Formuliertes Initiativbegehren des Komitees «Für das Leben» zur Abänderung von Art. 14 der Landesverfassung und Gegenvorschlag zum formulierten Initiativbegehren des Komitees «Für das Leben» zur Abänderung von Art. 14 der Landesverfassung der Abgeordneten Doris Beck und Markus Büchel vom 26.August 2005 (Nr.40/2005)
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Damit kommen wir zu Traktandum 4: Formuliertes Initiativbegehren des Komitees «Für das Leben» zur Abänderung von Art. 14 der Landesverfassung (Bericht und Antrag Nr. 40/2005). Wir behandeln somit zuerst das Initiativbegehren des Komitees «Für das Leben» zur Abänderung von Art. 14 der Landesverfassung gemäss dem von mir genannten Bericht und Antrag der Regierung Nr. 40/2005. Der Bericht und Antrag steht zur Diskussion. Abg. Markus Büchel:
Herr Präsident, meine Damen und Herren. Ich möchte zuerst zur Initiative und dann zum Gegenvorschlag meine Ausführungen machen. Zur Initiative: Die vom überparteilichen Initiativkomitee «Für das Leben» lancierte und mit 1'889 gültigen Unterschriften zustande gekommene Verfassungsinitiative liegt uns zur Behandlung vor. Damit beabsichtigen die Initianten, den Art. 14 der Verfassung zu aktualisieren, indem festgehalten werden soll - ich zitiere: «Oberste Aufgabe des Staates ist der Schutz des menschlichen Lebens von der Empfängnis an bis zum natürlichen Tod».Sie begründen dies nach eigenen Angaben vor dem Hintergrund, dass der stetige Fortschritt in Wissenschaft und Technik, einhergehend mit der Entstehung und Entwicklung des menschlichen Lebens, gesellschaftliche Zwänge und Desorientierung von Einzelnen und Gruppen, losgelöst von der christlichen Werteordnung, den einzelnen Menschen vermehrt Eingriffen und Zugriffen aussetze. Nach dem Zustandekommen haben wir in unserer Fraktion die Initiative eingehend beraten und sind mehrheitlich zum Schluss gekommen, dass wir dieser nicht zustimmen können. Wir anerkennen die Bemühungen der Initianten und sind vom Grundgedanken mit der Intention der Initianten einverstanden. Es ist auch grundsätzlich sehr zu begrüssen, wenn sich Bürgerinnen und Bürger aktiv an politischen Prozessen beteiligen und initiativ werden. Der Schutz des Lebens ist auch unserer Meinung nach eine der wichtigsten, wenn nicht sogar die wichtigste Aufgabe des Staates. Durch die Initiative «Für das Leben» sind Themen wie Schwangerschaftskonflikt, pränatale Diagnostik, Stammzellenforschung, Sterbehilfe, Menschenwürde, Selbstbestimmungsrecht und vieles mehr angesprochen. Dies sind wichtige Themen, die diskutiert werden müssen und für die zum Teil rechtliche Grundlagen zu schaffen oder anzupassen sind. Zur Formulierung «von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod»: Einerseits ist sie sehr einschränkend, andererseits lässt sie sehr viele Fragen offen und erzeugt Unsicherheit. Die zahlreichen tangierten Themen müssen aber unserer Meinung nach alle einzeln diskutiert, geklärt und einer Entscheidung zugeführt werden. Wir sind aber der Überzeugung, dass diese Formulierung einen Entscheidungsprozess für die Zukunft stark einschränkt und eine vertiefte Diskussion sowie freie Meinungsfindung und Meinungsentscheidung nicht mehr zulassen würde. Darum können wir, wie vorhin schon gesagt, dieser Formulierung mehrheitlich nicht zustimmen. Der Schutz des Lebens und der Menschenwürde stellt von seinem Wesen und Inhalt her primär Menschenrechte bzw. Grundrechte dar. Es handelt sich damit um elementare Rechte des Individuums, die typischerweise in internationalen und nationalen Menschen- bzw. Grundrechtskatalogen verankert sind. Die Absicht der Initianten, die Ausgestaltung dieser Rechte als Staatsaufgabe im III. Hauptstück der Verfassung anzusiedeln, ist ungewöhnlich und widerspricht auch klar der Systematik der liechtensteinischen Verfassung. Staatsaufgaben sind Tätigkeitsfelder, die kraft Verfassung und Gesetz dem Staat zugewiesen sind. Aufgabennormen definieren keine individuell durchsetzbaren Rechtspositionen. Sie enthalten Handlungsanweisungen an den Staat. Der Staat hat zu prüfen, ob und inwieweit ein Tätigwerden erforderlich ist. Bei der Umsetzung von Aufgabennormen verbleibt dem Staat in aller Regel Raum für politische Opportunitätsüberlegungen. Grundrechte sind die durch Verfassung oder Staatsvertrag gewährleisteten Rechte des Einzelnen gegenüber dem Staat im Bereich elementarer Erscheinungen des menschlichen Lebens. Bei den Grundrechten handelt es sich um Individualrechte. Sie vermitteln subjektive Ansprüche gegen den Staat, indem sie den Einzelnen vor staatlichen Eingriffen in dessen Freiheitssphäre schützen. Unter Berücksichtung all dieser Aspekte sind wir in der FBP-Fraktion dann zum Schluss gekommen, dass wir die Initiative - wie sie in dieser Fassung vorliegt - nicht unterstützen werden. Aufgrund der Wichtigkeit dieses Anliegens wurde ich als Fraktionssprecher der FBP beauftragt, mit der Fraktion der VU Kontakt aufzunehmen und abzuklären, ob ein gemeinsames Vorgehen möglich und sinnvoll wäre. Es hat sich dann in Gesprächen herausgestellt, dass auch in der VU-Fraktion mehrheitlich die gleichen Bedenken bestanden. So sind wir nach eingehenden Beratungen zum Schluss gekommen, einen Gegenvorschlag, der dem Grundanliegen dieser Initiative gerecht wird, zu erarbeiten und im Landtag einzubringen. Nun zum Gegenvorschlag: Die Fraktionen der Fortschrittlichen Bürgerpartei und der VU erarbeiteten nach diesem Entscheid über die Sommerwochen einen Gegenvorschlag, welcher dem Grundanliegen der Initianten Rechnung trägt und gleichzeitig aber auch der Systematik unserer Verfassung entspricht. In gemeinsamen Gesprächen wurde der Vorschlag diskutiert und in der Folge wurden Ideen und Texte ausgetauscht. Es handelt sich somit um einen gemeinsamen Vorschlag. Der Gegenvorschlag besteht aus zwei Artikeln und soll im IV. Hauptstück der Verfassung Eingang finden. Das IV. Hauptstück der Verfassung regelt - wie schon ausgeführt - die Rechte und Pflichten der Landesangehörigen. Der Wortlaut des Gegenvorschlages zum Art. 27bis - Menschenwürde - lautet wie folgt:Abs. 1: Die Würde des Menschen ist zu achten und zu schützen.Abs. 2: Niemand darf unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Die Formulierung in Abs. 1 ist identisch mit Art. 7 der Schweizerischen Bundesverfassung. Ursprünglich hatten wir als Wortlaut den Text gewählt, welcher auch im deutschen Grundgesetz und teilweise auch in Kantonsverfassungen der Schweiz Eingang gefunden hat. Die Formulierung lautet - ich zitiere: «Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen».Im Rahmen der Diskussion in den Fraktionen zum Gegenvorschlag wurde von verschiedenen Seiten und Mitgliedern vorgebracht, dass die Formulierung «unantastbar» zu stark sei und es könnte die Formulierung, wonach die Menschenwürde unantastbar sei, den Eindruck erwecken, der Staat müsse jederzeit einen umfassenden und absoluten Schutz der Menschenwürde bieten, was so nicht der Realität entspräche. Darüber hinaus ist kein anderes Grundrecht derart absolut formuliert, nicht einmal das Recht auf Leben. Es ist kein Zufall, dass die Menschenwürde auch in der EMRK nur in negativer Form, nämlich im Verbot der Folter oder unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung und Strafe zum Ausdruck kommt. Darum wollen wir mehrheitlich bei unserer eingebrachten Formulierung bleiben. Abs. 2: «Niemand darf unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden». Das Folterverbot ist nicht explizit enthalten. Da die Folter aber eine qualifizierte Form der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung darstellt, ist das Folterverbot automatisch im Verbot der unmenschlichen Behandlung enthalten. Das Verbot der Folter hat auch Eingang in die Schweizerische Bundesverfassung gefunden. Folter und jede andere Art grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung sind verboten. An dieser Stelle sei erwähnt, dass das Folterverbot bereits Teil der Landesverfassung ist. Im Zuge der Verfassungsrevision wurde ein neuer Art. 10 Abs. 2 mit folgendem Wortlaut geschaffen - ich zitiere: «Notverordnungen können weder das Recht eines jeden Menschen auf Leben, das Verbot der Folter und der unmenschlichen Behandlung, das Verbot der Sklaverei und der Zwangsarbeit, noch die Regel 'Keine Strafe ohne Gesetz' beschränken». Art. 10 formuliert also die materiellen Schranken des Notverordnungsrechts. Entsprechend ist die Bestimmung im II. Hauptstück «Vom Landesfürsten» und nicht im Individualrecht - IV. Hauptstück - eingefügt worden. Das Folterverbot von Art. 3 der EMRK ist allgemeiner Natur und geht über den Spezialfall der Notverordnungen hinaus. Zum 2. Artikel, Art. 27ter - Recht auf Leben - Abs. 1: Jeder Mensch hat das Recht auf Leben. Art. 3 der allgemeinen Menschenrechtsdeklaration, Art. 2 Abs. 1 der «Charter of fundamental rights» der Europäischen Union sowie Art. 10 Abs. 1 Satz 1 sind im Wortlaut identisch mit dem obigen Absatz. Beinahe wortgleich ist das Recht auf Leben im Grundgesetz niedergelegt. In Kantonsverfassungen finden sich ebenfalls fast identische Formulierungen. Eine etwas andere Formulierung findet sich in Art. 6 des Internationalen Pakts über bürgerliche Rechte und politische Rechte, im UNO-Pakt. Abs. 1 dieses Artikels lautet wie folgt - ich zitiere: «Jeder Mensch hat ein angeborenes Recht auf Leben. Dieses Recht ist gesetzlich zu schützen. Niemand darf willkürlich seines Lebens beraubt werden». Nach Meinung der Experten empfiehlt es sich, eine einfache und klare Formulierung zu wählen. Die Formulierung «Jeder Mensch hat das Recht auf Leben» vermag diese Kriterien zu erfüllen. Die Übernahme eines bestehenden Wortlautes respektive die Anlehnung an gegebene Formulierungen erscheint auch darum sinnvoll, da im Anlassfall auf die Judikatur zu diesen Bestimmungen zurückgegriffen werden kann. «Die Todesstrafe ist verboten» - der 2. Abs. von Art. 27ter: Diese Formulierung ist identisch mit derjenigen von Art. 10 Abs. 1 Satz 2 der Bundesverfassung. Sie ist kurz und prägnant. Sie verbietet die Todesstrafe sowohl in Friedens- als auch in Kriegszeiten. Da die Todesstrafe in jedem Fall einen unzulässigen Eingriff in das Recht auf Leben und dessen Kerngehalt darstellt, könnte auf diesen Absatz an sich verzichtet werden. Das Verbot der Todesstrafe ergibt sich auch bereits aus dem Protokoll Nr. 13 der EMRK, welches von Liechtenstein am 5. Dezember 2002 ratifiziert wurde. Gemäss Art. 1 dieses Protokolls ist die Todesstrafe abgeschafft. Niemand darf zu dieser Strafe verurteilt oder hingerichtet werden. Aus prinzipiellen Gründen ist es wichtig, dass das absolute Verbot der Todesstrafe jedoch gleichzeitig mit dem Recht auf Leben in die Landesverfassung aufgenommen wird. Zusammenfassend möchte ich festhalten: Mit diesem Gegenvorschlag wird dem Grundanliegen der Initianten nach Überzeugung der Fraktionen von FBP und VU Rechnung getragen. Sowohl die Würde des Menschen als das Recht auf Leben werden darin verankert. Der Gegenvorschlag entspricht auch - wie in den Ausführungen erwähnt - internationalen Standards, was bedeutet, dass wir damit nichts Neues erfinden. Hingegen trifft dies in keiner Weise auf die vorerwähnte Initiative zu, denn nach Aussagen von Verfassungsrechtlern ist keine andere Verfassung bekannt, in der eine Staatsaufgabe mit diesem einschränkenden Wortlaut enthalten ist. Mit dem Gegenvorschlag der beiden Fraktionen - von FBP und VU eingereicht - soll aber auch in Zukunft Raum bleiben, um notwendige Anpassungen in Themenbereichen, wie sie durch die Initiative «Für das Leben» tangiert sind, vorzunehmen. Abg. Doris Beck:
