Beschluss Nr. 40/2011 des gemeinsamen EWR-Ausschusses (Richtlinie 2010/18/ EU des Rates vom 8. März 2010 zur Durchführung der von Businesseurope, UEAPME, CEEP und EGB geschlossenen überarbeiteten Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub und zur Aufhebung der Richtlinie 96/34/EG) (Nr. 79/2011)
Landtagspräsident Arthur Brunhart
Wir kommen zu Traktandum 17: Beschluss Nr. 40/2011 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses zur Durchführung der geschlossenen überarbeiteten Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub und zur Aufhebung der Richtlinie 96/34/EG.
Der Bericht und Antrag der Regierung trägt die Nr. 79/2011 und er steht zur Diskussion.Abg. Albert Frick
Danke, Herr Präsident. Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete. Die Regierung ist gemeinsam mit der EWR-Kommission zur Auffassung gelangt, dass die vorliegende EU-Richtlinie über den Elternurlaub dem Hohen Landtag zur Zustimmung vorzulegen ist. Grundsätzlich ist festzustellen, dass dem Landtag in dieser Frage wenig Entscheidungsfreiheit zukommt, da uns das EWR-Abkommen zur Übernahme bzw. zur Anpassung dieser Richtlinie verpflichtet. Ziel der Richtlinie ist es, die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben für erwerbstätige Eltern zu verbessern und die Chancengleicheit von Männern und Frauen am Arbeitsplatz zu fördern. Nicht zuletzt soll die Richtlinie einen Beitrag leisten zu den Massnahmen, mit denen der demografischen Herausforderung in Europa begegnet werden soll.
Bereits die Vorgängerrichtlinie schuf Mindeststandards für einen vom Mutterschutz unabhängigen Elternurlaub in der Höhe von drei Monaten. Mit der neuen Richtlinie erhöht sich die Mindestdauer auf vier Monate. Die zahlreichen Kann-Bestimmungen in der Richtlinie lassen eine differenzierte Auslegung der Modalitäten für die Inanspruchnahme des Elternurlaubs zu. Es ist aber klargestellt, dass die Arbeitnehmer bei Inanspruchnahme des Elternurlaubs vor jeder Form der Benachteiligung zu schützen sind. Eine Vergütung des Elternurlaubes ist nach wie vor nicht vorgeschrieben. Die überarbeitete Richtlinie bestimmt neu, dass bei Rückkehr aus dem Elternurlaub auch eine Änderung der Arbeitszeiten für eine bestimmte Dauer beantragt werden kann. Ein diesbezüglicher Rechtsanspruch besteht aber nicht. Lediglich der Anspruch, dass der Arbeitgeber das Begehren prüfen und beantworten muss.
Die Regierung beabsichtigt eine wirtschaftsfreundliche Mindestumsetzung der vorgesehenen Neuerungen. Der Ermessensspielraum soll zur Gänze ausgeschöpft werden, um den Bedürfnissen der liechtensteinischen Unternehmungen Rechnung zu tragen. Damit folgt die Regierung im Wesentlichen der in der Vernehmlassung durch Arbeitgebervertretungen vorgebrachten Argumentation. Der Arbeitnehmerverband hätte insbesondere die Vergütung des Elternurlaubes begrüsst. Das wäre in Anbetracht der Tatsache, dass bisher in der Privatwirtschaft praktisch keine Anträge auf Elternurlaub gestellt wurden, wohl auch eine notwendige Voraussetzung, um dem Elternurlaub zum Durchbruch zu verhelfen.
In Anbetracht der schwer angeschlagenen Weltwirtschaft, in Anbetracht der Finanzkrisen in diversen europäischen Staaten und insbesondere in Anbetracht der durch Frankenstärke bedrängten Wirtschaftsakteure unseres Landes ist der Entscheid der Regierung auf wirtschaftsfreundliche Mindestumsetzung derzeit sicher angebracht. Wir müssen uns aber bewusst sein, dass wir der demografischen Herausforderung damit nicht begegnen können. Danke. Abg. Marlies Amann-Marxer
Danke, Herr Präsident. Geschätzte Abgeordnete. Die zur Übernahme vorliegende EU-Richtlinie 2010/18 betrifft die Änderung der Bestimmungen zum Elternurlaub für Arbeitnehmer.
