe- und Wirtschaftskammer im gleichen Sinn antwortet, die die Öffnung für sämtliche Ladengeschäfte gefordert hat, dann tönt das genau gleich. Die Regierung muss sich im Klaren darüber sein, dass diese Teilrevision des Arbeitsgesetzes, so einfach sie heute daherkommt, zu einem Dammbruch führen kann. Berechtigterweise wird, wie schon ausgeführt, der Ruf nach der Aufweichung der Sonntagsarbeit, die ja eigentlich generell bei uns verboten ist, gerade in den Bereichen der Zulieferer laut werden. Die Regierung wird es im Sinne des Gleichbehandlungsgrundsatzes sehr schwer haben, hier dem Ruf von anderen Branchen zu widerstehen.Art. 23 der Regierungsverordnung musste bekanntlich aufgehoben werden und wird von der Regierung mit neuer Verordnung zu regeln sein. Eine solch grosszügige Öffnung, die sich hier abzeichnet, kann ich nicht unterstützen, auch wenn die Regierung als erwähntes Ziel auf Seite 18 ausführt, dass sie nur Ladengeschäften eine Bewilligung erteilen werde, wenn es sich um den Verkauf von Lebensmitteln handelt, und nur bei berechtigtem Interesse und nur gegen den Bedürfnisnachweis. In der Praxis müsse sich die Regierungskanzlei das Bedürfnis der Sonntagsarbeit bestätigen lassen. Bitte, Herr Regierungsrat, erklären Sie mir jetzt oder zur 2. Lesung anhand von praktischen Beispielen, wie ein Einkaufszentrum mit nunmehr unbeschränkt grosser Verkaufsfläche das berechtigte Interesse und das Bedürfnis für Sonntagsarbeit, wie es heisst - ich hätte lieber das Bedürfnis für den Sonntagsverkauf erklärt - Ihnen nachweisen wird. Ich bin auf Ihre Argumente bezüglich dem «berechtigten Interesse» gespannt. Wie kann Art. 19 Abs. 2 und 3 unseres Arbeitsgesetzes mit dieser neuen Regelung in Einklang gebracht werden? Werden Sie das Einkaufen am Sonntag bewilligen, weil es aus wirtschaftlichen Gründen unentbehrlich ist? Ich glaube das nicht. Ich wehre mich - bei allem Verständnis für einen Teil der Bevölkerung, der den Sonntagseinkauf bevorzugt - gegen eine solche Öffnung und stelle mich ganz hinter die Grundhaltung, die in den beiden vorhergehenden Voten ausgedrückt wurde. Da das benachbarte Ausland in allen vier Himmelsrichtungen die Sonn- und Feiertagsruhe diesbezüglich noch kennt, sind wir hier nicht unter Zugzwang. Ich spreche mich für grosszügige Öffnungszeiten während den Werktagen, aber für eine restriktive Handhabung der Sonn- und Feiertagsruhe aus. Bekanntlich sind, wie bereits gesagt, in den letzten 2 Jahren bei 8 Abstimmungen in der Schweiz nur gerade in einer Abstimmung die Öffnungszeiten an einem Sonntag unterstützt worden. Das ist eigentlich auch ein Beweis über die Grundhaltung der Menschen in unserer näheren Umgebung. Da ich auf den zweiten Anlass der Vorlage, nämlich auf den Arbeitnehmerschutz grossen Wert lege und weiss, dass sich die Regierung bezüglich der gewährten Bewilligungen nicht mehr rückwärts bewegen kann, bin ich für Eintreten, bitte aber im neuen Art. 27a den Begriff «Ladengeschäfte» viel enger zu formulieren. Zum Arbeitnehmerschutz ist die von der Abg. Laternser skizzierte Umgehung des 50%-Zuschlages genau zu untersuchen, zumal ich überhaupt glaube, dass der Vollzug von Gesetz und Verordnungen noch eine verbesserte Kontrolle erfordern könnte. Ich bitte, zu dieser Frage zur 2. Lesung Stellung zu nehmen.Ich erlebe auch, dass von der Sonntagsarbeit bei Tankstellenshops und den Einkaufszentren hauptsächlich Frauen betroffen sind, die aus Einkommensgründen dieser Sonntagsarbeit nachgehen bzw. oft nachgehen