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren. Im Traktandum 4 befindet der Landtag über das formulierte Initiativbegehren des Komitees «Für das Leben» zur Abänderung von Art. 14 der Landesverfassung und gleichzeitig über den Gegenvorschlag zum formulierten Initiativbegehren erarbeitet innerhalb der Fraktionen der VU und FBP. Der Fraktionssprecher Markus Büchel hat in seinem Votum bereits das Zustandekommen der Initiative und der einzelnen Artikel der Initiative «Schutz des Lebens» erläutert sowie auch das Zustandekommen und die Inhalte der Artikel des Gegenvorschlags ausgeführt. Ich möchte dies nicht im Detail wiederholen. Einige Ergänzungen dazu:Was waren die Beweggründe zur Erarbeitung eines Gegenvorschlags? Zum einen waren es die nicht fassbaren Grenzen und Auswirkungen der Initiative «Für das Leben», was konkret die Formulierung von der Empfängnis an bis zum natürlichen Tod betrifft. Zum anderen, dass mit der Abänderung der Verfassung im Art. 14 diese Definition in den Staatsaufgaben verankert werden soll und somit jegliche Verantwortung und Umsetzung pauschal an den Staat übergeben wird. Mit dem vorliegenden Gegenvorschlag soll den Grundanliegen der Initianten nach Überzeugung der Ersteller des Gegenvorschlags Rechnung getragen werden. Sowohl die Würde des Menschen als auch das Recht auf Leben werden darin verankert. Mit der Platzierung der Anliegen im IV. Hauptstück der Verfassung soll der Schutz des Lebens und die Menschenwürde den Grundrechten zugeordnet werden, da die Verfassung an dieser Stelle die Rechte und Pflichten von Landesangehörigen regelt. Was ist das Ziel und gleichzeitig das Potenzial der Regelung, wie es im Gegenvorschlag festgehalten ist? Abgesehen davon, dass die Ansiedelung der vorgeschlagenen Artikel im IV. Hauptstück der Systematik der liechtensteinischen Verfassung entspricht, die in einer moderen Verfassung auch nur dort hingehören, gibt es einige Überlegungen, die vielleicht nicht offensichtlich sind. Die Annahme des Gegenvorschlags ermöglicht weiterhin eine differenzierte Ethik-Diskussion zu einzelnen Themenbereichen des gesamten Lebenszyklus des Menschen. Aktuell findet keine gezielte inhaltliche Diskussion statt. Relativ schnell soll eine wichtige und vor allem eine riesige Spannweite an einzelnen Themen betreffende Diskussion pauschal abgehandelt werden. Die einzelnen Betroffenen können sich nicht mit ihren Argumenten in die Diskussion einbringen, da ja nicht wirklich über einzelne Ereignisse diskutiert wird. Das einzige Thema, das den Sprung in die Medien und in diese Diskussion geschafft hat, ist die Fristenlösung. Aber auch dieses Thema wurde nicht wirklich diskutiert, sondern undifferenziert als Beispiel benutzt. Dass es dieses Thema geschafft hat, in dieser Diskussion überhaupt präsent zu sein, zeigt mir, dass die heutigen gesetzlichen Regelungen nicht praxisnah oder problemnah sind und zur Erneuerung anstehen. Ich möchte mich an dieser Stelle gar nicht über die Richtung einer Erneuerung äussern. Fakt ist doch, dass mit dem Gegenvorschlag die Möglichkeit geboten wird, eine Diskussion zu führen und Lösungen mit Einbezug der Betroffenen zu suchen.Dies nur ein Thema. Wie sieht es mit den lebenserhaltenen Medizinerrungenschaften aus? Wo und wie dürfen diese eingesetzt werden? Was ist mit den rechtlichen Rahmenbedingungen zur Patientenverfügung? Dazu gibt es noch viele Themen mehr, die der Abg. Markus Büchel auch bereits angesprochen hat. Der Gegenvorschlag bietet die Möglichkeit, den Schutz des Lebens und die Menschenwürde in der Verfassung verstärkt zu verankern und zu betonen. Gleichzeitig bleibt aber die Möglichkeit oder die moralische Pflicht, die einzelnen Themen zu diskutieren und einer für alle Beteiligten zumutbaren Lösung zuzuführen. Alle demokratischen Mittel - wie Initiative oder Referendum - stehen weiterhin zur Verfügung. Mit dem Gegenvorschlag schaffen wir eine gute Basis, um in den einzelnen Fragen durch den gesamten Lebenszyklus hindurch eine dem jeweiligen Thema angepasste Lösung zu finden und den Betroffenen die Chance auf eine faire Auseinandersetzung inklusive der Beurteilung der vorliegenden Probleme und Anliegen zu gewähren. Für mich persönlich ist die Zustimmung zum Gegenvorschlag und die Ablehnung der Initiative «Für das Leben» eng geknüpft mit dem Auftrag als Landtagsabgeordnete, für das Volk und das Land verantwortbare Entscheide zu treffen. Mit der Annahme des Gegenvorschlags ist die Basis gelegt, um eine wirkungsvolle, diskussionsreiche und verantwortungsvolle Erarbeitung von Lösungen zu all den angedeuteten Themen der Initiative «Für das Leben» zu erreichen, eine Ethik-Diskussion stattfinden zu lassen und sich auch gesellschaftspolitisch damit auseinander setzen zu können oder eben zu müssen. Mit der Annahme der Initiative «Für das Leben» - verankert in den Staatsaufgaben - ist bis heute nicht geklärt, wie diese Staatsaufgaben wahrgenommen werden müssten. Was sind die Auswirkungen? Was liegt noch im Verantwortungsbereich des Landtages oder des Volkes? Wer entscheidet bei Rechtsstreitigkeiten? - und vieles mehr.Wollen wir alle Probleme des menschlichen Lebenszyklus' pauschal mit einem Federstrich unter den Tisch kehren und hoffen, dass wir nie zu den Leidtragenden dieses Generalentscheids gehören? Nein, ich denke, das kann nicht der Weg sein, verantwortungsvoll zu handeln. Ich hoffe, dass mit der Annahme des Gegenvorschlags alle im Moment betroffenen Menschen in unserem Lande eine Chance sehen, ihre Anliegen mit allen Vor- und Nachteilen der öffentlichen Diskussion zu stellen und für alle gemeinsam zu einer für das Land Liechtenstein und seine Menschen verantwortungsvolle und annehmbare Lösung zu finden. Besten Dank.Abg. Paul Vogt:
Guten Morgen, meine Damen und Herren.
Die Frage der rechtlichen Stellung von ungeborenem Leben und der Sterbehilfe sind Fragen, die weltweit erbitterte Kontroversen und grosse Emotionen auslösen. Dies ist eine Feststellung, die ich an den Anfang meines Votums setzen möchte, auch deshalb, weil wir Abgeordnete in den letzten Tagen einen Brief per Eilbote zugestellt bekommen haben, in dem Schwangerschaftsabbrüche mit Meuchelmord gleichgesetzt werden. Eine solche Aussage mag der subjektiven Überzeugung von militanten Gegnern einer Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs entsprechen, sie entspricht aber nicht der Auffassung und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und zahlreicher Verfassungsgerichte. Diese Haltung entspricht auch nicht der Auffassung vieler christdemokratischer Parteien, die sich sehr schwer getan haben mit der strafrechtlichen Beurteilung von Abtreibungen, sich am Schluss aber zu einer Liberalisierung durchringen konnten. Ich meine, wir müssen die Diskussion um diese heiklen Fragen in Anstand führen. Die wichtigsten Argumente in diesen Auseinandersetzungen wiederzugeben, würde den Rahmen dieses Votums sprengen. Ich mache es kurz: Bei der Abtreibungsproblematik geht es einerseits um die Frage des rechtlichen Status von Embryonen und Föten, das heisst, inwiefern und ab welchem Stadium diesen ein Persönlichkeitsrecht zukommt, das vom Staat geschützt werden muss. Andererseits geht es um das Selbstbestimmungsrecht der Frau, um die Bedeutung der verfassungsmässig garantierten Freiheit der Person. Inwiefern darf der Staat das Selbstbestimmungsrecht der Frau einschränken? In dieser Diskussion stehen sich ethische, religiöse, rechtspolitische und nicht zuletzt auch praktische Positionen oft unvereinbar gegenüber.
Die Volksinitiative «Für das Leben» ist der Versuch, diese Fragen auf Verfassungsstufe in einer fundamentalistischen Sichtweise ein für allemal zu erledigen. Wenn das Volk der Grundüberzeugung der Initianten folgen würde, wäre in Zukunft eine Abtreibung nur noch bei einer akuten Gefährdung des Lebens der werdenden Mutter möglich, Organtransplantationen würden teilweise verunmöglicht, ebenso die Stammzellenforschung. Ein Teil der Verhütungsmittel müsste verboten werden, Sterbehilfe würde in Frage gestellt. Das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen würde durch staatliche Vorschriften unverhältnismässig eingeschränkt. Ich möchte auf eine Konsequenz hinweisen, die ich als besonders stossend empfinde: Der Staat würde eine Frau, die nach einer Vergewaltigung schwanger wird, zwingen, Mutter zu werden.
Das kann, wenn man an die Gräuel in Ex-Jugoslawien denkt, nicht der Wille der Mehrheit sein. Ich möchte die Auffassung der Initianten nicht unwidersprochen stehen lassen, dass bei einer Annahme dieser Volksinitiative die Probleme zwingend in ihrem Sinn geregelt werden müssten. Wir kennen beispielsweise auch das Recht auf Arbeit in der Verfassung, ohne dass dieses vom Gesetzgeber bisher konkretisiert wurde und deshalb bis heute totes Recht blieb. Auch bei einer Annahme der Initiative bliebe dem Gesetzgeber ein erheblicher Interpretationsspielraum bei der Ausgestaltung des Strafrechtes.
Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass jährlich zwischen 40 und 50 Millionen Schwangerschaftsabbrüche weltweit vorgenommen werden, etwa 40 Prozent davon illegal. Die Haltung der Behörden gegenüber illegalen Schwangerschaftsabbrüchen sei häufig dadurch gekennzeichnet, dass illegale Schwangerschaftsabbrüche in der Praxis meist ignoriert und toleriert würden und es kaum zu strafrechtlichen Verfolgungen komme. Gründe dafür sind, dass es den Behörden am entsprechenden Willen zur Strafverfolgung fehle, aber auch dass Schwangerschaftsabbrüche heute relativ leicht vorgenommen werden können. In der Schweiz beispielsweise erfolgten im Jahre 2003 bereits 40% der Abbrüche mit der so genannten Abtreibungspille RU 486. Im Sinne der Initianten müsste auch die «Pille danach» verboten werden, die in der Schweiz heute rezeptfrei in Apotheken erhältlich ist. Es entspricht im Übrigen den weltweit gemachten Erfahrungen, dass staatliche Abtreibungsverbote die Zahl der Abtreibungen nicht einschränken können, gezielte Aufklärung und ein ausreichendes Angebot an Verhütungsmitteln hingegen erweisen sich als wirksame Mittel zur Senkung der Abtreibungsrate. Die Statistiken zeigen weiter, dass in den Ländern mit einer liberalen Gesetzgebung - dazu gehören die meisten westlichen Demokratien - am wenigsten Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden, weil dort das Thema nicht tabuisiert wird und Aufklärung stattfindet.
Für Liechtenstein wird die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche auf zirka 50 pro Jahr geschätzt. Fast alle dürften nach den Massstäben des Strafrechts illegal durchgeführt werden. Zu einer strafrechtlichen Verfolgung kommt es trotzdem nicht. Ich denke, wir sind uns alle einig im Ziel, die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche möglichst zu senken. Das Strafrecht ist dafür kein geeignetes Mittel. Das einzige, was mit einer Verschärfung der Strafverfolgung erreicht würde, wäre, dass die Angst vor einer Strafverfolgung anstiege und deshalb noch mehr darauf geachtet würde, dass alles im Verborgenen abläuft. Die Schwangerschaftsabbrüche werden ohnehin im Ausland gemacht. Dies ist auch mit ein Grund, warum das Thema hierzulande lange Zeit tabuisiert und weitgehend ignoriert werden konnte.
