Bericht und Antrag der Regierung betreffend das Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und der Ukraine (Nr. 31/2011)
Landtagspräsident Arthur Brunhart
Wir kommen somit zu Traktandum 24: Bericht und Antrag der Regierung betreffend das Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und der Ukraine.
Der Bericht und Antrag der Regierung trägt die Nr. 31/2011 und steht zur Diskussion.
Abg. Albert Frick
Danke, Herr Präsident. Geschätzte Frauen und Herren Abgeordnete. Das Freihandelsabkommen mit der Ukraine ist ein so genanntes «Zweitgenerationsabkommen». Das heisst, es inkludiert die Erfüllung gewisser Menschenrechts- und Umweltstandards. Das am 24. Juni 2010 in Reykjavik unterzeichnete Abkommen umfasst den Handel mit Industrieprodukten sowie mit verarbeiteten Landwirtschaftserzeugnissen. Es enthält zudem Bestimmungen über Dienstleistungen, Investitionen, den Schutz des geistigen Eigentums, das öffentliche Beschaffungswesen, die Handelserleichterungen und den Wettbewerb.
Die Ukraine verfügt über eine bedeutende Wirtschaft, deren Potenzial sich jedoch aufgrund tiefer Produktivität, hohen Energieverbrauchs und nicht immer marktgerechten Strukturen bisher nicht voll entfalten konnte. Der IWF hat 2010 ein neues, auf zweieinhalb Jahre ausgerichtetes Kreditprogramm in der Höhe von USD 15,2 Mia. unterzeichnet, von dem eine erste Tranche von USD 1,9 Mia. bereits ausbezahlt wurde. Das neue Abkommen mit dem IWF dürfte die Ausrichtung der Wirtschaftspolitik leiten.
Unter den GUS-Staaten ist die Ukraine nach Russland der zweitwichtigste Handelspartner der Zollunion Schweiz/Liechtenstein. Trotzdem ist der bilaterale Handel bisher wenig entwickelt. Das gegenständliche Abkommen kann daher der Entwicklung der gegenseitigen Handelsbeziehungen nur förderlich sein. Die wirtschaftliche Orientierung der Ukraine ist stark von der jeweiligen innenpolitischen Situation abhängig. Die nach dem Zerfall der ehemaligen Sowjetunion verfolgte Zwei-Vektoren-Politik, das heisst, gleichgewichtete wirtschaftliche Ausrichtung sowohl nach Russland wie auch nach dem Westen wurde nach der «Orangen Revolution» geändert. Die Orientierung hin zum Westen wurde klar priorisiert. Dabei wurde die Abhängigkeit von Russland offenbar unterschätzt. Die derzeitige Regierung bevorzugt wieder, wohl aus pragmatischen Gründen, eine verstärkte Ausrichtung auf Russland.
Ein Thema, das sicher nicht unkommentiert bleiben sollte, ist die Frage der Menschenrechtslage in der Ukraine. Diese wird als verhältnismässig zufriedenstellend beurteilt. Wie diese vorsichtige Formulierung vermuten lässt, verbleiben allerdings gewisse Schwierigkeiten. Die Regierung vertritt richtigerweise den Standpunkt, dass sich Menschenrechtssituationen eher verbessern, wenn in betroffenen Ländern eine wirtschafltiche Förderung stattfindet, als wenn diese Länder boykottiert werden. Die Ukraine ist Mitglied der Europäischen Menschenrechtskonvention und hat sich den allgemeinen, regelmässigen Menschenrechtsüberprüfungen zu unterziehen.
Das gegenständliche Freihandelsabkommen verbessert auf breiter Basis den Marktzugang und die Rechtssicherheit für die liechtensteinischen Wirtschaftsakteure in einem Land, das erhebliches wirtschaftliches Wachstumspotenzial hat. Ich empfehle, dem Regierungsantrag zuzustimmen. Danke.Landtagspräsident Arthur Brunhart
Danke. Abg. Marlies Amann-Marxer
Danke, Herr Präsident. Wie das Votum meines Kollegen Albert Frick hat meines die ähnlichen Schwerpunkte. Das Freihandelsabkommen der EFTA mit der Ukraine entspricht weitestgehend den bisherigen in letzter Zeit abgeschlossenen Abkommen. Wie üblich beim Abschluss von Freihandelsabkommen stehen in Zukunft die verringerten Zolleinnahmen in Beziehung zu verbesserten Absatzmöglichkeiten für liechtensteinisch-schweizerische Exporte auf den ukrainischen Markt. Diese liegen vor allem im Bereich Maschinen, Pharmazie und Uhrmacherwaren. Die Direktexporte aus Liechtenstein nach der Ukraine betrugen im Jahr 2010 CHF 5,8 Mio. gegenüber den Direktimporten von lediglich CHF 114'000.
