Abänderung des Personen- und Gesellschaftsrechts (Verantwortlichkeit von Gesellschaftsorganen) (Nr. 4/2012); 1. Lesung
Landtagspräsident Arthur Brunhart
Meine Damen und Herren Abgeordnete, wir setzen unsere Beratungen in öffentlicher Sitzung fort. Wir kommen zu Traktandum 27: Abänderung des Personen- und Gesellschaftsrechts.
Der Bericht und Antrag der Regierung Nr. 4/2012 steht zur Diskussion. Wir behandeln diese Vorlage in 1. Lesung.Abg. Thomas Vogt
Danke, Herr Präsident. Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete. Mit der gegenständlichen Vorlage soll das Verantwortlichkeitsrecht bei Gesellschaftsorganen abgeändert bzw. differenziert ausgestaltet werden. Die solidarische Haftung soll um das Prinzip der Differenziertheit ergänzt werden. Dies bedeutet, dass jede einzelne von mehreren haftpflichtigen Personen nur insoweit haftbar ist, als ihr der Schaden aufgrund ihres eigenen Verschuldens auch persönlich zuzurechnen ist. Dies ist sicherlich begrüssenswert. Jedoch ist für mich nunmehr nicht abschliessend klar, wie nun die Differenzierung der solidarischen Haftung bei den einzelnen Gesellschaftsorganen vorgenommen werden soll. Diesbezüglich stellen sich für mich insbesondere die folgenden Fragen:- Haftet ein Organ unabhängig vom Grad seines eigenen Verschuldens für den gesamten Schaden? Hier ist insbesondere an Fälle zu denken, bei welchen ein Organ vorsätzlich, vielleicht sogar mit krimineller Energie einen Schaden verursacht hat und ein weiteres Mitglied ausschliesslich leicht fahrlässig seine Überwachungspflichten verletzt hat. Sind in einem solchen Falle beide Organe, das vorsätzlich Handelnde und das leicht fahrlässig Handelnde, für den gesamten Schaden verantwortlich?
- Haftet ein Organ für den Schaden, den es nicht adäquat mitverursacht hat?
- Wer trägt betreffend das Haftungskriterium des Verschuldens die Beweislast? Ist dies der potenziell Geschädigete oder der Schädiger bzw. der Kläger oder der Beklagte?
Diese Vorlage wurde seitens der Vernehmlassungsteilnehmer grösstenteils begrüsst. Auch ich bin der Ansicht, dass ein Organ solidarisch ausschliesslich für den Schaden in Verantwortung gezogen werden soll, für welchen dieses Organ auch ein Mitverschulden trägt und bin folglich für Eintreten auf diese Vorlage. Danke. Landtagspräsident Arthur Brunhart
Danke.Abg. Christian Batliner
Danke, Herr Präsident. Ich kann mich dem anschliessen. Die Vorlage basiert auf einem Urteil des Obersten Gerichtshofes, wo in einem Haftungsfall in Analogie zum Schweizer Recht auf die differenzierte solidarische Haftung zurückgegriffen wurde. Die Vorlage stellt in dem Sinne nichts anderes dar als die Umsetzung einer Rechtsprechung. Ähnliches oder dasselbe haben wir ja vor rund zwei Jahren bei der Implementierung der Business Judgement Rule gemacht. Ob es das effektiv braucht, bin ich mir nicht ganz sicher oder habe ich nicht geprüft, aber ich begrüsse es auf alle Fälle, dann ist das ein für alle Mal klargestellt und dann haben wir das im Gesetz und hängt das nicht von einzelnen Urteilen ab. Denn das schafft Rechtssicherheit für die betroffenen Personen, die in einem Kollegialorgan Einsitz nehmen. Denn diese sollen nur für eigenes Verschulden in die Haftung genommen werden können. Selbstverständlich müssen aber auch die weiteren Haftungsvoraussetzungen, wie Kausalität, Rechtswidrigkeit oder Schaden, gegeben sein.
