ABÄNDERUNG DES GESETZES VOM 5. NOVEMBER 1925 ÜBER DEN STAATSGERICHTSHOF (STGHG) (NR. 61/1998), 1. LESUNG
Landtagspräsident Peter Wolff:
Wir kommen zu Punkt 29 unserer Tagesordnung: Abänderung des Staatsgerichtshofgesetzes gemäss Bericht und Antrag Nr. 61/1998 der Regierung. Der Bericht und Antrag steht zur Diskussion.Ich möchte einleitend, meine Damen und Herren, nur kurz in Erinnerung rufen, dass wir die Behandlung dieses Gesetzes seinerzeit bei der Behandlung der im selben Bericht und Antrag enthaltenen Staatsverträge verschoben haben, da zuerst dem Landtag Gelegenheit gegeben werden sollte, anhand der Korrespondenzen, die ich im Zusammenhang mit der Frage der Sanktionierung oder Nichtsanktionierung eines am 11. November 1992 vom Landtag verabschiedeten neuen Staatsgerichtshofgesetzes geführt habe, sich eine Meinung darüber zu bilden, ob davon ausgegangen werden kann, dass dieser seinerzeitige Gesetzesbeschluss des Landtages als definitiv nicht sanktioniert anzusehen ist. Ich glaube, in der Zwischenzeit haben wir uns eine diesbezügliche Meinung gebildet. Wir haben ja in der letzten Sitzung auch schon einer anderen Abänderung des Staatsgerichtshofgesetzes im Zusammenhang mit einer Abänderung des Steuergesetzes zugestimmt. Ich gehe davon aus, dass es heute keine Bedenken mehr gibt, auf dieses Gesetz einzutreten. Wird das Wort dazu gewünscht?Abg. Alois Beck:
Ich habe jetzt doch noch eine Frage zu diesem Verfahren. Es geht ja hier auch um die Rechtssicherheit. Ich nehme an, dass es bei einer Sanktionierung ein geregeltes Verfahren gibt, zumindest, das sich eingebürgert hat. Ich möchte jetzt Sie, Herr Präsident, fragen, wie das bei dieser Nichtsanktionierung vonstatten geht. Wie gesagt, es geht hier um die Rechtssicherheit. Wir haben hier ein Schreiben des Landesfürsten. In der letzten Sitzung wurde festgestellt, dass das eine Nichtsanktionierung bedeutet. Wie ist das jetzt formell für die Akten? Wie wird das vom Prozedere her festgehalten? Was ist hier Ihre Meinung dazu?Landtagspräsident Peter Wolff:
Das ist eine berechtigte Frage, Herr Abg. Beck. Das ist nicht geregelt. Es hat sich wohl in der Praxis ein Verfahren betreffend die Sanktionierung eingebürgert. Dasergibt sich, glaube ich, auch mehr oder weniger von selbst, ohne grosse Verfahrensvorschriften. Wenn der Landtag ein Gesetz verabschiedet hat und das der Regierung mitgeteilt hat, dann veranlasst die Regierung den Druck einer sogenannten Null-Nummer eines Landesgesetzblattes, und diese wird dann S.D. dem Landesfürsten zur Sanktion gemäss Art. 9 der Verfassung vorgelegt. Sobald S.D. der Landesfürst die Sanktion, die durch Unterzeichnung des Originals dieses Landesgesetzblattes erfolgt, vorgenommen hat und dieses Dokument der Regierung zurückerstattet hat, veranlasst die Regierung die Publikation im Landesgesetzblatt.Betreffend die Nichtsanktionierung gibt es naturgemäss relativ wenig Praxis, weil das ausserordentlich selten vorkommt. Mir sind jetzt im Moment zwei Fälle bekannt, wo der jeweilige Landesfürst, weil er aus bestimmten Gründen einen Gesetzesbeschluss nicht sanktionieren wollte, dies, nachdem ihm diese sogenannte Null-Nummer vorgelegt wurde, der Regierung mitgeteilt hat. Die Regierung hat das zur Kenntnis genommen, natürlich auch Landtag und Öffentlichkeit informiert. Das war beim bekannten Beispiel eines Jagdgesetzes so anfangs der 60er Jahre und das war so bei einer Abänderung des Strassenverkehrsgesetzes -ich glaube im Jahre 1996 -, wo S.D. der Landesfürst sehr treffend, wie ich meine, darauf hingewiesen hat, dass der Landtag da übersehen hat im Hinblick auf den zu erwartenden In-Kraft-Tretens-Zeitpunkt, dass hier ja eine neue Strafbestimmung mit rückwirkender Wirkung eingeführt würde, was gegen einen entsprechenden Grundsatz des Strafrechtes gesprochen hätte.Anders hat es sich bisher abgespielt - darum auch diese etwas umständliche Vorgangsweise