Die weiteren Eckpunkte der Initiative «Für das Leben» sind das Verbot der Stammzellenforschung und der Organtransplantation. Ich möchte diese Fragen hier nicht vertiefen, aber meines Erachtens sollten die Menschen ermuntert werden, sich mit der Frage auseinander zu setzen, ob ihre Organe zum Überleben todkranker Menschen verwendet werden dürfen, wenn bei ihnen ein Hirntod festgestellt wurde. Der Gesetzgeber sollte diese Fragen regeln, damit den Menschen die Angst vor einem möglichen Missbrauch genommen wird. Ein einfaches Verbot ist meines Erachtens keine adäquate Antwort auf diese Fragen. Man darf nicht einfach apodiktische Bestimmungen in die Verfassung hineinschreiben, nur um sein Gewissen zu beruhigen. Es gilt, die Missbrauchspotenziale auszuschalten und die berechtigten Interessen gegeneinander abzuwägen. Allerdings muss man auch hier feststellen: Ein Verbot der Organtransplantation hätte kaum praktische Folgen in Liechtenstein, da entsprechende Operationen meines Wissens im Landesspital Vaduz nicht durchgeführt werden.
Noch ein Wort zur Sterbehilfe: Die Auffassungen der Initianten zu diesem Thema sind mir - ehrlich gesagt - nicht klar geworden, weil sie sich weigern, konkrete Fragen umfassend zu beantworten. In ihrem Begleitschreiben sagen sie, dass sie Patientenverfügungen respektieren wollen und der Staat die passive Sterbehilfe tolerieren soll. Jede aktive Sterbehilfe müsse jedoch strafbar sein. Zur Unterscheidung von aktiver und passiver Sterbehilfe verweisen sie dann einfach auf Wissenschaft und Lehre, in der die beiden Begriffe klar definiert würden. In der Realität ist eine klare Abgrenzung jedoch nicht immer möglich. Der Hinweis auf Forschung und Lehre reicht deshalb nicht, um die Absicht der Initianten herauszukristallisieren. Tatsächlich gibt es bei den verschiedenen Formen der Sterbehilfe - dazu gehören auch die Beihilfe zum Suizid und die indirekte Beihilfe - grosse Abgrenzungsprobleme. Sie lassen sich nicht immer klar auseinander halten.
Ich bin überzeugt, dass die einzige Auswirkung einer allfälligen Annahme der Initiative «Für das Leben» darin bestehen würde, dass das Problem wieder tabuisiert würde. Es mag für die Selbsteinschätzung der Initianten wohltuend sein, dass sie die kontrovers und sehr emotional diskutierten Probleme durch ein grundsätzliches Verbot aus der Welt oder zumindest aus Liechtenstein schaffen wollen. Gelöst sind damit die Fragen nicht. Mit grosser Wahrscheinlichkeit werden sie auch bei uns noch jahrzehntelang diskutiert und immer wieder neu aufgerollt werden. Ich erinnere an das Beispiel Österreich, wo die Fristenlösung vor gut 30 Jahren eingeführt wurde, aber auch heute noch zu leidenschaftlichen Diskussionen Anlass gibt. Keine Partei, auch nicht die ÖVP, will aber die Fristenlösung abschaffen.
So viel zur Beurteilung der Initiative. Was den Gegenvorschlag der Fraktionen der VU und der FBP betrifft, so habe ich damit keine grundsätzlichen Probleme. Ich habe jedoch bereits in einer E-Mail an alle Abgeordneten angekündigt, dass ich hier einen Gegenantrag einbringen werde, und ich habe auch die wichtigsten Argumente für diesen Gegenantrag erwähnt. Der Abg. Markus Büchel war daher bereits in der Lage, auf diesen Gegenantrag einzugehen, weil er über die Hintergründe einigermassen informiert war. Ich bin überzeugt, dass der Gegenvorschlag der Fraktionen der VU und der FBP keine optimale Lösung darstellt, habe aber keine grundsätzlichen Probleme damit. Ich werde ihm also auch zustimmen. Ich bin jedoch überzeugt, dass im Lichte der aktuellen Grundrechtsdiskussionen eine bessere Formulierung gewählt werden sollte und stelle daher folgenden Abänderungsantrag zu Art. 27bis. Er möge lauten: «Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen».Die Fassung des Gegenvorschlags von VU und FBP entspricht dem Wortlaut von Art. 7 der schweizerischen Verfassung. Nach der Meinung namhafter Verfassungsexperten ist diese Formulierung jedoch eher schwach. Die Formulierung, wie sie in unserem Abänderungsantrag enthalten ist, entspricht der Formulierung, wie sie in der Charta der Grundrechte für eine Verfassung für Europa enthalten ist. Ich spreche hier vom Artikel II-62.
Wo liegen die Unterschiede zwischen den beiden Anträgen? Der Antrag der FBP und VU formuliert die Würde des Menschen als ein Recht, das interpretiert werden kann, das in seiner Geltung durch Gesetze relativiert und eingeschränkt, den Umständen angepasst werden kann. Unser Antrag formuliert die Menschenwürde hingegen als Grundrecht, das vom Staatsgerichtshof unmittelbar umgesetzt werden muss und das nicht durch Gesetze relativiert werden darf. Die Menschenwürde wird damit sozusagen ein unverrückbarer Massstab in unserem Rechtsstaat. Der Grundsatz, dass die Würde des Menschen unantastbar ist, erhält damit einen Stellenwert, der vergleichbar ist mit dem Gleichheitsgrundsatz. Er wird zu einem leitenden Gedanken der Verfassung. Wenn wir den Grundrechtsteil der liechtensteinischen Verfassung, der zweifellos ergänzungsbedürftig ist, novellieren, dann sollten wir die Chance nicht verpassen, diesen Gedanken in der Verfassung entsprechend auszugestalten.
Um allfälligen Bedenken gegen diesen Änderungsantrag zu begegnen, möchte ich mein Votum mit einigen Hinweisen auf entsprechende Formulierungen in anderen modernen Verfassungen schliessen. Auffallend ist, dass gerade Staaten, die eine diktatorische Phase hinter sich haben, in der die Menschenrechte arg verletzt wurden, Formulierungen gewählt haben, in denen der Schutz der Menschenwürde als leitendes Verfassungsprinzip verankert wird. So sagt das deutsche Grundgesetz in Art. 1 Abs. 1: «Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt». Art. 10 der spanischen Verfassung von 1978 lautet: «Die Würde des Menschen, die unverletzlichen Rechte, die ihr innewohnen, die freie Entfaltung der Persönlichkeit, die Achtung des Gesetzes und der Rechte anderer sind die Grundlagen der politischen Ordnung und des sozialen Friedens». Auch hier kommt sehr schön zum Ausdruck, dass die Würde des Menschen dem Mitmenschen innewohnt, ihm nicht genommen werden kann und nicht eingeschränkt werden kann. In der südafrikanischen Verfassung von 1996 heisst es in Art. 10 - ich habe leider nur eine englische Fassung: «Everyone has inherent dignity and the right to have their dignity respected and protected». Ich versuche eine Übersetzung, die aus Sicht der Juristen vielleicht nicht ganz adäquat sein mag: «Jeder Mensch hat eine ihm innewohnende, inhärente Würde und das Recht, dass diese Würde respektiert und geschützt wird». Ein weiteres Beispiel: In der polnischen Verfassung von 1997 heisst es in Artikel 30: «Die Würde des Menschen ist ihm angeboren und unveräusserlich. Sie bildet die Quelle der Freiheiten und Rechte des Menschen und des Staatsbürgers. Sie ist unverletzlich, ihre Beachtung und ihr Schutz ist Verpflichtung der öffentlichen Gewalt». Also auch hier wieder die Formulierung, dass die Würde des Menschen absolut gilt und nicht durch den Gesetzgeber aufgrund irgendwelcher Umstände relativiert werden darf.
Meine Damen und Herren, ich werde gerne mithelfen, den Grundsatz in der Verfassung zu verankern, dass die Würde des Menschen zu schützen ist. Schön wäre es, wenn Sie sich der weiter gehenden Formulierung anschliessen könnten. Ich sehe nicht, was dagegen spricht. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Abg. Günther Kranz:
Geschätzter Präsident, geschätzte Damen und Herren Abgeordnete. Es zeichnet sich da eine grosse Allianz ab. Ich versuche aber doch, eine andere Meinung einzubringen. Heute liegt uns der Bericht und Antrag der Regierung über das Initiativbegehren des Komitees «Für das Leben» zur Ergänzung von Art. 14 der Landesverfassung zur Behandlung vor. Wie die Regierung in ihrem Bericht und Antrag vom 24. Mai dieses Jahres am Schluss desselben feststellt, steht die Initiative nicht im Widerspruch zu den in Liechtenstein geltenden Staatsverträgen und den sich daraus ergebenden völkerrechtlichen Verpflichtungen. Die am 15. März 2005 vom Initiativkomitee «Für das Leben» bei der Regierung angemeldete formulierte Volksinitiative zur Ergänzung des Art. 14 der Landesverfassung wurde vom Landtag in der Juni-Sitzung diesen Jahres als für zulässig befunden. Die Regierung hat mit Beschluss vom 16. August 2005 festgestellt, dass das Initiativbegehren gemäss Art. 64 der Verfassung mit 1'889 Unterschriften gültig zustande gekommen ist. Durch die Ergänzung bzw. die Überarbeitung des in Behandlung stehenden Verfassungsartikels im III. Hauptstück bewirkt die Initiative, dass der Staat in Art. 14 in der Pflicht steht, den Schutz des menschlichen Lebens integral zu schützen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und die frühere Kommission für Menschrechte haben hierzu bislang Folgendes festgestellt: Das ungeborene Kind gelte nicht direkt als Mensch im Sinne von Art. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Nach der jüngsten Rechtsprechung des EGMR ist es weitest den Staaten überlassen, zu definieren, wann das Recht auf Leben beginnt. Durch solche Quasi-Freiheiten läuft das gesellschaftliche Leben Gefahr, alles verhandeln zu können, auch das erste Grundrecht, das Recht auf Leben. Weiters lese ich, dass auf europäischem Niveau noch keine Einigkeit über die Natur und den Status des Embryos und/oder Fötus gefunden worden ist. Gerade bei dieser Auslegung über die Anerkennung des Lebens, auf das Recht des Lebens, besteht Handlungsbedarf und hierdurch besticht die Ergänzung des Verfassungsartikels durch seine Klarheit. Gerade eben auch durch den zulässigen Spielraum der Prüfung der Verhältnismässigkeit und durch die Rechtsgüterabwägung kann der Staat in seiner Schutzpflicht so weit gehen und darf aber nicht weiter gehen, als dies zur Erreichung des Schutzes des gefährdeten Lebens erforderlich ist. Grundrechte und insbesondere die Wahrung der Menschwürde und das Lebensrecht sind nicht verhandelbar. Sie sind die Bausteine des Gemeinwohls. Bei konkreten Bedrohungen muss der Staat Lösungen suchen und effektiv auch anbieten, die unter Berücksichtigung der bestehenden Interessenkonflikte eine ausgewogene Rechtsgüterabwägung sicherstellen. Sowohl die Volksinitiative als auch der Gegenvorschlag fordern einen ausdrücklichen Schutz der Menschenwürde durch Verankerung in der Verfassung. Somit ist erkennbar, dass beide Begehren über die Bestimmungen in der EMRK hinausgehen und wir in diesem Hohen Hause in der Intention sicher alle in die gleiche Richtung ziehen. Unsere Verfassung beruht ihrem Wesen und Inhalt nach auf christlichem Gedankengut und entsprechenden Wertvorstellungen. In der Ergänzung des vorgeschlagenen Verfassungsartikels geht es um ein klares Ja für das Leben, also um ein Ja und nicht um ein Jein oder Ja aber. Diese Ergänzung passt, um das Bemühen, eine gesellschaftliche Wertordnung garantieren zu helfen, die auf den wahren Grundrechten aufbaut. Darum ist es auch richtig, diesen Verfassungsartikel so zu formulieren, dass er den integralen Lebensschutz auf der höchsten Stufe staatlicher Rechtsordnung festschreibt. Die Notwendigkeit ergibt sich aus dem Umstand, dass es heute in ungeahntem Ausmass möglich geworden ist, mit menschlichem Leben manipulatorisch umzugehen und sowohl über den Beginn des menschlichen Lebens als auch über den Fortbestand desselben nach der Geburt bis hin zur Tötung im Krankheitsfall und im Alter zu verfügen. Ich frage mich: Geraten die Menschenrechte heute nicht in einen überraschenden Widerspruch? In einer Zeit, in der man feierlich die