Die bisherigen EU-Bestimmungen zum Elternurlaub wurden in Liechtenstein im ABGB umgesetzt. Die heute vorliegende EU-Richtlinie bezweckt eine Anpassung bestimmter Aspekte und Mindeststandards, damit die Ziele der Familienpolitik besser erreicht werden können.
Die Bestimmungen gelten für alle Beschäftigungsverhältnisse inklusive Teilzeitarbeit, befristete Arbeitsverhältnisse und Leiharbeitsverhältnisse, sofern die Dauer der Beschäftigung ein Jahr nicht unterschreitet. Bei der Durchführung wird insbesondere Rücksicht genommen auf die Situation von KMUs, indem diesen besondere Rechte zugestanden werden, wie zum Beispiel ein Recht auf Aufschub des Elternurlaubs.
Auf Seite 11 des Bericht und Antrags wird darauf hingewiesen, dass die Richtlinie den Mitgliedstaaten empfiehlt, die Modalitäten für den Elternurlaub speziell auch an die Bedürfnisse von Adoptiveltern anzupassen sowie an die Bedürfnisse von Eltern mit behinderten Kindern. Adoptiveltern sowie Eltern von Kindern mit einer Behinderung sind in einer ganz speziellen Situation. Die diesbezügliche Forderung in der Richtlinie möchte ich ausdrücklich unterstützen. Ich ersuche die Regierung bei der Umsetzung der Richtlinie zu prüfen, wie auf diese Situation eingegangen werden könnte.
Zentral in der Anpassung der Bestimmungen der Richtlinie ist die Erhöhung des Elternurlaubs von mindestens drei auf vier Monate pro Kind. Ich begrüsse diese Massnahme, weil sie der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf entgegenkommt. An der Unübertragbarkeit von einem Elternteil auf den andern, wie er heute in Liechtenstein schon geltendes Recht ist, wird weiterhin festgehalten. Ich danke der Regierung für das Festhalten an dieser Regelung, da sie einen positiven Anreiz für die Väter sein kann und da sie dazu beiträgt, dass Frauen bei der Stellenbewerbung kein Nachteil erwachsen kann durch die Bestimmungen zum Elternurlaub. Ein möglicher Arbeitgeber muss nämlich dann damit rechnen, dass nicht nur weibliche, sondern auch männliche Arbeitnehmer im Betrieb ausfallen können, weil sie den Elternurlaub in Anspruch nehmen und der Arbeitgeber wird daher nicht versucht sein, Frauen aufgrund ihrer Elternschaft zu diskriminieren.
Auch eine mögliche Diskriminierung von Vätern in Bezug auf die Inanspruchnahme des Elternurlaubs wird durch die Unübertragbarkeit ausgeschlossen. Väter, die sich um ihre Familie kümmern wollen, müssen sich dank dieser Gesetzesbestimmung nicht erklären und die Familienzeit nicht erkämpfen, da sie einen gesetzlichen Anspruch darauf haben. Die Unübertragbarkeit des Elternurlaubs dient also der Gleichstellung der Geschlechter, ebenso wie dem Wohl der Familie und den Kindern, die nicht nur die Anwesenheit der Mütter, sondern auch der Väter erfahren dürfen.
Allerdings darf man nicht übersehen, dass bei der bestehenden und der anzupassenden Gesetzeslage die Wohltaten des Elternurlaubs in der Arbeits- und Familienrealität kaum zum Tragen kommen. Für die meisten Arbeitnehmer ist es schlicht unmöglich, den Elternurlaub, der zusätzlich zum bezahlten Mutterschaftsurlaub gewährt wird, in Anspruch zu nehmen, da die Familien es sich einfach nicht leisten können, drei oder vier Monate lang auf ihr Einkommen zu verzichten. Der Elternurlaub garantiert nämlich lediglich die Freistellung vom Arbeitsplatz aber nicht einen Anspruch auf ein Einkommen. Da der Lohnausfall von einem Vierteljahr oder mehr in den meisten Fällen nicht verkraftbar ist, bleiben somit die Vorzüge dieses Gesetzes für die meisten Familien unerreichbar. Das macht die gut gemeinte Besserstellung der Familien de facto ziemlich unwirksam. Dessen sind sich auch die Sozialpartner der EU bewusst, die die Vorgaben der Richtlinie zum Elternurlaub ausarbeiteten und feststellen, dass in den Mitgliedsländern eher die Mindeststandards umgesetzt und die Möglichkeiten kaum beansprucht werden.
