Beschluss Nr. 33/2008 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses (Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen), [Neufassung], (Nr. 118/2008)
Landtagspräsident Klaus Wanger
Dann kommen wir zu Traktandum 14: Beschluss Nr. 33/2008 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses (Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen).
Der Bericht und Antrag der Regierung trägt die Nr. 118/2008 und steht zur Diskussion.Abg. Arthur Brunhart
Danke, Herr Präsident. Ich kann mich kurz fassen: Auf Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses ist die vorliegende Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen zu übernehmen. Die Richtlinie fasst die einschlägigen Bestimmungen in anderen Richtlinien in einem Dokument zusammen, was der Rechtssicherheit dient. Ziel ist die Gewährleistung der Gleichstellung der Geschlechter im Berufsleben. Gemeint sind damit vor allem gleiches Entgelt, Gleichbehandlung im Bereich soziale Sicherheit, Gleichbehandlung beim Zugang zu Berufsbildung, beruflichem Aufstieg und Arbeitsbedingungen.
Flankiert werden die Massnahmen durch verbesserten Rechtsschutz, Schadenersatz oder Entschädigung bei Schaden durch Diskriminierung, Ausweitung der Beweislast auf die Betriebe und weitere Massnahmen zur Förderung der Gleichbehandlung und des sozialen Dialogs zwischen den Partnern. Die Bestimmungen sind zwar schon in der nationalen Gesetzgebung grösstenteils umgesetzt, jedoch besteht aufgrund der Vereinheitlichung ein gewisser Umsetzungsbedarf, vor allem im Bereich der betrieblichen Personalvorsorge. Den Zielen der Richtlinie kann ich nur zustimmen. Danke schön.Abg. Markus Büchel
Danke, Herr Präsident. Guten Morgen, meine Damen und Herren. Ich kann es auch kurz machen: Ich schliesse mich den Ausführungen meines Vorredners Arthur Brunhart an. Grundsätzlich stimme ich dem Beschluss Nr. 33/2008 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses zu. Von seiner Seite wurde erwähnt, dass es wenig Umsetzungsbedarf gibt.
Ein Umsetzungsbedarf, sofern der Landtag dies dann möchte, besteht bei den Leistungen im Obligatorium bei der beruflichen Vorsorge, also der Säule II. Dort würde zwar aufgrund der Richtlinie weiterhin eine Ausnahme gewährt, das heisst, dass die Leistungen für Mann und Frau unterschiedlich sein könnten. Das heisst, die Umwandlungssätze, wenn sie in den Reglementen unterschiedlich festgelegt sind, könnten auch weiterhin so beibehalten werden. Ich denke mir, dass es hier sicher sinnvoll ist, in Zukunft diese anzupassen. Viele Kassen oder viele Vorsorgeeinrichtungen haben das bereits. Es gibt dort sicher andere unterschiedliche Risiken - sage ich jetzt einmal - oder Chancen auf der anderen Seite, die auch nicht unterschiedlich behandelt werden. Aus meiner Sicht wäre das sicher sinnvoll.
Dann vielleicht problematisch oder immer wieder problematisch ist, wenn die Beweislastumkehrung stattfindet. Hier ist ganz klar aufgrund der Richtlinie dann Handlungsbedarf gegeben, dass die Beweislast auf die beklagte Partei verlagert wird, der es dann obliegt zu beweisen, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorliegt. Dies im Bereich der betrieblichen sozialen Vorsorge oder Systeme. Ich denke mir aber, dass hier aufgrund von klaren Reglementen und der Einhaltung dieser Reglemente keine grossen Probleme entstehen sollten. Ich stimme also auch dieser Änderung zu, habe damit keine grösseren Probleme. Danke.