Ich befürworte den Abschluss dieses Abkommens, mit welchem das Netz von heute 17 Freihandelsabkommen der EFTA-Staaten erweitert wird. Als stark exportorientiertes Land liegt es grundsätzlich im Interesse Liechtensteins, mit möglichst vielen Partner-Ländern Verträge abzuschliessen, um die Wirtschaftsbeziehungen zu erleichtern und neue Märkte zu öffnen.
Natürlich haben auch Wirtschaftsbeziehungen eine ethische Komponente und es stellt sich bei Vertragsabschluss deshalb auch immer wieder die Frage nach der jeweiligen Menschenrechtssituation in den Partnerländern. Hierzu gibt der Bericht die Auskunft, dass die Menschenrechtslage in der Ukraine als «verhältnismässig zufriedenstellend» gewertet werden könne, um gleichzeitig auf Folter, schwierige Haftbedingungen, Menschenhandel und ein ineffizientes bis korruptes Justizsystem hinzuweisen.
Ich betrachte solches zwar keineswegs auch nur annähernd als zufriedenstellend. Dennoch befürworte ich die Verbindungen, die ein Freihandelsabkommen unter den Ländern schafft. Ich vertrete die Haltung, dass nicht Ausgrenzung, sondern Einbindung der problematischen Länder bestenfalls dazu führen kann, sich im Bereich der Menschenrechte Gehör zu verschaffen und mittelfristig ein Umdenken zu bewirken.
Ein rigoroses Land wird sich politisch wohl eher öffnen für die Anliegen eines «Bruders» als für jene eines «Gegners» . Auch und vielleicht gerade dann, wenn die Verbrüderung hauptsächlich auf wirtschaftlichen Interessen beruht.
Die Ukraine, bisher stark von Russland abhängig, strebt eine Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen zur EU an. Verhandlungen über ein Assoziationsabkommen sind im Gange. In der Zwischenzeit wird das Freihandelsabkommen mit Liechtenstein und der Schweiz einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der EU bieten.
Zu erwähnen sind die Zugeständnisse an die Ukraine im Bereich Landwirtschaft, vor allem Zollreduktionen für ausgewählte Produkte wie Fleisch, Früchte und Gemüse. Laut Bericht bewegen sich diese Konzessionen jedoch im Rahmen derjenigen, die anderen Handelspartnern auch gewährt wurden. Eine Ausnahme bildet die Konzession für ein jährliches zollfreies Kontingent von 200 Tonnen Sonnenblumenöl für die menschliche Nahrungsaufnahme. Im Gegenzug erhält die Schweiz Konzessionen von der Ukraine für Käsespezialitäten, Früchte- und Gemüsezubereitungen, Futtermittel, Wein und anderes.
Die gegenseitigen Vorbehalte richten sich gegen Landerwerb und betreffen die spezifische Situation beider Länder. Ich werde der Empfehlung der APK folgen und dem Freihandelsabkommen mit der Ukraine meine Zustimmung erteilen.Landtagspräsident Arthur Brunhart
Danke. Wünscht die Regierung noch das Wort?
Das ist nicht der Fall. Dann können wir abstimmen über den Antrag der Regierung. Sie beantragt: «Der Hohe Landtag wolle dem Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und der Ukraine vom 24. Juni 2010 die Zustimmung erteilen».
Wenn Sie mit diesem Antrag einverstanden sind, bitte ich Sie, die Stimme abzugeben. Abstimmung: Mehrheitliche Zustimmung mit 23 Stimmen
Landtagspräsident Arthur Brunhart
Damit hat der Landtag mit 23 Stimmen die Zustimmung zum Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und der Ukraine erteilt.
Damit haben wir auch Traktandum 24 abgeschlossen.-ooOoo-