Beschluss Nr. 158/2007 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses (Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG), (Nr. 25/2008)
Landtagspräsident Klaus Wanger
Dann kommen wir zu Traktandum 26: Beschluss Nr. 158/2007 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses (Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG).
Der Bericht und Antrag der Regierung trägt die Nr. 25/2008 und steht zur Diskussion.Abg. Pepo Frick
Diese Richtlinie, die die Bedingungen des Aufenthalts von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen im EU-Raum festlegt, soll in Liechtenstein übernommen werden. Welches sind nun die wichtigsten Neuerungen dieser Richtlinie? Welche Ziele und Wertvorstellungen stehen hinter dieser Richtlinie? Und welche Bedeutung hat die Richtlinie für Liechtenstein und die hier lebenden Ausländerinnen und Ausländer?
Zunächst zu den zentralen Neuerungen: - Das Recht auf Familiennachzug wird ausgedehnt. Zusätzlich gilt es auch für eingetragene LebenspartnerInnen und für Familienangehörige, mit denen die Unionsbürger im Herkunftsland in häuslicher Gesellschaft gelebt haben oder die Pflege benötigen.
- Neu können Familienangehörige mit einer EU-Staatsbürgerschaft ihr Aufenthaltsrecht bei Tod oder Wegzug der UnionsbürgerIn sowie bei Scheidung bzw. Beendigung der eingetragenen Partnerschaft beibehalten, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Voraussetzungen sind zum Beispiel eine Erwerbstätigkeit oder ausreichende Existenzmittel. Falls die Familienangehörigen jedoch keine EU-BürgerInnen, sondern Drittstaaten-Angehörige sind, verlieren sie bei Wegzug des Unionsbürgers ihr Aufenthaltsrecht. In den anderen Fällen, wie beispielsweise Scheidung, müssen sie zusätzliche Bedingungen erfüllen, um das Aufenthaltsrecht beizubehalten, zum Beispiel drei Jahre Ehe, Sorgerecht für die Kinder.
- Neu ist das Recht auf Daueraufenthalt nach fünf Jahren für den EU-Staatsangehörigen und seine Familienangehörigen, unabhängig davon, ob letztere EU- oder Drittstaatsangehörige sind. Der Daueraufenthalt ist nicht mehr an Voraussetzungen wie Erwerbstätigkeit oder ausreichende finanzielle Mittel geknüpft, geht also auch nicht verloren, wenn die betreffende Person zum Sozialhilfebezüger wird.
- Besserer Schutz vor Ausweisung: Nach zehnjährigem Aufenthalt und bei Minderjährigkeit ist eine Ausweisung grundsätzlich nicht möglich, andernfalls müssen schwer wiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorliegen, um eine Ausweisung zu rechtfertigen.
Welcher Geist steht nun hinter diesen Bestimmungen, welche Grundhaltung wird hier sichtbar? Allen UnionsbürgerInnen wird das Recht auf ein Familienleben, auf ein sich unterstützendes familiäres Zusammenleben in vielgestaltiger Form gewährt. Ebenso wird dem Bedürfnis nach Sicherheit und nach langfristigen Lebensperspektiven Rechnung getragen. Bei Familienangehörigen aus Drittstaaten gilt es einzuschränken, dass sie zunächst über die und in Abhängigkeit von einer Unionsbürgerin Aufenthaltsrechte erwerben, nach fünf Jahren erhalten jedoch auch sie einen eigenständigen und gesicherten Aufenthaltsstatus. Diese Rahmenbedingungen liefern gute Voraussetzungen für eine rasche und erfolgreiche Integration der ausländischen Wohnbevölkerung. Da sich für europäische Staaten die Integration zunehmend zu einer zentralen staatlichen Aufgabe und Herausforderung entwickelt, sind alle Massnahmen, die der Integration dienen, zu begrüssen. In diesem Sinne befürworte ich die Umsetzung dieser Richtlinie in Liechtenstein.
Was bedeutet nun die Umsetzung der Richtlinie für Liechtenstein? Gegen aussen trägt sie zur Aufrechterhaltung der Attraktivität Liechtensteins als Wirtschaftsfaktor bei, was im Hinblick auf den Bedarf an hoch qualifizierten Arbeitskräften von grosser Bedeutung ist. Im Inneren fördert sie eine rasche und nachhaltige Integration der ausländischen Wohnbevölkerung aus dem EU-Raum. Wie die Regierung in ihrem Zusatzpapier zum Bericht und Antrag ausführt, wird durch die Richtlinie auch die FL-Sonderlösung im Personenverkehr nicht gefährdet, das heisst, der Aufenthalt bleibt bewilligungspflichtig und kann gemäss Quotenregelung beschränkt werden.
