Beschluss Nr. 68/2006 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses (Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge) (Nr. 69/2006)
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Dann kommen wir zu Traktandum 24: Beschluss Nr. 68/2006 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses, Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge. Der Bericht und Antrag der Regierung Nr. 69/2006 steht zur Diskussion.Abg. Henrik Caduff:
Danke, Herr Präsident. Mit der Richtlinie 2004/18/EG werden mehrere Richtlinien abgeändert, um der Forderung nach Vereinfachung und Modernisierung zu entsprechen. Folglich stellt die hier zur Übernahme vorliegende Richtlinie sowohl eine Vereinheitlichung als auch eine Ergänzung der Richtlinien 93/36/EWG, 93/37/EWG, 92/95/EWG und 97/52/EWG dar. Die Schwerpunkte der Vorlage sind die Einführung elektronischer Verfahren, die Einführung des wettbewerblichen Dialogs, der Möglichkeit, für die Arbeitnehmer Rahmenvereinbarungen zu schliessen, die Klarstellung von Bestimmungen über technische Spezifikationen, strengere Bestimmungen über Zuschlags- und Eignungskriterien sowie die Vereinfachung der Schwellenwerte.Im Bericht und Antrag auf Seite 27 wird zu der geplanten Umsetzung über die in der Folge notwendigen Anpassungen berichtet. Darin heisst es, dass sowohl eine Gesamtrevision des ÖAWG, des Gesetzes zum Öffentlichen Auftragswesen, der ÖAWV, der zugehörigen Verordnung, als auch der Kundmachung der Schwellenwerte notwendig ist. Es fehlt jedoch eine Angabe über den zeitlichen Rahmen der geplanten Revisionen und Kundmachungen. Können Sie hierzu genauere Aussagen machen?Bei den personellen und finanziellen Auswirkungen wird ein zusätzlicher Personalbedarf für die Übernahme dieser Richtlinie und der im folgenden Traktandum zu behandelnden Richtlinie 2004/17/EG von 100 Stellenprozenten bei der Stabsstelle Öffentliches Auftragswesen - befristet auf 3 Jahre - als notwendig erachtet. Ich frage mich hier natürlich, ob diese Personalaufstockung auch wirklich notwendig ist. Wenn wir bei umfangreicheren Übernahmen von Richtlinien jeweils den Personalstand der Landesverwaltung erhöhen, führt dies ins Unendliche. Es wird immer wieder umfangreiche Richtlinien geben, bei welchen wir zur Übernahme verpflichtet sein werden, in Zukunft wohl eher mehr als weniger. Ich bitte auch hierzu um Auskunft. Danke.Abg. Elmar Kindle:
Herr Präsident, Damen und Herren Abgeordnete. Meine Haltung zu diesem Thema scheint klar zu sein. Ich habe gelernt bei diesem Thema, dass das ein rollendes Verfahren ist. Hier wird immer Stück um Stück geändert, angepasst, neu erfunden. Und Tatsache ist, dass, wenn hier Anträge gestellt werden, das einfach nichts nützt. Es ist fast schade um die Zeit, wenn man das auf gut Deutsch so sagt. Dennoch, auch hier wieder, für mich sind diese Änderungen, die hier vorgeschlagen werden, völlig für Liechtenstein nicht grössenverträglich und unverhältnismässig. Das muss ich jetzt hier wieder einmal sagen. Hier wird alles über den gleichen Kamm geschert. Und ich frage mich allen Ernstes, was hier das soll, mit solchen elektronischen Auktionen und dergleichen. Ich dachte immer, wir wollten einen fairen Wettbewerb haben, wo Rahmenbedingungen gesetzt werden mit Zusatzkriterien etc. Hier lese ich «elektronische Auktionen», wo es heisst, dann könne man den Preis noch tiefer runternehmen, dann könne man sagen: Ja, der ist da und der ist da. Ich verstehe das nicht mehr. Ich möchte einfach wissen, für welche Bereiche das Gültigkeit haben soll und für welche Aufträge, volumenmässig betrachtet. Ich werde dieser Richtlinie nicht zustimmen, werde auch dem Gesetz, das dann kommt - da bin ich gespannt, wie das ausgestaltet sein wird, wenn Fleisch am Knochen ist - auch sehr kritisch gegenüberstehen.Landtagspräsident Klaus Wanger:
Wenn keine weiteren Wortmeldungen seitens des Plenums sind, dann gebe ich das Wort dem Herrn Regierungschef.Regierungschef Otmar Hasler:
Herr Präsident, geschätzte Damen und Herren. Tatsächlich handelt es sich beim Öffentlichen Auftragswesen um ein sehr dynamisches Rechtsgebiet. Kaum haben wir eine Totalrevision der Gesetze hinter uns, müssen wir schon wieder neue Richtlinien übernehmen. Um beim Abg. Elmar Kindle anzuknüpfen, wir sind nun einmal Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraumes. Da gibt es bestimmte Rechtsmaterien, die wir zu übernehmen haben. Dazu haben wir uns verpflichtet bei dem Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum. Und wir können die Probleme sicher nicht so lösen, dass wir gerade in einem solchen Bereich die Übernahme von Richtlinien verweigern.Insgesamt ist auch zu sagen, dass das Öffentliche Auftragswesen bei aller Kritik, die man dafür haben kann, natürlich auch Vorteile gebracht hat. Es herrscht ein Wettbewerb. Und wenn wir die Statistiken ansehen, können wir auch sehen, dass unsere liechtensteinischen Unternehmen und gerade die Gewerbebetriebe durchaus konkurrenzfähig sind und dass mit Abstand der grösste Teil der Aufträge, die öffentlich ausgeschrieben werden, auch in Liechtenstein vergeben werden. Und es ist sicher auch ein Gewinn für viele liechtensteinische Klein- und Mittelbetriebe, dass der Wettbewerb nicht mehr auf das Gemeindegebiet begrenzt ist, zumindest auch landesweit spielen kann, ansonsten viele dieser Unternehmen sich nicht so entwickeln hätten können.Die Schwerpunkte der Vorlage wurden vom Abg. Henrik Caduff genannt. Es gibt hier sicher einige Verfahren, die uns noch einiges Kopfzerbrechen bereiten werden. Sie sind nicht ganz so einfach umzusetzen. Aber da werden wir eben die notwendige Zeit aufwenden müssen, um die entsprechenden Vorlagen zu erarbeiten, und vor allem die Vernehmlassung dann auch sehr intensiv durchführen.Diese Gesamtrevision der beiden Gesetzesvorlagen bzw. die Totalrevision der Gesetze, die müsste voraussichtlich bis Mitte 2008 beschlossen sein. Das heisst, das Übernahmeverfahren in Island und Norwegen läuft noch. Und ab der Übernahme durch alle drei EWR/EFTA-Staaten läuft dann für Liechtenstein eine Frist von 18 Monaten, die wir aushandeln konnten. Wir haben uns deshalb auch entschlossen, die beiden Richtlinien jetzt schon vor den Landtag zu bringen, obwohl Norwegen und Island sie noch nicht übernommen haben. Damit gewinnen wir hier Zeit für eine sehr ausführliche Vernehmlassung. Eine Vernehmlassung, die dann eben auch mit den Betroffenen diskutiert werden kann.Nun zu den 100 Stellenprozenten, die wir hier genannt haben und die notwendig sind: Wir wollen natürlich auch hier beim Personal transparent sein. Sie sehen selbst, bei der Übernahme dieser Richtlinie, wie umfangreich die Richtlinien sind, wie komplex und kompliziert das Öffentliche Auftragswesen ist. Wir haben eine Stabsstelle, die durch eine Person besetzt ist. Das ist keine Amtsstelle, die mehrere Personen umfasst. Wir haben eine Stabsstelle, die nur durch eine Person besetzt ist. Und diese Stabsstelle hat natürlich laufend Aufgaben wahrzunehmen. Und daneben müssen diese sehr umfangreichen Richt-linien umgesetzt werden. Es muss ein Vernehmlassungsbericht erarbeitet werden. Es muss eine Vernehmlassung durchgeführt werden, die auch entsprechend aufwändig sein wird. Es werden Besprechungen stattfinden müssen. Es muss ein Bericht und Antrag für beide Gesetzesvorlagen erstellt werden. Es müssen dann auch die Stellungnahmen zu einer 1. Lesung erstellt werden. Es müssen die Auftraggeber und die Auftragnehmer dementsprechend eingeschult werden. Das ist äusserst wichtig, damit sie mit dem Gesetz auch umgehen können, denn nur dann kann der Wettbewerb dementsprechend spielen. Es muss die Homepage dementsprechend wieder umfassend angepasst werden. Es müssen Stellungnahmen zu juristischen Auslegungsfragen erstellt werden. Sie sehen, hier wartet sehr viel Arbeit auf die Stabsstelle. Und diese Arbeit muss sorgfältig gemacht werden, ansonsten eine Umsetzung eben nicht dementsprechend sorgfältig gemacht werden kann, und das vor allem mit Nachteilen für unsere Unternehmen verbunden ist.Was ist denn die Arbeit der Stabsstelle für Öffentliches Auftragswesen? Erstens einmal ist es eine laufende Beratung und Information der Regierung sowie sämtlicher Bewerber, Offertsteller, Auftragnehmer und Auftraggeber. Das Öffentliche Auftragswesen ist zum Teil sehr komplex. Und gerade wenn grössere Aufträge vergeben werden, dann muss natürlich schon beim Ausschreibungsverfahren die entsprechende Hilfestellung gegeben werden. Und dafür ist die Stabsstelle da, damit sie Stellungnahmen abgeben kann. Dann weiter muss die Homepage ständig betreut und weiterentwickelt werden. Die Information aber auch die Schulung der Auftraggeber, der Auftragnehmer, das ist nicht eine einmalige