BESCHLUSS NR. 42/99 DES GEMEINSAMEN EWR-AUSSCHUSSES (ELTERNURLAUB) (NR. 59/1999)
Landtagspräsident Peter Wolff:
Wir kommen zu Punkt 22 des Traktandums: Beschluss Nr. 42/99 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses vom 26. März 1999 betreffend Elternurlaub. Bericht und Antrag der Regierung steht zur Diskussion.
Regierungschef-Stellvertreter Michael Ritter:
Herr Präsident. Ich möchte zwei Vorbemerkungen machen. Zum einen haben wir eine Richtlinie verteilen lassen, die den Einbezug des Vereinigten Königreichs Grossbritannien und Nordirland in diese Richtlinie betrifft. Zum anderen möchte ich einen Fehler korrigieren: Bericht und Antrag auf Seite 7, wo es heisst, dass die Regierung den Vernehmlassungsbericht in ihrer Sitzung vom 25. Mai bereits genehmigt hätte. Dem ist nicht so. Die Regierung hat diesen Vernehmlassungsbericht aus zeitlichen Gründen noch nicht verabschiedet. Wir werden dies voraussichtlich noch vor der Sommerpause tun. Bitte entschuldigen Sie dieses Versehen auf Seite 7 oben. Es war geplant, den Bericht schon zu verabschieden. Wir sind aber noch nicht dazu gekommen.
Abg. Marco Ospelt:
Herr Präsident, meine Damen und Herren, guten Morgen. Ich begrüsse es, Regelungen zum Elternurlaub und auch zum Pflegeurlaub in unserem nationalen Recht einzuführen. Dass dieser Gedanke beschleunigt wird durch bestehende EWR-Regelungen, die wir zu übernehmen haben, stört mich nicht, im Gegenteil. Was mich hingegen an der Vorlage stört und erstaunt, ist die Äusserung der Regierung, sie wolle nur die Mindestanforderungen dieser Richtlinie umsetzen. Wo bleibt hier ihr Bekenntnis zur Familie, die sie als Keimzelle des Staates schützen und fördern wolle? Wo bleibt ihr Engagement für die Gleichstellung? Wo bleibt ihr Bemühen um die Bedürfnisse jener Paare, die sich bemühen, die Lasten von Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen und partnerschaftlich zu teilen?Wenn wir der Regierung in ihrem Minimalismus folgen, dann machen wir die schöne Debatte von gestern zur Makulatur. Unser Staat hat Geld im Überfluss und wir haben gestern uns dahingehend geäussert, dass dieses Geld auch den Bürgern zugute kommen soll. Hier, bei dieser Vorlage, hätte die Regierung eine Möglichkeit, Familienpolitik zu betreiben und die Lasten unserer Familien zu erleichtern. Ich weiss, Sie werden einwenden, kürzlich sei in der Schweiz eine Vorlage zur Mutterschaftsversicherung abgelehnt worden. Hier geht es aber nicht um dasselbe, hier geht es um einen Elternurlaub, der im Prinzip unbezahlt bleiben soll. Ich weiss, Sie werden einwenden, kleine und mittlere Betriebe würden Mühe haben, einen Elternurlaub ihren Arbeitnehmern zuzugestehen, der über diese Minimalanforderungen hinausgeht. Ja, ich würde sogar sagen, Kleinbetriebe werden Mühe haben mit diesen Minimalanforderungen. Aber gerade hier ist meiner Meinung nach der Staat gefordert, den Familien unter die Arme zu greifen und diesen Klein- und Mittelbetrieben unter die Arme zu greifen, die ja in unserer Wirtschaft eine so wichtige Rolle spielen. Hier wäre auch ein Ansatz für Strukturpolitik der Regierung, die wir gestern bemängelt haben.Ich bin froh, dass dieser Vernehmlassungsbericht durch die Regierung noch nicht verabschiedet ist, und ich möchte ihr wärmstens empfehlen, auf ihren Entscheid, hier nur minimal tätig zu werden, zurückzukommen und sich das noch einmal gut zu überlegen.
Abg. Paul Vogt:
Ich möchte in das gleiche Horn stossen wie mein Vorredner. Ich finde den Elternurlaub selbstverständlich eine gute Sache und ich werde dem Beschluss auch zustimmen. Ich bedauere allerdings ebenfalls, dass die Regierung hier offenbar nur im Sinn hat, europäische Minimalstandards für den Elternurlaub zu verwirklichen. Wir haben in diesem Haus schon oft in schönen Worten über Frauenförderung gesprochen, über Familienförderung gesprochen, wir haben verlangt, dass Familie und Beruf vereinbart werden können müssen. Wir haben davon gesprochen, dass die Nachteile im Lebensstandard von Familien beseitigt werden müssen, Nachteile gegenüber Einzelverdienenden, die für keine Familie zu sorgen haben. Ich glaube, solchen Worten muss man auch Taten folgen lassen.Ich möchte hier auch klar die Forderung ankündigen, dass das Minimum aus unserer Sicht ein Jahr bezahlter Elternurlaub ist. Es ist für Psychologen unbestritten, dass vor allem im ersten Lebensjahr das Urvertrauen des Kindes geprägt wird und erworben werden muss. Dieses erste Lebensjahr ist ganz entscheidend. Aber auch darüber hinaus muss eben die Beziehung Eltern-Kind gepflegt werden. Das Kind muss eine Umgebung haben, in der es sich wohl fühlt, in der es integriert wird, und damit werden auch langfristige Schäden vermieden. Das ist Ihnen alles bekannt, ich brauche das nicht weiter auszubauen. Ich denke aber, dass es trotzdem richtig ist, darauf hinzuweisen, dass dadurch auch längerfristig wieder Kosten eingespart werden können. Wenn eben viele Jugendliche vorhanden sind, die nicht integriert sind, die sich asozial verhalten, dann verursacht das auch ungeheure Kosten. Also für mich wäre es nur ein halbherziger Schritt, der ohne jede innere Überzeugung gemacht wird, wenn es hier beim Minimalstandard von drei Monaten unbezahlter Elternurlaub bliebe. Eine Frage hat der Regierungsvertreter vorweggenommen, nämlich die Frage zum Vernehmlassungsverfahren. Ich habe bereits irritierte Äusserungen bekommen, wieso gewisse Stellen und betroffene Kreise nicht in das Vernehmlassungsverfahren einbezogen wurden. Diese Frage ist geklärt. Es hat einfach durch eine vorschnelle Formulierung im Bericht und Antrag der Regierung gewisse Irritationen gegeben.Ich komme zum Schluss: Viele Familien können sich einen Verdienstausfall von mehreren Monaten nicht leisten. Der Staat hat viel Geld, er hat übervolle Kassen, wie wir gestern gehört haben. Es ist sicher sinnvoll, wenn der Staat hier ein Erziehungsgeld ausschüttet, das denen zugute kommt, die es brauchen.