Die Zulassung von EU-BürgerInnen wird also weiterhin begrenzt und kontrolliert, die Änderung besteht vielmehr darin, dass man denen, die zugelassen werden, jetzt ein umfassendes Recht auf Familienleben einräumt und ihre Rechtstellung und die ihrer Angehörigen derart ausgestaltet, dass ihr Aufenthalt gesichert und durch die Unwägbarkeiten des Lebens wie Tod, Scheidung, soziale Not nicht über Gebühr belastet wird. Damit wird diesen Menschen eine nachhaltige Integration ermöglicht.
Im Bericht und Antrag Seite 4 steht, dass die Richtlinie durch ein neu zu schaffendes Gesetz umgesetzt werden soll, das für Staatsangehörige mit EWR- sowie Schweizer Staatsangehörigkeit gelten wird. Damit wird die Ausländergesetzgebung endlich von der Verordnungsebene auf Gesetzesebene gehoben. Einen Schritt, den ich in Anbetracht der Bedeutung der Materie sehr begrüsse.
In naher Zukunft wird Liechtenstein also ein Gesetz für EWR- und Schweizer Staatsangehörige und eines für Drittstaatsangehörige erlassen. Bei der Mehrheit der AusländerInnen wird Integration durch die Berücksichtigung der Bedürfnisse nach Familie und Sicherheit gefördert. Bei der Minderheit der Drittstaatsangehörigen wird diesen Bedürfnissen gemäss Vernehmlassungsvorlage nur sehr beschränkt Rechnung getragen. Damit wird unter den Ausländern eine Zweiklassengesellschaft geschaffen, wobei die Klasse der Drittstaatsangehörigen massiv schlechter gestellt ist. In den Grundbedürfnissen nach Sicherheit, längerfristigen Perspektiven sowie der Förderung und Unterstützung der Familie unterscheidet sich die ausländische Wohnbevölkerung aber weder untereinander noch von den Liechtensteinern. In diesem Sinne wünsche ich mir, dass mehr von der Grundhaltung, die sich in der EU-Richtlinie spiegelt, in die liechtensteinische Ausländergesetzgebung für Drittstaatenangehörige einfliesst. Danke.Abg. Günther Kranz
Danke, Herr Präsident. Guten Morgen, Damen und Herren Abgeordnete. Die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, stellt ein weiteres Element im fortschreitenden Integrationsprozess der EU dar, an dem auch Liechtenstein innerhalb des Anwendungsbereichs des EWR-Abkommens teilhat. Mit der Zustimmung des Landtags zu dem Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses, mit dem die genannte Richtlinie übernommen werden soll, würde der Anstoss zu einem neuen Gesetz gegeben, das zusammen mit dem noch zu schaffenden Ausländergesetz für Staatsangehörige aus Drittstaaten die geltende Personenverkehrsverordnung ersetzen würde. Allerdings ist zu beachten, dass die Immigrationspolitik bezüglich Drittstaatsangehörigen nicht unter den Anwendungsbereich des EWR-Abkommens fällt.
Die EWR-Relevanz der vorliegenden Richtlinie wird vom Gemeinsamen EWR-Ausschuss damit begründet, dass der Nachzug von Familienmitgliedern notwendigerweise Teil der Freizügigkeit der unter die diesbezüglichen Bestimmungen des EWRA fallenden Selbstständigerwerbenden und Arbeitnehmer sei. Dem ist grundsätzlich beizupflichten, doch ist der Übergang zwischen EWR-Freizügigkeit und vom Abkommen nicht erfasster Immigrationspolitik fliessend, wenn die Anforderungen an den Begriff «Familienangehöriger» gelockert werden.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie zu sprechen kommen: Diese Bestimmung verpflichtet den Aufnahmestaat nach Massgabe seiner innerstaatlichen Rechtsordnung die Einreise und den Aufenthalt der folgenden Personen zu erleichtern: Nicht unter den Begriff des Familienangehörigen gemäss Art. 2 fallende Personen bei Erfüllen gewisser Voraussetzungen und den Lebenspartner, mit dem der Unionsbürger eine ordnungsgemäss bescheinigte dauerhafte Beziehung eingegangen ist. Liechtenstein muss in diesen Fällen eine eingehende Untersuchung der persönlichen Umstände durchführen und eine etwaige Verweigerung der Einreise oder des Aufenthalts dieser Personen begründen. Mit anderen Worten ergibt sich ein «Aufenthaltsrecht light» für Personen, bei denen nur eine entfernte oder auch gar keine blutsverwandtschaftliche Bindung zum anspruchsberechtigten EWR-Bürger besteht.
