Beschluss Nr. 88/2006 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses (Richtlinie 2003/41/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Juni 2003 über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung) (Nr. 68/2006)
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Wir kommen zu Traktandum 23: Beschluss Nr. 88/2006 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses (Richtlinie 2003/41/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Juni 2003 über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung).Der Bericht und Antrag Nr. 68/2006 der Regierung steht zur Diskussion. Abg. Markus Büchel:
Danke, Herr Präsident. Mit der Zustimmung des Landtages zum Beschluss Nr. 88/2006 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses werden die aufsichtsrechtlichen Bestimmungen für kapitalgedeckte, rechtlich selbstständige Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (Pensionsfonds) auf ein Mindestniveau vereinheitlicht und detaillierte Regelungen für deren Tätigkeit festgelegt. Damit können in Zukunft Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung auch ausländische Altersversorgungssysteme verwalten und somit grenzüberschreitend in den anderen Vertragsstaaten des EWR-Abkommens tätig werden. Dies betrifft Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung, die an die Ausübung einer Erwerbstätigkeit angeknüpfte Altersversorgungsleistungen erbringen und nach dem Kapitaldeckungsverfahren arbeiten. Demgegenüber sind insbesondere staatliche Rentensysteme, die nach dem Umlageverfahren arbeiten, ausgenommen. Da die traditionellen nach dem Umlageverfahren finanzierten Altersversorgungssysteme an ihre Grenzen gestossen sind, wird die Nachfrage nach betrieblicher Altersvorsorge in den meisten Ländern Europas zukünftig steigen. Damit wird durch die Umsetzung der Richtlinie für Liechtenstein eine Möglichkeit geschaffen, sich als attraktiver Standort für Pensionsfonds zu etablieren. Die Umsetzung dieser Richtlinie ist damit für Liechtenstein keine reine Pflichtübung, sondern bietet für den Versicherungsplatz Liechtenstein eine zusätzliche Chance, um weitere Produkte anzubieten. Dementsprechend rasch wird diese Richtlinie auch umgesetzt. Unter Traktandum 33 werden wir das Spezialgesetz zur Umsetzung dieser Richtlinie ebenfalls in dieser Landtagssitzung in Behandlung ziehen. In Bezug auf die finanziellen und personellen Auswirkungen hält die Regierung fest, dass es nach der Umsetzung gewisse personelle und finanzielle Konsequenzen haben werde. Auch wenn mir bewusst ist, dass es sicher nicht einfach ist, so etwas abzuschätzen, so wäre ich froh, wenn zumindest grobe Abschätzungen über die Kosten und über das Potenzial, das sich hinter diesen Produkten verbirgt, abgegeben werden könnten, damit man sich über das ein Bild machen könnte. Ich werde dem Beschluss meine Zustimmung geben. Abg. Günther Kranz:
Herr Präsident, Frauen und Herren Abgeordnete.
Mit der Umsetzung der Pensionsfondsrichtlinie wird der europäische Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung erheblich gestärkt. Die kapitalgedeckten Systeme betrieblicher Altersversorgung können nun am freien Kapital- und Dienstleistungsverkehr in den Vertragsstaaten des EWR-Abkommens teilhaben, wobei die arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Tätigkeitsmitgliedstaates zu beachten sind.
Mit der Umsetzung der Richtlinie wird ein europäischer Aufsichtsrahmen für rechtlich selbstständige kapitalgedeckte Einrichtungen in der betrieblichen Altersversorgung geschaffen. Somit betrifft die Richtlinie nur Einrichtungen, welche nicht mit dem Umlageverfahren arbeiten. Durch die Umsetzung aufsichtsrechtlicher Standards wird die Finanzaufsicht des Herkunftsstaates über Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung künftig im Grundsatz in den Vertragsstaaten des EWR-Abkommens anerkannt.
Damit können Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung in allen EWR-Vertragsstaaten tätig werden, die Arbeitgeber ihre Anbieter betrieblicher Altersversorgungsleistungen europaweit auswählen und europaweit tätige Unternehmen ihre betriebliche Altersversorgung in einer Einrichtung bündeln.
Die Übernahme der Pensionsfondsrichtlinie soll auch zu einer Stärkung unseres Kapitalmarktes beitragen und durch die darin enthaltenen Potenziale die Effizienz von kapitalgedeckten Zusatzversorgungssystemen steigern.
Die Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung erhalten wie Banken und Versicherungen quasi den «Europäischen Pass». Vorteile entstehen insbesondere für grenzüberschreitend tätige Unternehmen mit Arbeitnehmern in mehreren Ländern, die nun durch Bündelung einen europaweiten Fonds verwalten und damit das angesammelte Kapital effektiver anlegen und Kosten einsparen können.