Wirksam für Familien wäre einzig und allein ein bezahlter oder teilweise bezahlter Elternurlaub. Ich fordere hier und heute nicht die Einführung eines von den Arbeitgebern oder den Sozialwerken bezahlten Elternurlaubs. So ein Kraftakt kann nicht von heute auf morgen eingeführt werden. Jedoch erwarte ich von der Wirtschafts- und der Familienpolitik die Kenntnisnahme der schwierigen Situation für Familien und die Anerkennung ihrer Bedürfnisse. Das ist nötig, um einen Anfang zu machen. Ich erwarte ferner die grundsätzliche Bereitschaft, in der Familien- und Wirtschaftspolitik gemeinsam die Möglichkeiten zu eruieren, wie die Situation tatsächlich und wirksam verbessert werden kann, und zwar mit dem Ziel der Familienförderung bei gleichzeitiger Beachtung der Bedürfnisse der Wirtschaft.
Wirksame Lösungen kann es nur geben, wenn die Bereitschaft da ist, über die Begrenzungen hinauszudenken, die wir heute haben und die bisher als unverrückbar galten. Selbstverständlich dürfen wesentliche Veränderungen, welche letztlich Einfluss auf die ganze Gesellschaft haben, nicht ohne Einbezug der Wirtschaft, nicht allein im stillen Kämmerlein der Politik gezimmert werden. Die Betriebe, die Verbände, die Arbeitgeber sind der wichtige Partner bei diesem Thema. Es müssen Gespräche geführt werden. Damit ist es aber nicht getan. Impulse geben, innovative Lösungen müssen gemeinsam gefunden und ausgearbeitet werden. Mittlere Unternehmen in der Schweiz zeigen beispielhaft auf, wie familienfreundliche Lösungen nicht nur den Arbeitnehmern dienen, sondern dem Unternehmen selbst mancherlei Vorteile bringen, wenn man die richtigen Lösungen trifft. Auch in Liechtenstein haben wir seit einigen Jahren bereits einige Beispiele für familienfreundliche Unternehmen.
Wenn ich den Inhalt der Richtlinie betrachte, welche zentral die Verbesserung der Situation für arbeitstätige Väter und Mütter zum Ziel hat, dann bin ich schon ein wenig alarmiert, auf Seite 13 des Regierungsberichts zu lesen wie folgt: «Die Regierung beabsichtigt eine wirtschaftsfreundliche Mindestumsetzung der Richtlinie, um den Bedürfnissen der liechtensteinischen Unternehmen Rechnung zu tragen». Es wird dann immerhin noch beigefügt, dass die Mindeststandards für Arbeitnehmer aber nicht geschmälert werden sollen. Bei dieser Aussage drängt sich schon die Frage auf: Sollte es im Regierungsbericht nicht viel eher heissen: Die Regierung beabsichtigt, eine familienfreundliche Umsetzung der in der Richtlinie vorgesehenen Neuerungen, um den Bedürfnissen der liechtensteinischen Arbeitnehmenden Rechnung zu tragen, ohne die Bedürfnisse der Wirtschaft zu schmälern.