Vor allem erscheint mir der Begriff der «ordnungsgemäss bescheinigten dauerhaften Beziehung» gemäss Art. 3 Abs. 2 obskur. Offensichtlich ist hier nicht der Lebenspartner im Sinne des besagten Artikels gemeint. Daher frage ich mich, ob in diesem Fall einfach jede «ordnungsgemässe» dauerhafte Bescheinigung akzeptiert werden muss, also zum Beispiel auch wenn - um ein Extrembeispiel anzuführen - im Ausstellungsstaat ein halbjähriges Zusammenleben reicht, um eine solche Bescheinigung zu erhalten. Diesfalls bestünde meines Erachtens eine nicht unerhebliche Missbrauchsgefahr. Zudem würde mich interessieren, was hier für Ablehnungsgründe in Frage kämen und zulässig wären. Diese müssten konsequenterweise zahlreicher bzw. weniger restriktiv sein als die auf das Aufenthaltsrecht der EWR-Bürger und deren Familienangehörige anzuwendenden, da sonst eine Unterscheidung überhaupt keinen Sinn macht. Ausserdem würde ich gerne wissen, wie eine solche Bescheinigung auszusehen hätte. Die sind in Art. 8 und 10 aufgeführt.
Problematisch finde ich im Weiteren, dass bei Unions- bzw. EWR-Bürgern, bei denen gemäss Art. 8 Abs. 4 eine Überprüfung der finanziellen Mittel zulässig ist, Einzelfalluntersuchungen stattzufinden haben. Die Unzulässigkeit der Festlegung von Schwellenwerten verursacht einen erheblichen administrativen Mehraufwand. Zudem finde ich diese Regelung unter dem Aspekt der Rechtsgleichheit fragwürdig, da keine griffigen Kriterien angeführt werden, die den Vergleich zweier Fälle erlauben. Hier wird der dannzumal zuständigen Behörde unnötiges Ermessen eingeräumt.
Ebenfalls ist mir der Hintergrund dieser Bestimmung nicht ganz klar. Die Lebenskosten sind in Liechtenstein ja für alle die gleichen. Das Abstellen auf das Nettoeinkommen, auf eine klar definierte Betragsgrösse, wie wir das bei den Fürsorgeleistungen kennen, wäre in meinen Augen also nach wie vor das Beste. Ausserdem möchte ich darauf hinweisen, dass erwähnter Art. 8 Abs. 4 meines Erachtens widersprüchlich ist: Satz 1 besagt, dass keine Schwellenwerte festgelegt werden dürfen, wogegen Satz 2 gerade die Kriterien festlegt, wie ein solcher Schwellenwert auszusehen hat. Satz 2 ist daher meiner Meinung nach also überflüssig.
Ich möchte im Weiteren anmerken, dass Art. 11 Abs. 2 und Art. 16 Abs. 3 (dort geht es jeweils um die Dauer der Gültigkeit der Aufenthaltskarte) gegenüber der Personenverkehrsordnung gelockerte Anforderungen an die Kontinuität des Aufenthalts stellen. Insbesondere die Möglichkeit einer einmaligen Abwesenheit von bis zu 12 Monaten empfinde ich als zu lange, umso mehr, als für den Erhalt einer Niederlassungsbewilligung gemäss Richtlinie nur noch fünf Jahre Aufenthalt im Land erforderlich sind. Meine Kritik zielt im Weiteren auf Art. 13 Abs. 2 der besagt, dass die Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder die Beendigung der eingetragenen Partnerschaft für Familienangehörige eines Unions- bzw. EWR-Bürgers, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, nicht zum Verlust des Aufenthaltsrechts führt, wenn dem Ehegatten oder dem Lebenspartner aufgrund einer Vereinbarung der Ehegatten oder der Lebenspartner oder durch gerichtliche Entscheidung das Sorgerecht für die Kinder des Unions- bzw. EWR-Bürgers übertragen wird. Auch diese Regelung finde ich, speziell im Fall der Vereinbarung der Ehegatten, als zu locker, was das Aufenthaltsrecht für Drittstaatsangehörige anbelangt.