Abg. Walter Hartmann:
Herr Präsident, meine Damen und Herren, guten Morgen. Hätten wir diese Vorlage auch auf dem Tisch, wenn wir nicht Mitglied des EWR und längst schon wesentlich durch die EU fremdbestimmt wären? Wohl kaum. Dieses Gesetz deckt weniger Bedürfnisse ab, als es Begehrlichkeiten weckt. Es ist für die Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner eher untypisch, die zugegebenermassen durch äusserst günstige Rahmenbedingungen geschaffenen sozialen Strukturen, die gut dotierten finanziellen Reserven und den wohlständigen Staat, für den letztlich jeder hierzulande Verantwortung mitträgt, auszusaugen. Wohl aber leben in diesem Land Menschen, die keine Beziehung zur Geschichte dieses Landes haben, die sich auch nicht erinnern können oder wollen, dass für diesen Wohlstand und das dicht gewobene soziale Netz harte Vorarbeit geleistet werden musste. Das Gesetz wird eine grosse Bandbreite von Reaktionen provozieren, vom Beifall aus der Sicht der Familienpolitik bis zur herben Enttäuschung innerhalb der Wirtschaft, die ich durchaus verstehe. Obwohl sich die Wirtschaft in besonderem Masse für den EWR-Beitritt stark gemacht hat und nun auch die gleich langen Spiesse auf der Pflichtenebene akzeptieren muss. In ihrer Stellungnahme im Vaterland vom 15. Juni dieses Jahres macht sich die Freie Liste lächerlich über den Elternurlaub à la Liechtenstein und fordert wie immer mehr, so z.B. sich an Deutschland und Österreich zu orientieren. Ich frage mich, ob es sinnvoll ist, sich an Staaten zu orientieren, die durch Unverhältnismässigkeiten in ihrer Sozialpolitik den Ruin heraufbeschworen haben. Die Freie Liste fordert weiters Unkündbarkeit und Arbeitsplatzgarantie, Elternurlaub für mindestens ein Jahr und löst das Unternehmerproblem damit, dass urlaubende Fachkräfte für die entsprechende Zeit durch Arbeitslose ersetzt werden. Dieser Lösungsansatz steht im krassen Widerspruch zur Maxime der Wirtschaft, durch herausragende Qualität auf allen Märkten und in allen Sparten konkurrenzfähig zu sein und zudem rentabel zu operieren. Bisher war ich der Auffassung, dass es im natürlichen Bedürfnis des Menschen liegt, sich ein Refugium der Geborgenheit und Sicherheit in der familiären Struktur zu suchen, um letztlich auch die Basis für einen gut funktionierenden staatlichen Organismus im Sinne einer Gemeinschaft zu bilden, Kinder zu haben und Verantwortung zu übernehmen und den soziokulturellen Fortbestand als Schöpfungsauftrag zu erfüllen. Stattdessen stellen wir immer mehr Ansprüche an den Gesetzgeber und das soziale Netzwerk, um immer mehr Verantwortung zu delegieren. Dadurch machen wir uns immer abhängiger von politischen Strukturen, auf die wir ohnehin keinen Einfluss mehr haben. Dazu sind wir auch bereit, die Stabilität der Wirtschaft einer harten Prüfung zu unterziehen, was besonders für kleinere und mittlere Betriebe existentielle Bedeutung erlangen könnte. Im Sinne der Gleichheit der Chancen wird der nächste Schritt sein, dass die Bezahlung des Elternurlaubs bei Garantie des Arbeitsplatzes gefordert wird. Das ist der Beginn einer Forderungsspirale, die bald an die Grenze der Vernunft und der Finanzierbarkeit stossen wird. Ich frage mich, wie früher die Familien mit teilweise mehr als zehn Kindern diese sozialen Ungerechtigkeiten überlebt haben, wobei der überwiegende Teil dieser Nachkommen erfolgreiche, tüchtige, verantwortungsbewusste Menschen geworden sind. Ich werde den Eindruck nicht los, dass sich die EU bzw. damit auch der EWR langsam zu dem entwickeln, was wir früher entschieden abgelehnt haben, nämlich zu einem sozialistischen Umverteilungsstaat. Bei dieser Entwicklung machen wir offensichtlich freudig und fleissig mit. Ich frage mich, ob wir wirklich jedes Gesetz, das uns von aussen vorgelegt wird, auch übernehmen und umsetzen müssen? Vermutlich müssen wir, wenn wir empfindliche Retorsionsmassnahmen vermeiden wollen. Oder haben wir ganz einfach einmal den Mut zu sagen: So ein Gesetz brauchen wir nicht. Ich sehe auch ein grosses Problem darin, dass wir einen grossen Teil dieser Sozialleistungen aus diesem Gesetz exportieren müssen. Grundsätzlich bin ich dagegen, dass wir uns zu einem Sozialstaat entwickeln und damit entscheidend schwächen. Heute können wir uns den Sozialstaat finanziell wohl leisten, aber wie wird es morgen sein? Vor allem scheint mir, dass die gesunde Gesellschaft der Zukunft nur auf der Basis der höchstmöglichen Eigenverantwortung erfolgreich gedeihen wird. Wenn sich dieses Gesetz nicht vermeiden lässt, so trete ich für die Minimallösung ein.