Die EWR-Vertragsstaaten bleiben uneingeschränkt für die Organisation ihrer Altersversorgungssysteme zuständig. Nationales Sozial-, Arbeits- und Steuerrecht wird von der Richtlinie nicht berührt. Die Richtlinie beschäftigt sich ausschliesslich mit der zweiten Säule der Altersvorsorge, der betrieblichen Vorsorge. Die erste und die dritte Säule, die staatliche Rentenversicherung einerseits und die private Vorsorge andererseits, werden von ihr nicht erfasst.
Liechtenstein bekommt mit der Umsetzung dieser Richtlinie und dem zu erlassenden Pensionsfondsgesetz eine einmalige Chance, sich als attraktiver Pensionsfonds-Standort in Europa zu etablieren und dadurch den Finanzplatz Liechtenstein zu diversifizieren.
Dem vorliegend formuliertem Beschluss werde ich meine Zustimmung erteilen. Danke.
Landtagsvizepräsident Ivo Klein:
Danke, Herr Präsident. Ich hätte nur noch eine Frage: Im Bericht wird ja angeführt, dass aufgrund einer Pensionsfondsstudie ein grosses Marktpotenzial in Europa erkannt wird. Ich teile diese Meinung, möchte diesbezüglich an die Regierung die Frage stellen, ob die Chancen so gross sind, wie hier angeführt wird. Hier wird nämlich geschrieben: «Für Liechtenstein besteht eine echte Chance, als attraktiver Standort sich zu etablieren». Hier stellt sich für mich die Frage, wie die Problematik bezüglich der fehlenden Doppelbesteuerungsabkommen zu werten ist. Weil bei Kapitalerträgen sind wir hier ja benachteiligt und ich möchte die Regierung fragen, ob das diesbezüglich kein Hindernis ist. Regierungschef-Stellvertreter Klaus Tschütscher:
Besten Dank, Herr Präsident. Ich möchte zunächst auf den Abg. Markus Büchel kurz eingehen. Die Frage nach den personellen und finanziellen Konsequenzen: Ich denke, dass die Frage hier sehr schwierig zu beantworten ist. Wir haben meines Erachtens eine doppelte Schwierigkeit. Einerseits ist das Staatsbudget ja nur indirekt davon betroffen über den Staatsbeitrag an die FMA. Und die FMA als unabhängige Finanzmarktbehörde hat da natürlich gewisse Freiheit, ihre personellen Ressourcen und finanziellen Ressourcen selbst in ihrer Organisationsform einzuteilen. Und die zweite Schwierigkeit ist bei diesen Geschäften immer die Frage: Wie viel Geschäft kommt am Anfang und wie nimmt das in Zukunft zu? Das führt mich auch zur Frage des Abg. Ivo Klein. Das Marktpotenzial wird uns von dieser Studie, die wir ja im letzten Jahr im Dezember vorgestellt haben, als sehr gross attestiert. Als Nachteil werden natürlich die fehlenden Doppelbesteuerungsabkommen auch von dieser Studie erwähnt. Wir unterscheiden uns hier aber natürlich grundsätzlich überhaupt nicht von anderen Geschäftsfeldern, die sich auch im institutionellen Anlegergeschäft sehr erfolgreich entwickeln und da ist das Fondsgeschäft zu nen-nen. Es gibt heute auf diesem Markt Möglichkeiten, den fehlenden Doppelbesteuerungsabkommen eben zu entweichen. Natürlich ist das mit grösseren Kosten verbunden, aber gerade das sieht auch diese Studie vor, dass dieses Know-how auf diesem Platz, auf dem Dienstleistungsplatz eben schon vorhanden ist, dieses Know-how auch genutzt werden kann im Rahmen dieses Geschäftes. Ich selbst hatte mit zwei möglichen Interessenten in der jüngeren Vergangenheit schon Kontakt, die an und für sich darauf warten, dass dieses Gesetz, das wir dann im Traktandum 33 behandeln werden in 1. Lesung, möglichst rasch natürlich in Kraft treten wird. Und wie es bei jedem Geschäft ist, ist nichts sicher, aber diese beiden Beratungsfirmen, die hier an uns herangetreten sind, haben grosses Interesse ihren Pensionsfonds in Liechtenstein zu etablieren. Landtagspräsident Klaus Wanger:
Besten Dank. Wenn es keine weiteren Wortmeldungen mehr gibt, dann können wir über den Antrag der Regierung, der wie folgt lautet, abstimmen: «Der Landtag wolle dem Beschluss Nr. 88/2006 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses die Zustimmung erteilen».
Wer diesem Antrag Folge leisten will, möge bitte die Hand erheben. Abstimmung: Einhellige Zustimmung
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