Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 15. November 2000 gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität, das Zusatzprotokoll vom 15. November 2000 zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Handels mit Frauen und Kindern, und das Zusatzprotokoll vom 15. November 2000 gegen die Schlepperei von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg (Nr. 122/2007)
Landtagspräsident Klaus Wanger
Dann kommen wir zu Traktandum 26: Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 15. November 2000 gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität, das Zusatzprotokoll vom 15. November 2000 zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Handels mit Frauen und Kindern, und das Zusatzprotokoll vom 15. November 2000 gegen die Schlepperei von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg.
Der Bericht und Antrag der Regierung Nr. 122/2007 steht zur Diskussion.Landtagsvizepräsident Ivo Klein
Danke schön, Herr Präsident. Meine Damen und Herren, guten Morgen. Die organisierte Kriminalität kennt keine Grenzen und hat sich aufgrund ihrer Zunahme zu einer Bedrohung für die internationale Staatengemeinschaft und damit auch für Liechtenstein entwickelt. Mit dem Übereinkommen vom 15. November 2000 gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminaltität, das besser unter dem Begriff «Palermo-Übereinkommen» bekannt ist, verfolgen die Vereinten Nationen das Ziel, die internationale Zusammenarbeit zu verstärken, um die internationale organisierte Kriminalität zu verhindern und effizienter bekämpfen zu können.
Im Weiteren strebt das Übereinkommen auch die Verringerung der Unterschiede zwischen den einzelstaatlichen Rechtsordnungen an, indem es Mindeststandards vorgibt. So sollen in den Vertragsstaaten unter anderem die Beteiligung an einer kriminellen Organisation, die Geldwäscherei, sowie die aktive und passive Korruption unter Strafe gestellt werden. Zudem hat Liechtenstein die beiden Zusatzprotokolle betreffend Menschenhandel und Menschenschmuggel unterzeichnet. Das Zusatzprotokoll gegen den Menschenschmuggel beinhaltet auch die Verpflichtung zum Opferschutz. Beim Zusatzprotokoll betreffend Feuerwaffen soll auf das weitere Vorgehen in der Schweiz Rücksicht genommen werden, da aufgrund des Zollvertrags in diesem Bereich schweizerisches Recht zur Anwendung kommt.
Liechtenstein hat mit der Revision des Strafgesetzbuches im Frühjahr 2007 der Teilrevision der Strafprozessordnung im Herbst 2004 zum Zweck des verbesserten Opferschutzes und des inzwischen verabschiedeten Opferhilfegesetzes die Ansprüche des Palermo-Übereinkommens bereits erfüllt, wie die Regierung im Bericht festhält. Die Regierung führt dann weiter aus, dass aus diesem Grund die Ratifikation des Übereinkommens und der beiden Zusatzprotokolle keiner weiteren rechtlichen Anpassung mehr bedarf.
Inwieweit unser Rechtsbestand wirklich alle Punkte des Palermo-Übereinkommens abdeckt, kann ich selbst nicht abschliessend beurteilen. Einige Ausführungen im Bericht haben bei mir jedoch die Frage aufkommen lassen, ob diese Aussage so absolut gemacht werden kann. Auf Seite 30 werden Ausführungen zur Verantwortlichkeit juristischer Personen gemäss Art. 10 des Übereinkommens gemacht. Das liechtensteinische Recht kennt keine eigentliche straf-, zivil- oder verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen im Sinne des erwähnten Artikels 10. Das Ressort Justiz, wie im Bericht steht, trifft Vorbereitungen zur Schaffung von entsprechenden Gesetzesbestimmungen. Das ist löblich, ändert aber nichts an der Tatsache, dass wir heute noch kein Unternehmensstrafrecht haben.
In Art. 7 des Übereinkommens sind die Massnahmen zur Bekämpfung der Geldwäscherei aufgeführt. In Abs. 2 steht, dass die Vertragsstaaten praktisch durchführbare Massnahmen zur Aufdeckung und Überwachung grenzüberschreitender Bewegungen von Bargeld erwägen sollten. Da die Grenzkontrollen bei uns durch die Schweiz vorgenommen werden, kann die Umsetzung dieser Bestimmung von uns nicht sichergestellt werden.
