Beschluss Nr. 76/2011 des gemeinsamen EWR-Ausschusses (Verordnung (EG) Nr. 883/2004, geändert durch Verordnung (EG) Nr. 988/2009, zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009 sowie einige Beschlüsse und Empfehlungen der Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit) (Nr. 74/2011)
Landtagspräsident Arthur Brunhart
Meine Damen und Herren Abgeordnete, wir setzen unsere Beratungen fort.
Wir kommen zu Traktandum 16: Beschluss Nr. 76/2011 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und Durchführungsverordnung sowie einige Beschlüsse und Empfehlungen der Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit.
Der Bericht und Antrag der Regierung Nr. 74/2011 steht zur Diskussion.Abg. Gerold Büchel
Vielen Dank, Herr Landtagspräsident, für das Wort. Geschätzte Abgeordnete. Die uns vorliegende Verordnung ist direkt anwendbar und bedarf keiner Umsetzung in nationales Recht. Dennoch hat die Regierung und die EWR-Kommission des Landtages in ihrer Sitzung vom 27. und 29. Juni 2011 befunden, dass der Beschluss Nr. 76/2011 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses der Zustimmung des Landtages gemäss Art. 8 Abs. 2 der Landesverfassung bedarf, da es sich um ein Regelwerk handelt, welches von grosser Bedeutung für das liechtensteinische Sozialversicherungssystem und den Wirtschaftsstandort Liechtenstein ist.
Der vorliegende Bericht zeigt, dass die Änderungen nicht so gross sind, da einiges schon bei der vorgängigen Regelung abgedeckt wurde. Auf der Seite 25 werden vor allem die Kosten auf behördlicher Seite ausgeführt, die durch diese Verordnung verursacht werden.
Eine Frage diesbezüglich stellt sich für mich: Ist mit zusätzlichen Kosten für Unternehmen zu rechnen, die Grenzgänger und Leute aus dem EU-Raum beschäftigen? Danke.Landtagspräsident Arthur Brunhart
Danke.Landtagsvizepräsidentin Renate Wohlwend
Danke. Ich hätte auch noch eine Frage an die Regierung, und zwar zu den Ausführungen auf Seite 26 unten. Mir scheint eine Grössenordnung zwischen einer halben Million und einer Million doch ein sehr grosser Spielraum zu sein. Hat die Regierung nähere Angaben hierzu seit Erstellung des Berichtes von Mitte August?
Und dann würde ich noch gerne wissen, mit welchem Zeitrahmen im Hinblick auf die Abänderung der Vaduzer Konvention gerechnet werden darf.Regierungsrätin Renate Müssner
Danke, Herr Präsident. Geschätzte Damen und Herren. Zunächst zur Anfrage der Frau Landtagsvizepräsidentin, die sich auf die Kosten bezieht oder die Kostenschätzung zwischen einer halben und einer Million: Es ist so, dass es grundsätzlich hier bei dieser Kostenschätzung um die Umsetzung dieses Projekts geht, das im Grunde genommen ein IT-Projekt darstellt. Die Verordnung 883 sieht eben vor, dass der Datenaustausch in Zukunft elektronisch erfolgen soll und wir daher ein IT-Projekt aufsetzen müssen. Die Kosten dieses Projektes sind eben schwer abschätzbar. Wir haben uns mit einem Schweizer Experten in der Zwischenzeit zusammengetan, der auch für die Schweizer Seite diese Problematik bearbeitet. Wir haben von ihm jetzt lediglich meines Erinnerungvermögens nach bis März 2012, also für diesen ersten Projektschritt, einen Kostenvoranschlag bekommen. Ich glaube, wir haben diese Zahl auch der Finanzkommission übermittelt. Für die weiteren nötigen Schritte in diesem Prozess haben wir keine Kostenschätzung vorliegen. Es ist aber auch so, dass die Schweiz in diesem Prozess auf die einzelnen Schritte angewiesen ist und jeweils dann aus den Erfahrungen aus dem Vorhergehenden eben die neuen Kosten berechnet werden. Deswegen diese sehr ungenaue Angabe.