Liebe Regierungsmitglieder, ich verstehe und anerkenne die Bedürfnisse und Notwendigkeiten der Wirtschaft im weltweiten und regionalen Konkurrenz-, Ausdehnungs- und Überlebenskampf wirklich sehr gut. Was mich bei der zitierten Aussage aber schon ein wenig erschreckt, ist die Umkehrung der Verhältnisse. Bei der hier vorliegenden Richtlinie geht es für einmal nicht um die Bedürfnisse der Wirtschaft, die von den Arbeitnehmern nicht geschmälert werden dürfen, sondern im Gegenteil. Es geht darum, mit der Umsetzung der Richtlinie den Bedürfnissen der Arbeitnehmer Rechnung zu tragen, welche durch die Unternehmen berücksichtigt werden sollen.
Wenn man die Forderungen angemessen umsetzen will, müsste das Resultat eigentlich dasselbe sein, bei beiden Zielvorgaben. Nur ist es halt so, dass mit der Formulierung des Ziels auch eine Haltung zum Ausdruck kommt. Und die Haltung der Regierung scheint mir bei dieser Gesetzesvorlage so zu sein, dass die eigentliche Zielgruppe verfehlt wurde. Die Regierung schaut in die gegenüberliegende Richtung.
Ich bin überzeugt, dass Familienfreundlichkeit sich jedoch für die Unternehmen bezahlt macht und eine echte Chance für die Zukunft ist. Die Zeiten des Patrons, der sich als Firmeninhaber auch für die privaten Bedürfnisse seiner Mitarbeiter verpflichtet fühlte, sind vorbei. Der Lebensstil der Gesellschaft und der Führungsstil in den Betrieben hat sich geändert. Heute verstehen die Unternehmen ihre Mitarbeiter und diese sich selbst als selbstständige, eigenverantwortliche Menschen. Die gegenseitige Distanz und die Abgrenzung sind grösser geworden. Das mag so auch erwünscht und gut sein. Der Erfolg aber wird langfristig jenen Unternehmen gehören, die erkennen, dass der Mensch ein soziales beziehungs- und familienorientiertes Wesen ist und nicht ausschliesslich eine Arbeitskraft. Können die beziehungsmässigen Bedürfnisse der Mitarbeitenden erfüllt werden, steigt auch die Motivation und Arbeitsleistung. Eine familienfreundliche Arbeitswelt wäre ein Standortvorteil in der heutigen Zeit. Die Leistungs- und Konkurrenzfähigkeit der Betriebe ist eines ihrer zentralen Anliegen. Hier sollen auch keine Abstriche gemacht werden. Nur liegt eben die Herausforderung darin, dass Politik und Wirtschaft gemeinsam neue Wege gehen und kreative Lösungen finden.
Wollen wir uns zukünftig lediglich als leistungsfähige und gewinnorientierte Macher-Gesellschaft verstehen, oder wollen wir eher als beziehungsorientierte, familienfreundliche Verantwortungs- und Leistungsgesellschaft auch wirtschaftliche Erfolge anstreben? Das eine muss das andere nicht ausschliessen. Danke.Abg. Pepo Frick
Danke. Ich zitiere zwei ganz kurze Passagen aus dem Bericht und Antrag, Seite 9: «Eine Vergütung für den Elternurlaub wird weiterhin nicht vorgeschrieben, aber es wird im Richtlinientext betont, dass eine solche einen massgeblichen Faktor bei der Inanspruchnahme des Elternurlaubs darstellt». Und Seite 13 heisst es: «Die Regierung beabsichtigt eine wirtschaftsfreundliche Mindestumsetzung der in der Richtlinie vorgesehenen Neuerungen, um den Bedürfnissen der liechtensteinischen Unternehmen Rechnung zu tragen. Der von der Richtlinie eingeräumte Ermessensspielraum soll zu diesem Zweck zur Gänze ausgeschöpft, die von der Richtlinie vorgesehenen Mindeststandards für Arbeitnehmer aber dadurch nicht geschmälert werden». Soweit zum Bericht und Antrag. Aus diesen Zeilen lese ich, dass in Liechtenstein den Interessen der Unternehmen absolute Priorität beigemessen wird. Es stellen sich für mich zwei Fragen: Nachdem für dieses Traktandum das Ressort Wirtschaft und Gesundheit zuständig ist, möchte ich nachfragen, welche Position das Ressort Gesundheit hier einnimmt. Was sagt das Ressort Familie zu den in diesen Texten formulierten Aussagen, die keinen Raum lassen für eine enkeltaugliche Familienpolitik? Oder anders gefragt: Gibt es auch Bedürfnisse von Eltern, gerade auch im Hinblick auf die demografische Herausforderung auch Liechtensteins?
