Beteiligung des Fürstentums Liechtenstein an der zweiten Kapitalerhöhung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung EBWE, (Nr. 128/2010)
Landtagspräsident Arthur Brunhart
Wir kommen zu Traktandum 10: Beteiligung des Fürstentums Liechtenstein an der zweiten Kapitalerhöhung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE).
Der Bericht und Antrag Nr. 128/2010 steht zur Diskussion. Abg. Gebhard Negele
Danke, Herr Präsident. Werte Damen und Herren. Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung nimmt eine zentrale Rolle als Kreditgeber auf speziellen Gebieten innerhalb Europas ein. Das derzeitige nominelle Aktienkapital beträgt EUR 20 Mrd. Davon sind gut EUR 5 Mrd. einbezahlt.
Die an Jahren junge Bank wurde 1991 gegründet und Liechtenstein war von Beginn an dabei. Die erste Kapitalerhöhung im 1997 wurde aufgrund des Wirtschaftswachstums und der damit einhergehenden grösseren Nachfrage nach Investitionen nötig. Dabei spielt auch die statutarische Bestimmung eine Rolle, wonach die Unterstützungsleistungen zu keiner Zeit den Gesamtbetrag des gezeichneten Grundkapitals samt Reserven übersteigen dürfen. Liechtenstein machte damals, vor 13 Jahren, diese 100-prozentige Kapitalerhöhung voll mit.
Nun steht die 2. Kapitalerhöhung an, nicht mehr 100%, sondern 50%. Diese ist befristet und kann bereits im Jahr 2016 wieder auslaufen. Notwendig ist diese befristete Garantieverpflichtung aus diversen Gründen:- Eine Entwicklungsbank braucht gerade in schwierigen Zeiten einen erweiterten finanziellen Handlungsspielraum. Antizyklisches Verhalten ist da ein Gebot der Stunde. Die Bank könnte sich jedoch die Sache einfach machen und sagen: Wir stoppen unsere Entwicklungshilfe und schauen nur noch, dass die laufenden Projekte abgeschlossen und zurückbezahlt werden und investieren erst dann wieder. Diese Handlungsweise würde jedoch die momentane Situation in den rund 30 Einsatzländern negativ beeinflussen und den statutarischen Aufgaben der Bank für Wiederaufbau und Entwicklung sicher nicht gerecht.
- Nicht zu unterschätzen ist der Einfluss der Rating-Agenturen, welche die Finanzstabilität mit Argusaugen beobachtet. Auch darum ist es nötig, dass ausreichende Garantieversprechen der Aktionärsländer vorhanden sind. An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass die Finanzstabilität der EBWE derzeit voll gegeben ist. Dies zeigt sich auch darin, dass von der 10 Mrd. Kapitalerhöhung EUR 1 Mrd. aus erwirtschafteten Reserven der Bank finanziert werden, sodass die externe Kapitalerhöhung einen Umfang von EUR 9 Mrd. betragen wird.
Nach diesen zwei objektiven Gründen, die für ein Mitmachen Liechtensteins bei der zweiten Kapitalerhöhung sprechen, nun noch ein paar subjektive Gegebenheiten bzw. Gründe, mit denen ich versuche, Ihr Stimmverhalten für ein Ja zu gewinnen:- So, wie es die Vergangenheit gezeigt hat und so, wie ich die Bank beurteile und kenne, bleibt es bei einer Garantieverpflichtung, welche betraglich und zeitlich befristet ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass dem Kreditbeschluss ein Zahlungsfluss folgen muss, ist gering. Die Bank ist derzeit gut finanzi-
ert. Das beweist die Tatsache, dass zum Beispiel Liechtenstein von seiner heute bestehenden 4 Mio.-EUR-Beteiligung nur 25% bare Mittel zur Verfügung stellen musste. Dieselbe Situation ist übrigens bei den anderen Kapitalgeberländern ebenfalls festzustellen. Allerdings sind hier betraglich andere Dimensionen gegeben.
- Liechtenstein hat mit dem Ein-fünftausendstel-Kapitalanteil im obersten Entscheidungsgremium der Bank, dem Gouverneursrat, Einsitz. Diesem Rat gehören 60 Personen an. Die aussenpolitisch positive Wahrnehmung Liechtensteins in dieser Position ist nicht zu unterschätzen. Der Solidaritätsgedanke ist in diesem Zusammenhang ebenfalls massgebend.
- Der Europarat ist mit der EBWE eng verbunden. Jährlich im Januar trifft sich der Wirtschaftsausschuss, wo ich Mitglied bin, in London beim Hauptsitz dieser Bank. Der Bankpräsident und weitere Führungsverantwortliche stehen Rede und Antwort über die Tätigkeit der Bank, und zwar in einem ehrlichen, transparenten Rahmen. Der jährliche Bericht, den der Wirtschaftsausschuss jeweils für die Juni-Session im Europarat erstellt, wird von den Verantwortlichen sehr geschätzt und die Anregungen werden ernst genommen. Sie fragen sich nun sicher: Was hat die Bank mit dem Europarat zu tun? Die Antwort ist die folgende: Die EBWE gibt Darlehen und Know-how an 30 Länder in Europa. Dabei wird - ganz im Sinne vom Europarat - die Anknüpfung der Demokratisierung in diesen Ländern mit entsprechendem Druck gefordert und gefördert. Hier handelt es ich um wirtschaftliche Entwicklungshilfe und Demokratisierung in einem Arbeitsgang. Das schätze ich besonders an dieser Bank.
