Beschluss Nr. 149/2012 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses (Nr. 118/2012)
Landtagspräsident Arthur Brunhart
Wir kommen zu Traktandum 14: Beschluss Nr. 149/2012 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses.
Der Bericht und Antrag der Regierung Nr. 118/2012 steht zur Diskussion.
Gibt es Wortmeldungen?Abg. Pepo Frick
Vielen Dank. Ich begrüsse ausdrücklich die Richtlinie über Leiharbeit. Alle in Liechtenstein registrierten Leiharbeitsunternehmen beschäftigten Ende 2011 665 im In- und Ausland tätige Personen. Nicht alle von ihnen haben ihre Angestellten immer fair behandelt. So wurde vor einigen Jahren eine Leiharbeitsfirma im Unterland geschlossen, als der LANV auf deren ausbeuterischen Umgang mit Angestellten aufmerksam gemacht hat. Mit der neuen Richtlinie werden Leiharbeiter normalen Angstellten gleichgestellt. Der LANV arbeitet derzeit auch für die Leiharbeitsfirmen Gesamtarbeitsverträge aus. Nicht nur die Mindestlöhne sollen festgelegt werden, sondern Leiharbeitern sollte die Chance auf eine Festanstellung ermöglicht werden.
Wenn die Konjunktur gut ist, bleiben Leiharbeiter oft über zwei Jahre in der gleichen Anstellung. Es werden ihnen Versprechungen auf fixe Anstellung gemacht, damit sie bleiben. Die Hoffnungen bleiben aber oft unerfüllt, weil die Arbeitgeber die Leiharbeiter als manövrierbare Masse betrachten. Wenn eine Rezession eintritt, wird ihnen sofort gekündigt. Leiharbeiter sollen gemäss diesen Richtlinien die Chance auf eine Festanstellung bekommen. Sie sollen in ihrer oft langen Anstellungszeit einen menschenswürdigen Lohn, Weiterbildungsmöglichkeiten und Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen des Unternehmens erhalten.
Es stellt sich die Frage, was die Sanktionen sind, wenn sich Arbeitgeber nicht an das Gesetz halten. Ist das Amt für Volkswirtschaft oder die zentrale paritätische Kommission zuständig? Die Sanktionsfrage und die Rolle des Liechtensteiner Arbeitnehmerverbandes LANV in der Sanktionierung steht für mich im Raum und sollte zeitnah geklärt werden. Liechtenstein ist ein bedeutender Unternehmensstandort und dieser sollte sich mit fairen Arbeitsbedingungen profilieren. Es sollte daher nicht nur der Mindeststandard dieser neuen Richtlinie umgesetzt werden. Dazu müssen die Akteure zur Umsetzung der Richtlinie klar hingewiesen werden. Ich möchte die Regierung dazu aufrufen bzw. beliebt machen, in einem Jahr im Landtag zu berichten, wie die Richtlinie zur Leiharbeit umgesetzt worden ist bzw. ob und welche Sanktionen zur Umsetzung ergriffen werden mussten. Danke.Landtagspräsident Arthur Brunhart
Besten Dank.Landtagsvizepräsidentin Renate Wohlwend
Danke, Herr Präsident. Mein Vorredner hat bereits Ausführungen gemacht und ich schliesse mich diesen inhaltlich voll an. Ich habe noch zwei Fragen an die Regierung. Nachdem ich es auch für sehr wesentlich erachte, schnellstmöglich die Implementierung dieser Richtlinie in das Arbeitsvermittlungsgesetz vorzunehmen, frage ich die Regierung:
- Hat sie bereits einen Zeitplan für diese Umsetzung der Richtlinie?