Wie gesagt, wir können uns mit dieser Lösung eben des Know-hows der Schweiz bedienen. Wir müssen nicht selber Know-how neu erzeugen. Ich glaube, das geht aus rein personellen Gründen bei uns in der Landesverwaltung nicht und im Übrigen fehlt natürlich auch das entsprechende Know-how. Ich denke, wenn, dann ist dieses für uns die kostengünstigste Lösung. Es geht darum, dass man diese Prozesse, die jetzt in diesem physischen Papier, Formular, abgebildet sind, in ein elektronisches Formular umübersetzen muss. Das ist im Grunde genommen Knochenarbeit, zeitintensiv und kostenintensiv und kann nur von den entsprechenden Experten bewerkstelligt werden. Klarerweise werden dann auch unsere Amtsstellen oder die Stellen, die eben in diesen Sozialversicherungssystemen tätig sind, ihr Know-how dazu bereitstellen müssen. Also man wird dort auch mit einem Personalaufwand zu rechnen haben, aber ohne dieses Know-how wird es nicht gehen.
Wir sind auch darauf angewiesen, dass wir noch zusätzliche Fragen klären, wo eben der im Bericht und Antrag auch angesprochene Access-Point dann wirklich domiziliert sein soll, wo wir uns anschliessen können, ob wir ihn selber im Land installieren müssen oder wollen. Es gibt dort auch verschiedenste Optionen, die jetzt erst geprüft werden können und wir deswegen auch jetzt hier keine konkreten Zahlen eben nennen können. Also es sind noch zu viele Parameter unbekannt. Wir sind dabei, jetzt mit dieser Arbeitsgruppe, die wir gebildet haben, uns Schritt für Schritt heranzutasten. Und ich denke, wir werden in der Lage sein, bis sicher Abschluss der ersten Phase dann auch ein eher konkreteres Ziel zu sehen, weil wir dann auch wissen, was wir selber verwaltungsintern beisteuern können und was wir tatsächlich dann an Leistungen wirklich noch zukaufen müssen.
Der Zeitrahmen für die Anwendung: Also vorgesehen wäre natürlich die Umsetzung Mitte nächsten Jahres. Aber realistischerweise gehen auch andere Staaten davon aus, und für uns und die Schweiz wird es wahrscheinlich frühestens anfangs 2013 sein, bis man ungefähr so weit sein könnte. Es ist wahrscheinlich jetzt ein bisschen verfrüht, einen genauen Zeitpunkt zu nennen, weil wir verschiedenste Faktoren eben nicht kennen. Aber es ist so, es führt daran kein Weg vorbei. Wir müssen diese Verordnung dann übernehmen und vor allem dann auch umsetzen. Und wir müssen diesen elektronischen Datentransfer dann auch garantieren können.
Zur Frage des Abg. Gerold Büchel: Die Kosten auf behördlicher Seite können wir vielleicht in einem Punkt näher ausweisen, und zwar wenn es um den Arbeitsmarktservice geht. Das müsste im Protokoll der Finanzkommission eigentlich auch erwähnt sein. Im AMS ist aufgrund neuerer Bestimmungen in der Verordnung 883 zu erwarten, dass dort etliche Grenzgänger diese Leistungen in Anspruch nehmen werden und man dort dann entweder eben über vermehrten Aufwand personeller Art oder bevorzugt, über ein Software-Projekt, eine Homepage in diesem Falle diesen Mehraufwand bewältigen will. Und der ist im Bericht und Antrag mit CHF 50'000 bis CHF 70'000 beziffert. Zusätzliche Kosten für die Unternehmen direkt sehe ich keine. Indirekt könnte es sein, aber da kann ich Ihnen im Moment keine Angaben machen. Für die Unternehmen fällt mir im Moment keines dazu ein. Also direkt keine anderen Kosten, die sich eben aus Sozialleistungen ergeben, die bisher schon angefallen sind und auch in Zukunft anfallen werden. Danke.Landtagspräsident Arthur Brunhart
Besten Dank für die Ausführungen.Abg. Elmar Kindle
Danke für das Wort, Herr Präsident. Das ist wieder einmal so eine Vorlage, die man mit Kopfschütteln betiteln kann nach meinem Dafürhalten. Es wird ausgeführt, dass es hier Synergien und Vereinfachung geben kann, mit den fatalen Folgen von Kosten, die wir einfach zu tragen haben. Und da frägt niemand danach, ob das sinnvoll oder nicht sinnvoll ist. Das ist einfach so. Damit habe ich meine grosse Mühe. Das habe ich Ihnen schon ein paarmal gesagt und ich werde es wieder tun und wieder tun, bis diese Herren, die diese Verordnungen machen, das bitte auch einmal zur Kenntnis nehmen. Wobei ich weiss, das nützt ja überhaupt gar nichts. Das einmal zu meiner Einleitung.