- Wir alle wissen, dass es vor allem die wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede in Europa sind, die Menschen zu Migranten machen. Jedes gelungene Projekt - rund 300 davon sind in diesem Jahr gestartet worden - ist auch ein Beitrag, um diese Migrationsbewegung einzuschränken.
Werte Damen und Herren. Einerseits könnten wir heute sagen: Wir müssen ja diese befristete Kapitalerhöhung via Garantieversprechen über EUR 1,8 Mio. nicht abgeben, also lassen wir es bleiben. Andererseits steht es unserem Land an, die Weiterentwicklung dieser Bank mitzutragen und auch künftig von den positiven Erfahrungen zu profitieren. Ich befürworte den Antrag der Regierung und hoffe, dass der Landtag dies ebenso sieht und bedanke mich für ihre Aufmerksamkeit. Besten Dank.Abg. Pepo Frick
Danke. Die Beteiligung Liechtensteins an der Kapitalerhöhung ist grundsätzlich freiwillig. Liechtenstein gehört im internationalen Vergleich weiterhin zu den wohlhabendsten Ländern. Liechtenstein nimmt aus aussenpolitischem Interesse und vor allem als Beitrag an die internationale Solidarität an den Aktivitäten der EBWE durch seine Mitgliedschaft und seine bisherige Beteiligung von 0,02% am Kapital der Bank teil. Ich halte es als angezeigt, dass Liechtenstein nun auch die zweite Kapitalerhöhung mitträgt. Diese Beteiligung entspricht einer der Prioritäten der liechtensteinischen Aussenpolitik, nämlich der internationalen Solidarität und trägt, wenn auch in bescheidenem Ausmass, dazu bei, dass die Bank ihr Mandat zugunsten der Einsatzländer hin zur Marktwirtschaft wahrnehmen kann, insbesondere auch in Zeiten der Krise. Obwohl die Finanzkommission wohl nur aus monetären Gründen diese Kapitalerhöhung mehrheitlich ablehnt, werde ich dieser Beteiligung zustimmen. Danke.Landtagsvizepräsidentin Renate Wohlwend
Danke, Herr Präsident. Liebe Kolleginnen und Kollegen. Wie sich aus dem Übereinkommen vom 29. Mai 1990 zur Errichtung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung ergibt, sind Zweck und Aufgaben immer auf die Unterstützung des Demokratisierungsprozesses im weitesten Sinne ausgerichtet. Das scheint mir sinnvoll und ich denke, dass auch die Mitgliedschaft Liechtensteins uns nahezu dazu zwingt, dieser Kapitalerhöhung in Form von Garantiezusagen zuzustimmen. Ich spreche mich dafür aus, würde aber gerne noch von der Regierung hören, welche Staaten oder ob zwei, drei grössere Staaten bereits diese Zusage gegeben haben, ob Liechtenstein sich allenfalls an Vorreiterrollen orientiert oder ob wir ein bisschen zu sehr gehorsam diesem Kapitalerhöhungsbestreben zustimmen, wenn wir heute schon das Garantieversprechen abgeben.Landtagspräsident Arthur Brunhart
Danke. Wenn es aus dem Plenum keine Wortmeldungen mehr gibt, gebe ich das Wort der Frau Regierungsrätin Aurelia Frick.Regierungsrätin Aurelia Frick
Herr Präsident, Damen und Herren Abgeordnete. Zuerst einmal besten Dank für die wohlwollenden Worte der Abgeordneten Negele, Frick und Wohlwend. Zur letzten Frage der Abg. Wohlwend, ob schon andere Staaten Garantiezusagen gemacht haben: Ja, das ist der Fall. Es haben bereits mehrere Staaten Garantiezusagen gemacht, unter anderem Deutschland und Spanien. Luxemburg hat auch bereits eine Garantiezusage gemacht. Meines Erachtens - und das habe ich auch intern nochmals geprüft - sind wir da nicht im vorauseilendem Gehorsam unterwegs und machen jetzt einfach alles - ich sage zum Thema «Musterknabe Liechtenstein» -, sondern wir schwimmen da in einer guten Gesellschaft mit, aber zeigen gegenüber der Welt, dass wir diese Solidarität leben. Als eines der wohlhabendsten Länder Europas strahlen wir dieses Signal aus und ich möchte Ihnen nochmals ans Herz legen und würde es begrüssen, wenn auch der Landtag der Meinung der Regierung zustimmen würde, dass es der richtige Schritt ist, diese Garantiezusage zu machen. Danke.Landtagspräsident Arthur Brunhart
Danke für die Ausführungen. Wenn es keine weiteren Wortmeldungen gibt, wenden wir uns dem Finanzbeschluss zu. Ich bitte, ihn zu verlesen. Art. 1 wird verlesen.
Landtagspräsident Arthur Brunhart
Art. 1 steht zur Diskussion.
Sie wird nicht benützt. Wir können weiterlesen.
Art. 2 wird verlesen.
Landtagspräsident Arthur Brunhart
Art. 2 steht zur Diskussion.
Sie wird nicht benützt.
Wir stimmen somit ab: Wer mit dem vorliegenden Finanzbeschluss betreffend die Beteiligung des Fürstentums Liechtenstein an der zweiten Kapitalerhöhung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung einverstanden ist, möge bitte die Stimme abgeben.
Abstimmung: Mehrheitliche Zustimmung mit 14 Stimmen
Landtagspräsident Arthur Brunhart
Damit hat der Landtag mit 14 Stimmen bei 24 Anwesenden die Zustimmung erteilt und Traktandum 10 abgeschlossen.-ooOoo-