Aufgrund dieser Überlegung ist mir auch die Frage aufgekommen, ob sämtliche im Palermo-Übereinkommen vorgesehenen Vortaten zur Geldwäscherei sich bei uns ebenfalls als Vortat qualifizieren. Vielleicht kann die Regierung hierzu noch Ausführungen machen. Trotz der aufgeworfenen Fragen bin ich der Überzeugung, dass Liechtenstein im internationalen Kampf gegen das organisierte Verbrechen nicht abseits stehen kann und darf, wie ich das auch schon an anderer Stelle betont habe. Ganz im Gegenteil, es muss in unserem Interesse sein, dass wir hier die geltenden internationalen Standards umsetzen und einhalten, um uns nicht der Gefahr auszusetzen, diesen gravierenden Straftatbeständen Vorschub zu leisten. Liechtenstein kämpft in der internationalen Staatengemeinschaft nach wie vor um seinen guten Ruf. Die Ratifizierung der hier zur Diskussion stehenden Abkommen ist ein nicht unwesentlicher Mosaikstein gegen die bestehenden Vorurteile, die, wenn wir ihnen nicht wirksam entgegnen, eines Tages auch erhebliche praktische Auswirkungen haben können, wie wir anlässlich der Finanzplatzkrise gesehen haben. Danke.Abg. Renate Wohlwend
Danke, Herr Präsident. Liebe Kollegen. Aus unserer Mitgliedschaft in europäischen und internationalen Organisationen ergibt sich sehr oft die Gelegenheit für den Landtag, Abkommen auch ratifizieren zu müssen. Und sehr oft ist unser Argument, aus Solidarität mit der Völkergemeinschaft tun wir das, denn unser Land ist nur indirekt oder inhaltlich gar nicht betroffen. Bei diesem Übereinkommen - und das hat mein Vorredner ausgeführt - handelt es sich jedoch um etwas, das im Interesse des Landes steht, nämlich Sicherheit im Innern zu schaffen und nach aussen durch die Ratifizierung unsere Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit zu dokumentieren.
Erfreulich ist, dass wir durch die Gesetzgebungen der letzten Jahre, nämlich Änderungen im Strafgesetzbuch, in der Strafprozessordnung und vor allem auch die Schaffung des Opferhilfegesetzes, bereits im Voraus umgesetzt haben, was in diesem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität und die Zusatzprotokolle zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels sowie gegen die Schlepperei von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg verlangt wird.
Die kritischen Punkte, die mein Vorredner angebracht hat, nämlich seine Zweifel, ob tatsächlich schon alle gesetzlichen Grundlagen geschaffen sind und die Frage nach einem Unternehmensstrafrecht finde ich höchst interessant. Sie sind mir bei Vorbereitung dieses Traktandums - ehrlich gesagt - nicht in den Sinn gekommen. Aber ich unterstütze gerne die Fragen an die Regierung und bin interessiert, ob etwas in Behandlung und Bearbeitung zu diesem Themenkreis steht, nämlich auch die Verantwortlichkeit juristische Personen etwas besser unter die Lupe zu nehmen, als das nach heutiger Gesetzeslage der Fall ist.
In jedem Fall spreche ich mich für die Ratifizierung der genannten Abkommen und Protokolle aus, denn ich bin zutiefst überzeugt, dass es Liechtenstein gut ansteht, hier nicht nur aus Solidarität, sondern in eigenem Interesse ein Zeichen zu setzen.Landtagspräsident Klaus Wanger
Wenn es keine weiteren Wortmeldungen aus dem Plenum gibt, gebe ich das Wort dem Herrn Regierungschef-Stellvertreter.Regierungschef-Stellvertreter Klaus Tschütscher
Danke, Herr Präsident. Der vorliegende Bericht und Antrag bedeutet das Ratifikations-Verfahren betreffend den Beitritt zu diesem Palermo-Übereinkommen. Die entsprechenden Umsetzungsarbeiten haben wir ja im Frühjahr dieses Jahres abgeschlossen. Ich möchte auch hier auf die entsprechenden Berichte und Anträge verweisen, auf den Bericht und Antrag Nr. 2/2007 und die entsprechende Stellungnahme Nr. 52/2007. Wir haben dort auch explizit ausgeführt, wie wir das Palermo-Übereinkommen umsetzen. Und ich darf hinsichtlich des Umsetzungsstandes aus diesem Bericht und Antrag zitieren. Dort heisst es: «Bezüglich des sonstigen strafrechtsrelevanten Inhalts des Palermo-Übereinkommens kann mit der Massgabe, dass auch dieses Instrument die Schaffung einer Verantwortlichkeit juristischer Personen verlangt» - und darauf komme ich nachher zurück - «von der vollständigen Umsetzung im liechtensteinischen Recht ausgegangen werden». Und nachdem der Bericht und Antrag und die entsprechenden Gesetzesvorlagen keine Abänderung durch den Landtag erfahren haben, ist diese Aussage natürlich nach wie vor richtig. Es gibt auch eine Korrespondenztabelle, die in diesen Berichten angehängt war, welche die entsprechenden Umsetzungen Punkt für Punkt aufgelistet hat.