Dann zur Arbeitsvermittlung: Hier habe ich eine konkrete Frage. Sie haben vorhin ausgeführt, dass etliche Grenzgänger diesen Dienst in Anspruch nehmen würden. Ich frage: Warum muss oder darf oder soll ein Grenzgänger diese Dienste im Land in Anspruch nehmen können und wollen? Ist es so, dass unten in Österreich oder der Schweiz das nicht so gut läuft oder funktioniert, dass es bei uns besser ist, oder was sind hier die Gründe, dass solche Sachen hier gemacht werden müssen? Damit habe ich meine grosse Mühe, vor allem deshalb auch schon, weil es etliche Kosten nach sich zieht.
Dann zu den Kosten allgemein: In der Finanzkommission hatten wir auch Diskussion diesbezüglich. Ich möchte hier ausführen, dass ich die Art und Weise, wie hier argumentiert wird, dass man einfach sagt: Entweder sind Sie bereit, CHF 50'000 bis CHF 70'000 zu zahlen, oder man muss Stellenprozente aufbauen, damit habe ich meine grosse Mühe. Das wurde auch entsprechend beantwortet. Aber nach meinem Dafürhalten ist das ein unhaltbarer Zustand, den ich so nicht stehen lassen und auch nicht akzeptieren kann.
Und dann die Angabe des Geldes: Sie haben vorher ausgeführt, dass es ein laufender Prozess sei EDV-mässig usw. usf. Ich meine, eine Spange von CHF 500'000 bis CHF 1 Mio., darunter kann man sich vieles vorstellen. Dann kann man auch gleich sagen: Wir geben gar nichts an, wir sind noch im Prozess. Und dann werden Sie es irgendwann erfahren. Damit habe ich meine Mühe. Danke.Landtagspräsident Arthur Brunhart
Danke.Regierungsrätin Renate Müssner
Danke, Herr Landtagspräsident. Geehrte Damen und Herren Landtagsabgeordnete. Ich kann nur auf meine vorhergehenden Ausführungen verweisen. Wir müssen diese Verordnung übernehmen. Ich glaube, das steht ausser Frage. Wir müssen auch diesen elektronischen Datentransfer übernehmen. Und aus diesem Grund ist es eben auch notwendig, dass wir verschiedene Regelungen übernehmen, die kostenintensiv sind. Ich denke, genau diese Verordnung wird in Zukunft eben auch erlauben, dass arbeitslose Grenzgänger nicht nur in ihrem Wohnort, sondern eben neu auch in ihrem Beschäftigungsort diese Leistungen eines Arbeitsmarktservice in Anspruch nehmen können. Sie können, sie müssen nicht. Aber wir müssen uns darauf vorbereiten. Das ist ein inhaltlicher Bestandteil dieser Verordnung. Daran führt auch kein Weg vorbei. Das zum einen.
Ja, das nehme ich so zur Kenntnis. Es ist für uns auch unglücklich, wenn wir keine genaue Kostenschätzung abgeben können. Aber aus den angeführten Gründen ist es eben in diesem Prozess nicht anders möglich. Danke.Landtagspräsident Arthur Brunhart
Danke für die Ausführungen.Abg. Marlies Amann-Marxer
Danke, Herr Präsident. Ich kann die Ausführungen des Abg. Elmar Kindle nachvollziehen und ich stelle hier einfach ein weiteres Mal fest, dass wir aus Brüssel einiges aufgedrückt bekommen, was uns nicht unbedingt Freude macht. Dies ist ein weiteres Mal. Ich weise einfach darauf hin, dass es auch im Bericht und Antrag Seite 6 heisst: «Die Verordnungen sind unmittelbar anwendbar und bedürfen keiner Umsetzung in das nationale Recht». Das heisst, wir müssen, ob wir wollen oder nicht. Dass der Landtag davon Kenntnis erlangt, das finde ich ganz in Ordnung. Danke schön.Landtagspräsident Arthur Brunhart
Danke. Gibt es weitere Wortmeldungen? Wünscht die Regierung noch das Wort?
Das ist nicht der Fall. Dann können wir uns dem Antrag der Regierung zuwenden. Sie beantragt, der Hohe Landtag wolle den Beschluss Nr. 76/2011 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses die Zustimmung erteilen. Wer mit diesem Antrag einverstanden ist, möge bitte die Stimme abgeben. Abstimmung: Mehrheitliche Zustimmung mit 17 Stimmen
Landtagspräsident Arthur Brunhart
Damit hat der Landtag die Zustimmung mit 17 Stimmen bei 23 Anwesenden erteilt.
Damit haben wir Traktandum 16 abgeschlossen. -ooOoo-