unverletzlichen Rechte der Personen verkündet und öffentlich den Wert des Lebens geltend macht, wird dasselbe Recht auf Leben, besonders in bezeichnendsten Augenblicken des Daseins, wie es Geburt und Tod sind, oftmals verweigert oder gar unterdrückt. Auf der einen Seite sprechen die verschiedenen Menschenrechtserklärungen und die vielfältigen Initiativen von der Durchsetzung einer moralischen Sensibilität auf Weltebene, die sorgfältig darauf achtet, den Wert und die Würde jedes Menschen als solche anzuerkennen ohne jede Unterscheidung von Rasse, Nationalität, Religion, Geschlecht, politischer Meinung und sozialem Stand. Auf der anderen Seite setzt man leider in den Taten ihre tragische Verneinung. Diese ist noch bestürzender, weil sie sich in einer Gesellschaft abspielt, die die Durchsetzung und den Schutz der Menschenrechte zu ihrem Hauptziel und zugleich zu ihrem Ruhmesblatt macht. Ich frage mich: Wie lassen sich diese wiederholten Grundsatzbeteuerungen mit der ständigen Vermehrung und verbreiteten Legalisierung der Angriffe auf das menschliche Leben in Einklang bringen? Wie lassen sich diese Erklärungen in Einklang bringen mit der Ablehnung des schwächsten, des bedürftigsten, des alten oder soeben empfangenen Lebens? Stellen solche Angriffe nicht eine Bedrohung der gesamten Kultur der Menschenrechte dar? Eine Bedrohung, die letzten Endes im Stande ist, selbst die Bedeutung des demokratischen Zusammenlebens aufs Spiel zu setzen. Wo könnten die Wurzeln eines derartigen Widerspruchs liegen? Vermutlich in einer Auffassung von Freiheit, die das einzelne Individuum zum Absoluten erhebt und es nicht zur Solidarität, zur Annahme der anderen und zum Dienst an ihm ermutigt. Dann handelt es sich um eine ganz individuelle Freiheitsauffassung, die schliesslich die Freiheit des Stärkeren gegen die zum Unterliegen bestimmten Schwachen ist. Die Freiheit ist ein grosses Geschenk an die Menschen. Die Freiheit steht letztlich im Dienst der Person und ihrer Verwirklichung durch die Hingabe und die Annahme des anderen. Meine Freiheit muss aber an der Freiheit des anderen ihre Grenzen finden. Würde die Förderung des eigenen Ich als absolute Autonomie verstanden, dann gelangt man unvermeidlich zur Verneinung des anderen. Dann wird jeder Bezug zu gemeinsamen Werten und zu einer für alle geltenden Ordnung schwinden. Im Hinblick auf die Zukunft der Gesellschaft und die Weiterentwicklung einer gesunden Demokratie ist es daher dringend notwendig, das Vorhandensein wesentlicher, angestammter, menschlicher und ethischer Werte wieder zu entdecken und die Würde der Person zu schützen. Werte also, die kein Individuum, keine Mehrheit und kein Staat je werden hervorbringen, verändern oder zerstören können, sondern die sie nur anerkennen, achten und fördern werden müssen. Ich denke, das Recht hört auf Recht zu sein, wenn es nicht mehr fest auf die unantastbare Würde der Person gründet, sondern dem Willen des Stärkeren unterworfen wird. Auf diese Weise ist die Demokratie ungeachtet ihrer Regeln in Gefahr. Der Staat muss das gemeinsame Haus sein, in dem alle nach den Prinzipien wesentlicher Gleichheit leben können. Das Interesse einiger oder weniger Gruppen, über das Leben des Schwächsten und Schutzlosesten vom ungeborenen Kind bis zum alten Menschen verfügen zu können, ist zu un-terbinden. Gerade hier kann die Initiative Klarheit schaffen. Denn der Gesetzgeber kann hier aufgrund des vorgeschlagenen, ergänzenden Verfassungsartikels Bestimmungen formulieren, die wegweisend für den Schutz des Lebens sind. Der Schutz des Lebens soll sich aufgrund unserer Verfassung nach den elementaren Werten des menschlichen Lebens, dem Leben vom Anfang bis zum Ende, erstrecken. Die Initiative rückt die Familie, die Kinder, vermehrt in den Mittelpunkt unseres Daseins. Ich unterstütze jede Bestrebung, dass die gesellschaftliche Stellung einer ausserehelich schwangeren Frau angehoben wird, dass auch die Möglichkeit einer anonymen Geburt und sogar mit einem vereinfachten Adoptionsverfahren geschaffen wird. Ich begrüsse ausdrücklich, dass weiterhin die Möglichkeit besteht und bestehen muss, dass ein Schwangerschaftsabbruch bei einer nicht abwendbaren ernsten Gefahr für das Leben oder eines schweren Schadens für die Gesundheit der Schwangeren bestehen bleibt. Gerade die Weitsicht und Interpretation, die der ergänzte Verfassungsartikel 14 zulässt, kommt in der möglichen Patientenverfügung zum Ausdruck. Durch die im Schreiben vom 1. September 2005 formulierte Absicht zur Patientenverfügung sehe ich eine Stärkung des letzten Willens einer sterbenden Person, die keinen Interpretationsspielraum gegenüber der aktiven Sterbehilfe zulässt. Der Mensch beendet sein Leben mit dem Eintreten des natürlichen Todes, ein Tod als Folge des durch Alter oder Krankheit begründeten körperlichen Zerfalls. Klar ist mir, wenn wir von aktiver oder passiver Sterbehilfe sprechen, dass ich mich gegen die direkte aktive Sterbehilfe, die Tötung zur Verkürzung des Leidens eines Menschen ausspreche. Um die Leiden unheilbarer vor dem Tode stehender Patienten zu lindern, müssen die Möglichkeiten der Palliativmedizin und Pflege voll ausgeschöpft werden. Die Themen der pränatalen Diagnostik über den Schwangerschaftsabbruch, der Gentechnologie, der Stammzellenforschung bis hin zum natürlichen Tod sind vielfältig und brauchen eine Betrachtung aus verschiedenen Aspekten. Sei dies aus ethischer, religiöser aus gesellschaftspolitischer oder aus rechtlicher Sicht. Es geht auch um einen menschenwürdigen Umgang angesichts des enormen medizinischen Fortschritts. Eine wesentliche Aufgabe ist die Begleitung werdender Mütter bei der pränatalen Diagnose, aber auch eine Bewusstseinsarbeit hinsichtlich Bioethik und Gentechnologie. Verhütung und Abtreibung sind auch in Vorträgen an Schulen zu thematisieren. Es wäre katastrophal, wenn sich folgende Annahme bewahrheiten würde: Was keiner geglaubt haben wird, was keiner gewusst haben konnte, was keiner geahnt haben durfte, das wird dann sein, was keiner wollte. Ich glaube, wir stellen alle die Menschwürde und den Schutz des Lebens in unseren Bemühungen an vorderster Stelle der besten Lösungsfindung. Ich sehe in der angepassten Formulierung auch keine zu einschränkenden Handlungsmöglichkeiten für den Gesetzgeber. Nach meiner Ansicht wäre es verfehlt, den vorgeschlagenen Art. 14 einer streng grammatikalischen Interpretation zu unterziehen. Die Auslegung ist vielmehr theologisch auszurichten, wobei das historische Element nicht ausser Acht gelassen werden darf. So haben wir Gewissheit, dass die zu beschliessende Artikeländerung auch in Zukunft jenen Spielraum in der Auslegung beibehält, wie dieser heute beabsichtigt ist zu interpretieren. Ich wünsche uns allen ein mutiges, sachliches Vorgehen, unsere Bemühungen haben und dürfen - und das ist mir gewiss - nur ein Ziel: Das Wohl unserer künftigen Generation in diesem Land muss an erster Stelle stehen. Der Schutz des Lebens hat oberste Priorität. Ich respektiere andere Meinungen, die sich nicht mit meinen Ausführungen decken. Ich respektiere den Gegenvorschlag. So wird das liechtensteinische Volk auch die Möglichkeit einer rechten Wahl treffen können. Mir stellte sich bei diesem bedeutungsvollen Thema nicht die Frage gegen was ich bin, sondern die Frage: Für was stehe ich ein? Ich spreche mich für den Initiativtext zur Ergänzung des Art. 14. der Landesverfassung aus. Ich danke für die Aufmerksamkeit.Abg. Marlies Amann-Marxer:
Guten Morgen, Herr Präsident, meine Damen und Herren. Das Initiativkomitee «Für das Leben» hat das Initiativbegehren zur Abänderung von Art. 14 der Landesverfassung mit fast 1'900 gültigen Unter-schriften eingereicht.
Der Wortlaut von Art. 14 der Verfassung soll demnach neu wie folgt lauten:
«Die oberste Aufgabe des Staates ist der Schutz des menschlichen Lebens von der Empfängnis an bis zum natürlichen Tod sowie die Förderung der gesamten Volkswohlfahrt. In diesem Sinne sorgt der Staat für die Schaffung und Wahrung des Rechtes und für den Schutz sowohl der Menschenwürde als auch der religiösen, sittlichen und wirtschaftlichen Interessen des Volkes». Dieser Artikel ist im III. Hauptstück - bei den Staatsaufgaben - verankert.
Die Initianten begründen ihr Begehren unter anderem damit, dass das menschliche Leben mehr denn je Gefährdungen ausgesetzt sei. Insbesondere seien gefährdet der Mensch im Mutterleib, Behinderte, der Mensch im Alter, der Hilflosigkeit ausgesetzte Menschen, unheilbar Kranke und durch Manipulation bedrohtes menschliches Leben. Die Initianten erklären dazu im Wesentlichen, dass mit dieser Verfassungsänderung der Staat ausdrücklich dazu verpflichtet werde solle, als oberste Aufgabe einen umfassenden Schutz des menschlichen Lebens als unantastbares höchstes Gut zu gewährleisten und eine Zielrichtung für die künftige Gesetzgebung ausdrücklich vorzugeben.
Es ist in unserer Gesellschaft unbestritten, dass das Recht auf Leben und die Würde des Menschen als Grundrechte die wichtigsten Rechte überhaupt sind. Das in unserer Verfassung festzuhalten, wo es bisher nur indirekt zum Ausdruck kommt, ist angebracht, zumal wir auch schon zwischenstaatliche Verträge - wie zum Beispiel die EMRK - unterzeichnet haben, die auch das Leben und die Menschenwürde als oberstes Gut bezeichnen. Zum Ziel der Verfassungsinitiative sind sich also alle einig. Weshalb kam es dennoch zu einem Gegenvorschlag der Fraktionen? Mit dem Wortlaut unter Art. 27 «Jeder Mensch hat das Recht auf Leben» sowie «Die Würde des Menschen ist zu achten und zu schützen» verfolgt der Gegenvorschlag nämlich ausdrücklich dasselbe Ziel wie die Initianten.
Der wesentliche Unterschied vom Text der Initiative zum Gegenvorschlag der Fraktionen liegt in der ausdrücklichen Definition des Lebensanfangs und auch des Endes. Den Anfang des Lebens definiert der Initiativtext mit der Empfängnis, und mit dem natürlichen Tod des Menschen soll der Schutz des Lebens enden. Die Initianten verweisen darauf, dass bei der Umsetzung der neuen Verfassungsbestimmung Landtag und Regierung in Diskussion treten müssen, wie die Gesetze im Detail ausgestaltet werden sollen, um das umfassende Ziel «Schutz des Lebens und der Menschenwürde» zu erreichen. Dabei werden viele Grenz- und Graubereiche vom Lebensanfang bis zum Lebensende zur Sprache kommen müssen. Die tangierenden Bereiche sind vielgestaltig und sie reichen von Fragen der Befruchtung und Einnistung, von pränataler Diagnostik und Selektion, medizinischer Forschung, Genmanipulation, sexuellen Gewalttaten, Gefährdung von Leben oder Gesundheit einer Schwangeren, Fristenlösung, überhaupt jeglicher Art von Schwangerschaftskonflikten bis zu lebensverlängernden Massnahmen, medizinischer Definition des Todeszeitpunktes, oder aktiver und passiver Sterbehilfe sowie Menschenwürde und das Recht der Selbst- oder Fremdbestimmung. Die eingehende Diskussion um all diese Themen muss und wird bei der Gesetzgebung geführt werden. Jeder einzelne Bereich wird vertieft zur Sprache kommen. Der vorgeschlagene Verfassungstext hat dabei jedoch eine klare Zielvorgabe, nämlich, dass bei jeglicher zukünftiger Diskussion und Gesetzgebung der Schutz des menschlichen Lebens als oberstes Ziel anzustreben ist und dass das Recht eines Individuums auf sein Leben bei allen Abwägungen das schwerste Gewicht haben muss. Die Initiative geht dabei davon aus, dass der Staat über diese Verfassungsregelung die Position des Schwächeren, nämlich diejenige des Menschen einnehmen muss, dessen Leben gefährdet ist, und der sich nicht selbst wehren kann.