Abg. Hansjörg Goop:
Herr Präsident. Um es gleich vorneweg zu erwähnen: Ich werde dem Beschluss 42/99 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses meine Zustimmung nicht geben. Meine Nichtzustimmung zu diesem Beschluss begründet sich darin, dass eine solche Richtlinie die Basis zu einer weiteren Sozialisierung des Staates bildet. Obwohl nur von einer minimalen Umsetzung der Richtlinie gesprochen wird, welche keine Lohnfortzahlung während des Elternurlaubs vorsieht, bin ich der Ansicht, dass eine dem Gleichberechtigungsgrundsatz entsprechende Umsetzung nur darauf hinauslaufen kann, dass der Elternurlaub in Zukunft durch staatliche Mittel oder durch den Arbeitgeber bezahlt werden muss. Eine Umsetzung, wie sie in Bericht und Antrag formuliert ist, können sich nur ein paar wenige leisten und daher wird bei Vorliegen eines entsprechenden Gesetzesentwurfes die Forderung nach Lohnfortzahlung während des Elternurlaubes ein wesentlicher Diskussionspunkt sein. Es ist blauäugig zu glauben, dass eine minimale Umsetzung, wie von der Regierung in Bericht und Antrag erwähnt, schlussendlich auch in der Gesetzesvorlage eingearbeitet werden kann. Vielmehr wird es so sein, dass die Lohnfortzahlung während des Elternurlaubes ein absolutes Muss sein wird, da ansonsten die Übernahme der Richtlinie und das daraus resultierende Gesetz für die meisten Anspruchsberechtigten wirkungslos wäre.Ich anerkenne und unterstütze die Chancengleichheit und die Gleichbehandlung der Geschlechter, bin aber der Ansicht, dass nicht alles und jedes auf dem Rücken des Staates und/oder der Arbeitgeber ausgetragen werden darf. Ich vertrete auch die Meinung, dass eine solche Richtlinie und das daraus folgende Gesetz nicht der liechtensteinischen Mentalität entspricht und daher auch keine Forderung darstellt. Vielmehr wird hier eine Richtlinie übernommen, welche die Grundlage für Bedürfnisse schafft, welche nicht im Interesse der liechtensteinischen Bevölkerung liegt.Eine weitere Forderung wird auch die zeitliche Ausweitung des dreimonatigen Elternurlaubs werden. Inwieweit die von der Regierung angeregte Lösung familienpolitisch Sinn macht, mag ich nicht zu beurteilen. Für einen Arbeitgeber wird jedoch die mit dem Elternurlaub verbundene Arbeitsplatzgarantie, egal, ob dies drei Monate oder mehr sind, mit Problemen verbunden sein. Gerade für Klein- und Mittelbetriebe, welche hauptsächlich auf sehr qualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer angewiesen sind, ist dies eine untragbare Lösung.Zum Ersten sind solche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als Teilzeitangestellte nicht leicht zu finden und zum Zweiten müssen diese bei einem dreimonatigen Elternurlaub praktisch nach der Einarbeitungszeit wieder abgelöst werden. Die Kosten für diesen Aufwand trägt dann wiederum der Arbeitgeber. Wie ich bereits eingangs erwähnt habe, werde ich der Vorlage nicht zustimmen. Wie ich aus dem Bericht und Antrag entnehmen kann, wäre Liechtenstein nicht das einzige Land, welches diese Richtlinien nicht übernommen hat, haben doch England und Irland dieser Lösung nicht zugestimmt.
Landtagspräsident Peter Wolff:
Das ist nicht ganz richtig, Herr Abg. Goop. In der heute verteilten weiteren Richtlinie wurden wir darüber informiert, dass diese Elternurlaubrichtlinie für das Vereinigte Königreich Grossbritannien und Nordirland auf 15. Dezember 1999 in Kraft tritt.
Abg. Helmut Konrad:
Im Gegensatz zu meinen Vorrednern werde ich dem Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses meine Zustimmung erteilen. Ich unterstütze das Anliegen einer verbesserten Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ich bin der Überzeugung, dass es wichtig ist, dass Eltern ihre Erziehungsaufgabe wahrnehmen und wahrnehmen können, dass nicht bei immer mehr Familien, in denen, aus welchen Gründen auch immer, beide Eltern vollberuflich tätig sein müssen bzw. tätig sind und dass dann der Staat einseitig nur die Rahmenbedingungen durch Kindertagesstätten, Tagesschulen etc. in diesem Bereich fördert. Ich zweifle allerdings, ob wir mit der Umsetzung dieser Richtlinie allein, zumal eben, wie das die ersten Votanten bei diesem Traktandum aufgezeigt haben, zumal wir uns nach dem, was die Regierung in Bericht und Antrag zum Ausdruck bringt, nur an den Mindestanforderungen der Umsetzung dieser Richtlinie orientieren wollen, dass wir da einen wesentlichen Schritt weiter kommen. Meiner Ansicht nach wäre hier mehr gefragt. Anregungen sind schon gemacht worden in Bezug auf die Umsetzung dieser Richtlinie, aber auch in Richtung Entlastung der Familien, wo es nötig ist, damit eben vielleicht Voraussetzungen geschaffen werden, dass nicht beide arbeiten müssen. Dass Formen von Teilzeitarbeit möglich sind, Formen von Jobsharing möglich sind, das wäre von mir aus gesehen eine aktive Familienpolitik, eine an der Förderung der Familie orientierte Politik. Und hier, denke ich, müssten wir mehr tun. Noch einmal: Nicht nur bei der Umsetzung dieser Richtlinie, sondern auch in die anderen Bereiche, die ich ganz kurz angesprochen habe.
Abg. Volker Rheinberger:
Herr Präsident. Ich finde es eigentlich schade, dass eine im Ansatz doch gute Sache sich bei näherer Betrachtung als problematisch herausstellt, zumindest aus meiner Sicht der Dinge. Wohlgemerkt, ich bin absolut für die Förderung der Familie, für Gleichberechtigung; das ist eine Sache, die man unterstützen soll, die man mit den richtigen Mitteln unterstützen soll. Ich glaube nicht, dass diese Richtlinie hier das wirklich tut und zwar deswegen, weil es einfach bei ganzheitlicher Betrachtung nicht mehr stimmig ist. Hier wird Förderung betrieben in einen Sektor hinein auf Kosten eines anderen Sektors. Diese Argumente wurden bereits gebracht. Für den Arbeitgeber bereitet das ganz klar einen weiteren Schritt Richtung Sozialisierung; diese Richtung wird nicht umkehrbar sein. Es wird nach der "Salamitaktik" ein Scheibchen nach dem anderen weiter abgeschnitten. Wir haben das heute schon gehört, dass die Minimalstandards, die durch diese Richtlinie gefordert sind, nicht genügen würden, dass der Arbeitnehmer gar nicht in der Lage ist, unbezahlten Urlaub zu nehmen. Er kann sich das gar nicht leisten, also muss hier "Papa Staat" einspringen. Ich sehe jetzt schon die Argumente, dass auch noch der Arbeitgeber sich an diesem Kosten dann wohl zu beteiligen haben wird.Dem Arbeitgeber wird es so oder so Kosten verursachen. Die Freistellung von Arbeitnehmern für einen gewissen Zeitraum, auch wenn das dann noch finanziell durch den Staat überbrückt wird, wird für den Arbeitgeber Probleme machen. Es ist einfach ein völlig falsches Argument, wenn man hier noch einbringt, dass unter Umständen noch etwas gegen die Arbeitslosigkeit getan werden könnte, dass Jobsharing gefördert werden könnte. Ich meine, das ist eine reine Illusion.Wir haben heute gerade in unserem Land doch eine sehr spezialisierte Arbeitswelt, d.h., wir brauchen Leute, je länger desto mehr brauchen wir Leute, die auf einem sehr hohen Ausbildungsniveau, auf einem sehr spezifischen Ausbildungsniveau sind. Da finde ich für drei, vier Monate oder für ein halbes Jahr nicht einfach so Ersatz. Wenn ich den Arbeitnehmer freistellen muss für eine bestimmte Zeit, für diesen Elternurlaub oder für einen Pflegeurlaub, werde ich in der Regel keinen adäquaten Ersatz finden. Das meine ich, sollte man einfach hier bedenken. Hier wird Sozialpolitik betrieben auf dem Buckel Einzelner. Das finde ich schade. Man müsste wirklich auch gleichzeitig und parallel dazu Ansätze formulieren für eine Strukturpolitik, das wurde heute erwähnt. Solange diese Ansätze für eine Strukturpolitik nicht formuliert sind, parallel zu diesem hier, werde ich auch diesem Antrag nicht zustimmen können.