Als stossend empfinde ich, dass - wie bereits erwähnt - neu gemäss Art. 16 der Richtlinie nur noch fünf Jahre ununterbrochener Aufenthalt gefordert werden und nicht wie bis anhin zehn Jahre. Auch gefällt mir der Passus «Dieses Recht ist nicht an die Voraussetzungen des Kapitels III geknüpft» in Abs. 1 desselben Artikels überhaupt nicht. Kapitel III regelt nämlich die Bedingungen für die Gewährung des Aufenthaltsrechts. Unter anderem wird in Art. 7 festgelegt, dass von Nichterwerbstätigen der Nachweis einer genügenden finanziellen Basis erbracht werden muss. Wieso sollte dieses Kriterium mit Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung plötzlich wegfallen?
Ebenfalls nur schwer anfreunden kann ich mich mit Art. 17 Abs. 3. Hier werden die Ausnahmeregelung für Personen und ihre Familienangehörigen umschrieben, die aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind. Unter dem Gesichtspunkt von möglichem Sozialleistungsmissbrauch ist diese Regelung nicht zu begrüssen, denn sie ermöglicht es Arbeitnehmern und allen Familienangehörigen im Sinne von Art. 2 unter Umständen, nur zwei Jahre in Liechtenstein zu verbringen und dann bereits zum Kreis der Anspruchsberechtigten auf eine Niederlassungsbewilligung zu gehören. Das kann es meiner Meinung nach nicht sein, auch wenn man die bereits erwähnte personenverkehrsrechtliche Sonderstellung unseres Landes innerhalb des EWR berücksichtigt.
Der Bericht und Antrag spricht dann auch auf den Seiten 17/18 von einer Verbesserung in dem Sinne, dass neu EWR-Bürger und deren Familienangehörige zum Beispiel Sozialhilfe ohne Obergrenze auch dann in Anspruch nehmen können, wenn die Bedürftigkeit selbstverschuldet ist. Für den einzelnen EWR-Bürger und dessen Familienangehörige mag dies eine Verbesserung darstellen, für den Sozialstaat Liechtenstein sicher nicht.
Zu beachten ist im Weiteren, dass gemäss Art. 28 Abs. 3 eine Ausweisung von EWR-Bürgern, insbesondere von straffälligen Jugendlichen, nur noch in ganz krassen Fällen möglich sein wird und auch sonst die Latte für eine Ausweisung recht hoch angesetzt wird.
Zusammenfassend halte ich fest, dass mit dieser Richtlinie eine erhebliche Lockerung des Aufenthalts- und insbesondere des Niederlassungsrechts in unserem Land mit den damit verbundenen aufgezeigten Missbrauchsmöglichkeiten einhergeht. In Kombination mit der weitgehenden Verunmöglichung der Ausweisung eines Niederlassungsberechtigten und den diesbezüglich nochmals schärferen Anforderungen für EWR-Bürger stellt diese Vorlage in meinen Augen eine ziemlich einschneidende Veränderung des Personenverkehrsrechts für unser Land dar.
Als EWR-Mitgliedsland müssen natürlich Kompromisse eingegangen werden, doch frage ich mich, ob wir mit der Annahme und Umsetzung dieser Richtlinie mittelfristig nicht einen unerwünscht hohen Preis zu bezahlen haben. Einerseits beklagen wir die hohen Kosten des Sozialstaates und suchen nach restriktiven Massnahmen, und mit der Übernahme dieser Richtlinie würden diese Bestrebungen meines Erachtens aufgeweicht. Ich kann der Übernahme der Richtlinie, wie ich sie verstehe, aus all den oben angeführten Überlegungen, wenn überhaupt, nur schweren Herzens zustimmen. Ich bitte die Regierung bei allfälliger Annahme der Richtlinie um grosses Augenmerk, Bedachtheit und Zurückhaltung. Danke.Landtagspräsident Klaus Wanger
Besten Dank. Wenn es keine weiteren Wortmeldungen aus dem Plenum gibt, gebe ich das Wort dem Herrn Regierungschef.Regierungschef Otmar Hasler
Herr Präsident, geschätzte Damen und Herren. Mit der Übenahme dieser Richtlinie eröffnen wir ein neues Kapitel der Personenfreizügigkeit in Liechtenstein. Das ist ganz klar, denn die Unionsbürgerschaftsrichtlinie gibt den hier ansässigen EU-Bürgern - und vor allem den Familien - neue Rechte. Der Abg. Pepo Frick hat diese Rechte insgesamt aufgezählt. Er hat aufgezählt, wo sich doch verschiedene Verbesserungen vor allem für Familien ergeben. Das ist ganz klar. Wir haben über diese Richtlinie jahrelang mit der Europäischen Union vehandelt. Sie wissen ja, wie diese Verhandlungen vor sich gehen. Es ist so, dass die drei EWR-/EFTA-Staaten eine gemeinsame Position erarbeiten müssen und diese gemeinsame Position gegenüber der EU dann auch vertreten müssen. Es ist in den Verhandlungen innerhalb der EFTA-Staaten nur ganz schwer und mühsam gelungen, zu einer Position zu kommen. So hat zum Beispiel Norwegen mit dieser Richtlinie erheblich weniger Mühe als Liechtenstein und Island bekundet. Island ist allmählich dann auch auf die Seite Norwegens gerückt und die Europäische Union hat ein Streitbeilegungsverfahren eröffnet, denn hier geht es um eine zentrale Freiheit, nämlich um die Freiheit des Personenverkehrs. Und das ist eine der Grundsäulen des EU-Vertrages und auch des EWR-Vertrages.