Abg. Andrea Matt
Danke. Mit der Umsetzung dieser Richtlinie soll der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen in der Arbeitswelt garantiert werden. Beispielsweise soll für gleiche oder gleichwertige Arbeit gleiches Entgelt bezahlt werden. Dass es notwendig ist, hierfür Massnahmen zu setzen, zeigt ein Blick in die Lohnstatistik. In Liechtenstein liegen Frauenlöhne 20 Prozent, also ein Fünftel, tiefer als Männerlöhne. Die grössten Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen bestehen im Kredit- und Versicherungsgewerbe mit einer Differenz von 37 Prozent - man bemerke für gleichwertige Arbeit - und im Bereich Rechtsberatung und Treuhandwesen. Dort verdienen Frauen ein gutes Drittel weniger als Männer.
Handlungsbedarf ist also offensichtlich. Wenn die Situation wirklich verbessert werden soll, wird es jedoch nicht ausreichen, die Gesetze einfach geschlechtsneutral zu formulieren. Wir müssen uns bewusst sein, dass Ungleichbehandlungen ihre Ursache häufig in den unterschiedlichen Lebenswelten von Mann und Frau haben.
Teilzeitarbeit wird zum grössten Teil von Frauen ausgeübt. Frauen sind deshalb häufig Geringverdienende, haben teilweise mehrere Teilzeitjobs. Wenn es nun einen Jahreslohn von drei Viertel der maximalen Altersrente der AHV, also rund 15'000 Franken für die Versicherung in der betrieblichen Pensionskasse eines Betriebes erfordert, führt dies dazu, dass viele berufstätige Frauen nicht in die zweite Säule der Altersversorgung einzahlen können. Es gibt Frauen mit zwei Teilzeitjobs, die jeweils unter dieser Versicherungsgrenze liegen. Diese Frauen haben dann trotz Berufstätigkeit keine zweite Säule, keine Pensionsversicherung.
Zu wenig Beachtung finden auch strukturelle Diskriminierungen von Frauen: Familienarbeit wird grösstenteils von Frauen geleistet. In Liechtenstein kündigt aufgrund der rechtlichen Situation jede zweite Frau ihren Arbeitsplatz. Dies führt beispielsweise dazu, dass Arbeitgebende von Vornherein weniger in die Weiterbildung der Frauen investieren. Untersuchungen zeigen, dass Frauen auch in der Finanzbranche eher in dienenden Funktionen platziert werden. Männer haben hingegen in Führungsfunktionen grössere Chancen.
Anreize für Frauen, die Berufstätigkeit zu reduzieren, wirken sich auf die berufliche Laufbahn aller Frauen aus. So stellt auch die OECD fest, dass Geldleistungen wie ein Familiengeld oder ein Betreuungs- und Pflegegeld nur auf den ersten Blick positiv seien. In Wahrheit seien die Effekte für Frauen desaströs, weil Unternehmen dann davor zurückschreckten, Frauen in qualifizierten Berufen zu beschäftigen.
Es ist wichtig zu sehen, dass nicht nur das Arbeitsrecht allein betrachtet werden kann, wenn der Grundsatz der Chancengleichheit und der Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen eingeführt werden soll. Vielmehr muss jede Gesetzesvorlage unter diesem Aspekt betrachtet werden. Aus meiner Sicht wird die Richtlinie nur dann richtig umgesetzt, wenn die Stabsstelle für Chancengleichheit künftig jedes Gesetz unter dem Aspekt der Chancengleichheit und Gleichberechtigung betrachtet. Speziell jedoch solche Gesetze und Berichte an den Landtag, die soziale, familienpolitische und arbeitsrechtliche Bereiche regeln.
Wenn wir erreichen wollen, dass sich etwas an dem Umstand, dass Frauen auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt werden, ändert, müssen wir mehr tun als Gesetze geschlechtsneutral zu formulieren. Wir müssen die unterschiedlichen Lebenswelten von Frauen und Männern in den Gesetzen berücksichtigen.Regierungschef-Stellvertreter Klaus Tschütscher
Guten Morgen, Herr Präsident. Geschätzte Frauen und Herren Abgeordnete. Ich habe zwar keine Fragen gestellt bekommen, aber ich möchte trotzdem ein wenig Stellung nehmen zu dem, was hier vorgetragen wurde und kann eigentlich das meiste unterstützen, wobei wir uns bewusst sein müssen, dass wir hier als Gesetzgeber miteinander diskutieren und es hier um die Umsetzung im rechtlichen Bereich geht.