Es wurde in den letzten Wochen wieder viel geschrieben über die notwendige Unterstützung von Müttern, Eltern und Familie. Wenn es um die Umsetzung in der gelebten Realität geht, ist alles politischer Schall und Rauch. Ich werde bzw. muss diesem Beschluss des EWR-Ausschusses zustimmen. Es macht mich aber nachdenklich, dass die Regierung ausschliesslich eine wirtschaftsfreundliche Umsetzung beabsichtigt. Sie stellt klar, dass der von der Richtlinie eingeräumte Ermessensspielraum genau zu diesem Zweck zur Gänze ausgeschöpft wird. Vom Beachten der Bedürfnisse der Familien oder der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf keine Spur.
Obwohl in vielen fortschrittlichen Ländern selbstverständlich, sieht unsere Regierung und die Wirtschaft im vergüteten Elternurlaub immer noch einen für mich nicht nachvollziehbaren Standortnachteil. Politik und Wirtschaft streichen immer wieder heraus, dass der Wirtschaftsstandort Liechtenstein attraktive Arbeitsplätze bieten müsse, um qualifizierte Fachkräfte rekrutieren zu können. Ich bin überzeugt, dass bezahlter Elternurlaub ein Standortvorteil ist. Danke.Abg. Peter Hilti
Danke für das Wort, Herr Landtagspräsident. Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete. Ich möchte mich auch noch kurz äussern: Im Gegensatz zum vorangegangenen Traktandum, der ersten EWR-Richtlinie, habe ich bei dieser kein Bauchweh hier zuzustimmen. Ich möchte aber vorher, bevor ich zu zwei Fragen komme an die Regierung, meiner Kollegin Marlies Amann-Marxer für ihr engagiertes und wirklich inhaltlich tolles Votum danken. Ich kann mich dem zu 100% - nein, zu 200% anschliessen, was sie gesagt hat.
Meine Fragen an den Wirtschaftsminister Meyer wären:
- Wie sieht ein allfälliger Zeitplan aus, wenn hier zugestimmt wird?
- Bis wann kann man mit der Einführung dieser Gesetze rechnen, wenn das möglich ist?
Und Zweitens: Auf der Seite 12 unter Punkt 3.7 - Sanktionen - ich zitiere ganz kurz: «Neu wird ausdrücklich festgehalten, dass Mitgliedstaaten zur Gewährleistung der wirksamen Durchführung der Richtlinie wirksame, verhältnismässsige und abschreckende Sanktionen vorzusehen haben. Die Sanktionen müssen aber nicht strafrechtlicher Natur sein». Ich möchte hier fragen, ob die Regierung bereits jetzt schon Aussagen machen könnte, was das für Sanktionen sein könnten. Ich kann mir beim besten Willen wirklich nichts vorstellen, aber vielleicht ist hier mein Horizont zu begrenzt. Danke.Abg. Elmar Kindle
Herr Präsident, danke für das Wort. Wie Sie erahnen können, habe ich hier eine dezidiert andere Haltung und auch Meinung. Ich habe sie hier auch kundgetan beim ersten Wurf, der hier geschehen ist vor ein paar Jahren, wo es um diese drei Monate ging. Ich möchte wieder einmal die Verhältnismässigkeiten in den Raum stellen. Staaten wie Deutschland, Frankreich, Spanien usw., die haben ganz andere Rahmenbedingungen, auch ganz andere Wirtschaftszweige und auch andere Unternehmungen, die das unter Umständen anders bewältigen können als in unseren Verhältnissen, wie wir sie haben mit unseren Kleinst- und Klein-KMUs. Hier stellt sich einfach die Frage: Wo ist hier die Praktikabilität und wie soll das ein Kleinunternehmen überhaupt bewältigen können, wenn das Schule machen würde? Deshalb bin ich auch froh, dass der bezahlte Elternurlaub nicht kommt und hoffe auch, dass er noch lange nicht kommen wird. Weil da kommt die nächste Frage: Wer soll das bezahlen?