Nun, wenn wir diese Richtlinie betrachten, dann müssen wir sie schon innerhalb der ausgehandelten Beschränkung des freien Personenverkehrs Liechtenstein mit der EU sehen. Und das ist ganz wesentlich. Denn hätten wir diese Beschränkung nicht, dann würde diese Richtlinie viel mehr zu Buche schlagen. Erstens einmal ist zu sagen, dass wir ein bestimmtes Kontingent an Aufenthaltsbewilligungen zu vergeben haben. Und jetzt müssen wir darüber natürlich auch einmal offen sprechen, denn wir haben einen erheblichen Druck auf Ausweitung dieses Kontingentes auch innerhalb des Staates von unserer Wirtschaft. Es gibt kein Jahr, in dem wir diese Quote nicht im einen oder anderen Fall übertreffen. Wir hören immer wieder und gerade auch hier im Landtag kommt diese Frage auch immer wieder auf, nämlich wir sollten hier freizügiger sein, wir müssten qualifizierte Arbeitsplätze zuwandern lassen, der Wirtschaftsstandort Liechtenstein sei auf diese Zuwanderung angewiesen. Und da haben wir es mit einem Zielkonflikt zu tun. Wir können nicht auf der einen Seite verlangen, dass wir noch restriktiver werden, aber auf der anderen Seite brauchen wir die Zuwanderung. Wir können den Pelz des Bären nicht waschen, ohne dass er nass wird. Da müssen wir uns einfach einmal eintscheiden. Entweder waschen wir ihn oder wir waschen ihn nicht. Ich denke, da müssen wir auch so offen und ehrlich sein, dass wir hier in einem Zielkonflikt stehen.
Nichtsdestotrotz bin ich überzeugt, dass die Beschränkung des Personenverkehrs uns hier doch eine entsprechende Handhabe gibt, damit wir - gerade was die Zusammensetzung der Bevölkerung, was auch die Ausländerquote anbetrifft - das Ziel der Regierung, diese Quote bei rund 34 bis 35% zu halten, auch mit dieser Richtlinie erreichen können. Aber es ist richtig, dass unter bestimmten Umständen nun Familienangehörige von EU-Bürgern ein eigenes Aufenthaltsrecht bekommen und dieses Aufenthaltsrecht nicht mehr einfach abgeleitet ist vom Aufenthaltsrecht desjenigen, der hier den Aufenthalt erhalten hat. Es ist auch richtig, dass diese Familienangehörigen nun also mehr Rechte bekommen. Der Aufenthalt muss nun nach fünf Jahren gegeben werden und nicht erst nach zehn Jahren. Dazu ist aber zu sagen, dass wir schon heute eine Regelung haben, die den österreichischen Staatsbürgern in Liechtenstein nach fünf Jahren die entsprechende Niederlassungsbewilligung gibt. Das heisst, der weitaus grösste Anteil von EU-Bürgern, die in Liechtenstein leben, profitiert heute schon von dieser Fünf-Jahres-Frist, sodass die prak-tischen Auswirkungen der Verkürzung von zehn auf fünf Jahre eben nicht so dramatisch sein werden, wie es vielleicht auf den ersten Blick aussieht. Wesentlich ist natürlich, wie die Zugangsbestimmungen gehandhabt werden. Wesentlich wird die Frage sein, ob wir dieses Kontingent innenpolitisch halten können, nämlich die 56 Bewilligungen, die wir jährlich gemäss EWR-Abkommen erteilen müssen. Das hat nachher ja Konsequenzen auf all die Regelungen, die wir hier übernehmen.