müssen und dadurch auf ihren Familiensonntag verzichten. So sehr ich ihnen diese Nebeneinnahmen und die damit verbundenen Sozialleistungen gönne, so sehr wäre es zielführender, wenn während der ordentlichen Wochenarbeitszeit mehr Flexibilität für Teilzeitarbeit gewährt würde. Ausserdem stehen Sonntagsarbeitsplätze in zahlreichen anderen Berufen bereits zur Verfügung. Ich sehe - wie meine Vorredner - keine Notwendigkeit, für diese weite Öffnung, und die Nachteile - davon bin ich überzeugt - werden per Saldo die Vorteile übersteigen. Bitte zeigen Sie vielleicht bis zur 2. Lesung auf, wenn das statistisch überhaupt möglich ist: Wie viel Bewilligungen sind bis heute für solche Ausnahmekategorien, die das Gesetz ja auch schon erlaubt, erteilt, und ungefähr wie viele Arbeitnehmer werden bereits jetzt zur bewilligten Sonntagsarbeit in der gewerblichen Wirtschaft herangezogen?Zum Artikel selbst habe ich später noch bezügliche Fragen. Danke.Abg. Paul Vogt:
Inhaltlich kann ich mich den Ausführungen meiner Vorrednerinnen und Vorredner anschliessen. Ich gehe jedoch einen Schritt weiter und beantrage Nichteintreten auf diese Gesetzesvorlage. Für mich sind, wenn man mit den Bedürfnissen und Wünschen der Konsumenten argumentiert, diese Bedürfnisse grenzenlos. Ich erinnere mich an eine Umfrage unter Jugendlichen. Da wurde auch der Wunsch geäussert, dass man in Liechtenstein eigentlich hinterwäldlerisch sei, es sei ein dringender Wunsch, dass man 24 Stunden am Tag einkaufen können sollte. Konsumverhalten und Bequemlichkeit allein rechtfertigen die Aufhebung des Sonntagsarbeitsverbots nicht. Ich denke, es gibt in allen Bereichen Bedürfnisse, wenn man an die Dienstleistungen denkt. Man könnte auch argumentieren, dass es ein Bedürfnis sei, dass die Banken öffnen, dass alle Geschäfte am Sonntag offen halten. Dies immer, wenn man nur auf die Bequemlichkeit und die Wünsche der Konsumenten abstellt. Ich könnte mir auch vorstellen, dass es auch im öffentlichen Dienst Bedürfnisse gibt, dass man auch am Sonntag auf das Grundbuchamt gehen oder am Sonntag einen Pass bekommen kann. Das wäre für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sehr bequem. Ich stelle einfach fest, wenn man zurückschaut in die Geschichte, dass es dann eine schleichende Verschiebung der Grenzen gibt. Noch vor wenigen Jahren war die Regierung bei der Erteilung von Bewilligungen für das Offenhalten von Geschäften am Sonntag sehr zurückhaltend. Man hat es zunächst Kiosken ermöglicht, dann Tankstellen, Patisserien, und die Grenzen haben sich nach und nach immer weiter verschoben. Heute, denke ich, wenn man vom Zauberwort «Liberalisierung» spricht, dann zeichnet sich ab, dass man bald einmal alle Geschäfte von morgens 7 bis abends 21 Uhr offen halten sollte. Ich meine, das hat mit der Notwendigkeit einer Grundversorgung nichts mehr zu tun, sondern einfach mit der Förderung des Konsumverhaltens. Für mich ist das Ganze eine Grundsatzfrage. Ich bin für den Schutz der Sonntagsruhe. Das erscheint mir ein wichtiges Anliegen, gerade in dem Sinn, wie das die Abg. Laternser erwähnt hat. Man muss hier einen Freiraum schaffen, wo es weniger Hektik gibt, wo Platz ist für die Familie, wo Platz ist für Musse und Entspannung, wo man auch einmal etwas anderes tun kann als immer nur den wirtschaftlichen Bedürfnissen nachzurennen.Nun zur Frage, ob das Ganze sozialverträglich ist: In meinen Augen hat es wenig mit Sozialverträglichkeit zu tun, wenn man solche Minimallöhne um 50% erhöht. Was das Mindeste wäre, was in diesem Gesetz festgehalten werden müsste, ist, dass niemand zur Sonntagsarbeit gezwungen werden darf. Wenn jemand keine Sonntagsarbeit leisten will, dann dürfen ihm aus einer solchen Weigerung keine Nachteile erwachsen. Insgesamt widerspricht diese Vorlage meiner innersten Überzeugung, da es darum geht, die Sonntagsruhe zu schützen, und Freiräume für etwas anderes als die Wirtschaft eröffnet werden müssen.Abg. Erich Sprenger:
Danke schön, Herr Präsident. Ich möchte hier nicht nochmals ein grundsätzliches Eintretensvotum halten, sondern nur noch einen Aspekt einbringen. Und zwar gibt es ja vor allem Restaurantbetriebe, die angegliedert kleine Lebensmittelgeschäfte mit betreiben und die selbstverständlich auch am Sonntag offen sind. Diese Lebensmittelgeschäfte werden nicht immer mit separatem Personal betrieben, sondern werden vom Personal versorgt, das ja auch den Gastbetrieb mit unterhält, also vom Servierpersonal, von der Buffettochter oder was auch immer. Was gilt jetzt für diese Personen, um auf den Abs. 2 in Art. 27a (neu) sprechen zu kommen? Gilt der 50-prozentige Lohnzuschlag oder der Normallohn, den sie für ihren Dienst im Restaurantbetrieb am Sonntag erhalten würden? Ich bitte die Regierung, diesen Bereich auch noch zu beleuchten. Regierungsrat Hansjörg Frick:
Danke, Herr Präsident. Der Gegenstand der vorliegenden Gesetzesänderungsvorlage ist nicht - wie hier grösstenteils diskutiert wird - die Änderung des Bewilligungsverfahrens zum Offenhalten von Ladengeschäften, sondern nur das Verfahren der Erteilung einer Arbeitsbewilligung, welche die Beschäftigung von Arbeitnehmern erlaubt. Dieses Recht, Arbeitnehmer zu beschäftigen, wird nur an Betriebe erteilt, welche schon im Besitz einer Bewilligung zum Offenhalten sind. Die Bewilligung zum Offenhalten von Ladengeschäften erfolgt aufgrund der Verordnung über die Sonn- und Feiertagsruhe und dem Ladenschluss vom 10. März 1992, welche sich auf das Gewerbegesetz stützt. Die besagte Bewilligung wird von der Regierungskanzlei zurzeit zirka 30 Ladengeschäften erteilt. Neben dieser Bewilligung zum Offenhalten an normalen Sonntagen können Ladengeschäfte auch an Maria Empfängnis sowie an den drei dem 24. Dezember vorausgehenden Sonntagen öffnen. Am 17. Dezember 2002 erliess die derzeitige Regierung die Verordnung II zum Arbeitsgesetz, in welcher Sonderbestimmungen für bestimmte Gruppen von Betrieben oder Arbeitnehmern aufgenommen wurden. Der Erlass dieser Verordnung wurde von der Vorgänger-Regierung mehrmals auf Anfragen hin in Aussicht gestellt, jedoch nie in die Tat umgesetzt. Bis zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung II konnten die Arbeitgeber ihre Ladengeschäfte wohl offen halten, jedoch durften sie keine Arbeitnehmer darin beschäftigen. Die Beschäftigung der Arbeitnehmer wurde jedoch im allgemeinen Einverständnis stillschweigend nach dem Prinzip geduldet: Wo kein Kläger, da kein Richter. In Art. 23 der Verordnung zum Arbeitsgesetz wurde schliesslich für Ladengeschäfte und Betriebe in Fremdenverkehrsgebieten eine Regelung der Sonntagsarbeit geschaffen. Der Begriff «Ladengeschäfte» wurde dabei so definiert, dass die Verkaufsfläche eines Ladengeschäftes höchstens 400 Quadratmeter betragen darf und gleichzeitig vorwiegend für den Verkauf von Lebensmitteln genutzt werden sollte. Dieser Artikel wurde beim Staatsgerichtshof angefochten. Der Staatsgerichtshof leistete der Beschwerde schliesslich Folge und hob den Artikel mit