Sie haben ausgeführt, Herr Abg. Pepo Frick, dass bezahlter Elternurlaub ein Standortvorteil wäre. Ich frage mich nur: Für wen ein Vorteil? Das müssen Sie mir erklären und auch noch, wer das zu bezahlen hätte, wenn nicht die Unternehmungen. Sie würden ja wohl nicht sagen, dass es eine Staatsaufgabe wäre. Dass die Regierung hier ausführt, dass es eine Mindestumsetzung ist, um den Bedürfnissen der liechtensteinischen Unternehmungen Rechnung zu tragen, das kann ich nur befürworten, auch unterstützen, dringendst unterstützen. Weil, warum haben wir so gute Verhältnisse hier in Liechtenstein, warum haben wir keine Verschuldung? Nicht etwa deshalb, weil wir so familienfeindlich sind oder gar nichts für Familien tun. Nein, weil wir hier arbeiten und unserer Arbeit nachgehen und wissen, was es heisst, etwas zu leisten, damit man auch etwas machen kann. Schauen Sie nach Deutschland, schauen Sie nach Frankreich, schauen Sie nach Spanien, was da momentan abgeht. Die haben alle solche sozialen Systeme, die überborden, die nicht mehr bezahlbar sind. Wollen wir das? Ich will es nicht - und dagegen werde ich auch ankämpfen. Abg. Peter Lampert
Danke, Herr Präsident. Ich habe eine Frage an die Regierung. Wie sieht es aus, wenn ein KMU-Unternehmer den Elternurlaub bezieht und dann seine Mitarbeiter freistellt? Oder müssen die dann Arbeitslosengeld beziehen, wenn der Chef weg ist? Danke.Abg. Marlies Amann-Marxer
Danke, Herr Präsident. Herr Abg. Elmar Kindle, ich verstehe Ihre Ausführungen aus Arbeitgebersicht, als Beispiel eines kleinen Unternehmens, sehr gut. Mein Appell an die Wirtschaft bzw. die Arbeitnehmer wurde offenbar nicht verstanden oder nicht gehört. Mein Appell war, Gespräche aufzunehmen, um kreative Lösungen zu finden, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern. Gemeinsam mit der Wirtschaft soll die Politik nach neuen Möglichkeiten, nach innovativen Lösungen suchen, die zum Wohle der Arbeitnehmer und der Wirtschaft und der Betriebe führen. Es gibt Beispiele dafür.Abg. Elmar Kindle
Danke für das Wort. Frau Abg. Marlies Amann-Marxer, ich habe Ihr Votum schon verstanden, auch zur Kenntnis genommen. Und ich sage nicht, dass alles, was Sie gesagt haben, schlecht ist. Nur, die Realität zeigt eben ein anderes Bild, dass es Unternehmen gibt, die hier mit Moral und ethischen Gegebenheiten operieren und auch für ihre Arbeitnehmer etwas leisten. Das ist lobenswert. Ich kann mich auch dazu zählen. Das darf ich hier in aller Öffentlichkeit auch sagen. Ich brauche aber keinen Elternurlaub deshalb, der mir vorgeschrieben oder allenfalls per Gesetz verordnet wird. Das brauche ich nicht. Das hat auch mit Grundhaltung, mit Charakter zu tun und mit nichts anderem. Und dass es auf dem Markt bei den Unternehmungen solche und solche gibt, das ist selbstredend und auch klar. Das ist halt einfach nunmal so und liegt auch in der Natur der Sache. Das sehe ich schon so. Nur, schauen Sie, was momentan passiert. Wir können uns ja an der eigenen Nase nehmen. Der Euro-Kurs ist tief. Wo geht man hin? Da, wo es billig ist. Das sind eben wir hier, die hier sitzen, machen genau dasselbe. Da, wo es billig ist, da gehen wir. Wir sind nicht in der Lage, hier die Wertschöpfung im Land zu generieren. Dafür haben wir keinen Mut, sollten aber dafür Elternurlaub gewähren. Und damit habe ich meine grosse Mühe. Das ist auch ein Problem mit der Glaubwürdigkeit, die wir hier haben. Wir haben ein Problem: Wir sind zu klein, um hier solche Lösungen fahren zu können. Das ist auch eine Tatsache.Abg. Marlies Amann-Marxer
