Protokoll Nr. 15 vom 24. Juni 2013 zur Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Nr. 55/2013)
Landtagspräsident Albert Frick
Wir kommen zu Traktandum 22: Protokoll Nr. 15 vom 24. Juni 2013 zur Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten.
Der Bericht und Antrag trägt die Nr. 55/2013 und steht zur Diskussion. Abg. Karin Rüdisser-Quaderer
Danke, Herr Präsident. Seit September 1982 ist Liechtenstein Vertragspartei der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, kurz EMRK genannt. Die Vertragsstaaten haben die EMRK durch Änderungs- und Zusatzprotokolle fortlaufend den Bedürfnissen und Entwicklungen der europäischen Gesellschaft angepasst.
Mit dem Protokoll Nr. 15 vom 24. Juni 2013 sollen verschiedene Massnahmen umgesetzt werden. Dies sind: - Der Einbau eines Verweises auf das Subsidiaritätsprinzip sowie die Doktrin des Ermessensspielraums.
- Die Änderung der Altersbegrenzung für Richter des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR).
- Die Reduktion der Einreichung von Beschwerden beim EGMR sowie Anpassungen im Bereich der Zulässigkeit sowie die Anpassung in Bezug auf Abgabe der Rechtssache an die Grosse Kammer.
Die aufgeführten Massnahmen bedürfen einer Änderung der EMRK. Das Ministerkomitee des Europarates hat das Protokoll Nr. 15 am 16. Mai 2013 angenommen. Damit das Protokoll Nr. 15 in Kraft treten kann, muss dieses von allen Mitgliedstaaten des Europarats ratifiziert werden.
Die Schweiz hat das Protokoll noch nicht unterschrieben. In der Sitzung der Aussenpolitischen Kommission vom 16. September wurde darauf hingewiesen. Laut Regierung ist mit der Unterzeichnung durch die Schweiz noch in diesem Jahr oder Anfang 2014 zu rechnen. Zudem möchte ich darauf aufmerksam machen: Im Anhang des Berichts fehlt noch die vollständige Liste der Unterzeichnerstaaten. Ich bitte darum die Regierung, diese Liste dem Landtag noch nachzuliefern.
Die Ratifikation des Protokolls hat keine personellen, finanziellen, organisatorischen oder räumlichen Auswirkungen. Ich empfehle dem Landtag, dem Antrag der Regierung die Zustimmung zu erteilen. Danke. Landtagspräsident Albert Frick
Besten Dank. Abg. Eugen Nägele
Vielen Dank, Herr Präsident, für das Wort. Guten Morgen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen. Vor uns liegt das Protokoll Nr. 15 vom 24. Juni 2013 zur Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten.
Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) bzw. Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten wurde im Rahmen des Europarats ausgearbeitet und wurde am 4. November 1950 in Rom unterzeichnet. Über die Umsetzung der Konvention wacht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg.
Das Protokoll Nr. 15 stellt einen weiteren Zusatz zum Gründungsdokument dar und die Anpassungen wurden von allen 47 EWR-Staaten gemeinsam vorbereitet und auch erarbeitet. Liechtenstein war durch das Amt für Auswärtige Angelegenheiten vertreten. Die 5 Schwerpunkte sind:
In der Präambel wurde ein Hinweis auf das Prinzip der Subsidiarität aufgenommen. Subsidiarität bedeutet, dass Aufgaben und Problemlösungen so weit wie möglich von Einzelnen, von kleinen Gruppen oder von untersten Ebenen einer Organisationsform durchgeführt werden sollen. In Bezug auf das Protokoll Nr. 15 bedeutet dies, dass die Verfasser der Meinung sind, dass innerstaatliche Behörden besser als ein internationaler Gerichtshof geeignet sind, um die Bedürfnisse und Bedingungen vor Ort zu beurteilen. Diese Ansicht kann ich voll und ganz mittragen.
Der zweite Schwerpunkt betrifft die Altersbegrenzung für die Richter des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Da das Verfahren für die Wahl eines Richters oder einer Richterin sehr lange dauern kann, wird präzisiert, dass ein Kandidat zum Zeitpunkt, bei dem er zur Wahl vorgeschlagen wird, das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben darf. Ich finde, diese Regelung ist sehr sinnvoll.
Zwei weitere Anpassungen betreffen, ganz allgemein gesagt, die Beschleunigung von Verfahren am Europäischen Gerichtshof. Zum einen betrifft es die Reduktion der Frist für die Einreichung einer Beschwerde. Auf Seite 9 des Bericht und Antrags steht, dass Art. 30 dahingehend abgeändert wird, dass die betroffenen Personen der Abgabe einer Rechtssache durch eine Kammer an die Grosse Kammer nicht mehr widersprechen können. Zum anderen betrifft es Art. 35. Dort wird neu festgeschrieben, dass sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte schon nach 4 Monaten, anstatt früher 6, mit einer Angelegenheit befassen darf, die zuvor in einem Mitgliedsstaat entschieden wurde. Auch diese beiden Anliegen finde ich sehr sinnvoll.
Die letzte Anpassung betrifft nochmals Art. 35 - und dort die Maxime «de minimis non curat praetor» - der Richter kümmert sich nicht um Kleinigkeiten. Dieser Grundsatz soll gestärkt werden, weshalb folgender Teil gestrichen wird - «und vorausgesetzt, es wird aus diesem Grund nicht eine Rechtssache zurückgewiesen, die noch von keinem innerstaatlichen Gericht gebührend geprüft worden ist». Die Streichung dieser Passage könnte zu Diskussionen Anlass geben. Da kann ich mir gut vorstellen, dass man sagt, hier werden gewisse Rechte eingeschränkt. Ich denke aber, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen, so wie sie definiert worden sind, völlig ausreichend sind.