mit dieser Korrespondenz, die ich Ihnen zugestellt habe - bei diesem Staatsgerichtshofgesetz. Ich habe mich schon im Jahre 1993 mehrfach interessiert und bei der Regierung angefragt, was denn mit diesem Gesetzesbeschluss nun sei, nachdem S.D. der Landesfürst damals offenbar nie ausdrücklich gegenüber der Regierung oder gegenüber wem auch immer eine Erklärung dahingehend abgegeben hat, dass er nicht gedenke, dieses Gesetz zu sanktionieren. Nach meinem Informationsstand wurde ihm nach der üblichen Praxis ein Vorabdruck - das was ich vorher als Null-Nummer bezeichnet habe - dieses Gesetzesbeschlusses zugestellt. Er hat dann, mehr oder weniger, darauf nicht reagiert, zumindest nach aussen hin, nicht gegenüber der Regierung, und dieser Zustand blieb - von informellen Kontakten und Gesprächen, die ich jetzt nicht wiedergeben will, weil es auch zu weit führen würde, abgesehen - blieb dieser Zustand mehr oder weniger bis zum Sommer diesen Jahres so, bis dann der Herr Regierungschef über Anregung aus Kreisen des Landtages S.D. den Landesfürsten auf diesen Punkt einmal angesprochen hat, ob man nicht der guten Ordnung halber, eben wegen dieser jetzt vorliegenden Gesetzesvorlage, klar und unzweideutig feststellen könnte, dass er nicht gedenke, diesen seinerzeitigen Gesetzesbeschluss zu sanktionieren.Das hat dann zum Brief vom 26. August 1998 geführt, der Ihnen vorliegt, und zu meiner Antwort und zum neuerlichen Schreiben des Fürsten vom 7. September 1998, der Ihnen ebenfalls vorliegt. Der Herr Regierungschef hat ja zudem, wie Sie sich erinnern werden, in der September-Sitzung des Landtages noch über ein Gespräch mit dem Fürsten berichtet, aus dem sich unzweideutig ergab, dass der Fürst entschieden hat, diesen Gesetzesbeschluss nicht zu sanktionieren. Sie können natürlich fragen, wie Sie auch richtig schon gefragt haben, Herr Abg. Beck: Wie wird das in den Akten festgehalten? Eine Regelung dazu gibt es nicht. Ich habe mir vorgestellt, nachdem das September-Protokoll, in dem diese Aussage des Herrn Regierungschefs, die ich gerade erwähnt habe, enthalten ist, in der jetzigen Sitzung des Landtages genehmigt wurde und damit ein genehmigtes Protokoll vorliegt, ich habe mir vorgestellt, S.D. dem Landesfürsten einen Brief zu schreiben, auf diese Ausführungen im Landtag des Herrn Regierungschef hinzuweisen und auf die aus der Behandlung von Staatsgerichtshofgesetzabänderungen zum Ausdruck kommende Ansicht des Landtages, dass damit definitiv von einer Nichtsanktionierung dieses seinerzeitigen Gesetzesbeschlusses auszugehen sei. Das ist alles, was ich machen kann. Diesen Brief werde ich auch der Regierung in Kopie zustellen. Ich nehme an, ich hoffe, dass die Regierung ihn im Akt über dieses Staatsgerichtshofgesetz oder über diesen Plan eines neuen Staatsgerichtshofgesetzes 1992 deponieren wird. Andere Möglichkeiten dazu sehe ich nicht.Abg. Rudolf Lampert:
Herr Präsident. Gab es bei den früheren Nichtsanktionierungen formelle Akten, dass beispielsweise der Landtag das nochmals traktandiert hat, um die Nichtsanktionierung zur Kenntnis zu nehmen? Wie hat sich das dann abgespielt?Landtagspräsident Peter Wolff:
In dieser Form gab es das meines Wissens nicht, sondern der Landtag oder auch die Regierung als Antragstellerin hat dann jeweils in der Form darauf reagiert, dass man unter Berücksichtigung der Bedenken oder der Gründe des Fürsten, die zur Nichtsanktionierung geführt haben, eben eine andere oder eine abgeänderte Gesetzesvorlage behandelt und verabschiedet hat. So z.B. im Falle des Jagdgesetzes, so grundsätzlich auch im Falle des Strassenverkehrsgesetzes. Wir haben damals von der Regierung eine Neuvorlage bekommen, haben die auch in 1. Lesung behandelt, aber in der Zwischenzeit ist sie in irgendeiner Schublade der Regierung verschwunden und ward nicht mehr gesehen. Also ich nehme an, sie wird schon noch einmal kommen. Aber das