Übereinkommen des Europarats zur Verhütung des Terrorismus (SEV Nr. 196) vom 16. Mai 2005 (Nr. 50/2016)
Landtagspräsident Albert Frick
Wir kommen zu Traktandum 22: Übereinkommen des Europarats zur Verhütung des Terrorismus (SEV Nr. 196) vom 16. Mai 2005. Der Bericht und Antrag trägt die Nr. 50/2016 und steht zur Diskussion.Stv. Abg. Peter Wachter
Ja, ich hätte eine andere Frage. Ich würde auf Abbruch der Sitzung plädieren. Mir geht nämlich der Stoff aus. Ich habe nicht damit gerechnet, dass wir bis zu Traktandum 22 kommen heute. Ich muss ehrlich gestehen, ich habe die Unterlagen nicht mehr hier. Auch finde ich, dass zu diesem Traktandum der Innenminister eigentlich hier sein sollte. Danke.Landtagspräsident Albert Frick
Also der Innenminister teilt diese Ansicht nicht. Er glaubt, dass die Aussenministerin das perfekt behandeln kann. Er hat mir auch angekündigt, dass er bei Traktandum 24 wieder hier sein wird. Wenn niemand sonst dieses Problem hat, möchte ich Sie bitten, bei Ihrem Nachbarn in die Unterlagen mit hineinzusehen.Abg. Thomas Lageder
Besten Dank für das Wort, Herr Präsident. In diesem Traktandum gilt es, über die Ratifikation des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung des Terrorismus zu entscheiden. Dabei ist wichtig festzuhalten, dass der Liechtensteinische Landtag alle nötigen Gesetzesanpassungen gutgeheissen hat und damit die Normen dieser Konvention erfüllt sind. Die wichtigsten Punkte des Übereinkommens sind, dass bereits die Vorbereitung und Planung von terroristischen Anschlägen eindeutig als Straftatbestand qualifiziert werden. Auch die Mittäterschaft und Beihilfe werden durch diese Konvention besser umrissen und kriminalisiert. Schliesslich beinhaltet das Übereinkommen Bestimmungen zum Schutz und zur Entschädigung von Terrorismusopfern. Im Fokus steht ausserdem die Verpflichtung zur Wahrung der Menschenrechte bei der Schaffung, Umsetzung und Anwendung des Übereinkommens. Die Konvention hat als übergeordnetes Ziel, ein Instrument zur Terrorismusprävention zu sein, also schon anzusetzen, bevor etwas passiert, Schaden abzuwenden und Anschläge zu verhindern.Zusätzlicher Aufwand entsteht Liechtenstein voraussichtlich einzig durch die Berichterstattung zuhanden des Europarats, die jedoch mit den vorhandenen Ressourcen zu bewältigen sein sollte. Die Fraktion der Freien Liste spricht sich klar für die Zustimmung zum Übereinkommen des Europarats zur Verhütung des Terrorismus aus und bedankt sich bei der Regierung und der Verwaltung für die Vorarbeiten für die Umsetzung und die Ratifikation. Besten Dank.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Abg. Rainer Gopp
Danke, Herr Präsident, für das Wort. Ja, ich werde dieser Vorlage auch zustimmen, möchte mir aber noch zwei, drei Bemerkungen dazu erlauben. Den grossen Rahmen hat der Abg. Lageder abgesteckt. Ich finde hier erwähnenswert, dass man sich mit Mittätertum, als Gehilfe und Mitwissender einer terroristischen Straftat nun auch strafbar macht und dass hier zudem auch auf die Prävention speziell und verstärkt Gewicht gelegt wird. Hier sind für mich vor allem die Weiterbildungsaktivitäten, die hier verlangt sind oder festgeschrieben sind, erwähnenswert. Auf Seite 11 kann man dann auch gut nachlesen, dass das Übereinkommen sich allerdings auch in einem Spannungsfeld zwischen Sicherheitsinteressen und dem Menschenrechtsschutz bewegt. Und hier möchte ich mir einfach eine Randbemerkung erlauben, die aber, wie ich finde, nicht minder wichtig