Die Ausgestaltung und Umsetzung in der Gesetzgebung obliegt der Regierung und dem Landtag. Wie viel Handlungsspielraum und Interpretationsfreiheit der Initiativtext für die künftige Gesetzgebung beinhaltet, darüber konnte bisher auch von Verfassungsrechtlern keine abschliessende und verbindliche Antwort erfolgen. Bei meinen Überlegungen, wie absolut der Lebensschutz zu sein hat, gibt es offene Fragen. Insbesondere aber bin ich der Meinung, dass überall dort, wo der Mensch über sein eigenes Leben verfügen will, er die Möglichkeit der uneingeschränkten Entscheidungsfreiheit haben soll. Dort, wo er aber über Wert und Würde des Lebens eines anderen entscheiden will, müssen sehr enge Grenzen gesteckt werden.
Solche Fragen tangieren jedoch tief den persönlichen und intimen Bereich eines jeden Menschen. Wir müssen jedoch jetzt eine Entscheidung in Bezug auf die Verfassung treffen. Im Zweifelsfall über zukünftig vorhandenen Handlungsspielraum, entscheide ich mich klar für den umfassenden Schutz des Lebens, dies auch im Bewusstsein, dass im Leben nicht alles machbar, nicht alles steuerbar ist, und wir Aufgaben zugeteilt bekommen, die wir nach bestem Wissen und Gewissen lösen müssen. Das kann vorgeburtliche Konflikte betreffen, aber auch nach der Geburt haben wir unliebsame Entwicklungen der Gesundheit und des Lebenswegs nicht gänzlich in der Hand und müssen damit fertig werden, ohne dass wir sie per Gesetz aus der Welt schaffen können. Ein Schwangerschaftskonflikt zum Beispiel soll nicht dadurch gelöst werden, dass das unerwünschte Leben entfernt wird, sondern dadurch, dass für alle Beteiligten die Möglichkeit zu einem menschenwürdigen Leben gefunden wird.
Es handelt sich bei der Volksinitiative also um ein sehr umfassendes und weit reichendes Thema mit folgenschweren Auswirkungen. Der wesentliche Unterschied zwischen den Vorschlägen der Initianten und der Fraktionen liegt in der eindeutigen Aussage des Initiativtextes, dass der Schutz des Lebens und der Menschenwürde sich unmissverständlich auch auf die Phase vor der Geburt bezieht, während der Gegenvorschlag offen lässt, ob und wie weit ein vorgeburtlicher Schutz mitgemeint ist. Die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten hält in Art. 2 fest: «Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt». Trotz dieser absoluten Formulierung lässt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Auslegung offen, ob dieser Artikel auch das ungeborene Leben schützt, besonders in Anbetracht der unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen des Schwangerschaftsabbruchs in den Mitgliedstaaten. Die Definition, wann das Recht auf Leben und somit das Leben selbst beginnt, bleibt offen. Im Text der Gegeninitiative heisst es: «Jeder Mensch hat das Recht auf Leben». Die Definition, zu welchem Zeitpunkt der Entwicklung das Recht auf Leben beginnt, bleibt damit beim Gegenvorschlag auch offen. Der Gegenvorschlag lässt also trotz absoluter Formulierung im Unklaren, was den vorgeburtlichen Schutz des Menschen betrifft. Eindeutig ist in dieser Hinsicht jedoch der Initiativtext des Komitees, der ausdrücklich auch den vorgeburtlichen Schutz beinhaltet und offensichtlich auch darauf abzielt. In Bezug auf künftige Gesetzesregelungen zum Schwangerschaftsabbruch gibt der Initiativtext damit eindeutig einen restriktiven Rahmen vor.
Der zweite wesentliche Unterschied der beiden Initiativen liegt in der Einordnung in der Verfassung. Die Volksinitiative will den Schutz des Lebens und der Menschenwürde dem Staat als oberste Aufgabe auferlegen und will den Text deshalb bei den Staatsaufgaben verankern. Die Gegeninitiative der Landtagsfraktionen will diesen Schutz als individuelles Recht jedoch bei den Rechten und Pflichten der Bürger geschrieben sehen. Sie verspricht sich dadurch bei der Gesetzgebung mehr Handlungsfreiheit, das heisst, grösseren Spielraum für liberale Lösungen. Es ist richtig, wenn sich ein Volk im Grundgesetz Werte und Zielvorgaben festschreibt, ohne jedoch im Verfassungstext auf Grenzbereiche, Detailfragen und Ausnahmeregelungen einzugehen, die per Gesetz sowie durch Verordnung geregelt oder geändert werden können. Nur wer das Ziel kennt, wird den richtigen Weg finden. Deshalb ist es richtig, mit einer Verfassungsbestimmung zuerst Ziele zu nennen, Werte zu definieren und den Rahmen festzulegen, und dann erst Wege zur gangbaren Lösung von offenen Fragen zu suchen und nicht etwa umgekehrt.
Lösungen und Umsetzungsmöglichkeiten werden in der Verfassung nicht gesucht und nicht vorgegeben, sondern es werden Werte und Ziele genannt. Deshalb kann bei den Vorschlägen des Initiativkomitees auch nicht von undifferenzierten Generallösungen gesprochen werden.
Ein Volk muss sich im Klaren sein, was seine grundlegenden Werte und seine höchsten Güter sind, die es schützen und erhalten will. Weil grundlegende Werte aber etwas ganz Persönliches sind und von der Weltanschauung eines jeden Einzelnen abhängen, werden sie letztlich zur Gewissensfrage. Deshalb bin ich der Meinung, dass die Änderung des Grundgesetzes nicht stellvertretend vom Landtag wahrgenommen werden kann und soll. Die Bürger unseres Landes sind gefordert und werden aufgefordert, sich der Frage nach dem grundsätzlichen Wert eines Menschenlebens zu stellen und ihre Haltung bei einer Volksabstimmung auszudrücken. Das Grundgesetz muss sich das Volk selbst geben.
Am Schluss der Debatte wird sich die Frage stellen: Welche der beiden Initiativen ist nun die richtige? Ist die Volksinitiative der richtige Weg, menschliches Leben umfassend zu schützen, oder ist es die Gegeninitiative der Landtagsfraktionen? Ich behaupte: Beides ist zutreffend. Diese beiden Vorschläge verfolgen ausdrücklich dasselbe Ziel. Sie widersprechen sich in keinem Punkt, sie ergänzen sich. Nach der Festschreibung des Rechts auf Leben eines jeden Menschen bei den Individualrechten, wie von den Fraktionen vorgeschlagen, ist es folgerichtig, den Schutz dieses Rechtes dem Staat als erste und wichtigste Aufgabe ausdrücklich zu übertragen, wie die Volksinitiative das vorsieht. Ich würde es begrüssen, beide Vorlagen in die Verfassung aufzunehmen. Die Fraktionen haben jedoch erklärt, dass sie ihren Gegenvorschlag klar als Alternative und nicht etwa als Ergänzung zum Initiativtext verstehen.
Der Text der Volksinitiative des Komitees gibt den umfassenden Schutz des Lebens und der Würde des Menschen als oberstes Ziel vor. Die Festschreibung dieses Ziels als Staatsaufgabe erteilt der Regierung und dem Landtag eine klaren Handlungsauftrag. Obwohl Fragen der Interpretation und des Handlungsspielraums noch offen sind, habe ich keine Einwände gegen die Ziele der Initiative. Sie entsprechen meiner innersten Überzeugung und ich werde der Volksinitiative deshalb zustimmen. Danke.Abg. Harry Quaderer:
Herr Landtagspräsident, geehrte Damen und Herren Abgeordnete. Die Initiative «Für das Leben» hat nicht nur in diesem Hohen Hause eine breite Diskussion und Meinungsbildung entfacht. Verschiedenste Experten im In- und Ausland haben Stellung bezogen, Podiumsdiskussionen wurden geführt und natürlich auch etliche Leserbriefe geschrieben. Ehrlich gesagt müssen wir froh sein, dass diese Initiative gestartet wurde. Die Thronrede S.D. Erbprinz Alois hat wohl alles ins Rollen gebracht. Das Initiativkomitee «Für das Leben» hat anfangs September ein ganzseitiges Zeitungsinserat in unseren Landeszeitungen geschaltet und hat sich mir ihrem Anliegen direkt an den Landtag gewendet. Sie liessen lange warten, bis sie endlich die Katze aus dem Sack liessen. Die Katze ist wohl aus dem Sack, jedoch scheint vieles unklar zu sein. In ihrem Anliegen sehen die Initianten, dass das menschliche Leben mehr denn je Gefährdungen ausgesetzt ist. Besonders gefährdet wären der Mensch im Mutterleib, Behinderte, dem Alter, der Hilflosigkeit ausgesetzte Menschen, unheilbar Kranke und durch Manipulation bedrohtes menschliches Leben. Frage an die Initianten: Sind werdende Mütter, Mütter, Kinder, Teenager, junge Erwachsene und Erwachsene weniger Gefährdungen ausgesetzt? Müsste Ihrer Ansicht nach der Staat diese Menschen weniger schützen? Das kann ich mir nicht vorstellen. Die Initianten versuchen sehr komplexe Themen mit einem einzigen Satz in der Verfassung ein für alle Mal zu lösen. Der öffentlichen Diskussion, aber vor allem dem demokratischen Handlungsspielraum durch das Volk, würde ein Deckel aufgesetzt. Verfassungsrechtler und Juristen hätten dann das Vergnügen, den Wortlaut «von der Empfängnis an bis zum natürlichen Tod» zu definieren und gesetzlich auszulegen. Wollen wir das wirklich? Ich kann mich jedenfalls für eine solche Lösung nicht begeistern. Ich bevorzuge ganz klar den Gegenvorschlag. Den Schutz des Lebens wollen wir doch alle. Dies ist, glaube ich, kaum der springende Punkt. Für mich ist der springende Punkt, dass wir, der Landtag, durch das Volk beauftragt werden, für Themen wie Fristenlösung, Sterbehilfe, Adoption oder auch Stammzellenforschung - um nur einige zu nennen - eine tragbare und verantwortungsvolle Lösung zu finden und sie gesetzlich zu verankern. Wer der Initiative «Für das Leben» zustimmt, schränkt den gesetzgeberischen Handlungsspielraum in diesen sehr delikaten Materien empfindlich ein. Gerade in diesen Fragen europäischen Standard zu verlassen, betrachte ich als fragwürdig, macht eigentlich keinen Sinn. Mit einem plakativen Schutz des Lebens, wo sich lauter ungeklärter Fragen auftun, ist niemandem wirklich gedient. Ohne hinreichenden Grund sollten wir den verfassungsrechtlichen, europäischen Rahmen nicht verlassen. Alle wohl meinenden Intentionen lehren, aber wir sollten uns nicht in ein rechtlich diffuses Abseits begeben und damit letztlich noch mehr Juristenfutter erzeugen. Ich bin weder Jurist noch kann ich behaupten, dass ich in verfassungsrechtlichen Auslegungen ein Experte bin. Was mir aber der gesunde Menschenverstand sagt: Der Gegenvorschlag stellt einen angemessenen Lösungsansatz dar, der den Schutz und die Würde des Menschen als Maxime formuliert und entsprechenden