Aufgabe, die wird laufend gemacht. Es bedingt natürlich auch, dass eine Aufsicht und Kontrolle über das gesamte Öffentliche Auftragswesen laufend gewährleistet ist. Es muss der rechtskonforme Vollzug gewährleistet sein. Es gehen natürlich auch entsprechende Klagen ein, die beantwortet werden müssen. Und dementsprechend betreibt man hier auch einen nicht unwesentlichen Aufwand. Dann geht es um die Umsetzung der Rechtsmaterie des Öffentlichen Auftragswesens. Dann geht es um die Mitarbeit in einschlägigen Kommissionen, Arbeitsgruppen, Verhandlungsdelegationen. Dann muss selbstverständlich der tägliche Geschäftsablauf garantiert werden. Und das alles zusammen mit der Erarbeitung, mit der Umsetzung dieser umfangreichen Richtlinien ist nicht machbar durch eine Person. Es gibt zwei Alternativen: Entweder eine befristete Anstellung, damit sich ein Jurist / eine Juristin hier einarbeiten kann, oder man müsste diese Aufträge extern geben, was natürlich viel teurer zu stehen kommt. Auch dies haben wir überprüft. Aber das würde uns nicht nur das Doppelte, das würde uns ein Vielfaches kosten. Und deshalb denke ich mir, ist es sinnvoll, dass man mit einer befristeten Anstellung operiert. Wenn diese Totalrevisionen über die Bühne sind, hoffen wir doch, dass dann wieder - so zumindest die Hoffnung - die neuen Gesetze ein paar Jahre halten sollen. Allerdings muss ich auch hier schon wieder relativieren, denn im Pipeline-Acquis steht eine Rechtsmittelrichtlinie für das Öffentliche Auftragswesen. Und die würde uns dann wieder sehr intensiv beschäftigen. Die würde das ganze Öffentliche Auftragswesen enorm verkomplizieren bzw. noch rechtsmittelanfälliger machen. Aber das wird man sehen. Wir werden beobachten, was mit dieser Rechtsmittelrichtlinie passiert.Abg. Elmar Kindle:
Herr Regierungschef, ich anerkenne die Bemühungen der Regierung, auch die des Amtes oder der Stabsstelle. Ich weiss auch, wer A sagt, muss auch B sagen. Das ist mir völlig klar und auch bewusst. Was mich einfach stört, ist, dass alle über den gleichen Kamm geschert werden, und dass diese Änderungen für unser Land oder für unsere Dienstleistungen, die wir hier anbieten, einfach nicht grössenverträglich sind. Das ist das, was ich nicht verstehe. Das ist auch das, was ich nicht verstehe von den Leuten, die da draussen sitzen und solche Erlasse erlassen oder solche Änderungen erlassen. Das kann ich beim besten Willen nicht verstehen. Das ist das Einzige, was mich daran stört. Ich weiss, wir haben jetzt ein Gesetz, ein ÖAWG, das funktioniert, das greift. Das kann noch verbessert werden. Das steht gar nicht zur Diskussion. Aber diese Änderungen - ich weiss nicht, welche Märkte hier angesprochen sind. Ich meine, Baumeisterarbeiten, Schlosserarbeiten, was es alles hier gibt, das betrifft das doch gar nicht. Und doch müssen wir das umsetzen. Das begreife ich nicht. Das ist Arbeitsbeschaffung. Und dem stimmen wir auch automatisch zu, indem wir diesen Richtlinien zustimmen. Und eine Stelle da und eine Stelle dort, so geht es immer weiter und weiter. Gegen das verwehre ich mich.Regierungschef Otmar Hasler:
Eigentlich gibt es nicht mehr viel Wesentliches zu sagen. Wir werden aber auch nicht eine Stelle da und eine Stelle dort schaffen. Sondern wir haben hier ganz klar offen gelegt, dass wir für drei Jahre eine befristete Stelle für die Umsetzung dieser Rechtsakte geschaffen haben, und dass wir selbstverständlich die Entwicklung nun beobachten müssen. Sollte es zu dieser Rechtsmittelrichtlinie kommen, dann müsste auch die dementsprechend umgesetzt werden. Und nach der Umsetzung müssen die Leute natürlich geschult werden, damit das Gesetz dann auch dementsprechend verstanden und auch von den Bewerbern angewendet werden kann.Landtagspräsident Klaus Wanger:
Besten Dank. Wenn es keine weiteren Wortmeldungen mehr gibt, dann können wir über den Antrag der Regierung, der wie folgt lautet, abstimmen: Der Hohe Landtag wolle dem Beschluss Nr. 68/2006 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses vom 2. Juni 2006 betreffend die Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge die Zustimmung erteilen. Wer diesem Antrag Folge leisten will, möge bitte die Hand erheben.Abstimmung: Mehrheitliche Zustimmung mit 18 Stimmen
Landtagspräsident Klaus Wanger:
18 Stimmen bei 19 Anwesenden. Damit haben wir auch Traktandum 24 erledigt.-ooOoo-