Die Frage, die sich mir stellt, und das zielt dann in dieselbe Richtung wie die Fragen vom Kollegen Vogt ab: Das schweizerische Recht kennt weitere Absätze und ich weiss nicht, warum diese nicht übernommen wurden. Gemäss Art. 759 des schweizerischen Obligationenrechtes heisst es im Abs. 1 am Schluss: «Aufgrund ihres eigenen Verschuldens unter Umständen persönlich zurechenbar sind». Vielleicht ist das eine Selbstverständlichkeit, aber ich frage mich, wieso man das nicht gerade auch aufgenommen hat. Und das schweizerische Recht kennt noch einen Abs. 2 und einen Abs. 3. Und dort heisst es - Abs. 2 nach schweizerischem Art. 759 OR lautet wie folgt: «Der Kläger kann mehrere Beteiligte gemeinsam für den Gesamtschaden einklagen und verlangen, dass der Richter im gleichen Verfahren die Ersatzpflicht jedes einzelnen Beklagten festsetzt». Und Abs. 3 heisst dann: «Der Rückgriff unter mehreren Beteiligten wird vom Richter in Würdigung aller Umstände bestimmt». Ich denke, das wäre eine wichtige Klarstellung oder ich sehe den Grund nicht, warum man das nicht implementiert hat. Und da wäre ich froh, wenn die Regierung hierzu Ausführungen machen könnte. Danke.Landtagspräsident Arthur Brunhart
Danke. Ich gebe das Wort an Frau Regierungsrätin Aurelia Frick.Regierungsrätin Aurelia Frick
Herr Präsident, Damen und Herren Abgeordnete. Besten Dank für Ihre Fragen und die positive Würdigung. Ganz vorweg: Warum hat man diese Regelung trotzdem gemacht oder warum liegt diese Vorlage trotzdem vor uns, obwohl es einen Gerichtsentscheid in diesem Bereich gibt? Der gegenständliche Revisionsvorschlag ist meines Erachtens nicht überflüssig, sondern er dient einer deutlichen Verbesserung der Rechtssicherheit betreffend die Haftung der Organe von Verbandspersonen. Ich glaube, dass wir mit der gegenständlichen Vorlage definitiv zur Rechtssicherheit bei uns beitragen, damit wir nicht nur - das meine ich jetzt nicht abschätzig - aber nicht nur auf die Rechtsprechung zurückgreifen müssen.
Dann komme ich zu den Fragen des Abg. Vogt, der insbesondere auf die Schadensregelungen in unserem ABGB abzielt. Sie fragen, ob vorsätzliches Handeln oder fahrlässiges Handeln vorliegen muss oder soll, damit es zu einer solchen Schadensregelung kommen kann, damit diese Solidarität eben greift oder nicht greift. Hier möchte ich vorwegnehmen: An den Schadensregelungen, die weiter hinten im ABGB bei einem 1000er-Artikel geregelt sind, änden wir nichts. Also die Schadensregelungen bleiben bestehen, so wie sie heute sind. Im vorliegenden Vorschlag geht es lediglich darum, dass wir eine differenzierte solidarische Haftung haben. Diese braucht ein persönliches Verschulden des Organs. Und wenn das Verschuldem dem Organ zurechenbar ist, dann kann unter Umständen sogar ein fahrlässiges Handeln genügen, wenn das Verschulden zurechenbar ist. Vorsätzliches Handeln sollte auf jeden Fall darunterfallen.
Dann die Frage, ob es einen Kausalzusammenhang braucht: Damit jemand zu Schadenersatzleistungen gezogen werden kann, braucht es auf jeden Fall einen Kausalzusammenhang. Wir schrauben hier also nicht an den Schadensregelungen, sondern wir schrauben an der Frage: Wie weit ist ein Organ in welchem Zeitpunkt solidarisch haftbar? Und hier sagen wir: Nur dann, wenn es dem Organ zurechenbar ist. Dass diese Zurechenbarkeit sicher auch einer Auslegung bedarf, das ist mir völlig klar.
Dann wurde die Frage gestellt, warum die Abs. 2 und 3 des Art. 759 - wir haben ja aus dem Obliagationenrecht aus der Schweiz den Art. 759 sozusagen rezipiert - und warum die Absätze 2 und 3 nicht mit übernommen wurden: Das wurde in der Arbeitsgruppe übrigens eingehend diskutiert. Man ist dann zum Ergebnis gekommen, um das vorwegzunehmen, dass eine Übernahme dieser Bestimmungen zu Unstimmigkeiten in der Systematik unseres ABGB geführt hätte. Der Grund liegt darin und das habe ich vorhin schon gesagt, dass die allgemeinen Grundsätze des Schadenersatzrechtes von Österreich übernommen wurden. Diese sind im § 1229 ff. geregelt. Also in diesen 1000er Paragrafen finden sich im Ergebnis dann auch die Bestimmungen, welche im Endeffekt zu vergleichbaren Ergebnissen führen, wie es in der Schweiz dieser Abs. 2 und 3 des Art. 759 tut.