Ich habe Sie vielleicht falsch verstanden, Frau Abg. Matt, ich glaube nicht, dass die rechtliche Situation und das Instrumentarium das Schlechte heute daran sind, sondern dass man vielleicht bei der Durchsetzung dieser Rechte, dass es da heute hapert. Und da müssen halt vielleicht auch Organisationen den Mut aufbringen, hier in der rechtlichen Situation diese Rechte dann auch wahrzunehmen. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, das ist ein Grundsatz, der schon aufgrund der Verfassung und auch im Gleichstellungsgesetz gegeben ist.
Handlungsbedarf orten Sie - so glaube ich - weniger auf der rechtlichen Ebene, weil dort werden wir uns mit diesen Richtlinien, die nun zu einer einheitlichen Richtlinie zusammengefasst wurden, beschäftigen. Die entsprechende Arbeitsgruppe wurde auch schon vor längerer Zeit installiert und ich komme auf diese Arbeitsgruppe dann nachher auch noch zu sprechen.
Es ist sicherlich richtig, dass man nicht das Arbeitsrecht im engeren Sinne alleine betrachten darf. Das machen wir hier ja auch nicht. Es geht ja auch um Sozialversicherungsrecht im weitesten Sinne.
Vielleicht einfach zur Erinnerung, dass wir die rechtliche Situation gerade mit Bezug auf Frauenarbeit, die von uns ja sehr gewünscht wird, auch schon in dieser Legislaturperiode miteinander verbessert haben, als wir die Teilzeitbeschäftigten-Arbeitsverhältnisse neu geordnet und auch die befristeten Arbeitsverhältnisse neu geordnet haben. Und dann wissen wir auch aufgrund der Lohnstatistik und der anderen Statistiken, dass dort vor allem Frauen in diesen Verhältnissen tätig sind.
Dann ist die Frage der Umwandlungssätze angesprochen worden: Hier kann ich dem Abg. Markus Büchel sagen, dass die FMA den Auftrag hat, die Reglemente anzusehen und das auch schon getan hat und dass in der Tat im überobligatorischen Bereich durchaus noch einige Sammelstiftungen unterschiedliche Beiträge einheben und dass hier sicherlich dann mit der Umsetzung diese Kassen diese Reglemente dann anpassen müssen.
Ich möchte ein bisschen davor warnen, dass man sagt: Es hat wenig Umsetzungsbedarf. Man hat jetzt 4 oder 5 Richtlinien konsolidiert. Das hat die ganze Sache insofern einfacher gemacht, dass wir alles in einer Richtlinie haben, aber eben doch diese Richtlinie wieder auseinander nehmen müssen und die Komplexität dadurch eigentlich nicht abgenommen hat.
Das bringt mich zur Arbeitsgruppe und damit zum Anliegen, das die Frau Abg. Andrea Matt vorgetragen hat: Mit der Umsetzung dieser Richtlinie ist federführend das Amt für Volkswirtschaft betraut worden. In dieser Arbeitsgruppe nehmen aber auch Einsitz die FMA, die Stabsstelle EWR, weil es um eine EWR-Richtlinie geht und selbstverständlich auch die Stabsstelle für Chancengleichheit. Ihrem Anliegen, dass die Stabsstelle für Chancengleichheit bei solchen Projekten dabei ist, ist damit - zumindest in diesem Projekt - Rechnung getragen. Und ich denke, meine Kollegin wird mich noch unterstützen, was in tatsächlicher Hinsicht getan wird, um die Chancengleichheit hier zu verbessern. Danke.Abg. Andrea Matt
Danke. Ich möchte einfach daran erinnern, dass zum Beispiel ein Postulat zum Betreuungs- und Pflegegeld hier dem Landtag eingebracht worden ist. Ich habe damals bei der Überweisung des Postulates explizit darum gebeten, dass die Stabsstelle für Chancengleichheit die vorgeschlagene Lösung der Regierung auf die Auswirkungen der Frauen- und der Männersituation überprüft und diese beurteilt. Dies hat die Regierung unterlassen. Deswegen habe ich hier aus gutem Grund mal darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, diese strukturellen Diskriminierungen der Frauen überall zu betrachten.