einer Fristsetzung von 6 Monaten auf. Zur Lösung des durch die Aufhebung der Rechtsgrundlage für die Sonntagsarbeit entstehenden Problems war die Regierung bemüht, schnellstmöglichst eine entsprechende Gesetzesvorlage dem Landtag vorzulegen, um vor Ablauf der Frist eine gesetzliche Regelung zu finden. Die Gesetzesvorlage beabsichtigt, dass alle Arbeitgeber, welche bereits eine Bewilligung zum Offenhalten der Ladengeschäfte von der Regierungskanzlei besitzen, in diesen Geschäften auch ohne weitere separate Bewilligung Arbeitnehmer beschäftigen dürfen. Zur herrschenden Lage der Sonntagsarbeit ist zu erwähnen, dass es in Liechtenstein gang und gäbe ist, dass in einzelnen Gemeinden Lebensmittelgeschäfte an Sonntagen geöffnet sind. Auch wäre es grundsätzlich jeder Vernunft widersprechend, wenn eine Bewilligung zum Offenhalten erteilt würde, jedoch aufgrund des Arbeitsgesetzes keine Arbeitnehmer beschäftigt werden können, denn durch die Bewilligung zum Offenhalten durch die Regierungskanzlei wurde bereits die grundsätzliche Entscheidung getroffen, dass es den Bewohnern möglich sein sollte, auch an Sonntagen einzukaufen. Aufgrund gleichheitsrechtlicher Erwägungen werden Tankstellenshops den Lebensmittelgeschäften völlig gleichgestellt, da Tankstellenshops heutzutage mehrheitlich Produkte verkaufen, welche genauso in Lebensmittelgeschäften angeboten und verkauft werden. Die Regierung ist jedoch bemüht, dass nicht wahllos alle Ladengeschäfte eine Bewilligung zum Offenhalten bekommen und ist bei ihren Abklärungen streng darauf bedacht, dass vor dem Erteilen einer Bewilligung zum Offenhalten die Standortgemeinden das Bestehen eines Bedürfnisses abzuklären haben und diesbezüglich eine positive Stellungnahme abgeben. Dies ist jedoch nicht Inhalt dieser Gesetzesvorlage, sondern der Verordnung über die Sonn- und Feiertagsruhe. Und der Ladenschluss sei daher nur am Rande erwähnt.Die Beschäftigung von Arbeitnehmern in Ladengeschäften hat neben dem wirtschaftlichen Vorteil auch noch einen wesentlichen arbeitsmarktpolitischen Impuls, welcher in Zeiten von Rekordarbeitslosigkeit dringend benötigt wird. Durch die liberale Haltung zur Sonntagsarbeit können in jedem Betrieb, welcher sonntags geöffnet hat, Arbeitsplätze geschaffen werden, denn mit dem bereits bestehenden eigentlichen Wochenpersonal kann aus arbeitnehmerschutzrechtlichen Gründen nicht auch noch zusätzlich der Sonntag abgedeckt werden. Dies ist besonders aufgrund der Begrenzung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit, der wöchentlichen Mindestruhezeit, der Mindestanzahl von 26 Sonntagen usw. der Fall. Da es sich beim vorgeschlagenen Artikel um eine Ausnahmeregelung handelt, sind die übrigen Bestimmungen des Arbeitsgesetzes in jedem Fall zu beachten und einzuhalten. Am Schluss ist noch zu sagen, dass die Mitarbeiter nicht zur Sonntagsarbeit gezwungen werden dürfen, sondern es ist die ausdrückliche Zustimmung eines jeden Mitarbeiters erforderlich.Dann zu den Fragen des Lohnes bzw. auf was dieser Lohnzuschlag zu rechnen ist: Hier muss gesagt sein, dass das Arbeitsgesetz hier auf Löhne nicht eingeht. Das wird nicht im Arbeitsgesetz geregelt, sondern hier wird nur der Lohnzuschlag geregelt. Aber ich gehe persönlich natürlich davon aus, dass nicht 50% auf den Mindestlohn, sondern auf den Normallohn bzw. den Bruttolohn gerechnet werden. Allerdings glaube ich nicht, dass man das gesetzlich vorschreiben kann. Wenn jemand eben einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin einstellt und dann sagt: Mindestlohn plus 50%, und der Arbeitnehmer ist damit einverstanden, dann wird man schlecht etwas dagegen tun können. Das nur meine persönliche Meinung zu dieser Frage.Dann war die Frage, welche Feiertage sind in Art. 27 des Arbeitsgesetzes noch enthalten bzw. an welchen Feiertagen ist auch die Offenhaltung untersagt: Das entzieht sich meiner Kenntnis. Ich werde das aber abklären. Die Regierung wird das in der 2. Lesung bekannt gegeben.Landtagspräsident Klaus Wanger:
Besten Dank.Abg. Ivo Klein:
Ich habe noch zwei Fragen: Sie haben gesagt, es gibt zurzeit 30 Bewilligungen zur Offenhaltung von Ladengeschäften an Sonntagen. Ich möchte Sie fragen: Betrifft dies ausschliesslich Lebensmittelgeschäfte oder sind da auch andere Ladengeschäfte dabei, die eine solche Bewilligung haben?Das Zweite: Sie haben erwähnt, dass Mitarbeiter nicht zur Sonntagsarbeit gezwungen werden können. Aufgrund welcher Gesetzesgrundlage kommen Sie zu dieser Aussage?Abg. Erich Sprenger:
Danke schön. Herr Regierungsrat. Sie sind noch nicht auf den von mir aufgeworfenen Aspekt der Betriebe, also Restaurant mit angehängtem Lebensmittelgeschäft, eingegangen, die ja in der Regel mit dem gleichen Personal betrieben werden wie das Restaurant. Muss da der Lohnzuschlag bezahlt werden? Und als Anhang: Ist für diese ebenfalls erforderlich, weil das Café oder Restaurant ja in der Regel sonntags offen ist, eine Bewilligung einzuholen, um das angegliederte Ladengeschäft ebenfalls offen halten zu können?Abg. Ingrid Hassler-Gerner:
Danke, Herr Regierungsrat. Ihre Antworten waren nicht befriedigend, wenn man die ganze Problematik, die die Redner über alle drei Parteien hinweg in Voten, die sich für die Sonntagsruhe eingesetzt haben, noch einmal nachvollzieht. Sollten wir überhaupt jetzt eintreten auf die Vorlage, bitte ich Sie schon, zu den grundsätzlichen Problematiken ausführlicher Stellung zu nehmen. Ich habe Sie auch so verstanden, dass Sie sich selbst für eine sehr liberale Haltung ausgesprochen haben. Und die Aussagen, die Sie gemacht haben, vielleicht, dass man es kurzfristig jetzt etwas einschränken kann, die widersprechen ganz einfach der Grundansicht, die Sie auf den Seiten 18 und 24 des Regierungsberichts zu dieser Frage der weiteren Öffnung abgegeben haben.Ich darf auch noch sagen, dass ich die Zeitungsmeldung für dieses Round-Table-Gespräch der Regierung gelesen habe und nicht nur ich selbst - auch andere Personen sind auf mich zugekommen und haben gesagt: Es wäre gut, wenn die Regierung bei weiteren solchen Gesprächen über die Wirtschaftspolitik einen Kreis von Personen einladen würde, der breiter gestreut ist. Es wurde zum Beispiel bemängelt, dass keine direkte Arbeitnehmerschaft, das heisst, Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer, die wirklich schon bei der Sonntagsarbeit Erfahrungen auf allen Ebenen gemacht haben, dazu eingeladen waren usw. Vielleicht darf ich diese Anregung für ein nächstes Gespräch weitergeben. Danke.Regierungsrat Hansjörg Frick:
Danke, Herr Präsident. Zuerst auf die Frage des Abg. Erich Sprenger: Ihre Frage werden wir anlässlich der 2. Lesung genau beantworten. Dann andere Ladengeschäfte: Unter diesen 30 Geschäften sind andere Ladengeschäfte, das sind nicht alles Lebensmittelgeschäfte. Das sind zum Beispiel Geschäfte hier in Vaduz, weil die auch am Sonntag eine Bewilligung benötigen, da als Tourismusgebiet neu nur das Alpengebiet gilt. Somit sind diese Geschäfte mit eingeschlossen. Dann die Anregung der Abg. Ingrid Hassler, den Kreis breiter zu streuen: Wenn wieder einmal ein Round-Table-Gespräch stattfinden wird, nehmen wir diese Anregung gerne auf. Diesbezüglich möchte ich aber doch noch sagen, dass der Arbeitnehmerverband dazu eingeladen war. Und das Thema war natürlich schon «Sonntagsverkauf: Ja oder Nein?» Und deshalb diese Auswahl an Gesprächsteilnehmern. Habe ich eine Frage bzw. Antwort vergessen?Abg. Dorothee Laternser:
Danke, Herr Präsident. Herr Regierungsrat: Dürfte ich noch eine Anschlussfrage stellen? Was versteht man denn unter einem «berechtigten Interesse» zum Offenhalten eines Ladengeschäftes am Sonntag? Sie erwähnten beispielsweise in Vaduz Geschäfte im Zusammenhang mit Tourismus. Das ist nachvollziehbar. Aber jetzt meinetwegen ein Ladengeschäft in Balzers, um nur ein Beispiel zu sagen, wo ist da das berechtigte Interesse, dass dieses Lebensmittelgeschäft sonntags offen hat?Regierungsrat Hansjörg Frick:
Das wird in etwa dasselbe berechtigte Interesse sein wie beim Geschäft in Schaan.Abg. Dorothee Laternser:
Natürlich ist das dasselbe Interesse wie in Schaan. Ich habe ja nur ein Beispiel gewählt. Dann weite ich meine Frage noch aus. Also Schaan, Eschen, was weiss ich, man könnte alle Gemeinden aufzählen, wie wird dieses berechtigte Interesse begründet? Auf was gründet sich diese Berechtigung?Regierungsrat Hansjörg Frick:
Dieses Interesse wurde ja schon einmal kundgetan. Es liegen ja 5'000 Unterschriften vor, die das bekundet haben. Dann wurden auch am Radio Umfragen gemacht. Beide Landeszeitungen haben das organisiert - und es war ganz klar ein grosses Interesse dafür vorhanden.Im Weiteren möchte ich noch erwähnen: Es ist ja auch so, dass Ladengeschäfte auch vor 50 Jahren in allen Dörfern schon offen waren, also zum Beispiel die Bäckereien und Milchzentralen. Diese Betriebe waren immerhin am Vormittag auch schon offen. Dann gibt es Bestimmungen in der Schweiz, die hier eine flächenmässige Eingrenzung machen: zum Beispiel 120 oder 140 Quadratmeter. Diese Zeit ist vorbei, solche Tante-Emma-Läden gibt es keine mehr. Dann kann man gleich sagen: Geschlossen, fertig. Aber diese Bestimmung, die man da übernehmen wollte, hätte dazu geführt, dass genau die Tankstellenshops nur noch offen halten könnten. Und das kann ja auch nicht der Zweck der Sache sein. Aber nochmals: Wir reden jetzt ja nicht über die Sonntagsöffnung. Wir diskutieren doch hier über das Arbeitsgesetz - und das ist das Wesentliche. Die Frage lautet doch: Wollen wir nun eine gesetzliche Grundlage für die Arbeitnehmer schaffen, die an Sonntagen seit Jahren arbeiten oder wollen wir das nicht? Landtagspräsident Klaus Wanger:
Besten Dank, Herr Regierungsrat. Abg. Ingrid Hassler-Gerner:
Ich möchte noch einmal in aller Deutlichkeit sagen und alle Voten haben es zum Ausdruck gebracht, quer über alle drei Parteien: Wir reden hier nicht nur vom Arbeitnehmerschutz, auf den ich grossen Wert lege, aber wir reden hier in Ihrer Formulierung und mit Ihrer Begründung und so, wie der Artikel ausgestaltet ist, schon auch sehr stark von einer Tendenz, dass der Sonntag seine Ruhe verliert, dass es ausgeweitet wird, wie wir es ausgeführt haben. Und das Gesetz sagt in Art. 19, der nicht Gegenstand der Vorlage ist: Vorübergehende Sonntagsarbeit - nicht dauernde - kann bewilligt werden, sofern ein dringendes Bedürfnis nachgewiesen ist. Und dieses begründen Sie jetzt mit dem öffentlichen Druck bzw. mit einem Teil der Bevölkerung, der das als dringendes Bedürfnis deklariert. Regierungsrat Hansjörg Frick:
Nochmals: Ob Bedürfnis oder nicht, das steht hier nicht zur Debatte. Hier steht doch nicht die Sonntagsöffnung zur Debatte. Das ist seit 1992 in der Verordnung geregelt und die Geschäfte haben ihre Bewilligung zum Offenhalten, nur könnten sie rein nach dem Gesetz diese Geschäfte nur mit Familienangehörigen betreiben. Und die Geschäfte sind aber trotzdem - wir wissen es alle - seit Jahren am Sonntag geöffnet. Aber jetzt geht es doch darum: Wollen wir hier und jetzt eine Regelung schaffen, dass die Mitarbeiter in diesen Geschäften auch entsprechend entlöhnt sind und das Ganze eine gesetzliche Grundlage hat? Landtagspräsident Klaus Wanger:
Herr Regierungsrat, besten Dank. Dann können wir über den Antrag des Abg. Paul Vogt, der auf Nichteintreten lautet, abstimmen. Wer also zustimmen will, dass wir auf diese Gesetzesvorlage eintreten, soll bitte die Hand erheben. Abstimmung: Mehrheitliche Zustimmung mit 18 Stimmen
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Somit ist Eintreten beschlossen und wir können mit der 1. Lesung beginnen. Art. 18 Abs. 1 wird verlesen.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Art. 18 Abs. 1 steht zur Diskussion.
Sie wird nicht benützt. Wir können weiterlesen.
Art. 27a (neu) wird verlesen.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Art. 27a (neu) steht zur Diskussion.
Abg. Ingrid Hassler-Gerner:
Beim Abs. 1 denke ich könnte man die Anregungen aufnehmen. Ich habe jetzt realisiert, dass man die Öffnungszeiten praktisch nur noch über eine Einschränkung der Zulassung von Arbeitgebern für die Sonntagsarbeit regulieren kann. In diesem ersten Satz, glaube ich, könnten Sie eine bessere Lösung ausarbeiten lassen und die Vorbehalte der gewerberechtlichen Vorschriften könnten Sie zur 2. Lesung eventuell im groben Rahmen aufführen, dass man davon auch eine Vorstellung hat. Beim Abs. 3 bin ich mit der neuen Formulierung, wie Sie sie heute vorgelegt haben, das heisst, mit dem letzten Satz in der Form nicht einverstanden. Wir müssen in dem Fall davon ausgehen, dass wir nicht wissen, ob diese Personen, die nur an einem Sonntag die Arbeit verrichten, nicht auch an den anderen Tagen einer anderen Arbeit nachgehen. Wir können wieder das Beispiel der Familienarbeit nehmen. Das scheint mir ein falscher Ansatz zu sein, dass diese Personen, wenn das nicht eingeschränkt wird, nur vier Sonntage pro Jahr letztlich dann frei haben, das heisst, vom Gesetz als freie Sonntage geschützt sind. Hier muss man bedenken, dass nicht nur Elternteile die ganze Woche ihre Familienarbeit machen, sondern auch Sonntagsarbeiter andere Berufe ausüben bzw. anderen Beschäftigungen nachgehen. Wie dann die Kontrolle des Arbeitgebers ist, dass er diese 18 Stunden pro Woche im Durchschnitt nicht übersteigt, das sollten Sie noch erklären. Und beim Abs. 4 möchte ich noch fragen: Wie soll diese Überzeitarbeit an einem Sonntag entstehen? Er kann von 7.00 bis 17.00 Uhr arbeiten. Das sind zehn Stunden. Da überschreitet er wahrscheinlich die zulässige Höchstarbeitszeit pro Tag um eine Stunde. Bitte erklären Sie noch die Regelung von Abs. 4, wie es zur Überzeit an einem Sonntag kommt. Abg. Dorothee Laternser:
Danke, Herr Präsident. Im Hinblick auf den neu eingefügten Satz im Abs. 3 habe ich dieselben Bedenken wie die Abg. Ingrid Hassler. Ich möchte sie jetzt nicht wiederholen, aber ich möchte das unterstützen. Ich sehe es genau so kritisch wie sie. Dann hätte ich noch eine kleine Anmerkung: Jeder von uns - ich selbst natürlich auch - verwendet das Wort «Tankstellenshops», aber ich finde es nicht angebracht, wenn man diesen englisch-deutschen Mix auch in die Gesetzestexte einfliessen lässt. Ich möchte doch anregen bis zur 2. Lesung, dass man dafür ein deutsches Wort verwendet. Meinetwegen also Tankstellengeschäfte oder Tankstellenläden. Auf jeden Fall nicht diese Mischung. Danke. Abg. Markus Büchel:
Meine Damen und Herren Abgeordnete. Ich bin da anderer Meinung bezüglich dem Art. 27a Abs. 3 als meine beiden Vorrednerinnen. Ich bin nämlich überzeugt, dass die wöchentliche Gesamtarbeitszeit ganz sicher möglich ist zu erfassen, weil jeder gesetzmässig handelnde Arbeitgeber muss seine Mitarbeiter anmelden und auch Sozialabgaben leisten usw. und es ist ganz klar möglich, diese Arbeitszeiten zu kontrollieren. Und diese Herabsetzung der freien Sonntage auf die Mindestzahl von vier ist insofern auch richtig meiner Meinung nach, dass es eine Menge Personen gibt, die vielleicht während der Woche nicht arbeiten können, aber dann am Wochenende die Möglichkeit haben, noch ein paar Franken dazuzuverdienen. Ich denke da an Studenten, Praktikanten usw., für die das ein idealer Nebenerwerb oder überhaupt Zustupf ist zu ihren Kosten während der Ausbildung usw. Und auch wenn eine Frau, die während der Woche keine Möglichkeit hat, am Sonntag ein paar Franken dazuverdienen kann, dann soll sie das auch können. Es wäre sehr schön, wenn wir die heile Welt, wie sie zum Teil hier angesprochen wurde, mit Kirchgang, Vereinsleben usw. pflegen würden. Das würde mich freuen. Ich stelle das in den Kirchen jeden Sonntag auf jeden Fall nicht fest. Die Gewohnheiten haben sich nun mal total verändert und darum finde ich auch, dass man bei der Gesetzgebung darauf Rücksicht nimmt und die Gesetze den heutigen Bedürfnissen anpasst. Abg. Ingrid Hassler-Gerner:
Zu dieser letzten Wortmeldung habe ich meine Bedenken, jedenfalls in faktischer Hinsicht. Ich muss nur fragen: Wie kann man gewährleisten, dass eine Person in der Woche nicht mehr als 18 Stunden arbeitet, sei es bei einem anderen Arbeitgeber, sei es in der Familienarbeit oder wo sonst auch immer, damit dann das Gesetz eingehalten ist, damit er dann eben noch an einem Sonntag ebenfalls diese Arbeitszeit leisten kann? Es würde mich interessieren, wie wir den Vollzug dieser gesetzlichen Vorschrift gewährleisten. Abg. Markus Büchel:
Ich gebe Ihnen Recht. Alle nicht bezahlte Arbeit - und da gehört eben auch die Arbeit im Haushalt usw. dazu - da gebe ich Ihnen Recht, das ist nicht kontrollierbar. Aber alle andere Arbeit, die bezahlt wird - und ich gehe davon aus, dass wir im Lande Liechtenstein auch gesetzestreue Arbeitgeber haben, diese Arbeitgeber melden ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an und zahlen Sozialbeiträge, Versicherungen usw. Regierungsrat Hansjörg Frick:
Bei der Berechnung dieser 18 Stunden müssen hier allfällig gearbeitete Wochenstunden bei einem anderen Arbeitgeber mit einbezogen werden. Das ist selbstverständlich. Landtagspräsident Klaus Wanger:
Besten Dank. Dann können wir weiterlesen.II. wird verlesen.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
II. steht zur Diskussion.
Sie wird nicht benützt.
Damit haben wir die 1. Lesung des Gesetzes betreffend die Abänderung des Gesetzes über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel - sprich Arbeitsgesetz - beraten.
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