Es ist aber durchaus so, dass, wenn man nun die Richtlinie Punkt für Punkt durchgeht, dass es hier bestimmte Regelungen hat, die auffallen, die viel liberaler sind als wir sie heute handhaben und die dementsprechend sicher zu einer Besserstellung der Familienangehörigen führen.
Der Abg. Günther Kranz hat dann einzelne Fragen gestellt, die ganz konkret nun diese Richtlinie betreffen, die wir in einem innerstaatlichen Gesetz umsetzen wollen. Bei Art. 3 hat er Bezug auf die Lebenspartner genommen. Da wird festgehalten: «Lebenspartner, mit dem der Unionsbürger eine ordnungsgemäss bescheinigte dauerhafte Beziehung eingegangen ist». Hier gehe ich davon aus, dass es im entsprechenden Staat eben eine gesetzliche Grundlage gibt, ein Lebenspartnerschaftsgesetz oder wie immer das genannt wird, und dass man auf das abstellen kann, dass hier nicht einfach nur individuell eine Bescheinigung eingeholt werden muss. Aber das werden wir natürlich bei der Umsetzung ins Gesetz im Detail abklären.
Was die Ausweisungsgründe anbelangt: Die sind hier sehr restriktiv in der Richtlinie festgehalten. Aber ich muss Ihnen sagen, das ist auch heute die gängige Rechtsprechung. Die heutige Rechtsprechung ist hier auch klar und dementsprechend wird sich hier in der Praxis kaum etwas ändern, denn es braucht schon sehr hohe Voraussetzungen, damit überhaupt eine Ausweisung aus dem Lande ausgesprochen werden kann.
Natürlich können wir hier die einzelnen Artikel Punkt für Punkt durchgehen. Das ist die Richtlinie, so wie sie von der Europäischen Union verabschiedet worden ist und wie sie für alle EU-Staaten und EWR-Staaten gilt. Wir werden sie sicher in unserem Sinne umsetzen. Wir werden dort die Spielräume ausnützen, wo wir sie überhaupt haben. Die Richtlinie ist aber recht detailliert und lässt natürlich in vielen Punkten keine allzu grossen Interpretationsspielräume bei der Umsetzung zu. Insgesamt denke ich, dass die Auswirkungen nicht so beträchtlich sind wie sie auf den ersten Blick gesehen werden. Wenn wir die Realität anschauen, dann müssen wir ganz einfach sehen: Wenn ein EU-Bürger Aufenthalt in Liechtenstein bekommen hat und er hat eine Familie hier, wenn es zu einer Scheidung oder zum Wegzug kommt, dann wird ja in den ganzen Betrachtungen immer auch die Familie berücksichtigt. Es wird berücksichtigt, ob der andere Partner für die Kinder obsorgeberechtigt ist, ob die Kinder, die Familie hier in Liechtenstein schon integriert ist. Das berücksichtigen wir heute schon in der Praxis. Jetzt gibt es hier sicher eine rechtliche Besserstellung, eine Anspruchsberechtigung aufgrund der Übernahme dieser Richtlinie. Und in bestimmten Teilen, gerade was Drittstaatsangehörige anbelangt, die mit EU-Bürgern verheiratet sind, eine Familie haben, die werden hier sicher einen besseren Status bekommen.
Im Detail wird sich der Landtag dann mit dem Gesetz auseinander setzen können und auch im Detail die einzelnen Bestimmungen beraten können.Landtagspräsident Klaus Wanger
Besten Dank. Wenn es keine weiteren Fragen an die Regierung gibt, können wir uns dem Antrag der Regierung zuwenden, der wie folgt lautet: «Der Landtag wolle dem Beschluss Nr. 158/2007 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses die Zustimmung erteilen».
Wer diesem Antrag zustimmen will, möge bitte die Hand erheben. Abstimmung: Mehrheitliche Zustimmung mit 22 Stimmen bei 25 Anwesenden
Landtagspräsident Klaus Wanger
Damit haben wir auch dem Beschluss Nr. 158/2007 zugestimmt und Traktandum 26 bearbeitet. -ooOoo-