Abg. Ingrid Hassler:
Ich habe erkennen können, dass sich der Widerstand gegen diese Richtlinie hauptsächlich an der Arbeitsplatzgarantie ausrichtet. Das kann aus der Sicht der Arbeitgeber, das gebe ich zu, nicht ohne weiteres problemlos sein, sofern der unbezahlte Elternurlaub über eine längere Zeit zu gewähren ist. Es wirft aber auch beim Arbeitnehmer Fragen der Kontinuität in der Sozialversicherung auf. Der Arbeitgeber wird z.B. auch gerne eine Garantie haben, dass der oder die sich im Elternurlaub befindliche Arbeitskraft überhaupt wieder zurückkehrt. Diese und andere Fragen sind berechtigt und bei der Umsetzung der Richtlinie zu lösen. Es gilt auch anzuerkennen, dass die Sozialpartner in unserer Wirtschaft der individuellen Situation, vor allem bei dringenden Pflegeurlauben, bereits in vielen Fällen Rechnung tragen oder getragen haben. Trotzdem setze ich mich ein für eine gesetzliche Regelung. Ich befürworte diese Richtlinie im Sinne eines weiteren Teilschrittes zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, vornehmlich mit Rücksicht auf die Väter. Sie stehen heute ja zum grösseren Teil im Beruf, teils im stressigen Beruf. Ein Elternurlaub ist eine Chance für die Familien und für die Väter. Faktisch können eine Reihe von Widerständen gegen einen Elternurlaub umgangen werden, wenn wir die Teilzeitarbeit - und da speziell auch für die Männer - weiter fördern. Gefragt sind dabei auch Änderungen in der Sozialgesetzgebung, sprich 2. Säule, dass Teilzeitarbeit auch für die Arbeitnehmer gerechter behandelt wird und nicht nur für die Arbeitgeber, wie kürzlich organisiert bei der Revision des Krankenversicherungsgesetzes. Ich denke, dass viele solcher Elternurlaube, die in Anspruch genommen werden können, dann über Teilzeitverhältnisse gelöst werden. Hier haben dann auch die Betriebe genügend Spielraum, ihre Ängste zu überwinden. Ich möchte um Zustimmung bitten, da es hier um die Förderung der partnerschaftlichen Gestaltung der in einer Familie wichtigen zwei Komponenten geht: die so wichtigen Elternpflichten gegenüber ihren Kindern einerseits und der Erwerbstätigkeit für den Unterhalt der Familie andererseits. Durch die Scheidungen verlieren immer mehr Kinder einen Elternteil. Ein sozial verträglicher Elternurlaub oder eine Pflegezeit ist eine Chance für die Familien, und ich betone es noch einmal: Vor allem die Väter sollten diese Chance annehmen.
Abg. Egon Matt:
Die Debatte um diesen Elternurlaub hat für mich wieder einmal alte liechtensteinische Mythen zutage gebracht. Ich möchte sagen: Liechtensteinisches ideologisches Urgestein. Dazu gehört: 1. Wer nur hart genug arbeitet, der braucht den Staat nicht, der braucht keine Hilfe. Wir sind stark genug, uns selber zu helfen. Schliesslich haben wir auch unseren Wohlstand nur wir uns selber erarbeitet. Das ist der Mythos Nummer 1 in diesem Lande.Der zweite Mythos: Die Wirtschaft immer am Abgrund des Ruins, immer gerade kurz vor dem Bankrott. Entspricht das der Wirklichkeit? Das sind Mythen. Es gibt aber auch eine andere liechtensteinische Mentalität, von der bin ich überzeugt. Es ist auch die Mentalität der Solidarität in diesem Land vorhanden. Und gerade in diesem Bereich geht es um die Solidarität mit unseren künftigen Generationen. Es geht um die Verantwortung für unsere Kinder. Ich denke, wenn heute jemand, ein Mann oder eine Frau, mehr Verantwortung für sein Kind aufbringen will in den ersten Lebensjahren, wenn jemand sein Bestes geben will für sein Kind, in die Zukunft seiner Kinder investieren will, indem sie oder er beim Kind ist die ersten Jahre, dann soll derjenige auch die Möglichkeit haben, ein paar Monate seinen Arbeitsplatz gesichert zu haben. Er soll eine Unterstützung vom Staat haben, weil, das sind wirklich Investitionen in die Zukunft, menschliche Investitionen. Hier ist das Geld mehr als gut genug angelegt. Und so etwas mit einer sozialistischen Umverteilungspolitik gleichzusetzen, finde ich geradezu zynisch.
Abg. Paul Vogt:
Die Opposition gegen diese Vorlage scheint vor allem bei der VU vorhanden zu sein, wenn man nach den bisherigen Voten gehen kann. Die VU schafft es offenbar wieder einmal, einen Spagat zu machen von den Interessen des Arbeitnehmerverbandes bis zu den Interessen der Industrie- und Handelskammer. Ich denke, manchmal muss man auch Farbe bekennen und sagen, wo man steht, und nicht alles gleichzeitig verkaufen wollen. Wir haben einige erstaunliche Voten gehört: Einer hat gesagt, er sei grundsätzlich dagegen, dass wir uns zu einem Sozialstaat entwickeln. Meine Damen und Herren, wir sind schon längst ein Sozialstaat. Ich bin froh, dass wir ein Sozialstaat sind, und wir sollten alle stolz sein, dass wir uns das leisten können und dass wir das auch machen. Es wurde das "Gespenst einer Sozialisierung" an die Wand gemalt. Ich finde das masslos übertrieben. Wenn wir uns mit europäischem Standard vergleichen, dann kann man weiss Gott nicht von einer Sozialisierung in Liechtenstein sprechen. Diese Vorlage bringt auch überhaupt keine wirtschaftlichen Nachteile. Sie bringt keine Wettbewerbsnachteile im Rahmen des EWR, weil ja die anderen Staaten teilweise noch viel längere Elternurlaubszeiten haben. Dieses Argument zieht nicht. Wenn man so etwas nicht verabschieden würde, dann hätte unsere Wirtschaft einen Wettbewerbsvorteil.Schliesslich möchte ich einfach wieder einmal daran erinnern, dass nicht nur die Wirtschaft in diesem Land zählt. Wir müssen uns selber fragen: Welches sind die Massstäbe, nach denen wir unsere Politik ausrichten? Ist das allein die Wirtschaft oder sind das die Interessen der Menschen, sind das die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer? Ich fühle mich mindestens so sehr den Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verpflichtet. Ich glaube, der Wirtschaft geht es ausgezeichnet in diesem Land, und man sollte nicht über Wettbewerbsnachteile jammern, die nun wirklich nicht vorhanden sind.