Danke, Herr Präsident. Herr Abg. Kindle, Sie führen die speziellen Probleme auf, die die einheimische Wirtschaft hier hat und die sie zugegebenermassen hat. Mein Appell ist und bleibt nach wie vor: Denken wir gemeinsam über unsere Grenzen hinaus. Der Elternurlaub ist nur eine Massnahme. Es ist denkbar, dass es viele andere gibt, die letztlich wirklich dem Wohl der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer dienen. Ich wünsche mir, dass sich Politik und Wirtschaft zusammentun und gemeinsam über die Grenzen hinausdenken. Landtagspräsident Arthur Brunhart
Danke. Damit gebe ich das Wort an den Regierungschef-Stellvertreter Martin Meyer. Regierungschef-Stellvertreter Martin Meyer
Danke, Herr Präsident. für das Wort. Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete. Die heutige Diskussion zeigt, dass das Thema Elternurlaub nach wie vor sehr kontrovers diskutiert wird. Wenn man sich die Landtagsdebatte aus dem Jahr 2003 ansieht und auch die Protokolle liest, kann man feststellen, dass bei der Einführung des Elternurlaubs auch schon ähnliche Diskussionen geführt worden sind.
Nur kurz einige Vorbemerkungen, bevor ich auf die einzelnen Fragen eingehe. Es wurde jetzt in der Debatte fälschlicherweise ausgeführt, dass es sich hier um eine Gesetzesvorlage handelt. Ich möchte einfach festhalten, dass wir hier einen entsprechenden Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses behandeln. Der weitere Prozess wird dann so aussehen, dass wir eine Gesetzesvorlage ausarbeiten werden. Wir werden diese Gesetzesvorlage in die Vernehmlassung geben und dann wird es zu einem Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag kommen.
Damit bin ich auch schon beim Zeitplan. Das ist eine Frage, die der Abg. Peter Hilti gestellt hat. Es wird davon abhängen, wie lange das Vernehmlassungsverfahren ist und wie viele Stellungnahmen im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens eingehen. Es gibt eine Faustregel und die geht davon aus, dass ein Gesetzgebungsverfahren zwischen 9 und 12 Monaten dauert, je nachdem, wie schnell und wie zügig die einzelnen Schritte vorgenommen werden.
Dann kann man sicher unterschiedlicher Meinung sein, wie einzelne Abschnitte im Bericht und Antrag der Regierung formuliert sind. Da stimme ich Ihnen zu. Das sind auch Wertungsfragen. Insgesamt möchte ich hierzu summarisch festhalten, dass das ein Bericht und Antrag der Regierung ist. Das heisst, hier sind auch die Positionen des Ressorts Gesundheit und die Position des Ressorts Familie und Chancengleichheit eingeflossen. Das kann gar nicht anders sein. Also wenn meine Regierungskollegin jetzt hier sitzen würde, könnte sie keine andere Meinung vertreten als diese Meinung, die im Bericht und Antrag drinsteht. Das ist ein Regierungsbericht, und dieser wurde intern abgestimmt und der spiegelt die Meinung des Kollegialorgans Regierung wider.
Ob ein bezahlter Elternurlaub ein Standortvorteil oder ein Standortnachteil ist, das möchte ich nicht werten. Diese Argumente haben Sie selbst schon ausgetauscht. Da gibt es unterschiedliche Sichtweisen. Das kann man so oder so sehen. Es wurden noch zwei konkrete Fragen an die Regierung gerichtet. Die Frage betreffend den Zeitplan habe ich schon ausgeführt. Dann gibt es noch eine Frage betreffend des Sanktionsrechts. Und ich habe den Abg. Peter Lampert so verstanden, dass er eigentlich auch fragen wollte: Was passiert eigentlich, wenn man einem Arbeitnehmer kündigt, während er Elternurlaub bezieht? Und das zielt auch auf das Thema des Sanktionsrechts. Und wenn ich das falsch verstanden habe, Herr Abg. Lampert, müssen Sie mich noch einmal korrigieren.