- Wie wird sie in Sachen Schulung und Weiterbildung, welche auch in dieser Richtlinie vorgesehen ist, für die dann nur temporär arbeitenden Leiharbeiter vorgehen?Landtagspräsident Arthur Brunhart
Danke.Abg. Gerold Büchel
Besten Dank für das Wort. Geschätzte Abgeordnete. Ganz so positiv sehe ich diese Richtlinie nicht, aber es ist eine Richtlinie und ich unterstütze die Meinung der LIHK, diese einfach möglichst auf einem minimalen Level umzusetzen. Wenn ich die zwei Argumente des Abg. Pepo Frick bezüglich menschenwürdigem Lohn und Kündigungszeit höre, so sollte man sich schon auch vor Augen halten, dass auch ein Leiharbeiter diesselben Kündigungszeiten bei uns hat wie jeder normale Angestellter. Es ist also nicht so, dass, wenn ich einen Leiharbeiter habe und den sechs Monate über ein Leiharbeitbüro beschäftige, dass ich den nach einer Woche auf die Strasse setzen kann. Da gibt es gesetzliche Rahmenbedingungen, die man auch da einhalten muss. Dasselbe gilt bezüglich Lohn. Wenn hier natürlich das Gesetz von den Leiharbeitsunternehmen nicht eingehalten wird, so hat es meines Erachtens eine gesetzliche Grundlage, die auch schon heute besteht. Es stellt sich die Frage, ob das auch entsprechend durchgesetzt wird.
Wenn hier jetzt zusätzliche Forderungen kommen, dass man Leiharbeiter auch noch ausbilden muss und zusätzliche Vorschriften erhält, fragt sich dann irgendwann schon: Was ist denn noch der Vorteil eines Leiharbeiters? Die Unternehmen haben ja auch ein gewisses Interesse daran, vielleicht einen Mix zwischen Leiharbeitern und Fixangestellten zu haben. Und hier zu versuchen, das auf genau dasselbe Niveau zu nehmen, hat auch seine negativen Effekte. Aber gut, es ist eine Richtlinie und ich denke, wichtiger ist, dass man das heutige Gesetz einfach durchsetzt, wenn es Missbrauch gibt. Aber auch nicht unbedingt mehr. Landtagspräsident Arthur Brunhart
Danke.Abg. Marlies Amann-Marxer
Danke, Herr Präsident. Gemäss Regierungsbericht setzt diese Richtlinie ein Mindestmass an wirksamen Schutz für die Leiharbeiter und für die Weiterentwicklung der Leiharbeit wird eine flexible Lösung gesucht. Ich denke, diesem Ziel wird entsprochen, wenn man eine Unterscheidung zwischen langfristigen Leiharbeitsverhältnissen und kurzfristigen Leiharbeitsverhältnissen macht. Die LIHK schreibt in ihrer Stellungnahme, dass bei kurzfristigen Leiharbeitsverhältnissen eine Besserstellung von fest angestellten Mitarbeitern gerechtfertigt ist, insbesondere was den Zugang zu Fort- und Weiterbildungsangeboten betrifft, welche bei kurzfristigen Arbeitsverhältnissen nicht immer praktikabel seien. Dies ist einleuchtend und ich denke, die Regierung tut gut daran, mit Augenmass die Ziele dieser Richtlinie zu verfolgen, den Schutz der Leiharbeiter bestmöglich zu gewährleisten. Ich denke aber doch, dass zwischen langfristigen Leiharbeitsverhältnissen, die unter Umständen eine Umgehung sein könnten, und zwischen kurzfristigen Leiharbeitsverhältnissen unterschieden werden sollte.Landtagspräsident Arthur Brunhart
Besten Dank. Ich gebe das Wort an den Herrn Regierungschef-Stellvertreter Martin Meyer.Regierungschef-Stellvertreter Martin Meyer
Danke, Herr Präsident, für das Wort. Die Regierung, geschätzte Damen und Herren Abgeordnete, wird im nächsten Jahr sowieso berichten müssen. Darum nehmen wir die Einladung des Abg. Pepo Frick gerne an. Und damit habe ich mich auch schon zum Zeitplan geäussert. Es ist geplant, nachdem der Hohe Landtag diesem Geschäft seine Zustimmung erteilt hat, dass ein entsprechender Vernehmlassungsbericht ausgearbeitet wird. Das wird sehr zeitnah erfolgen. Danach gibt es die ordentliche Vernehmlassung. Diese wird rund drei bis vier Monate dauern, und dann gibt es eine 1. Lesung. Dann können Sie sich vermutlich im Juni oder im September 2013 zum ersten Mal in einer 1. Lesung mit diesem Geschäft beschäftigen. Dann werden Sie auch die verschiedenen Eingaben, die die Industrie- und Handelskammer oder der Arbeitnehmerverband machen werden, auch entsprechend würdigen und werten.