Abg. Lorenz Heeb:
Herr Präsident. Elternurlaub ist auch für mich sehr begrüssenswert. Ich werde dem Beitritt zu diesem Abkommen zustimmen. Ich denke auch, dass der Elternurlaub im Rahmen des zu schaffenden Gesetzes eine soziale Ausgestaltung erfahren muss. Die Zustimmung zum Beschluss alleine ist für mich nur Papier, sollte dem nicht auch ein entsprechendes Gesetz folgen, das es ermöglicht, dass der Elternurlaub nicht nur für begüterte Eltern erschwinglich ist. Elternurlaub muss auch für weniger Begüterte zu erhalten sein. Ich kann mich auch den Äusserungen verschiedener Vorredner keinesfalls anschliessen, besonders, wenn die Erziehung und das Aufwachsen der Kinder zu meiner Zeit und noch früher mit dem Aufwachsen heute verglichen wird. Das sind nun wirklich zwei verschiedene Paar Schuhe. Alle wissen, dass sich die Gesellschaft in dieser Zeit sehr stark verändert hat.Die Regierung wird auch sicher gefordert sein, dem Landtag Vorschläge zu unterbreiten, dass Elternurlaub - wie eben gesagt - nicht nur Theorie bleibt. Wie nun diese Finanzierung aussehen kann, steht heute meines Erachtens noch nicht fest. Es gibt verschiedenste Möglichkeiten, Elternurlaub zu finanzieren. Ich finde es nicht richtig, wenn man heute sagt, dass das nur auf dem Rücken der Arbeitgeber lasten wird. Diese Lasten können durchaus auch verteilt werden.
Landtagspräsident Peter Wolff:
Danke. Meine Damen und Herren. Es ist das erste Mal, seit Liechtenstein EWR- Mitgliedsland ist, dass im Landtag bei Beratung der Übernahme einer neuen EWR-Rechtsvorschrift, konkret der Frage der Zustimmung zu einem Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses, Widerstand gegen eine solche Zustimmung laut wird und konkret von mehreren Abgeordneten angekündigt wird, sie würden dem nicht zustimmen. Wenn man das für sich alleine irgendwo hören oder lesen würde, würde man sich fragen: Ja, um was geht es denn, um was für eminente Landesinteressen geht es hier eigentlich, die hier für gefährdet erscheinen? Wenn man dann konkret sieht, um was es geht, dann muss man sich schon fragen, ob die Abgeordneten, die solches ankündigen, sich eigentlich Rechenschaft darüber abgelegt haben, was das - formal jetzt gesehen, nicht inhaltlich - formal gesehen, bedeutet. Die Richtlinie, der wir hier zustimmen sollen, soll in den Anhang 18 des EWR-Abkommens eingefügt werden. Das ist der Anhang betreffend Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, Arbeitsrecht sowie Gleichbehandlung von Männern und Frauen. Wie ich schon vor drei Traktanden kurz erwähnt habe, bedeutet die Nichtzustimmung zu einer neuen Rechtsvorschrift, die in so einen Anhang aufgenommen werden soll, dass der gesamte Anhang ausser Kraft tritt für das EWR-Abkommen, d.h. für die EWR/EFTA-Staaten im Wesentlichen. Ich frage mich wirklich, ob es im Interesse Liechtensteins ist, wenn wir jetzt einmal die anderen Aspekte, Familienpolitik, Jugend, Gleichbehandlung von Männern und Frauen usw. ausser Acht lassen, ob es eigentlich Ihrer Meinung nach wirklich im Interesse Liechtensteins sein kann, wenn Liechtenstein sich dadurch hervortut, dass die erste und wahrscheinlich auf längere Zeit einzige EWR-Rechtsvorschrift, die abgelehnt wird, eine solche der Familienförderung, der Jugendförderung und der Förderung der Gleichstellung von Mann und Frau ist. Ich möchte Sie daher ersuchen, sich das ein wenig durch den Kopf gehen zu lassen.Ich bin auch der Meinung, dass gerade dort, wo Vorbehalte inhaltlich, zum Teil durchaus nachvollziehbare Vorbehalte gegenüber den erwarteten Auswirkungen eines solchen Elternurlaubes in der ebenfalls erwarteten, weil noch gar nicht vorliegenden, gesetzlichen Ausgestaltung dieses Elternurlaubes in Liechtenstein vorgebracht werden, dass sich die Debatte hier eigentlich um etwas ganz anderes bewegt als um diese Richtlinie. Sie bewegt sich darum, was man annimmt, wie die Regierung oder wie eigentlich letztlich der Gesetzgeber diese Richtlinie in Liechtenstein umsetzen wird. Darum geht es heute aber gar nicht, was ja an und für sich wohl allen bekannt sein wird.Diese Richtlinie setzt tatsächlich nur sehr bescheidene Minimalanforderungen fest und überlässt es in einem sehr weitgehenden Ausmass, viel weitgehender als in den meisten Richtlinien, die wir sonst im Rahmen des EWR umzusetzen haben, den einzelnen Mitgliedstaaten, wie sie diesen Elternurlaub konkret ausgestalten wollen. Alle, oder so gut wie alle der Bedenken, die hier geäussert wurden, können daher letztlich vom Gesetzgeber berücksichtigt werden. Es ist keineswegs so, dass wir mit Übernahme dieser Richtlinie Verpflichtungen und Belastungen der Art, wie sie hier wie der Teufel an die Wand gemalt wurden, bereits fix und unwiderruflich uns zu übernehmen verpflichten. Wenn Sie einmal diese Rahmenvereinbarung ansehen, die ja der wesentliche Inhalt der Richtlinie ist, wenn Sie zum Beispiel sehen, dass dort unter § 2 unter Ziff. 3a sogar vorgesehen ist, dass die Mitgliedstaaten entscheiden können, sprich im Rahmen ihrer Gesetzgebung autonom regeln können, ob der Elternurlaub auf Vollzeit- oder Teilzeitbasis, in Teilen oder sogar nur in Form von sogenannten Kreditstunden gewährt wird, dann ist damit klar, dass es nicht einmal feststeht aufgrund der Richtlinie allein, dass die drei Monate an einem Stück gewährt werden müssen, sondern das wird alles dem nationalen Gesetzgeber überlassen. Das einzige Argument, das daher richtig ist, was allerdings auch vom nationalen