hat mit dieser Frage der Sanktionierung an und für sich nichts zu tun und mit der Frage der Kenntnisnahme.Eine "nur" formelle Kenntnisnahme einer Nichtsanktionierung ohne einen neuerlichen Antrag, das hat es meiner Meinung nach noch nie gegeben und das istin unserer Geschäftsordnung auch nicht vorgesehen. Denkbar wäre es schon. Wenn der Fürst z.B. die Regierung formell informiert, er habe beschlossen, diesen Gesetzesbeschluss nicht zu sanktionieren, wäre es durchaus denkbar, wenn die Regierung daraufhin den Landtag ohne irgendeinen sonstigen neuen Antrag zu diesem Thema über diesen Vorgang informiert, dass der Landtag das in seiner öffentlichen Sitzung zur Kenntnis nimmt. Das wäre ein denkbarer Vorgang, der aber meines Wissens noch nie vorgekommen ist, eben deshalb nicht, weil die Reaktion bisher immer die war, dass man das nicht nur zur Kenntnis genommen hat, sondern das gleich mit einem neuen Akt der Gesetzgebung verbunden hat.Abg. Alois Beck:
Wir haben jetzt festgestellt, dass hier doch gewisse Rechtsunsicherheiten bestehen, und ich gehe deshalb davon aus, dass diese auch im Zuge der Diskussion über die Verfassung Eingang finden werden.Landtagspräsident Peter Wolff:
Das wurde diskutiert in der Verfassungskommission, auch im Gespräch mit S.D. dem Landesfürsten. Es hat sich dabei herausgestellt, dass S.D. der Landesfürst diesbezüglich keinen Handlungsbedarf sieht, nämlich Handlungsbedarf im Hinblick auf eine Texterweiterung der Verfassung. Und in den Textvorschlägen der Verfassungskommission - wenn ich sie jetzt richtig im Kopf habe - die dem Fürsten am 1. Juli 1998 übermittelt wurden, ist diesbezüglich, glaube ich, auch nichts enthalten. Also, andere Mitglieder der Verfassungskommission mögen mich verbessern, ich habe es jetzt nicht anders im Kopf. Wir sind dabei davon ausgegangen, dass dies schon von der Häufigkeit her, aber auch sonst, kein so dringendes Problem ist, das also unbedingt einer ausdrücklichen Regelung in der Verfassung bedarf. Es sollte in der Regel ohne Schwierigkeiten abklärbar sein, ob der jeweilige Landesfürst ein Gesetz sanktioniert oder nicht. Ich meine, man kann ja auch rückfragen. Wir haben hier vielleicht den Fehler gemacht, wie auch immer, dass wir viele Jahre lang nie formell rückgefragt haben, sondern erst im Sommer/Herbst 1998 formell auf dieses Thema zurückgekommen sind.Abg. Norbert Bürzle:
Herr Präsident, um noch auf die Frage des Abg. Rudolf Lampert einzugehen: Wie ich mich erinnere, hat der Landesfürst bei der damaligen Jagdgesetzvorlage ein Schreiben verfasst, in dem er sinngemäss ausgedrückt hat, dass er sich nicht in der Lage gesehen habe, diese Verfassungsänderung, die ja notwendig gewesen wäre, um diese Jagdgesetzvorlage einzuführen, eben diese Verfassungsvorlage zu sanktionieren. Gleichzeitig hat er dann aber gemäss Art. 64 von seinem InitiativrechtGebrauch gemacht und die Regierung beauftragt, eine neue Gesetzesvorlage dem Landtag vorzulegen.Abg. Alois Beck:
Ich möchte nur kurz auf Ihre Ausführungen, Herr Präsident, eingehen. Ich glaube nicht, dass man sagen kann, das hat nicht so eine Dringlichkeit, weil doch erwartet werden darf, dass solche Fälle nicht häufig vorkommen. Es stimmt sicher, dass solche Fälle nicht häufig vorkommen; aber ich glaube doch, im Interesse der Rechtssicherheit sollte es auch solche Unklarheiten zu vermeiden gelten. Wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass es unter Umständen nur einen Anlassfall braucht, um Schwierigkeiten zu produzieren. Also dieses Argument sticht für mich jetzt nicht.Landtagspräsident Peter Wolff:
Wir dürfen schon nicht übersehen, Herr Abg. Beck, dass die Hauptfrage, die durch Art. 9 der Verfassung geregelt wird, klar geregelt ist, und dass es hierzu auch keine Rechtsunsicherheit gibt. Solange ein Gesetz nicht von S.D. dem Landesfürsten sanktioniert ist, ist es nicht rechtsgültig erlassen. Das gilt auch hier für diesen Gesetzesbeschluss des Landtages vom 11. November 1992 betreffend Erlassung eines neuen Staatsgerichtshofgesetzes. Es steht völlig unzweideutig fest, dass dieses Gesetz, dieser Gesetzesbeschluss des Landtages nie in Kraft getreten ist.Der Anlass für die Debatten hier und die Korrespondenz, die ich da geführt habe, war ja nur der, dass man sich überlegt hat: Wenn wir jetzt eine Abänderung des alten, bisherigen Staatsgerichtshofgesetzes aus dem Jahr 1925 beschliessen, könnte dann gewissermassen überholend der Landesfürst - allenfalls theoretisch sogar ein späterer Landesfürst -irgendwann einmal hergehen und könnte sagen: Ja, da ist ja noch dieser Gesetzesbeschluss des Landtages da vom 11. November 1992, jetzt habe ich es mir überlegt, jetzt sanktioniere ich den.Das wäre ein, zumindest für den Landtag als Mitgesetzgeber, unbefriedigender Zustand, wenn das immer so in der Schwebe wäre, wenn der Fürst als Staatsorgan also, solange er nicht ausdrücklich gesagt hat: "Nein, das sanktioniere ich nicht", wenn er dann immer noch, auch nach vielen Jahren noch, die Möglichkeit hätte, auf das zurückzukommen. Das hat uns ja veranlasst, hier den Wunsch nach einer klaren Äusserung zum Ausdruck zu bringen. Ich glaube - bitte da können Sie natürlich anderer Meinung sein - aber ich bin der Ansicht, dass die erwähnten Äusserungen teils brieflicher, teils mündlicher Art gegenüber dem Regierungschef durchaus diese Klarheit gebracht haben. Ich habe auch im Sinn, im erwähnten Brief an den Landesfürsten festzuhalten, dass damit nach Ansicht des Landtages dieses Geschäft erledigt ist, auch von seiten des Fürsten durch ausdrücklicheNichtsanktion, so dass Rechtssicherheit in der Hinsicht besteht, dass dieses Geschäft auch zukünftig nicht mehr einseitig aufgegriffen werden kann. Wenn man doch einmal eine derartige Revision des Staatsgerichtshofgesetzes, eine Gesamtrevision, durchführen will, dann wird man das neuerlich durch die ganze Gesetzgebungsmaschinerie laufen lassen müssen.Wenn das Wort nicht mehr gewünscht wird, dann können wir die 1. Lesung durchführen.Eine Frage hätte ich noch an die Regierung, bevor wir die 1. Lesung durchführen, mehr zur Information. Diese Abänderung des Staatsgerichtshofgesetzes, die ja hier zur Debatte steht, dient zur Umsetzung dieses Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, dem der Landtag da seine Zustimmung erteilt hat. Mich würde interessieren, ob das Land Liechtenstein zwischenzeitlich diesem Pakt bereits beigetreten ist.Regierungsrätin Andrea Willi:
Danke, Herr Präsident. Guten Morgen. Die Regierung ist derzeit daran, die Ratifikationsurkunden vorzubereiten. Die Frist für das Staatsvertragsreferendum ist ungenutzt abgelaufen. Wir möchten an und für sich diese Urkunden auf den 10. Dezember hinterlegen. Der 10. Dezember ist der 50. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung zu den Menschenrechten. Dieses Jahr ist ein besonderes Menschenrechtsjahr und es würde Liechtenstein sehr wohl anstehen, an diesem Tag diese Pakte zu hinterlegen. Sie haben nun, glaube ich, Eintreten beschlossen. Damit ist davon auszugehen, dass der Landtag dieser Änderung zustimmen wird. Ich werde der Regierung beantragen, diese Ratifikationsurkunden am 10. Dezember zu hinterlegen. Vielen Dank.Landtagspräsident Peter Wolff:
Dann führen wir die 1. Lesung durch.Art. 23 wird verlesen.
Landtagspräsident Peter Wolff:
Art. 23, die Sachüberschrift und Bst. c steht zur Diskussion. Sie wird nicht benützt.
II. wird verlesen.
Landtagspräsident Peter Wolff:
II. steht zur Diskussion. Sie wird nicht benützt.
Landtagspräsident Peter Wolff:
Damit haben wir die 1. Lesung dieses Gesetzes beendet. Damit wir halbwegs im Gleichschritt mit der Regierung bleiben, beabsichtige ich, die 2. Lesung bereits in der Dezember-Sitzung durchzuführen. Ich ersuche den Herrn Landtagssekretär, dies entsprechend vorzumerken.-ooOoo-