Das Protokoll Nr. 15 kann erst in Kraft treten, wenn es von allen 47 Mitgliedstaaten des Europarates ratifiziert worden ist. Ich stimme diesem Bericht und Antrag in dieser vorliegenden Form völlig zu. Danke schön.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Stv. Abg. Patrick Risch
Guten Morgen. Besten Dank für das Wort, Herr Präsident. Mit dem Protokoll 15 vom 24. Juni 2013 werden lediglich marginale Änderungen am Ende der Präambel zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten gemacht. Zusammengefasst geht es darum, mehr Augenmass und ein höheres Tempo bei der Behandlung von Fällen einzuführen. Die Vertragsparteien sollen über mehr Ermessensspielraum verfügen.
Wie mein Vorredner, der Abg. Eugen Nägele, schon ausgeführt hat, wird das Maximalalter der Richter auf 65 Jahre festgelegt, damit die Richter auch länger in ihrer Amtszeit verbleiben können.
Die nächste wichtigste Änderung ist die Verkürzung von Beschwerdefristen von 6 auf 4 Monaten, da es mit den neuen Kommunikationstechnologien ohne weiteres möglich ist, Beschwerden schneller abzuwickeln. Aus Sicht der Liechtensteiner Verhandlungsteilnehmer des Protokolls 15 ist dies für Liechtenstein unproblematisch, auch wenn in Liechtenstein rege Beschwerden gemacht werden. Im letzten Jahr gingen in Strassburg 16 Beschwerden von Liechtenstein ein. Insgesamt gehen pro Jahr zirka 70'000 Beschwerden beim EGMR ein, die von 47 Richtern bewältigt werden.
Es ist Ziel des Protokolls, die Zahl der hängigen Beschwerden von momentan mehr als 100'000 auf zirka 70'000 zu reduzieren. Wenn die gewaltige Flut reduziert werden kann, kann das Tempo für Verfahren erhöht werden. Neu sollen daher Individualbeschwerden für unzulässig erklärt werden können, wenn dem Beschwerdeführer daraus keine erheblichen Nachteile entstehen. In anderen Worten sollen sich Richter nicht mehr mit Kleinigkeiten beschäftigen müssen. Bisher waren Rechtssachen als zulässig erklärt, auch wenn diese von keinem innerstaatlichen Gericht geprüft worden sind. Vielen Beschwerdeführern ist es nicht klar, welcher Instanzenweg beschritten werden muss, bis ein Fall in Strassburg verhandelt werden kann. Deshalb sind viele Beschwerden hängig. Zuerst muss ein Fall national behandelt werden.
Von den Liechtensteiner Beschwerden sind, seit sich diese Möglichkeit bietet, 6 Fälle tatsächlich in Strassburg vors Menschenrechtsgericht gekommen. Weitaus die meisten Beschwerden sind als unzulässig erklärt worden: Unter den Liechtensteiner Beschwerden zählen zum Beispiel einige Raumplanungsbeschwerden zu den abgewiesenen. Gesamthaft werden in Strassburg 85 bis 90% der eingehenden Beschwerden als unzulässig qualifiziert. Sind Beschwerden aber einmal als zulässig qualifiziert worden, werden sie zu 90% bejaht.
Gesamthaft betrachtet sind die Änderungen zu begrüssen, weil sie zu einer Beschleunigung der Verfahren und zu einer leichten Entlastung des EGMR führen. Besten Dank.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Regierungsrätin Aurelia Frick
Herr Präsident, besten Dank für das Wort. Zuerst einmal besten Dank für die wohlwollende Aufnahme dieser Vorlage. Vielleicht noch kurz zu den Ausführungen der Abg. Rüdisser-Quaderer mit der Liste der Unterzeichnerstaaten: Der Vollständigkeit halber möchte ich ausführen, dass die letzte Seite offenbar nicht hinten und vorne gedruckt wurde und es fehlen bei dieser Auflistung der Staaten, die bereits das Protokoll unterzeichnet haben, die vier Staaten auf der Rückseite, und das wären Ukraine, Ungarn, Vereinigtes Königreich und Zypern. Diese vier Staaten wurden also nicht abgedruckt. Da ist die Liste einfach unterbrochen. Die Liste ist im APK-Protokoll in vollständiger Form angehängt. Sie ist sicher auch im Internet abrufbar. Falls Sie es trotzdem wünschen, dass wir Ihnen diese Liste postal oder per E-Mail nochmals zustellen, dann bitte bei mir melden. Aber diese Liste ist zugänglich und es fehlen einfach diese vier Staaten, die leider Gottes nicht für diesen Bericht und Antrag abgedruckt wurden.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank. Wenn es keine weiteren Wortmeldungen gibt, können wir uns dem Antrag der Regierung zuwenden, der wie folgt lautet:
«Der Hohe Landtag wolle dem Protokoll Nr. 15 vom 24. Juni 2013 zur Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten seine Zustimmung erteilen».
Wer mit diesem Antrag der Regierung einverstanden ist, möge bitte seine Stimme jetzt abgeben. Abstimmung: Einhellige Zustimmung
Landtagspräsident Albert Frick
Der Landtag hat mit 25 Stimmen die Zustimmung gegeben. Gleichzeitig haben wir auch Traktandum 22 abgeschlossen. -ooOoo-