Gesetzgeber, wenn auch in die genau gegenteilige Richtung, korrigiert werden könnte, ist das Argument: Nützt denn so wenig überhaupt etwas? Aber wie gesagt, das ist dann Sache des nationalen Gesetzgebers und damit nicht zuletzt von uns allen, hier dann ein Gesetz zu schaffen, das unserer Meinung nach oder der Meinung der Mehrheit des Landtages nach den Anforderungen eines Elternurlaubes entspricht. Und dass ein Elternurlaub - und damit komme ich zum Inhalt - dass ein Elternurlaub grundsätzlich von den nachteiligen Auswirkungen, die er sicherlich auch hat oder haben kann, wirtschaftlicher Art auf die Arbeitgeber etc., dass ein Elternurlaub grundsätzlich etwas Positives ist bzw. wäre, das kann man wohl im Jahr 1999 nicht mehr ernsthaft bestreiten.Der Landtag hat in den vergangenen Jahren, nicht nur in dieser Legislaturperiode, bei der Behandlung verschiedener Berichte, vor allem Familienberichte - ich erinnere mich auch an frühere Drogenberichte und an die Postulate, die darin enthalten waren, was man machen müsste, um Jugendlichen eine Bindung zu geben, die es weniger häufig vorkommen lassen wird, dass ein Abgleiten in die Drogenszene erfolgt - da war das eines der primären Forderungen, dass Doppelverdiener nicht quasi von "Kindbett an" vom Kind wieder weg sein müssen und das Kind irgendwelchen Dritten, Tagesmüttern oder wem auch immer, überlassen wird, sondern dass zumindest in den Anfangsmonaten, wenn möglich in den Anfangsjahren, von bis zu 4 Jahren war dort die Rede in einem Papier des damaligen Fürsorgeamtes, des heutigen Amtes für Soziale Dienste, dass das wichtig wäre und unbestritten wissenschaftlich erforscht, völlig unbestritten, einen ausschliesslich positiven Einfluss auf die Entwicklung des Kindes haben würde. Also, man kann meiner Meinung nach heute wirklich nicht mehr ernsthaft in Frage stellen, dass ein solcher Elternurlaub etwas grundsätzlich, aus der Sicht der Familie, aus der Sicht der Jugend, etwas ausserordentlich Positives ist.Ich will damit nicht abstreiten oder einfach übergehen, dass es aus der Sicht der Arbeitgeber, dass es aus der Sicht der Wirtschaft, auch in gewisser Weise, wenn auch meiner Meinung nach nicht sehr stark, aus der Sicht einer Gefahr durch Übersozialisierung Bedenken gibt, die zu berücksichtigen sind, die eingewendet werden können und die zu beachten sind, wenn man dann das Gesetz ausformuliert. Aber das kann doch, meine Damen und Herren, um Gottes Willen kein Grund sein, um von vornherein zu sagen: Von dieser Richtlinie wollen wir überhaupt nichts wissen, der Begriff Elternurlaub ist für uns etwas wie der Gottseibeiuns, da wollen wir nichts hören und nichts sehen, das kann ganz Europa einführen, aber wir in Liechtenstein doch auf gar keinen Fall.
Abg. Gebhard Hoch:
Herr Präsident, ich bin grösstenteils mit Ihnen einverstanden. Einen Vorbehalt muss ich aber doch machen. Es kann nicht darum gehen, die Abgeordneten, die sich negativ geäussert haben, zu beschwichtigen, indem man ihnen sagt: Ja, wir müssen das ja in nationales Recht umsetzen und da haben wir die Möglichkeit, möglichst wenig von der Richtlinie umzusetzen, und es liegt schlussendlich an uns, wie wir das gestalten wollen. Nein, ich bin der Meinung, wenn wir das umsetzen in nationales Recht, dann müssen wir der Intention der Richtlinie nachleben. Es würde ja gegen die von allen Parteien propagierte Förderung der Familien sprechen, wenn wir den Absichten, die hinter dieser Richtlinie stehen, nicht nachleben. Diese Relativierung wollte ich noch machen.
Landtagspräsident Peter Wolff:
Ich wollte niemand beschwichtigen, Herr Abg. Hoch. Ich wollte nur auf die Tatsache hinweisen, dass die Annahme verschiedener Votanten, mit Übernahme dieser Richtlinie sei zwingend mindestens ein dreimonatiger Elternurlaub am Stück eingeführt und der Arbeitgeber daher gezwungen, und zwar nur aufgrund der Richtlinie schon, weil die dann im Gesetz nicht mehr anders ausformuliert werden könne, sei damit gezwungen, für andere Arbeitsbeschaffung bzw. Arbeitskraftbeschaffung besorgt zu sein. Das ist so nicht richtig. Ich bin durchaus dafür, bekenne das auch gerne, schon heute, dass ich für eine Umsetzung der Richtlinie im grosszügigen Sinn bin, nicht nur im Minimalstandard, wie er hier vorgegeben wird. Aber diese Entscheidung ist nicht heute zu fällen. Diese Entscheidung ist bei Behandlung der zu erwartenden Gesetzesvorlage zu fällen.
Abg. Volker Rheinberger:
Herr Präsident. Es ist mir schon klar, dass es sich hier "nur" um eine Richtlinie handelt, die dann später durch nationale Gesetzgebung sozusagen aufzufüllen ist, dass man vielleicht dann über dieses Gesetz auch entsprechend diskutieren kann. Ich möchte aber zurückkommen auf mein Votum. Mir geht es darum, dass wir hier die Dinge ganzheitlich anschauen, dass es nicht darum gehen kann, hier auf Kosten von einer - ich möchte mal sagen - Minderheit eine Sozialpolitik zu betreiben, auf Kosten der Arbeitgeber Sozialpolitik zu betreiben. Da geht gleichzeitig, im Prinzip der Auftrag an die Regierung, hierzu sich zu äussern, welche strukturpolitischen Massnahmen sie vorschlägt, um hier, auch von Arbeitgeberseite her, von wirtschaftlicher Seite her, vorzusorgen, dass hier keine Ungerechtigkeiten entstehen. Es darf nicht sein, dass immer eine Seite für eine Sozialpolitik bezahlen muss. Dazu muss man sich äussern, sonst kann ich dieser Sache nicht einfach zustimmen.
Landtagspräsident Peter Wolff:
Wird das Wort noch gewünscht?