Zu den Sanktionierungsfragen kann ich ganz allgemein ausführen, dass es sich selbstverständlich schlussendlich um hoheitliche Funktionen handeln wird und dass die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen auch heute schon das Amt für Volkswirtschaft ermächtigen, diesbezüglich tätig zu werden.
Eine spezielle Bemerkung noch zum Thema Aus- und Weiterbildung: Ich habe mir gerade die Richtlinie durchgesehen. Die Aus- und Weiterbildung finden Sie in Art. 6 Abs. 5, und dort steht - ich zitiere: «Die Mitgliedstaaten treffen die geeigneten Massnahmen oder fördern den Dialog zwischen den Sozialpartnern nach ihren nationalen Traditionen und Gepflogenheiten mit dem Ziel:
a) den Zugang der Leiharbeitnehmer zu Fort- und Weiterbildungsangeboten und Kinderbetreuungseinrichtungen in den Leiharbeitsunternehmen auch in der Zeit zwischen den Überlassungen zu verbesseren, um deren berufliche Entwicklung- und Beschäftigungsfähigkeit zu fördern,
b) den Zugang der Leiharbeiter zu den Fort- und Weiterbildungsangeboten für die Arbeitnehmer der entleihenden Unternehmer zu verbessern».
Diesbezüglich möchte ich den Hinweis geben, dass dieser Wortlaut eine gewisse Flexibilität zulässt, weil er nur vorschreibt, dass die Mitgliedsstaaten geeignete Massnahmen vorsehen oder den Dialog mit den Sozialpartnern fördern müssen, um darauf hinzuwirken, den Zugang zu Fort- und Weiterbildungsangeboten zu verbessern. Diesbezüglich plant die Regierung - und das ist der heutige Stand - auch nicht eine neue Bestimmung ins AVG zu übernehmen. Dies aus dem Grund, weil bereits heute im AVG in Art. 20 Abs. 3 vorgesehen ist, dass, wenn ein allgemein verbindlicher Gesamtarbeitsvertrag einen obligatorischen Beitrag an Weiterbildungs- und Vollzugskosten vorsieht, die entsprechenden Bestimmungen auch für den Verleiher gelten. Der verliehene Arbeitnehmer hat in diesen Fällen bereits heute gleich wie ein Arbeitnehmer der Branche Anspruch auf den Besuch von Weiterbildungsveranstaltungen und Leistungen, die mit den Weiterbildungs- und Vollzugskostenbeiträgen finanziert werden.
Diese Abklärungen haben wir ein erstes Mal gemacht. Ich gehe aber davon aus, dass dieses Thema im Rahmen der Vernehmlassung wieder aufgebracht und dann in einer 1. Lesung entsprechend zu würdigen sein wird.Landtagspräsident Arthur Brunhart
Besten Dank, Herr Regierungschef-Stellvertreter. Ich muss mich beim Abg. Elmar Kindle entschuldigen, dass ich ihm das Wort abgeschnitten habe. Aber ich gebe ihm nun das Wort.Abg. Elmar Kindle
Danke, Herr Präsident. Das spielt keine Rolle. Danke für die Ausführungen, Herr Regierungschef-Stellvertreter Meyer. Ich möchte dazu auch noch kurz etwas sagen: Ich bin auch der Meinung, dass man die Richtlinie hier so übernehmen kann, aber nicht weiter gehen soll. Ich glaube, allgemeines Ziel eines Unternehmens sollte es sein, Vollbeschäftigung zu haben und Leiharbeiter so wenig wie möglich zu brauchen. Schlimm ist es dann, wenn Leiharbeiter zum System eines Unternehmens werden und dann auf dem Buckel dieser Personen gewinnorientiert oder gewinnmaximiert gearbeitet wird. Das finde ich auf gut deutsch verwerflich. Solche Unternehmungen haben wir in Liechtenstein und auch in der Umgebung. Das ist eine Tatsache. Und es gibt auch Unternehmungen, die sogenannten «Leiharbeitervermittler». Das sind auch solche Berufsgattungen, die schiessen ja wie Pilze aus dem Boden. Und das ist dann noch viel schlimmer. Das nenne ich moderne Sklaverei. Und diesen Gepflogenheiten und Gegebenheiten muss meines Erachtens Einhalt geboten werden. Und da glaube ich, hat eine solche Richtlinie