Bei diesem Grundsatz des Schadenersatzrechts handelt es sich um einen gefestigten Rechtsbestand. Eine Übernahme der beiden Absätze aus dem Schweizer Recht respektive eine Änderung der Paragrafen in unserem ABGB wäre dann wahrscheinlich eine Änderung des § 1302 ff. im ABGB gewesen, würde zu einer Divergenz zu den bestehenden Grundlagen im Schadenersatzrecht führen. Und das würde wiederum zu Schwierigkeiten in der Rechtsanwendung bei uns führen. Deshalb hat sich die Arbeitsgruppe nach einer entsprechenden, eingehenden Prüfung dafür entschieden, eine solche Vermischung der Rezeptionsgrundlage nicht vorzunehmen. Sie hat mir das auch so empfohlen und ich konnte diesen Ausführungen der Arbeitsgruppe folgen.Landtagspräsident Arthur Brunhart
Besten Dank für Ihre Ausführungen.Abg. Thomas Vogt
Danke, Herr Präsident. Frau Regierungsrätin Frick, ich wäre Ihnen dankbar, im Sinne der Rechtssicherheit bzw. um diese zu stärken, wenn Sie Ihre Antworten und allenfalls auch noch Ergänzungen dazu in die Stellungnahme der Regierung mit einfliessen lassen könnten. Danke.Abg. Christian Batliner
Danke, Herr Präsident. Ja, ich wollte gerade auch dasselbe anregen, damit das einfach für die Praxis nachher klar ist. Weil mit dieser differenzierten solidarischen Haftung wird ja aufgeteilt, wer innerhalb eines Kollegialorganes für was haftbar sein soll. Grundsätzlich nur für das eigene Verschulden. Aus dem Bauch heraus muss man dann ja auch die Möglichkeit haben, vor allem der Richter, dass er das irgendwie aufteilen kann. Aber ich habe mir das jetzt nicht bis ins letzte Detail überlegt. Die Arbeitsgruppe hat da sicher ihre Arbeit gemacht, aber ich denke, für die Praxis wäre das sehr wichtig, wenn das in den Gesetzesmaterialien aufscheint, was die Hintergründe gewesen sind, warum man das nicht macht. Einfach, dass das dann klar ist. Danke.Landtagspräsident Arthur Brunhart
Danke.Regierungsrätin Aurelia Frick
Besten Dank. Einfach um es nochmals zu sagen: Es ist nur das zurechenbare Verschulden für das jeweilige Organ, für das er den Schaden trägt. Also es ist nur das Zurechenbare und nicht eine absolute Solidarität, so wie wir es heute in unserem Gesetzesbestand haben. Ich werde Ihnen noch etwas den Hintergrund dazu geben: Wir hatten ja lange ein ausserordentlich liberales Gesellschaftsrecht in Liechtenstein. Damals hat man eigentlich gesagt, dass diese sehr liberale Grundhaltung, wo die Solidarität eigentlich absolut greift, auch wenn man kein Verschulden dem einzelnen Organ zurechnen kann, dass dieses eigentlich greifen soll und dass das eine Korrektur zu diesem sehr liberalen Gesellschaftsrecht ist. Aber heute haben sich die Dinge etwas geändert. Unser Gesellschaftsrecht ist nicht mehr so liberal wie es noch vor Jahren war. Deshalb erachte ich es auch persönlich als richtig, hier mit dem Trend mitzugehen, etwas aufheben in der Liberalität im Gesellschaftsrecht und auf der anderen Seite etwas Gewicht für diese differenzierte Solidarität geben. Ich kann das gerne für die nächste Lesung ausführen, damit wir auch Materialien zu diesem Thema haben und hier Rechtsklarheit herrscht.Landtagspräsident Arthur Brunhart
Besten Dank für Ihre Ausführungen.Abg. Christian Batliner
Dafür wäre ich sehr dankbar. Klar knüpfen wir am Verschulden an und eine rechtswidrige Handlung muss hier auch gegeben sein. Es müssen ja sämtliche Haftungsvoraussetzungen gegeben sein, aber dann kommen wir zur Kausalität. Ist das Verschulden, wenn jetzt ein Mitglied eines Verwaltungsrates ein grösseres Verschulden hat wie ein anderes, ist einer, der ein ganz geringes Verschulden hat, ist das dann kausal? Es kann ja auch in einem gewissen Sinne kausal für den Schaden gewesen sein, obwohl ein sehr geringes Verschulden vorliegt. Und dann ist die Frage, wenn es kausal ist: Muss er dann den gesamten Schaden mittragen, obwohl er ein sehr geringes Verschulen hat? Ich denke, das ist sehr wichtig, dass da klare Ausführungen für die Praxis kommen, weil Haftungsfälle kommen immer wieder vor und das wäre sehr gut. Ich glaube, es ist klar. Danke.Abg. Thomas Vogt
Danke, Herr Präsident. Ich möchte diesbezüglich den Abg. Batliner unterstützen. Das ist sicher wichtig.
Dann noch zu meiner dritten Frage: In Bezug auf die Beweislast wäre ich Ihnen einfach dankbar, wenn Sie das auch auf die 2. Lesung bzw. in die Stellungnahme mit aufnehmen, wer in Bezug auf das Verschulden die Beweislast trägt. Ist dies der Kläger oder ist es der Beklagte? Danke.Landtagspräsident Arthur Brunhart
Danke. Die Regierung wird das so aufnehmen.
Gibt es weitere Wortmeldungen?
Das ist nicht der Fall. Nachdem Eintreten unbestritten ist, können wir die 1. Lesung der Regierungsvorlage vornehmen. Art. 226 Abs. 2 wird verlesen.
Landtagspräsident Arthur Brunhart
Art. 226 Abs. 2 steht zur Diskussion.
Sie wird nicht benützt. Wir können weiterlesen.
II. wird verlesen.
Landtagspräsident Arthur Brunhart
II. steht zur Diskussion.
Sie wird nicht benützt.
Landtagspräsident Arthur Brunhart
Damit haben wir die Abänderung des Personen- und Gesellschaftsrechts in 1. Lesung behandelt und gleichzeitig Traktandum 27 abgeschlossen.-ooOoo-