Regierungschef-Stellvertreter Michael Ritter:
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist eine der grossen Herausforderungen, vor denen die Politik in den nächsten Jahren steht und eigentlich in den vergangenen Jahren auch schon gestanden ist. Es ist eine Herausforderung für die Familienpolitik, für die Sozialpolitik und in hohem Mass für die Gleichberechtigungs- und Gleichstellungspolitik. Ich würde es pointiert sogar so formulieren, dass, wenn es gelingt, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie herzustellen, dass damit die Probleme im Bereich der Gleichberechtigung in einem sehr hohen Ausmass gelöst wären. Sehr viele tatsächliche Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern hängen präzise damit zusammen, dass es in unserer Gesellschaft, wie wir organisiert sind, sehr sehr schwierig ist, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen.Wir sollten es uns also nicht zu leicht machen mit dem Elternurlaub, rein ideologisch argumentieren und sagen: Das ist Sozialismus, damit wollen wir nichts zu tun haben, damit fahren wir ab. So einfach ist es nicht. Es ist nicht Sozialismus. Es ist Familienpolitik in einem schwierigen Spannungsverhältnis mit Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik. Und wenn man die Voten angehört hat, sieht man ja, wie schwierig es ist, hier eine Regelung zu finden, die den verschiedenen Bedürfnissen, die artikuliert worden sind von Familien, von der Wirtschaft, einigermassen gerecht zu werden. Das wird kontrovers diskutiert werden. Die Diskussion beginnt jetzt. Wichtig ist, daran zu erinnern, was der Herr Landtagspräsident gesagt hat: Worum geht es heute? Heute geht es nicht darum, zu beschliessen, auf welchem Niveau wir einen Elternurlaub installieren wollen. Heute geht es darum, zu beschliessen, ob wir eine EWR-Richtlinie, die Mindeststandard setzt, übernehmen wollen oder nicht. Es gibt meines Wissens auch keinen Entscheid der Regierung, der lautet, dass man eine blosse Mindestumsetzung macht. Man kann das vielleicht zwischen den Zeilen etwas herauslesen, aber es gibt keine Entscheidung der Regierung. Es steht auch nicht im Beschluss so drin. Es gibt ein paar Passagen auf Seite 6, die man so interpretieren könnte. Ich nehme an, dass Sie sich auf diese beziehen. Wenn wir eine blosse Umsetzung der Mindestanforderungen machen, dann genügt eine Gesetzesergänzung im Arbeitsvertragsrecht. Wenn man mehr will, wenn man eine staatliche Leistung installieren will, dann kann das bis zur Schaffung eines neuen Sozialversicherungszweiges gehen. Das wollte hier auf Seite 6 gesagt werden.Die Entscheidung ist auf Regierungsebene noch nicht gefallen, welchen Grad der Umsetzung man hier nehmen wird. Klar ist, dass das keine leichte Entscheidung ist, weil das Meinungsspektrum nicht breiter sein könnte. Ich nehme zur Kenntnis, dass in den Reihen der FBPL offensichtlich keinerlei Widerstand gegen Elternurlaub besteht. Ich habe keine kritischen Voten für diesen Bereich gehört. Ich nehme jetzt einmal an, dass das so ist, um an das Votum des Abg. Paul Vogt anzuschliessen. Was insofern aufschlussreich ist, als - das möchte ich doch nicht unerwähnt lassen - bei der vor wenigen Jahren beschlossenen Erhöhung des Mutterschaftsurlaubes in der Krankenversicherung - von 12 auf 20 Wochen - die FBPL nicht mit dieser Erhöhung einverstanden gewesen ist. Sie werden sich erinnern. Noch einmal: Wir müssen die Anliegen der Familien ernst nehmen. Es reicht auch nicht aus, zu sagen: Früher ging das. Wir wissen doch genau, wie es früher ging, dass man ohne Elternurlaub auskam. Es waren halt die Frauen, die auf die Erwerbstätigkeit verzichtet haben, zu Hause geblieben sind und die Kinder aufgezogen haben. Und hier hat sich die Gesellschaft verändert. Frauen, die die gleich guten Ausbildungen wie die Männer geniessen, bestehen zunehmend darauf, völlig zu Recht, dass sie erwerbstätig sein wollen und das mit der Rolle als Familienfrau verknüpfen wollen. Und die Zahl der Männer, die ihre Familie nicht nur als Feierabendbeschäftigung verstehen, sondern auch bei Tageslicht gewisse Funktionen übernehmen wollen, diese Zahl nimmt auch zu. Also hier müssen wir einfach sehen, dass sich die Zeiten ändern, die Gesellschaft ist im Umbruch. Wir haben das vorher miterlebt, dass es da unterschiedliche Positionen gibt. Wir müssen auf der anderen Seite die Bedenken der Wirtschaft ernst nehmen, gerade der Kleinunternehmen. Es ist für einen kleinen Gewerbebetrieb schon ein Problem, wenn ein Arbeitnehmer sagt: Ich bin in den nächsten drei Monaten nicht da, ich nehme Elternurlaub. Das kann, gerade für kleine Unternehmen, sehr unangenehm sein. Da kann man nicht einfach darüber hinweggehen und sagen: Das interessiert uns nicht. Auf der anderen Seite müssen wir auch von den Unternehmen, die in Liechtenstein wirklich von exzellenten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen profitieren können - und der Wirtschaft ist es noch nie so gut gegangen wie im Moment - schon erwarten, dass sie einen Beitrag leisten zur Lösung von familienpolitischen Regelungen. Wie hoch dieser Beitrag sein soll, welche Form dafür angezeigt ist, das muss man in den kommenden Monaten ausdiskutieren.Ich möchte deshalb den Landtag ersuchen, dieser Richtlinie, die wirklich eine minimale Leistung verlangt, zuzustimmen. Ich denke, es wäre wirklich das falsche Exempel, gerade beim Elternurlaub erstmals eine EWR-Richtlinie abzulehnen. Der Inhalt dieser Richtlinie ist das Allermindeste, was wir in diesem Bereich tun müssten.