ist. In den Zeiten des Terrorismus und Anschlägen überall auf dieser Welt wird der Ruf nach der totalen Überwachung lauter, und die scheint sich immer besser oder immer stärker zu legitimieren in dieser Welt. Hier kann man meines Erachtens als Kleinstaat zugegebener Massen nicht wahnsinnig viel entgegensetzen. Aber auch Personen, sprich Politiker, die in internationalen Organisationen hier ab und zu etwas sagen können, die sollten das tun und diesen Trend anmahnen. Wir sollten manchmal innehalten und die Freiheit des Menschen nicht zu stark einschränken, auch wenn wir uns in einer schwierigen Zeit befinden. Die Tendenz zur totalen Überwachung - Stichworte: Big Data und gläserner Bürger - ist längst eingeläutet. Und gerade jetzt, in dieser Zeit, wenn man so die Schlagzeilen einmal ein bisschen zwischen den Zeilen mitverfolgt, dann wird einem schon manchmal Angst und Bange, wohin sich das bewegt. Man muss sich auch bewusst sein, beziehungsweise ich glaube, dass das den meisten Leuten nicht bewusst ist, dass man sich auch als unbescholtener Bürger manchmal auf dünnem Eis bewegt. Man stelle sich vor, man kommt ungerechtfertigterweise in einen Verdacht, dann kann das schnell in eine Richtung gehen, die man nicht möchte. Es ist jetzt nicht direkt Bestandteil der Vorlage, aber das alles spielt ineinander hinein, aber wir sollten achtsam sein, was alles mit dem Thema Gefährdung und Sicherheit legitimiert wird, und ich habe das nun erwähnt für jene, die manchmal in Delegationen unterwegs sind, dass man das auch manchmal öffentlich anmahnt in diesen Organisationen. Danke.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Abg. Judith Oehri
Besten Dank für das Wort. Ja, der Europarat muss sich mit der Weiterentwicklung der Instrumente im Bereich Terrorismusbekämpfung beschäftigen. Es ist eigentlich eine traurige Aussage, weil es heisst, dass die Formen des Terrorismus oder das Gesicht des Terrorismus noch hässlicher geworden sind, als sie es ohnehin schon waren. Ich freue mich, dass wir das Übereinkommen übernehmen oder ratifiziert haben, und denke, dass Liechtenstein jetzt nun auch mit all den Massnahmen, die wir getroffen haben, gut aufgestellt ist. Es war ja auch notwendig. Unsere Interpellation zum Dschihadismus hatte ja auch aufgezeigt, dass Handlungsbedarf bestand. Aber - das hat der Abg. Gopp gut ausgeführt und ich kann mich beiden Vorrednern anschliessen - es ist ein Spagat: die Bekämpfung des Terrorismus versus die Wahrung der verschiedenen Freiheiten. Freie Meinungsäusserung, Vereinigungsfreiheit und Religionsfreiheit sind wichtig, aber die innere Sicherheit halt eben auch. Und diese Balance zu halten, das ist ganz wichtig, also wo bewahren wir unsere Werte, wo verteidigen wir die Werte und wo sind wir liberaler. Manchmal heisst es, liberal zu sein, manchmal heisst es, Zivilcourage zu zeigen und die Grenzen aufzuzeigen. Und ich glaube, der gesunde Menschenverstand ist diesbezüglich wichtig. Aber ich gehe mit diesem Übereinkommen positiv in die Zukunft und hoffe aber auch, dass wir nicht mehr viele Anpassungen machen müssen, weil sich der Terrorismus laufend noch verändert und schlimmer wird. Besten Dank.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Stv. Abg. Peter Wachter