Die Arbeitsgruppe, die Sie hier ansprechen, das ist gut und recht und ich finde es schön, dass dort die Stabsstelle für Chancengleichheit drin ist. Wäre es anders, würde ich mich wirklich fragen, was los ist. Es ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass sie dort hineingehört. Sie sollte jedoch auch andere Gesetzesvorlagen und Vorlagen an den Landtag kritisch auf den Punkt der strukturellen Diskriminierungen hinterfragen. Und das ist eigentlich mein Anliegen. Es geht darum auch zu sehen: Wenn man eben ein Betreuungs- und ein Pflegegeld schafft, wenn man ein Familiengeld schafft, dann hat das Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Mann und Frau und auf die Möglichkeit, berufstätig zu sein.
Wir haben heute einen kurzen, dreimonatigen, unbezahlten Elternurlaub. Der führt dazu, dass Frauen, die allein nur das erste Jahr das Kind selbst betreuen wollen, schon ihren Arbeitsplatz kündigen müssen. In praktisch keinen Fällen kündigt der Vater den Arbeitsplatz, weil der Erwerbsverlust des Vaters für die Familie nicht verkraftbar ist.
In dem Sinne ist ein dreimonatiger unbezahlter Elternurlaub eine strukturelle Diskriminierung der Frauen. Und diese Zusammenhänge muss man einfach sehen. Man muss betrachten: Was für Auswirkungen hat eine gesetzliche Regelung auf das Familienleben, auf die Tatsache, dass dann eben auf einmal das Alleinernährermodell bevorzugt wird? Und ich möchte nur - und das ist, denke ich, eine sehr geringe Forderung -, dass die Stabsstelle für Chancengleichheit schon zu früheren Zeitpunkten diese strukturellen Diskriminierungen betrachtet und hinterfragt.Regierungschef-Stellvertreter Klaus Tschütscher
Danke, Herr Präsident. Ich denke, dass ich hier für die ganze Regierung sprechen kann. Die Stabsstelle für Chancengleichheit wird bei keinem Projekt ausgegrenzt, sie bekommt aber auch keine Sonderstellung. Sie bekommt bei jedem Vernehmlassungsverfahren ihre Stellung und entweder wird sie direkt - wie bei diesem Projekt selbstverständlich - in das Projekt eingebunden und ist bei der Ausarbeitung dabei oder es wird wie bei jeder Gesetzesvorlage meistens noch eine interne Vernehmlassung durchgeführt. Und die Stabsstelle für Chancengleichheit kann selbstverständlich und ist sehr herzlich dort eingeladen, ihre Eingaben zu machen. Und das macht sie ja in der Regel auch sehr gut.
Ich denke, Sie dramatisieren hier auch ein wenig die Situation und nutzen diese Vorlage, um das Anliegen ein bisschen plakativ darzustellen. Ich denke, wenn man strukturelle Defizite in diesem Ausmass feststellt, dann muss man das nicht punktuell in einzelnen Vorlagen tun, dann muss man schon eine gesamte Überprüfung vornehmen. Wir wissen - und die Lohnstatistik hat das gezeigt - aber die Regierung kann in Gottes Namen nicht mehr als zusammen mit dem Gesetzgeber das rechtliche Instrumentarium zur Verfügung stellen, viele viele Sensibilisierungsveranstaltungen machen, Kampagnen machen, Öffentlichkeitsarbeit machen. Aber die Rechte wahrnehmen müssen dann die entsprechenden Personen auch noch selbst.Landtagspräsident Klaus Wanger
Besten Dank. Wenn es keine weiteren Wortmeldungen mehr gibt, können wir uns dem Antrag der Regierung zuwenden. Der Antrag lautet: «Der Hohe Landtag wolle dem Beschluss Nr. 33/2008 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses die Zustimmung erteilen».
Wer diesem Antrag zustimmen will, möge bitte die Hand erheben. Abstimmung: Einhellige Zustimmung
-ooOoo-