Handlungsspielraum gewährt. Die Verfassung trennt ja sehr klar zwischen Staatsaufgaben - III. Hauptstück - sowie den Rechten und Pflichten von Landesangehörigen - IV. Hauptstück. Der Schutz des Lebens und die Menschenwürde sind doch klar den Grundrechten zuzurechnen und dieses Individualrecht müsste somit klar - wie von der Gegeninitiative gefordert wird - im IV. Hauptstück eingebettet sein. Die von den Initianten gewünschte Abänderung wäre im III. Hauptstück - Von den Staatsaufgaben - eingebettet und ist vorwiegend programmatischer Art. Die Aufgaben des Staates werden im Grossen und Ganzen definiert, jedoch konkrete Rechte und Pflichten oder konkrete Vorgehensweisen sind nicht vorgegeben. Dass die Initianten gegen die Fristenlösung sind oder auch die Erweiterung der Indikation - eine weitere Ausnahme der strafbaren Abtreibung - haben sie klar postuliert. Meiner Ansicht nach geht es den Initianten in erster Linie darum, einer Diskussion und einem demokratisch entschiedenen Gesetz über die Fristenlösung zum Vornherein einen Riegel zu schieben. Ihre Forderungen haben eher fundamentalistische Züge und widersprechen dem demokratischen Entscheidungs- und Gesetzgebungsprozess. Meine Frage: Wird über das Strafgesetzbuch wirklich werdendes Leben geschützt? Frage: Würde ein absolutes Verbot werdendes Leben schützen? Ich bezweifle dies im höchsten Grad und Statistiken würden mir diesbezüglich auch Recht geben. Nur um ein Beispiel zu nennen: Seit Einführung der Fristenlösung mit dementsprechenden flankierenden Massnahmen ist die Zahl von gewollten Schwangerschaftsabbrüchen in der Schweiz von zirka 20'000 auf 12'000 gesunken. Ich möchte hier nicht allzu sehr abschweifen und sage ganz einfach: Solch komplexe, moralisch und ethische Themen bedürfen noch einer gänzlichen, öffentlichen Diskussion und dürfen nicht einfach den Richtern und Verfassungsrechtlern zur Entscheidungsfindung übergeben werden. Danke.Abg. Renate Wohlwend:
Danke, Herr Präsident. Liebe Kollegen. Ich will in meinen kurzen Ausführungen auf den Gegenvorschlag zum Initiativbegehren «Für das Leben» eingehen und will diesen unterstützen. Menschenwürde und Schutz des menschlichen Lebens sollen neu in das IV. Hauptstück unserer Verfassung aufgenommen werden, welches die Rechte und Pflichten der Landesbürger regelt. Zum Schutz des Lebens, zum Verbot der unmenschlichen, erniedrigenden Behandlung und zum Verbot der Todesstrafe hat sich unser Land längstens durch Unterzeichnung und Ratifizierung diverser europäischer und internationaler Konventionen sowie deren Protokolle, Zusatz- und Fakultativprotokolle verpflichtet. Ich wiederhole die Wichtigsten: EMRK, Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, Übereinkommen vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, Protokoll 6 vom 28. April 1983 zur Europäischen Menschenrechtskonvention über die Abschaffung der Todesstrafe und Protokoll 13 vom 3. Mai 2002 zur Menschenrechtskonvention über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe. Diese in unserer Verfassung ausdrücklich und durch Ratifikation der erwähnten Verträge gewährleisteten Rechte und Grundfreiheiten werden in höchster Instanz vom Staatsgerichtshof geschützt. Die Europäische Grundrechte-Charta nennt die Menschenwürde als Überschrift von Kapitel 1 und in Art. 1. Danach folgen Kapitel über Freiheiten, Gleichheit, Solidarität usw. Meine persönliche Ansicht ist, dass die Menschenwürde nicht den Grundrechten als solchen gleichgestellt werden kann. Die Menschenwürde ist nach meiner Werteskala der höchste Wert des Menschen als Individuum und einer zivilisierten menschlichen Gesellschaft. Die Menschenwürde steht über allem. Wenn diese nicht respektiert wird, erübrigt sich jegliche Diskussion über Menschenrechte und Grundfreiheiten. Die Berichte des Antifolter-Komitees des Europarates, in welchem unser Land derzeit durch Frau Isolde Kieber gut vertreten ist, erschüttern mich. Europaweit, auch in den west- und mitteleuropäischen alten Demokratien, gehören Eingriffe in die physische und psychische Integrität der Menschen zur Tagesordnung. Vor derartigen Verletzungen soll Art. 27bis expressis verbis ausdrücklich schützen. Persönlich gefällt mir die Zusammenführung von Menschenwürde und Verbot der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung in einem Artikel, der künftig als neuer Artikel in das Kapitel der Rechte und Pflichten der Landesangehörigen einführen wird. Abs. 1: «Die Würde des Menschen ist zu achten und zu schützen». Abs. 2: «Niemand darf unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden». Nach meinem Dafürhalten sind das Selbstverständnis des gegenseitigen Respekts der Menschenwürde und das Selbstverständnis der Achtung der individuellen Integrität die Grundlage für eine Gesellschaftsordnung, in der die Ausübung der Menschenrechte und Grundfreiheiten funktioniert. Abg. Gebhard Negele:
Werte Damen und Herren.
Eine Verfassungsänderung, welche den Staat bei höchst persönlichen Entscheiden als Problemlöser vorsieht und voll in die Pflicht nimmt, kann zwar von der Gesinnung her anerkannt werden, bei der Umsetzung jedoch ist dieses Ansinnen zum Scheitern verurteilt. Die Initianten gestehen ein, dass die Verfassungsergänzung eine zusätzliche Herausforderung für den Staat bedeutet. Die absolute und total eingeschränkte Form der Ergänzung ist in den Augen der Initianten nur eine weitere Herausforderung für den Staat. Eine weitere Herausforderung? Nein, eine Sache der Unmöglichkeit und Unmöglichkeiten sind einer Verfassung nicht würdig. Und es wäre dem Hohen Hause hier unwürdig, etwas zu beschliessen, was bei realistischer Betrachtungsweise nicht umsetzbar ist.
Als der Initiativtext bekannt wurde, war für mich vorerst klar, dass jetzt in unserem Land endlich eine breite Diskussion bezüglich Fristenregelung, Sterbehilfe und anderer Themen losgehen würde. Ich habe mich getäuscht. Es ist bedrohlich ruhig. Der Grund ist mir erst spät eingefallen, aber er ist sehr plausibel.
Die absolute Form der Verfassungsergänzung lässt keine Diskussion zu. Entweder man geht dieser fundamentalen Gesinnung nach oder eben nicht.
Jetzt liegt - und ich begrüsse dies - noch rechtzeitig ein Gegenvorschlag vor. Dieser Gegenvorschlag wird, sofern er angenommen wird, ebenfalls eine Herausforderung für den Staat darstellen. Er hat aber den Vorteil, dass er umsetzbar ist, und zwar in allen tangierten Themen, die zugegebenermassen noch einer Regelung bedürfen. Und für alle Themen kann in einem Umfeld ohne Druck und ohne absolute Schranken unsere liechtensteinische Lösung kreiert werden. Das wird und muss Diskussionen geben und Zeit brauchen. Diese Zeit müssen wir uns für diese moralisch-ethischen und persönlichen Fragen nehmen.
Der Gegenvorschlag - und nur dieser bietet hierfür einen idealen Ausgangspunkt. Diese Chance gilt es zu nutzen.
Danke.Abg. Doris Frommelt:
Danke, Herr Präsident. Damen und Herren Abgeordnete. Das Initiativkomitee «Für das Leben» hat am 5. August das Initiativbegehren zur Abänderung von Art. 14 der Landesverfassung eingereicht. Art. 14 soll auf nachstehenden Wortlaut geändert werden: «Die oberste Aufgabe des Staates ist der Schutz des menschlichen Lebens von der Empfängnis an bis zum natürlichen Tod sowie die Förderung der gesamten Volkswohlfahrt. In diesem Sinne sorgt der Staat für die Schaffung und Wahrung des Rechtes und den Schutz sowohl der Menschenwürde als auch der religiösen, sittlichen und wirtschaftlichen Interessen des Volkes».Das Recht auf Leben und der Schutz der Menschenwürde in der Verfassung zu verankern ist grundsätzlich zu begrüssen. Auch eine generelle Wertediskussion in unserer Gesellschaft tut Not. Wichtige Themen wie Schwangerschaftskonflikte, Stammzellenforschung, Transplantationsmedizin, Sterbehilfe usw. müssen aber grundlegend diskutiert und die rechtlichen Grundlagen dazu geschaffen werden können.
Die vom Initiativkomitee vorgeschlagene Formulierung geht nach den Kommentaren verschiedener Juristen, Verfassungsrechtler und Experten viel zu weit und ist zu einschränkend. Der Gesetzgeber hätte bei Annahme dieser Initiative keinerlei Spielraum mehr für irgendwelche Lösungen.Aufgrund dieser Überlegungen und gestützt auf das Volksrechtegesetz reichen nun die Fraktionen der FBP und VU einen gemeinsam erarbeiteten Gegenvorschlag ein.
Ich wiederhole den Gegenvorschlag. Er lautet im
IV. Hauptstück - «Von den allgemeinen Rechten und Pflichten der Landesangehörigen» - Art. 27bis - Menschenwürde - wie folgt: Abs. 1: «Die Würde des Menschen ist zu achten und zu schützen». Und
Abs. 2 lautet: «Niemand darf unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden».Und
Art. 27ter - «Recht auf Leben» - lautet wie folgt:
Abs. 1: «Jeder Mensch hat das Recht auf Leben». Und Abs. 2 lautet wie folgt: «Die Todesstrafe ist verboten». Auch bei diesem Gegenvorschlag ist der Schutz des Lebens und die Menschenwürde in der Verfassung verankert, wie es ja eigentlich auch die Initianten wollen. Allerdings im IV. Hauptstück bei den Grundrechten, das heisst, im Einzelfall anwendbares Recht, was auch der Systematik unserer Verfassung entspricht.
Dieser Vorschlag deckt sich auch mit der Schweizerischen Bundesverfassung sowie mit weiteren europäischen Verfassungen.
Die beiden nun vorliegenden Initiativen veranschaulichen meines Erachtens zwei komplett verschiedene Weltbilder. Die Initiative «Für das Leben» ist dogmatisch,
der Gegenvorschlag des Landtags ist ein Individualrecht.
Wir leben in einer christlichen Gesellschaft, wir glauben an Gott und dass das Leben von Gott kommt und geheiligt ist. In unserer Gesellschaft leben aber auch Menschen, die keine solche dogmatische Weltanschauung vertreten. Verankert man aber dieses religiös-ethische Dogma in unserer Verfassung, so wird das Leben grundsätzlich und in jedem Fall unantastbar und man dürfte - um nur ein Beispiel zu nennen - einem Todkranken kein hoch dosiertes Morphium mehr geben, was zwar einerseits sein Leiden mindert, andererseits aber auch das Sterben verkürzt, also nicht mehr zum natürlichen Tod führt.