Nun zum Thema Strafbarkeit juristischer Personen, zur Verantwortlichkeit: Das haben wir auch ausgeführt. Anlässlich der Debatte bei der Umsetzung habe ich damals gesagt, dass es ein dogmatisch sehr schwieriges Thema ist. Es geht immerhin um subjektive Strafbarkeit. Subjektive Strafbarkeit kann man natürlichen Personen zurechnen, bei juristischen Personen wird das schon schwieriger. Wem ist diese subjektive Strafbarkeit zuzurechnen? Das ist ein sehr schwieriges Thema, dogmatisch vor allem sehr schwierig. Das muss auch in den jeweiligen Rechtsbestand hineinpassen. Und das hat auch in Österreich und der Schweiz zur sehr langwierigen Diskussionen geführt. In der Schweiz wurde es im Strafgesetzbuch selbst umgesetzt. In Österreich hat man ein eigenständiges Gesetz geschaffen. In Deutschland wurde es nochmals anders geregelt und Luxemburg hat es auf Verwaltungsstrafebene geregelt. Wir haben eine Analyse gemacht, wie die jeweiligen Länder diese Umsetzung vorgenommen haben und es liegt intern ein Entwurf eines Umsetzungsvorschlages auf dem Tisch. Diesen Vorschlag werden wir mit den Verbänden diskutieren, weil die Strafbarkeit juristischer Personen doch einen Paradigmen-Wechsel auch für unser Land bedeutet, weil man dann nicht mehr die einzelne Person zur Rechenschaft ziehen kann, sondern eine Organisationseinheit wie eine juristische Person.
Wie gesagt, es liegt ein Entwurf vor und den werden wir in den nächsten Wochen und Monaten mit den Verbänden diskutieren. Dann werden wir auch einen Vorschlag in die Vernehmlassung schicken. Danke.Landtagspräsident Klaus Wanger
Besten Dank.Abg. Alois Beck
Danke, Herr Präsident. Guten Morgen. Ich habe noch eine Anschlussfrage an die Regierung: Ich habe das jetzt aus Ihren Ausführungen so verstanden, dass anstelle der einzelnen Person die juristische Person dann allenfalls haftbar gemacht werden könnte. Ist es nicht so, dass eben beide haftbar gemacht werden sollen? Das heisst, nicht ausschliesslich die eine Kategorie, sondern beide Kategorien. Das ist meine Anschlussfrage.Regierungschef-Stellvertreter Klaus Tschütscher
Danke, Herr Präsident. Das Ziel der Einführung der Strafbarkeit juristischer Personen dient ja gerade dem Ziel, eben nicht jedem einzelnen persönlichen Verhalten nachzugehen. Aber es ist dann eine innerstaatliche Abwägung und politische Entscheidung, ob man nebst der Organisationseinheit auch noch das Fehlverhalten der Person bestrafen will. International ist, dass dann nicht gefordert wird, dass die Organisationseinheit und die Strafbarkeit juristischer Personen geregelt wird. Und auch das wurde in unserer Analyse gemacht. Aber ich kann Ihnen jetzt nicht mehr sagen, wie die einzelnen Länder dies jeweils geregelt haben.Landtagspräsident Klaus Wanger
Wenn das Wort nicht mehr gewünscht wird, können wir uns dem Antrag der Regierung zuwenden.
Ich bitte, den Antrag zu verlesen.
Der Antrag der Regierung lautet wie folgt:
Der Hohe Landtag wolle- dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 15. 11. 2000 gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität,
- dem Zusatzprotokoll vom 15. 11. 2000 zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Handels mit Frauen und Kindern,
- dem Zusatzprotokoll vom 15. 11. 2000 gegen die Schlepperei von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg
die Zustimmung erteilen. Landtagspräsident Klaus Wanger
Wer diesem Antrag zustimmen will, möge bitte die Hand erheben. Abstimmung: Einhellige Zustimmung
Landtagspräsident Klaus Wanger
Damit haben wir auch Traktandum 26 bearbeitet. -ooOoo-