auch präventiven Charakter und präventive Wirkung, wenn hier auch ein Signal vonseiten der Politik oder des Gesetzgebers kommt. Ich glaube, wir sind hier im Land noch nicht so weit, aber es hält Einzug. Diesbezüglich möchte ich einfach warnen, damit wir hier auch gewisse Regelungen und Spielregeln haben. Und da kann ich dem Abg. Pepo Frick schon auch einiges abgewinnen, dass man mit Vorsicht an dieses Thema herangeht. Es kann nicht sein, dass Unternehmungen, die das seriös halten, geknebelt werden, aber andere müssen geknebelt werden. Das ist ganz sicher so.Landtagspräsident Arthur Brunhart
Besten Dank.Abg. Peter Büchel
Danke für das Wort. Ich kann meinen Vorredner Elmar Kindle nur unterstützen. Da gibt es schon Beispiele in der Landschaft, die nicht über alle Zweifel erhaben sind, wenn Leute im Ausland rekrutiert werden, über liechtensteinische Arbeitsverträge laufen, die dann wieder im Ausland beschäftigt werden. Es gibt natürlich schon Zustände - ich weiss nicht, ob das im Amt für Wirtschaft bekannt ist, wie das dann abläuft. Diesbezüglich hätte ich auch die dringende Bitte, hier Massnahmen zu ergreifen und einen Riegel vorzuschieben, dass hier wirklich kein Sklaventum mehr entsteht. Danke.Abg. Gerold Büchel
Besten Dank für das Wort. Geschätzte Abgeordente. Ich kann dieses Argumente durchaus teilen, aber hier wird das Bild vermittelt, dass ein Leiharbeitsbüro automatisch ein Sklaventreiber ist, und das ist absolut nicht der Fall. Es gibt wirklich seriöse Leiharbeitsunternehmen, die sich an die rechtlichen Rahmenbedingungen halten, die Leiharbeiter auch unterstützen bei der Wohnungssuche, bei Aufenthaltsbewilligung, und die wirklich einen sauberen Job machen. Ich bin voll einverstanden, es gibt aber auch solche, die sich vielleicht hier nicht an das Gesetz halten. Dagegen muss man etwas tun, aber ich verwehre mich, dass alle so funktionieren sollen.Abg. Elmar Kindle
Danke, Herr Präsident. Das war nicht die Absicht. Es gibt sicherlich seriöse Firmen. Es gibt, wie in allen Bereichen, solche und solche. Aber genau wegen den anderen müssen wir solche Sachen machen. Es kommt ja nicht von ungefähr und das ist die Schwierigkeit. Bringen wir es einmal auf den Punkt: Es kommt von unseren Nachbarstaaten, die riesige Probleme im Sozialbereich haben. Und das dürfen nicht unsere Vorbilder sein. Danke.Landtagspräsident Arthur Brunhart
Danke.Abg. Peter Büchel
Danke für das Wort. Ja, ich sehe es auch so wie mein Vorredner. Es gibt schwarze Schafe in dieser Leiharbeitsvermittlung, und ich glaube, für diese müssen wir auch etwas tun. Und man muss sich vorstellen, Leiharbeiter sind schon hierarchisch gesehen in der tiefsten Stufe und wissen zum Teil auch gar nicht, wie die Gesetzesmaterie ist, welche Rechte und Pflichten sie eigentlich haben. Und darum glaube ich schon, dass man sich hier wirklich einmal konkret fragen muss: Wollen wir dieses Geschäft haben oder wollen wir es nicht haben? Und das gilt dann vor allem für diese schwarzen Schafe in dieser Branche. Danke.Landtagspräsident Arthur Brunhart
Besten Dank. Wünscht die Regierung noch das Wort?
Das ist nicht der Fall. Dann können wir uns dem Antrag der Regierung zuwenden. Sie beantragt: «Der Hohe Landtag wolle den Beschluss Nr. 149/2012 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses die Zustimmung erteilen».
Wer diesem Antrag zustimmt, möge bitte die Stimme abgeben. Abstimmung: Einhellige Zustimmung
Landtagspräsident Arthur Brunhart
Damit hat der Landtag einhellig mit 23 Stimmen die Zustimmung erteilt. Gleichzeitig haben wir Traktandum 14 abgeschlossen.-ooOoo-