Ich spreche mich ausdrücklich für diesen Gegenvorschlag der Landtagsfraktionen aus, da ich möchte, dass wir die diversen ethischen Themen wie Schwangerschaftskonflikte, Sterbehilfe, Stammzellenforschung, Organtransplantation, pränatale Diagnostik usw. separat tief gehend behandeln und uns dann individuell entscheiden können. Mit einem Verfassungsartikel, wie ihn die Initianten mit ihrer Initiative «Für das Leben» vorsehen, würde sogar jegliche Diskussion über diese grundsätzlichen, ethischen, sehr sensiblen und wichtigen Themen im Voraus verunmöglicht.Abg. Rudolf Lampert:
Wenn man dem Abg. Paul Vogt und dem Abg. Günther Kranz gut zugehört hat, so könnte man interpretieren, dass, wenn man gegen die Initiative und für den Vorschlag der Fraktionen ist, dass man dann auch für eine liberale Handhabung des Schwangerschaftsabbruchs wäre, dass man die Sterbehilfe nicht in Frage stellen würde und dergleichen. Dem ist nicht so - und das möchte ich betonen. Ich werde der Initiative im Originaltext, wie sie eingereicht wurde, nicht zustimmen. Ich werde den Gegenvorschlag unterstützen. Ich werde übrigens auch den Vorschlag des Abg. Paul Vogt unterstützen, nämlich: «Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen». Ich finde diese Formulierung geht weiter und bestärkt das Anliegen, das im Gegenvorschlag eingebracht wurde. Aber ich betone hiermit, dass, wenn ich gegen die Initiative der Initianten bin, dass ich hier nicht etwa einer liberalen Handhabung des Schwangerschaftsabbruches das Wort rede. Ganz im Gegenteil, ich werde mich dort dafür einsetzen, dass restriktive Bestimmungen zum Tragen kommen werden. Für mich bedeutet auch nicht, dass es radikale Ansichten sind, wie es der Abg. Paul Vogt angedeutet hat, wenn in einem Brief an uns die Meinung vertreten wird, dass wir uns alle für das Leben einzusetzen haben. Ich zitiere nur die Schlussformulierung dieses Briefes, welche das Anliegen an uns vorträgt: «Alle Menschen, vor allem jene, die im öffentlichen Leben eine Rolle spielen und Einfluss haben, tragen eine hohe Verantwortung - gerade bei der Behandlung des Themas Recht auf Leben». Und dann der Schlusssatz - ich zitiere wieder: «In Eintracht sollen und wollen wir auch im Wissen, dass dies nicht einfach ist, das Recht auf Leben im Interesse von Kind, der Mutter und der Gesellschaft einer klaren, das Rechtsgut des Lebens berücksichtigenden Regelung zuführen». Diese Formulierungen hindern uns nicht, dem Gegenvorschlag zuzustimmen. Im Gegensatz zur Initiative bietet er die Möglichkeit, dass über die einzelnen Themen, die jetzt im Raum stehen und die auch angedeutet wurden, dass dort einzeln darüber abgehandelt werden kann und diese auch differenziert betrachtet werden können. Mit der Initiative selbst wäre das beinahe verhindert, zumindest, wenn man die widersprüchlichen Aussagen der Initianten betrachtet, welche sowohl in Gesprächen stattgefunden haben, aber auch dann in späteren Publikationen veröffentlicht wurden, dann ist nicht mehr klar, was die Initianten eigentlich wollen. Allerdings in den letzten Publikationen, die der Presse entnommen werden konnten, ist dann schon wieder klar, dass mehr oder weniger alles verhindert werden soll, was in Richtung Sterbehilfe oder dergleichen geht. Auch passive Sterbehilfe ist dort meines Erachtens nicht mehr zugelassen, so wie das zu interpretieren ist. Ich betone aber nochmals: Wenn ich für den Gegenvorschlag bin, so bin ich in keiner Weise für liberale Handhabungen der angesprochenen Themen, sondern das werden wir dann, wenn diese Themen auf dem Tisch liegen, diskutieren müssen und dort auch Regelungen finden müssen. Ich begrüsse es, wenn dann das im Einzelnen behandelt werden kann und nicht global hier jetzt über das Ganze hinweg eine Bestimmung gefasst wird, die dann die Diskussion verunmöglicht. Abg. Pepo Frick:
Danke. Bis zum jetzigen Zeitpunkt wurde durch alle Parteien formuliert, was die grössten Schwachpunkte der Verfassungsinitiative sind. Ich werde mich also auf jenen Teil der Initiative beschränken, der meines Erachtens bis jetzt zu wenig beachtet wurde. Für mich als Arzt, der mit diesen Themen regelmässig konfrontiert ist, ist am stossendsten, dass das Initiativkomitee im offenen Brief an den Landtag unhaltbare Behauptungen aufstellt, so zum Beispiel, dass Behinderte, Alte und Kranke im Betreuungs-, Pflege- und Medizinalbereich grossen Gefährdungen ausgesetzt seien. Damit wird der Eindruck vermittelt, Ärzte, Betreuungs- und Pflegepersonal in Liechtenstein würden ihrer Arbeit nicht mit der nötigen Sorgfalt und Achtung gegenüber den behinderten, alten oder kranken Menschen nachkommen. An anderer Stelle wird sogar von der Gefahr einer Kultur des Todes gesprochen. Das möchte ich betonen, das ist eine unverantwortliche Stimmungsmache, die es entschieden abzulehnen gilt. Diese Initiative verhindert, dass wir uns differenziert, einfühlsam und menschlich den mit dem Schutz des Lebens verbundenen Herausforderungen stellen können. Damit wir nicht voreilig Türen zuschlagen, die - auch in Zukunft - offen bleiben müssen, ist es dringend erforderlich, den Vorschlag der Initianten abzulehnen. Nun zum wesentlichen Unterschied zwischen der Verfassungsinitiative und dem parlamentarischen Gegenvorschlag: Es wird zwar so getan, als ob es sich beim Gegenvorschlag lediglich um eine abgespeckte Version der Initiative handle und er die Initiative ergänze. In Tat und Wahrheit aber haben wir es mit zwei fundamental anderen Intentionen zu tun, sowohl was ihre ethischen Grundlagen, das Menschenbild, das sie vertreten, und die Auswirkungen, die sie auf das einzelne Individuum haben, betrifft. Hier habe ich eine fundamental andere Meinung als die Abg. Marlies Amann. Die Initiative fordert den umfassenden Schutz des Lebens. Das wurde einige Male jetzt erwähnt. Dies bedeutet im Kern eine ausnahmslos geltende umfassende Unantastbarkeit des menschlichen Lebens und ist eigentlich ein katholisches Postulat. Die Initianten berufen sich in ihren Pressemitteilungen denn auch explizit auf diese christliche Lehrmeinung. Dabei geht es nicht nur darum, das menschliche Leben gegenüber von anderen zu schützen, den Menschen wird auch jedes Mitspracherecht und jede Selbstbestimmung in Bezug auf ihr eigenes Leben abgesprochen. Dieser absolute Schutz des Lebens soll oberstes Rechtsgut und Programm des Staates werden und deshalb im Programmteil der Verfassung verankert werden. Damit wären der Gesetzgeber und die vollziehenden Behörden in der Pflicht, die Gewährleistung dieser obersten Staatsaufgaben sicherzustellen. Weil jedem einzelnen Individuum generell das Recht abgesprochen wird, in Fragen des Lebens und Sterbens mitzubestimmen und mitzuentscheiden, erübrigten sich Diskussionen bezüglich Fristenregelung, Sterbehilfe oder anderer Grenzsituationen menschlichen Lebens. Aus der Sicht der Initianten werden sie allesamt als schwere Verletzung göttlichen Gesetzes empfunden und erzeugen die klare Verpflichtung, sich ihnen aus Gewissensgründen zu widersetzen. Der Gegenvorschlag dagegen will das Recht auf Leben und die Achtung und den Schutz der Menschenwürde im Hauptstück «Von den allgemeinen Rechten und Pflichten der Landesangehörigen» festschreiben. Mit dem Recht auf Leben wird grundsätzlich jedes menschliche Leben vor Übergriffen durch andere geschützt. Achtung und Schutz der Menschenwürde beinhalten nach allgemeiner Auffassung aber auch wesentlich die Selbstbestimmung und Autonomie des Menschen. Der Mensch hat nach dieser Auffassung ein Mitsprache- und Selbstbestimmungsrecht in Fragen seines eigenen Lebens und wie alle anderen von der Verfassung garantierten Grundrechte kann er diese Rechte vor Gericht geltend machen. Recht ist in Gesetz geschmolzene Ethik. In diesem Sinne unterscheiden sich Initiative und Gegenvorschlag fundamental. Die Initiative spricht dem Menschen grundsätzlich jedes Mitbestimmungsrecht in Fragen des Lebens ab. Der Gegenvorschlag schützt und stärkt das Selbstbestimmungsrecht des Menschen in diesen Fragen. Die Initiative versucht, ein katholisches Dogma in der Verfassung festzuschreiben und den Staat zu zwingen, dieses Prinzip gegenüber jedem einzelnen Individuum durchzusetzen. Dies widerspricht dem Selbstverständnis unseres säkularen Staates als einer offenen, allen Menschen dienenden Gesellschaft. Die Initiative dreht das Rand um ein paar Jahrhunderte zurück und vertritt ein Menschen- und Gottesbild, das den aufgeklärten Menschen nicht mehr anzusprechen vermag. Es ist ein Schritt zu einem fundamentalistisch katholischen Gottesstaat, von dem man nur hoffen kann, dass eine Mehrheit unseres Landes ihn nicht billigen wird. Zum wiederholten Mal fordere ich die Initianten nochmals auf, öffentlich Stellung zu nehmen zu vielfach formulierten Fragen, die unsere Lebensweise heutzutage beeinflussen. Ich werde mit grosser Regelmässigkeit als Arzt darauf angesprochen. Ich wiederhole die Fragen nochmals:- Ist die hormonelle Geburtenregelung - Pille, Mini-Pille, Pille danach - noch erlaubt?
- Ist die Spirale zur Familienplanung noch einsetzbar? Diese verhindert die Einnistung des befruchteten Eies.
- Ist ein Schwangerschaftsabbruch unter keinen Umständen mehr straffrei?
- Ist die In-vitro-Fertilisation künftig verboten?
- Gibt es in Zukunft keine Präimplatationsdiagnostik mehr zur Verhinderung genetischer Krankheiten?
- Wie definiert die Initiativgruppe den Zeitpunkt des natürlichen Todes?
- Sind Organtransplantationen nicht mehr möglich?
- Welche Methoden der Intensivmedizin sind in Zukunft noch möglich?
- Dürfen bei Sterbenden bestimmte Schmerzmittel nicht mehr eingesetzt werden, weil damit in Kauf genommen wird, dass der Zeitpunkt des natürlichen Todes früher kommt?
- Werden neue medizinische Techniken verhindert?
- Wird Sterbehilfe zum Tabuthema?
Ich habe die dringende Bitte, diese Fragen bis zur Abstimmung zu beantworten. Ich fordere die Initianten auf, auch an Podiumsdiskussionen teilzunehmen. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben das Recht darauf zu wissen, über was sie abstimmen. Danke.Landtagsvizepräsident Ivo Klein:
Die Fraktionssprecherin der VU und der Fraktionssprecher der FBP haben die Verfassungsinitiative «Für das Leben» beleuchtet und den Gegenvorschlag der beiden Fraktionen begründet. Ich möchte die vorgebrachten Argumente nicht wiederholen, trage sie aber vollumfänglich mit. Ich habe den Eindruck, dass mit der Verfassungsinitiative «Für das Leben» versucht wird, für die vielfältigen Fragen des Lebens eine einfache Lösung anzubieten, wo es keine einfachen Lösungen gibt. Es ist so, wie wenn ich zum Doktor gehen würde, und er mir für Migräne, Hautausschlag, Blinddarm und einen gebrochenen Fuss dieselbe Arznei verschreiben würde. Auch dies wird nicht funktionieren. Vielmehr ist für jede einzelne Krankheit eine sorgfältige Diagnose zu stellen und darauf aufbauend eine spezifische Behandlung vorzusehen. Genauso spreche ich mich bei den vielfältigen, äusserst komplexen und das menschliche Leben betreffenden Fragen vom Schwangerschaftsabbruch bis zur Sterbehilfe für eine sachliche und differenzierte Diskussion aus. Ich bin überzeugt, dass uns ausgereifte und für unsere Gesellschaft geeignete Lösungen nicht über Nacht gelingen werden. Vielmehr wird eine breite und fundierte Diskussion zu jedem einzelnen Themenkreis stattfinden müssen, um am Schluss eine mehrheitsfähige gesetzliche Grundlage schaffen zu können. Für ein solch bedachtes Vorgehen bietet der Gegenvorschlag die geeignete Basis, indem er sowohl die Menschenwürde als auch das Recht auf Leben in der Verfassung verankern möchte, ohne für die Zukunft differenzierte Lösungen vorwegzunehmen. Danke. Abg. Andrea Matt:
Guten Morgen, meine Damen und Herren. Heute ist es unsere Aufgabe, zwischen zwei Vorschlägen zu einer Verfassungsänderung zu entscheiden. Wir haben die Wahl. Wir können nur einem der beiden Vorschläge zustimmen. Die Initiative «Für das Leben» fordert einen absoluten Schutz von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod. Dadurch bleibt kein Raum für ein Mitspracherecht, kein Raum für Selbstbestimmung in Bezug auf das eigene Leben. Der Gegenvorschlag schützt grundsätzlich jedes menschliche Leben vor Übergriffen durch andere. Er lässt aber auch Raum für freie Entscheidungen. In Fragen seines eigenen Lebens hat der Mensch ein Mitsprache- und Selbstbestimmungsrecht. Am Einfachsten wird für mich eine Entscheidung zwischen zwei Vorschlägen, wenn ich sie anhand konkreter Beispiele vergleiche. Eine Frau, die Opfer eine Vergewaltigung wurde und deshalb schwanger wird, darf man meines Erachtens nicht zwingen, sich für das Kind zu entscheiden. Ein kranker Mensch muss selbst entscheiden dürfen, ob er lebensverlängernde Massnahmen möchte oder nicht. Für mich sind Menschen, die sich mit dem Tod auseinander setzen und Menschen, die sich überlegen, ob sie die Verantwortung für ein Kind übernehmen können oder nicht, Menschen in einer Notsituation. Bei der Suche nach dem für sie richtigen Weg sehe ich es als unsere Aufgabe, unterstützend und helfend zur Seite zu stehen. Doch dazu müssen wir ihnen die Freiheit geben, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Nur der Gegenvorschlag lässt Raum für selbstbestimmte Entscheidungen. Deshalb werde ich diesem meine Zustimmung geben mit Vorzug in der Formulierung: «Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen». Danke. Abg. Wendelin Lampert:
Danke, Herr Präsident. Werte Damen und Herren Abgeordnete, guten Tag. Ich möchte mich zuerst einmal dahingehend äussern, dass ich natürlich sämtliche Meinungen, die bis jetzt geäussert wurden, respektiere. Ich denke mir, es ist ein zu komplexes Thema, als dass man hier jemandem Tipps geben oder ihn bevormunden könnte, wenn man hier seine Haltung betrachtet. Eine konkrete Frage habe ich an den Abg. Paul Vogt zu seinem Antrag zum Gegenvorschlag, der wie folgt lautet: «Die Würde des Menschen ist unantastbar». Im Arbeitspapier, welches von den Mitgliedern der Fraktionen der FBP und der VU ausgearbeitet wurde - ich möchte hier meinen Dank an diese Mitglieder für die sehr gute Arbeit richten - wird zu diesem Passus das Folgende ausgeführt: Die Formulierung des Gegenvorschlags ist identisch mit Art. 7 der Bundesverfassung, wie wir es bereits gehört haben. Im Rahmen der Vernehmlassung zur neuen Bundesverfassung wurde von verschiedenen Seiten vorgebracht, dass diese Formulierung «zu achten und zu schützen» zu wenig stark sei und deshalb nach dem Modell des Grundgesetzes von der Unverletzlichkeit und Unantastbarkeit der Menschenwürde gesprochen werden solle. Sprich, im Prinzip wurde in der Vernehmlassung genau das auch betrachtet oder in Erwägung gezogen, was jetzt der Gegenantrag des Abg. Paul Vogt ist. Der Bundesrat hat an der vorgeschlagenen Formulierung jedoch festgehalten, welche dem Gegenvorschlag der FBP- und VU-Fraktion entspricht. Diese ist vom Eidgenössischen Parlament dann auch so übernommen worden. Seine Haltung begründet der Bundesrat wie folgt: Auf der anderen Seite könne die Formulierung, wonach die Menschenwürde unantastbar sei, den Eindruck erwecken, der Staat müsse jederzeit einen umfassenden und absoluten Schutz der Menschenwürde bieten, was so nicht der Realität entspräche. Darüber hinaus ist kein anderes Grundrecht derart absolut formuliert, nicht einmal das Recht auf Leben. Und ich denke mir, jetzt sind wir genau beim Punkt, und deshalb habe ich es dann auch betont, als ich es ausgesprochen habe, und zwar die Formulierung «jederzeit».Und hier möchte ich den Abg. Paul Vogt doch fragen: Wann beginnt die Würde des Menschen zu existieren? Wenn wir jetzt den Initiativtext betrachten, wird hier von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod gesprochen. Ich sehe hier mitunter ein Problem, das anscheinend der Bundesrat auch so gesehen hat und sich deshalb nicht für diese Formulierung entscheiden konnte. Sie haben dann berechtigt gesagt: In Europa gibt es diverse Staaten, die das nicht so sehen wie die Schweizer. Aber ich sehe hier doch auch das Argument des Bundesrates und möchte Sie fragen: Wie stellen und äussern Sie sich zu dieser Thematik? Grundsätzlich zum Initiativbegehren: Es wurde auch ausgeführt vom Abg. Rudolf Lampert, dass er, obwohl er den Initiativtext nicht unterstütze, zum Beispiel einer liberalen Lösung des Schwangerschaftsabbruches nicht positiv gegenüberstehe. Ich möchte hierzu einfach sagen: Aktuell haben wir ein Verbot zu dieser komplexen Fragestellung. Tatsache ist aber, dass 50 Abtreibungen jedes Jahr stattfinden. Ich weiss nicht, ob man in der heutigen Welt mit Verboten etwas zum Besseren wenden kann. Das möchte ich in Frage stellen. Aber wir werden ja dann, je nachdem, wie die Volksabstimmung ausgeht, noch Zeit haben, um diesen Fragenkomplex ausführlich zu diskutieren. Abg. Paul Vogt:
Ich nehme zur aufgeworfenen Frage gerne Stellung. Zuerst möchte ich aber darauf hinweisen, dass ich natürlich die Arbeitspapiere der FBP und VU nicht kenne. Ich gehöre diesen beiden Fraktionen nicht an. Ich möchte auch nicht auf die Position des Bundesrates eingehen. Ich habe diese Unterlagen nicht studiert - muss ich sagen. Ich habe einfach mitbekommen, dass es namhafte Menschenrechtler gibt, die in Bezug auf die Schweizer Lösung erhebliche Bedenken haben. Es sind auch Schweizer Grundrechtler, die solche Bedenken haben, denen diese Formulierung einfach zu weit geht. Ich habe mich deshalb nach anderen Formulierungen umgeschaut und bin auf die Lösung im Entwurf für eine europäische Verfassung gestossen, die mir sehr gut gefällt. Nun zur Frage: Ab wann gilt die Würde des Menschen, ab wann gilt das Recht auf Leben? Ich denke, diese beiden Fragen kann man im gleichen Atemzug behandeln. Ich möchte ein Beispiel machen, das sehr vereinfacht und das vielleicht auch gewagt ist, aber das das Problem auch ein bisschen auf den Punkt bringt: Wenn ich ein Ei in eine Pfanne mit siedendem Wasser schmeisse, dann findet niemand etwas dabei. Dann sagt jeder: Ja, der macht ein gekochtes Ei. Wenn ich aber ein lebendes Huhn in eine Pfanne mit siedendem Wasser schmeisse, dann spricht jeder von Tierquälerei. Die Parallelen sind - denke ich - vorhanden, auch wenn der Vergleich durchaus problematisch ist. Und das bin ich mir bewusst. Aber die Parallele besteht darin: Ab wann kann man nun bei diesem Ei, das sich entwickelt, von einem Huhn sprechen? Und das ist sicher beim Ei noch nicht der Fall. Das Ei ist noch kein Huhn. Das ist offensichtlich. Wenn wir nun die Wissenschaft befragen - wann ist menschliches Leben gegeben? - dann wird die Wissenschaft antworten: Menschliches Leben ist von Anfang an gegeben. Das ist überhaupt keine Frage. Aus ethischer Sicht ist das menschliches Leben von Beginn an. Aber ab wann - und das ist meines Erachtens die Frage - ab wann kommt diesem menschlichen Leben auch ein Status zu, der vom Staat rechtlich geschützt werden muss? Und das ist eigentlich die zentrale Frage. Und wenn wir dann schauen, was für Antworten uns die Wissenschaft gibt, dann bekommen wir von der Ethik keine eindeutigen Antworten. Die Ethik verweist uns immer wieder darauf, dass hier ein Ermessensspielraum gegeben ist, dass das im Prinzip jeder für sich beantworten muss. Wenn wir die Naturwissenschaften befragen, dann können uns die Naturwissenschaften aufzeigen, dass menschliches Leben verschiedene Stadien durchläuft. Am Anfang haben wir die befruchtete Zelle, wir haben einen Embryo, der entwickelt sich. Es gibt einen Fötus. Es entwickeln sich Organe, es entwickelt sich die Wahrnehmungsfähigkeit in diesem menschlichen Leben, es entwickelt sich die Hirnrinde usw. Und irgendwann in diesem Prozess - und darüber streiten wir uns eigentlich im Kern - irgendwann ist der Staat verpflichtet zu sagen: Dieses werdende menschliche Leben muss nun geschützt werden. Das ist meine Sicht der Dinge. Ich meine, der Staat muss sich hier eher zurückhaltend verhalten, er darf hier nicht in absoluter Weise festschreiben, dass alle Menschen diese Sicht der Dinge zu teilen haben, dass von Anfang an ein Mensch da ist. Ich denke, in einer realistischen Betrachtungsweise muss man beispielsweise - das ist meine persönliche Überzeugung - sagen: Wenn wir an eine Kriegssituation denken, in der Frauen massenhaft von Soldaten vergewaltigt werden, muss man hier auch eine Abwägung zwischen den Rechten dieser Embryonen in einem frühen Anfangsstadium und den Frauen vornehmen, die in einer Elendssituation leben. Und hier kann man nicht einfach darüber fahren und sagen: Das ist nun so, das lehrt uns die katholische Kirche - und das wollen wir nun so geregelt haben. Landtagspräsident Klaus Wanger:
Wenn es keine weiteren Wortmeldungen aus dem Plenum mehr gibt, dann lesen wir die Volksinitiative «Für das Leben», das heisst, wir lesen das Verfassungsgesetz.Das Verfassungsgesetz über die Abänderung der Verfassung vom 5. Oktober 1921 wird verlesen.Landtagspräsident Klaus Wanger:
Gibt es Wortmeldungen?
Das ist nicht der Fall. Wer diesem Verfassungsgesetz über die Abänderung der Verfassung vom 5. Oktober 1921 die Zustimmung erteilen will, möge bitte die Hand erheben.
Abstimmung: 2 Stimmen
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Diesem Verfassungsgesetz ist somit nicht zugestimmt worden. Da es sich bei diesem Initiativbegehren wie auch beim noch zu behandelnden Gegenvorschlag um Verfassungsinitiativen handelt, erfordert die Zustimmung seitens des Landtages laut Art. 112 der Landesverfassung Stimmeneinhelligkeit der heute anwesenden Mitglieder oder eine in zwei nacheinander folgenden Landtagssitzungen sich aussprechende Stimmenmehrheit von drei Viertel der anwesenden Mitglieder. Laut Volksrechtegesetz - Art. 82 Abs. 2 - wird nun diese Verfassungsinitiative an die Regierung überwiesen und diese vom Landtag beauftragt, eine Volksabstimmung anzuberaumen.Landtagspräsident Klaus Wanger:
Wir kommen nun zum Gegenvorschlag zum formulierten Initiativbegehren des Komitees «Für das Leben», zur Abänderung von Art. 14 der Landesverfassung der Abgeordneten Doris Beck und Markus Büchel vom 26. August 2005. Sinnvollerweise wurde selbstverständlich bereits auf die Gegeninitiative eingetreten. Die Vor- und Nachteile wurden hier in diesem Hohen Hause eingehend diskutiert. Trotzdem möchte ich Sie noch fragen: Gibt es noch Wortmeldungen zu diesem formulierten Initiativbegehren?Abg. Paul Vogt:
Ich habe einen Abänderungsantrag zu dieser Initiative formuliert. Ich möchte fragen, wie Sie das zur Abstimmung zu bringen gedenken.Landtagspräsident Klaus Wanger:
Ich habe Ihren Abänderungsantrag zur Kenntnis genommen. Ich werde zuerst den Text verlesen lassen, anschliessend abstimmen lassen über Ihren Abänderungsvorschlag und dann zur Schlussabstimmung kommen.Gibt es weitere Fragen oder Wortmeldungen? Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich, auch den Gegenvorschlag zu verlesen.Der Gegenvorschlag zur Abänderung von Art. 14 der LV wird verlesen.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Besten Dank. Sie haben den Gegenvorschlag gehört. Wir haben nun vorerst über den Antrag des Abg. Paul Vogt abzustimmen. Der Abg. Paul Vogt stellt den Antrag, Art. 27bis Abs. 1 wie folgt abzuändern: «Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen».Wer diesem Antrag zustimmen will, möge bitte die Hand erheben.Abstimmung: 6 Stimmen
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Dem Antrag ist somit nicht zugestimmt. Sie haben also den Initiativtext des Gegenvorschlags gehört. Wer diesem Gegenvorschlag des Komitees «Für das Leben», ebenfalls zur Abänderung von Artikel 14 der Landesverfassung zustimmen will, möge bitte die Hand erheben.Abstimmung: Mehrheitliche Zustimmung mit 23 Stimmen
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Dieser Gegenvorschlag erhielt somit mehr als drei Viertel, das heisst, die erforderlichen 19 Stimmen der heute hier anwesenden Mitglieder des Landtages. Um eine zweite Abstimmung durchführen zu können, haben wir kurzfristig auf kommenden Mittwoch, 28. September, 14 Uhr, eine weitere Landtagssitzung anberaumt. Sofern dieser Gegenvorschlag auch an dieser Landtagssitzung die Drei-Viertel-Mehrheit der anwesenden Mitglieder des Landtages erreicht, ist diesem Gegenvorschlag seitens des Landtages zugestimmt worden. Da es sich um einen Gegenvorschlag zum vorgängig behandelten Initiativbegehren laut Bericht und Antrag der Regierung Nr. 40/2005 handelt, werde ich auch dieses Initiativbegehren mit Ihrem Einverständnis an die Regierung überweisen lassen, um eine Volksabstimmung anzuberaumen. Damit ist sinnvollerweise sichergestellt, dass gleichzeitig über beide Initiativbegehren anlässlich einer Volksabstimmung zu befinden ist. Landtagspräsident Klaus Wanger:
Damit haben wir Traktandum 4 erledigt. -ooOoo-