Vielen Dank für das Wort. Ich hätte eben eine Frage an den Innenminister, und zwar interessiert es mich, ob Liechtenstein denn wirklich die Ressourcen hat, um diese eingegangenen Verpflichtungen auch zu erfüllen. Ich denke zum Beispiel daran, dass der «Islamische Staat» vor allem in Foren, wo sich Jugendliche vor allem herumtun, auch rekrutiert. Diese Foren werden zum Teil überwacht. Ich habe gelesen, in der Schweiz ist es schon ziemlich weit, wie man diese Foren überwacht. Aber haben wir überhaupt die Ressourcen? Dann denke ich an das Stichwort Hassprediger. Gibt es überhaupt Erfahrungen, dass das bei uns so ist oder können wir davon ausgehen, dass auch in den Kleinstmoscheen bei uns das nicht passiert? Und was mich beschäftigt, ist auch die Abgrenzung von terroristischen Aktivitäten von normalen Straftaten. Die Abg. Judith Oehri hat heute Morgen ein Beispiel gebracht. In der Schweiz rufen Mitglieder der türkischen AKP zu physischer Gewalt an Mitgliedern der sogenannten Gülen-Bewegung auf. Ist es nun ein Aufruf zu einer Straftat oder ist es ein Aufruf zum Terror gegen Mitbürger? Und und und. Also das würde mich sehr interessieren und zum Schluss vielleicht die Frage, wie ist die Kostenseite für uns? Also wenn wir einen Überwachungsapparat aufbauen müssten, Spezialisten, die sich auch im Netz bewegen können, dann nehme ich an, dass das etwas kosten würde. Danke. Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank. Regierungschef-Stellvertreter Thomas Zwiefelhofer
Danke, Herr Präsident, für das Wort. Ja, sehr geehrter Abg. Peter Wachter, das sind interessante Fragen, die Sie aufwerfen, die wir an anderer Stelle auch schon hier diskutiert haben, die hier jetzt natürlich im Zusammenhang mit dieser eher aussenpolitischen Komponente der Integration Liechtensteins in eine Konvention wieder auftauchen, die ich aber gerne beantworte. Zum ersten Punkt, den Sie aufgeworfen haben: Ob wir da überhaupt die Ressourcen haben, zum Beispiel das Internet zu überwachen, wo ja bekanntlich gerade beim «Islamischen Staat» sehr viel abläuft, was Rekrutierung was Ideologisierung angeht. Dazu muss man wissen oder muss man immer wieder betonen, dass solche Aufklärung, solche Überwachung, solche nachrichtendienstlichen Aktivitäten praktisch kein Land alleine stemmen kann. Also auch die Schweiz oder noch grössere Staaten wie Deutschland arbeiten hier in einer quasi Übereinkunft zwischen den Staaten zusammen. Das heisst, man arbeitet hier auf Nachrichtendienstebene sehr intensiv zusammen und versucht, sich auch gegenseitig mit entsprechenden Informationen rechtzeitig zu bedienen. Und gerade Liechtenstein, das über keine solchen nachrichtendienstlichen Aktivitäten verfügt, weil wir schlicht die Ressourcen, wie Sie richtig feststellen, nicht haben, ist auf eine sehr enge und gute Zusammenarbeit mit den Nachbarn angewiesen - und diese Zusammenarbeit existiert. Wir haben mit dem Schweizer Nachrichtendienst des Bundes eine ausgezeichnete Zusammenarbeit - insofern auch, dass der Nachrichtendienst der Schweiz uns Liechtensteiner, wenn es Bezüge gibt zu liechtensteinischen möglichen Tätern, zu möglichen Zielen von Terrorismus etc., auf dem Kanal über die Landespolizei rechtzeitig auch informiert. Das funktioniert, diese Zusammenarbeit ist eben sehr wichtig, weil wir selbst diese Ressourcen kaum aufbringen könnten. Selbstverständlich ist es auch so, dass wir auch, wenn wir hier bei uns trotzdem etwas feststellen, was für die Schweiz oder Österreich oder andere Staaten relevant ist, dann diese Informationen ebenfalls weitergeben. Die Landespolizei selbst hat ja auch eine Staatsschutzabteilung. Die ist personell nicht unheimlich gross, aber sie hat die rechtlichen Grundlagen, auch um solchen