Regierungsrätin Andrea Willi:
Danke, Herr Präsident, werte Abgeordnete. Erlauben Sie mir, dass ich vielleicht bei diesem Thema ein bisschen emotionaler argumentiere, als man das von mir gewohnt ist. Es scheint mir schon sehr kontrovers und ich möchte diese kontroverse Stimmung eigentlich auflösen. Ich muss vorausschicken, dass es ein Armutszeugnis wäre für Liechtenstein, in jeder Hinsicht, im Ausland und im Inland, wenn wir als eines der wohlhabendsten Länder diese Richtlinie nicht umsetzen könnten und einen Elternurlaub in unserem Land nicht adäquat einführen könnten. Wir sind unter diesen 18 Ländern, die diesen Elternurlaub umgesetzt haben, das wohlhabendste Land. Wir sind uns gewohnt, uns mit der Spitze in Europa zu messen, mit Stolz und mit Recht. Auch das bringt uns Ansehen. Wir messen unsere Wirtschaft europäisch und weltweit mit der Spitze. Darauf sind wir stolz und das verkaufen wir auch entsprechend. Das ist auch aussenpolitisch jeweils ein grosser Pluspunkt. Also, nur ja nicht, dass die Wirtschaft denkt, man will hier etwas wegnehmen oder man will nicht die grossen Verdienste hier sehen.Aber ich finde, gerade auch in der Familienpolitik und in der Gesellschaftspolitik steht es einfach Liechtenstein wohl an, sich auch mit der Spitze zu messen. Es wäre falsch, zu sagen, die europäischen Errungenschaften in diesen Bereichen wären nicht gut. Es ist erwiesen, dass Familienpolitik gut ist, dass Elternurlaub gut ist, dass die neue Gesellschaft neue Massnahmen braucht. Die heutige Gesellschaft ist nicht mehr dieselbe wie die frühere. Wir haben das auch gestern gesehen. Wieso gibt es mehr Invalide? Weil die Wirtschaft immer mehr fordert, weil sie mehr verbraucht, und es braucht Gegenmassnahmen. Es braucht gerade im Bereich der Gesellschaftspolitik und der Familienpolitik solche Gegenmassnahmen. Es hat diese Massnahme weniger mit Gleichberechtigungspolitik zu tun oder mit Frauenpolitik. Sie hat mit Gleichstellungspolitik zu tun, und die wird von emanzipierten Männern und Frauen gleichermassen verlangt.Beim Elternurlaub sollen vor allem Familien und vor allem Väter in den Genuss kommen. Das hat sich so ergeben, weil endlich die Frauen Chancengleichheit bekommen haben. Schon viele Jahre her ist das, bei uns noch nicht so lange her, bei uns erst 15 Jahre her. Aber die Gesellschaft hat sich aufgrund der Chancengleichheit europaweit einfach verändert. Diese Veränderungen sind aufzufangen, sie sind zu kompensieren und solche neuen familienpolitischen Massnahmen sind die Kompensation dazu. Ich hoffe einfach, dass Liechtenstein hier nicht wieder so lange warten muss wie auf die Einführung des Frauenstimmrechts. Wir haben das Frauenstimmrecht als letztes Land in Europa bekommen. Wir haben es jetzt seit 15 Jahren. Ich glaube, niemand hier, niemand im Land würde je einen Gedanken haben, das wieder abzusetzen. Ich glaube, seitdem wir es haben, kann nur jeder sagen: Das war wirklich höchste Zeit, dass es gekommen ist. Es ist eine gute Errungenschaft, und es wird beim Elternurlaub genau gleich sein. Ich verstehe, dass man am Anfang für Neues Hürden zu überwinden hat, aber ich glaube, da müssen wir das Rad nicht neu erfinden, es vor allem nicht zurückdrehen. Dieser Elternurlaub hat sich bewährt. Er wird in Europa bereits mit viel Erfolg durchgeführt und es wird auch in Liechtenstein ein Erfolg sein. Wir werden den Elternurlaub gesetzlich so vorbereiten, dass auch die Wirtschaft hier - ich bin überzeugt - schlussendlich Ja sagen kann, mit Freude Ja sagen kann.
Abg. Rudolf Lampert:
Herr Regierungschef-Stellvertreter. Ich weiss jetzt eigentlich nicht, was Sie mit Ihrem Seitenhieb auf die FBPL wollten. Ich weiss nicht, wollen Sie jetzt, dass wir auch dagegen sind oder wollen Sie, dass wir konsequenterweise, weil wir damals, wie Sie ausgeführt haben, diesen 20 Wochen nicht zugestimmt haben, dass wir jetzt hier auch nicht zustimmen? Was wollten Sie eigentlich mit Ihrem hier absolut deplazierten Seitenhieb, den Sie ausgeteilt haben? Wir haben damals dem Karenzurlaub, sprich den Leistungen für Wöchnerinnen bei Mutterschaft, den 20 Wochen nicht zugestimmt, und zwar einzig und allein deshalb, weil wir ein Gesetz gefordert haben, das 16 Wochen verlangt hat, nämlich als Gleichbehandlung für berufstätige und nicht berufstätige Frauen. Das war damals unsere Forderung. Die haben Sie dann abgeschmettert, Sie haben sie nicht erfüllt. Wir wollen hier eine Gleichstellung von Berufstätigen und Nicht-Berufstätigen, das haben wir auch bei unserer Krankengesetzesvorlage, bei unserer Initiative gezeigt, dass wir hier eine Gleichstellung wollen. Was Sie jetzt hier ins Spiel bringen, das verstehe ich nicht. Wenn wir hier hinter dieser Vorlage stehen oder eben nicht, dann müssen Sie uns das überlassen. Ich finde es deplaziert, dass Sie hier Parteipolitik betreiben wollen.
Abg. Gabriel Marxer:
Ich wollte auch auf diesen Seitenhieb reagieren und dem Herrn Regierungschef-Stellvertreter nur Folgendes mitgeben: Mit kecken Wortspielereien werden Sie hier nichts ausrichten. Ich hoffe, dass Sie hier wirklich in der Sache selbst für die Gleichstellungspolitik sich stark machen werden, wenn es dann an die Umsetzung dieser Richtlinie geht.
Abg. Peter Sprenger:
Nicht nur, aber auch um einer Headline im "Volksblatt" im Sinne von "VU-Fraktion geschlossen gegen Familienurlaub" vorzubeugen, möchte ich mich auch vor der Abstimmung als einer outen, der der Richtlinie seine Zustimmung erteilen wird.
Landtagspräsident Peter Wolff:
Nach diesem Outing kommt noch der Abg. Alois Beck dran.
Abg. Alois Beck:
Ich habe nicht vor, mich hier zu outen. Noch eine Bemerkung zu den Ausführungen der Frau Regierungsrätin. Sie haben gesagt, dass niemand in unserem Lande es bedauert, dass das Frauenstimmrecht eingeführt wurde. Wenn Sie einmal Gelegenheit haben, in den Liechtensteiner Bergen Urlaub zu machen, werden Sie da sicher einige antreffen. Ein Hinweis noch an den Regierungschef-Stellvertreter. Ich glaube, es wäre doch sinnvoll, wenn Sie jetzt einige Ausführungen machen könnten, wie sich die Regierung, obwohl noch nicht definitiv beschlossen, wie sich die Regierung diese Regelungen bezüglich dieses Elternurlaubs vorstellt. Das könnte vielleicht auch bei allfälligen Gegnern dieser Vorlage vielleicht ein Umdenken bewirken - oder auch das Gegenteil, das werden wir dann sehen.
Landtagspräsident Peter Wolff:
Eben darum, Herr Abg. Beck, wird sich die Regierung besser bedeckt halten. Wünscht die Regierung das Wort?
Regierungschef-Stellvertreter Michael Ritter:
Sie haben es vorweg genommen, Herr Präsident. Im Moment habe ich den Eindruck, habe ich die Stimmen, die ich brauche. Ich werde mich hüten, diese Mehrheit zu gefährden.
Landtagspräsident Peter Wolff:
Wird das Wort noch gewünscht? Das ist nicht der Fall, dann stimmen wir ab. Wer dem Beschluss Nr. 42/1999 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses vom 26. März 1999, zustimmt, möge die Hand erheben.Abstimmung: Mehrheitliche Zustimmung mit 18 Stimmen
Landtagspräsident Peter Wolff:
Damit hat der Landtag diesem Beschluss die Zustimmung erteilt.-ooOoo-