Nun zum Thema der Sanktionen, eine Frage, die der Abg. Peter Hilti gestellt hat. Diesbezüglich kann man darüber nachdenken: Was passiert, wenn einem Arbeitnehmer missbräuchlich gekündigt wird oder wenn einem Arbeitnehmer der Elternurlaub verweigert wird? Und hierzu kann ich ausführen, dass bereits nach bestehendem Recht Fälle zivilrechtlich sanktioniert werden können, in denen der Antrag eines Arbeitnehmers auf Elternurlaub zu einer Kündigung führt. Das finden Sie in § 1173a Art. 46 Abs. 1 Bst. d des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches. Das ist die missbräuchliche Kündigung. Und dann gibt es noch einen weiteren Absatz, § 1173a Art. 71 ABGB. Dort wird festgestellt, dass, wenn einem Arbeitnehmer der Elternurlaub grundlos verweigert wird, dann hat er die Möglichkeit, seinen Anspruch gerichtlich feststellen zu lassen. Und in Bezug auf die geplanten Umsetzung wird man sich diese Sanktionen noch einmal ansehen und darüber nachdenken, ob es weitere Sanktionsmöglichkeiten gibt oder ob damit das Sanktionsrecht genügend umgesetzt ist.
Dann habe ich vermutlich noch die Frage des Abg. Peter Lampert zu beantworten.Landtagspräsident Arthur Brunhart
Danke für die Ausführungen.Abg. Peter Lampert
Danke für das Wort, Herr Präsident. Ich habe gemeint: Wie sieht es aus, wenn ein Chef eines KMU einen viermonatigen Elternurlaub bezieht und dann seine Mitarbeiter keinen Chef mehr haben? Wenn er sagt: Ich gehe jetzt vier Monate in den Elternurlaub und ihr müsst zu Hause bleiben!Regierungschef-Stellvertreter Martin Meyer
Danke, Herr Präsident. Wenn ich das richtig verstanden habe, schildern Sie mir einen Fall, in dem der Leiter eines KMUs Elternurlaub bezieht, dann in die Ferien geht und im Prinzip die Firma dann keinen Chef mehr hat. Ich kann Ihnen nur die Antwort geben, dass ich die Hoffnung habe, dass unser Gewerbe und unsere KMUs so innovativ sind, dass sie einen stellvertretenden Geschäftsführer im Betrieb haben, damit dann die Leute eben nicht nach Hause geschickt werden müssen.Landtagspräsident Arthur Brunhart
Danke für Ihre Ausführungen.Abg. Peter Lampert
Danke, Herr Präsident. Aber ein kleines Unternehmen mit fünf/sechs Mitarbeitern hat vermutlich keinen Stellvertreter oder einen Geschäftsführer. Das liegt nicht drin. Danke.Abg. Gisela Biedermann
Danke, Herr Landtagspräsident. Es soll ja auch schwere Erkrankungen geben, die die Abwesenheit dieses Chefs über längere Zeit notwendig machen - und auch dann müssen Lösungen gefunden werden.Landtagspräsident Arthur Brunhart
Danke. Nachdem aus dem Plenum keine Wortmeldungen zu verzeichnen sind, können wir uns dem Antrag der Regierung zuwenden.
Er lautet: «Der Hohe Landtag wolle den Beschluss Nr. 40/2011 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses die Zustimmung erteilen».
Wer mit diesem Antrag einverstanden ist, möge bitte die Stimme abgeben.Abstimmung: Mehrheitliche Zustimmung mit 20 Stimmen
Landtagspräsident Arthur Brunhart
Damit hat der Landtag die Zustimmung mit 20 Stimmen bei 25 Anwesenden erteilt.
Wir haben somit das Traktandum 17 erledigt.-ooOoo-