Informationsaustausch mit den anderen Nachrichtendiensten vorzunehmen. Und insofern, glaube ich, ist es einfach wichtig, dass wir hier die Zusammenarbeit mit den Nachbarn intensiv pflegen und damit auch von diesen Aufklärungsarbeiten profitieren können.Zum Stichwort Hassprediger, zu dieser Problematik, die Sie angesprochen haben betreffend Verbreitung von menschenverachtenden Ideologien in Moscheen oder auch vielleicht auch einmal in einer Kirche oder in einem anderen religiös gewidmeten Gebäude - ich möchte das nicht nur für den Islam einschränken -, ist es natürlich so, dass wie bei allen Straftaten auch hier eine gewisse Angewiesenheit ist auf Informationen von Zeugen, von aufmerksamen Bürgern. Und gerade in Liechtenstein merken wir, dass das eigentlich sehr gut funktioniert. Wir hatten ja einmal diesen Vorfall mit diesem Dolmetscher bei einer Schulklasse - sofort wurde das notiert und wurde das gemeldet. Also ich denke, bei diesen kleinräumigen und auch sehr eng vernetzten Verhältnissen hier in Liechtenstein erfährt man solche Dinge regelmässig relativ schnell. Eine Überwachung durch Polizeiinstitutionen von solchen Gebäuden, von solchen quasi religiösen Predigern, welcher Religion auch immer, das würde die Ressourcen ebenfalls überschreiten. Und das wird auch in anderen Staaten nicht gemacht. Auch in der Schweiz findet keine regelmässige, fortlaufende Überwachung von Predigern irgendeiner Religion statt. Das ist nicht Aufgabe des Staates. Das würde zu weit führen. Hier ist man auf Hinweise angewiesen und dann werden die entsprechenden Mechanismen ausgelöst: Zum Beispiel gibt es eine sogenannte Gefährderansprache, also wenn die Landespolizei Kenntnis erhält von einem solchen Vorfall, dann geht man proaktiv auf diese Personen zu, spricht sie auf das Vorgefallene an, versucht herauszufinden, was der Hintergrund ist, ob es Gefährdungspotenzial und so weiter gibt. Diese Mechanismen funktionieren auch in Liechtenstein sehr gut und es gibt auch immer wieder Beispiele für solche Vorfälle.Die Abgrenzung zwischen kriminell und terroristisch, die Sie angesprochen haben, ist eine strafrechtliche Frage. Dazu finden Sie im Strafgesetzbuch und auch in den Kommentaren dazu eine klare Definition. Das möchte ich hier nicht freihändig aus dem Ärmel schütteln, weil es wahrscheinlich nicht genügend präzise wäre. Also wenn Sie diese Frage näher abklären wollen, müssen Sie ins Strafgesetzbuch schauen. Dort wird der Begriff Terrorismus sehr klar umschrieben. Die Anpassungen im Strafgesetzbuch haben ja auch die Grundlage geliefert. Und damit spiele ich den Ball wieder zu meiner Kollegin des Äusseren hinüber. Die Anpassungen im Liechtensteiner Strafgesetzbuch haben eben die Grundlage gegeben im Bereich Terrorismusbekämpfung, dass wir eben jetzt in der Lage sind, dieses internationale Abkommen des Europarates auch zu ratifizieren und da mitzumachen. So viel spontan von meiner Seite. Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank. Gibt es weitere Wortmeldungen? Das ist nicht der Fall. Somit können wir uns dem Antrag der Regierung zuwenden. Er lautet: «Der Hohe Landtag wolle dem Übereinkommen des Europarates zur Verhütung des Terrorismus vom 16. Mai 2005 (SEV Nr. 196) seine Zustimmung erteilen.» Wer mit diesem Antrag einverstanden ist, möge bitte die Stimme abgeben.Abstimmung: Zustimmung mit 23 Stimmen
Landtagspräsident Albert Frick
Der Landtag hat mit 23 Stimmen die Zustimmung erteilt und wir haben Traktandum 22 abgeschlossen. -ooOoo-