Bericht und Antrag der Regierung betreffend den Austritt des Vereinigten Königreichs Grossbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und dem EWR-Abkommen (BuA Nr. 139/2019)
Landtagspräsident Albert Frick
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete, sehr geehrte Mitglieder der Regierung, ich begrüsse Sie zur Sondersitzung des Landtages vom 29. Januar 2020. Ich habe folgende Absenzen bekannt zu geben: Die Abg. Violanda Lanter wird durch den stv. Abg. Peter Frick vertreten. Der Abg. Daniel Oehry wird durch den stv. Abg. Norman Walch vertreten. Und der Abg. Harry Quaderer wird durch den stv. Abg. Ado Vogt vertreten. Im einzigen Traktandum der heutigen Sondersitzung behandeln wir den Bericht und Antrag der Regierung betreffend den Austritt des Vereinigten Königreichs Grossbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und dem EWR-Abkommen.Der Bericht und Antrag der Regierung trägt die Nr. 139/2019, er steht zur Diskussion.Abg. Eugen Nägele
Herr Präsident, danke für das Wort. Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete, guten Morgen in die Runde. Im Vorfeld zu dieser Sondersitzung habe ich vor allem zwei Bemerkungen oder Fragen immer wieder gehört: - Warum braucht es im Januar einen Sonderlandtag? Kann das nicht warten?
- Was geht mich der Brexit an, das betrifft doch nur die Briten.
Natürlich haben die Liechtensteiner nicht «Briten», sondern «Engländer» gesagt. Aber das stimmt natürlich in diesem Zusammenhang nicht. Zum Ersten kann vereinfacht gesagt werden, dass es heute einen Sonderlandtag braucht, damit kein rechtliches Vakuum entsteht. Die Aussenministerin hat gestern in London das Austrittsabkommen unterzeichnet und heute nehmen wir ein Abkommen zur Kenntnis und beschliessen ein Gesetz, damit «alles» so gut wie möglich weiterläuft. Wie schon gesagt, ich vereinfache hier. Die Regierung umschreibt dieses «alles» auf der Seite 8 mit der Sicherung der erworbenen Rechte, damit sich der Brexit nicht negativ auf bereits getroffene Lebensentscheidungen auswirkt. Denn Grossbritannien und Nordirland werden ab dem 31. Januar offiziell nicht mehr Mitglied der EU und damit auch nicht mehr Mitglied des EWR sein. Zum Zweiten kann sehr zusammenfassend gesagt werden, dass der Brexit uns alle mehr oder weniger betreffen wird. Momentan und sicher bis zum Ende dieses Jahres 2020 wird «alles» so weiterlaufen wie gehabt. Was danach, ab Januar 2021, kommt, das ist noch unklar, aber ein Sachverhalt ist eindeutig: Das Verhältnis unseres Landes zu Grossbritannien muss neu geregelt werden und da wartet ein ganz schöner Brocken Arbeit. Nun aber zurück zum Anfang. Am 23. Juni 2016 fand die Brexit-Abstimmung statt und eine knappe Mehrheit befürwortete damals den Austritt aus der EU. Am 29. März 2017 reichte die britische Regierung bei der EU formell den Austrittsantrag ein. Damit verbunden war eine zweijährige Frist, um einen geordneten Austritt zu verhandeln. Wir alle wissen, dass diese Frist nicht eingehalten wurde. Am 28. Januar, gestern also, wurde schliesslich das Austrittsabkommen zwischen den EWR/EFTA-Staaten und UK unterzeichnet und am Freitag wird das EU-Parlament dem Austrittsabkommen zustimmen. Damit ist das United Kingdom (UK) in zwei Tagen offiziell nicht mehr Mitglied der EU und des EWR. Der vor uns liegende Bericht und Antrag schildert im Kapitel 2 den Verhandlungsverlauf, den ich hier nicht wiederholen werde. Ich möchte aber auf einen Aspekt hinweisen der für mich zentral ist. Das Abkommen, das wir heute in diesem Bericht und Antrag zur Kenntnis nehmen, erfüllt folgende Grundsätze, die auf der Seite 11 aufgelistet sind:- Das Abkommen soll, und hier zitiere ich, so weit als möglich das Abkommen zwischen der EU und UK spiegeln;
- die Rechte der EWR/EFTA-Staatsangehörigen müssen in gleichem Umfang geschützt werden, wie die Rechte der EU-Staatsangehörigen;
- das Abkommen soll alle EWR-relevanten Bereiche des Abkommens EU-UK umfassen;
- Fragen, die sich aus dem Dreiecksverhältnis EU-EWR/EFTA-UK im Sozialversicherungsbereich ergeben, müssen gelöst werden;
- zusätzlich für Liechtenstein, und das ist sehr wichtig: die Sonderlösung zum Personenverkehr muss gewahrt bleiben.
Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass der vorliegende Abkommenstext im grünen Teil des Berichts und Antrags alle oben genannten Forderungen erfüllt. Das ist wichtig und sehr entscheidend.
Die Grundsätze und Inhalte, die in diesem Abkommen festgehalten werden, haben jedoch ein Ablaufdatum. Am 31. Dezember 2020 verliert das Abkommen theoretisch die Gültigkeit. Warum theoretisch? Das Abkommen kann um ein Jahr, vielleicht auch zwei Jahre, verlängert werden. Im Schreiben vom 24. Januar 2020 an den Landtag formuliert es die Regierung folgendermassen: «Die im Austrittsabkommen mit der EU vorgesehene Übergangsfrist bis 31. Dezember 2020 kann zwar um ein oder zwei Jahre verlängert werden, Johnson schliesst aber eine Verlängerung aus.»Ich frage mich wirklich, ob diese Frist eingehalten werden kann. Ich hege grosse Zweifel und bin wohl nicht der Einzige in diesem Saal. Die Arbeit, die nur in einem Jahr erledigt werden muss, ist gewaltig gross. Auch bei gutem Willen von allen Seiten wird es sehr schwierig werden. Elizabeth Taylor, die weltberühmte Schauspielerin, die achtmal verheiratet war, sagte einmal: Ich bin zufrieden, wenn meine nächste Ehe die Haltbarkeit von Joghurt überdauert. Mit dem Ablaufdatum dieses Abkommens wäre sie also sicher sehr zufrieden gewesen. Ich meine, ein Jahr ist äusserst knapp, um eine neue Beziehung zu Grossbritannien aufzubauen. Aber natürlich hinkt dieser Vergleich wie die meisten Vergleiche. Der Abkommenstext wird auf den Seiten 15 bis 27 erläutert und die Schwerpunkte werden hervorgehoben. Es ist nicht notwendig, alle Punkte zu wiederholen. Auch hier möchte ich nur auf einige zentrale Themen hinweisen. Im Bericht und Antrag wird ausgeführt, dass heute 78 liechtensteinische Staatsangehörige in Grossbritannien leben. Für diese Personen ist dieses Abkommen zentral, da es garantiert, dass «alles» mehr oder weniger so läuft wie bisher. Natürlich gilt das auch für die 57 britischen Staatsangehörigen, die momentan in unserem Land leben. In diesem Zusammenhang können wir auf den Seiten 18 und 19 im Bericht und Antrag lesen, dass sich liechtensteinische Staatsangehörige in Grossbritannien bis zum 30. Juni 2021 einmalig registrieren müssen. Diese Pflicht besteht unabhängig davon, ob man schon eine Aufenthaltsbewilligung besitzt oder nicht. Hierzu habe ich eine Frage: Wie werden unsere Staatsangehörigen über diese Pflicht zur Registrierung informiert? In einem Artikel in der «NZZ am Sonntag» vom 19. Januar 2020 habe ich gelesen, dass die Schweizer Botschaft an ihre Landesangehörigen, es sind etwa 20'000, einen Brief geschickt hat, um sie über diese Pflicht zu informieren. Ich bitte die Aussenministerin um Auskünfte zu dieser Thematik. EWR/EFTA-Staatsangehörigen, also auch Liechtensteinerinnen und Liechtensteinern, die erwerbstätig sind, über ausreichend finanzielle Mittel verfügen und eine Krankenversicherung haben, wird ein Aufenthaltsrecht von bis zu fünf Jahren gewährt und nach fünf Jahren erhalten sie das Recht auf Daueraufenthalt. Dieses Aufenthaltsrecht gilt nicht für Personen, die nach der Übergangsfrist, also nach dem 31. Dezember 2020, oder bei Verlängerung später zuwandern oder einwandern werden. Welche Rechte diese Personen haben werden, kann heute nicht gesagt werden. Dieses Thema muss erst noch ausgehandelt werden. Hier wird ersichtlich, und ich übertreibe nicht, glaube ich, welche dramatischen Folgen und welche Unsicherheiten der Brexit mit sich bringt. Für liechtensteinische Personen, die beispielsweise in zwei Jahren nach UK auswandern wollen, ist die rechtliche Situation heute noch ungewiss. Auf das Thema Aufenthaltsrecht und Verlust dieses Rechts, geht das Ministerium für Äusseres auch im Schreiben vom 24. Januar ein. Dort können wir lesen, dass liechtensteinische Staatsangehörige die Möglichkeit haben, UK für fünf Jahre zu verlassen, ohne ihren neuen Daueraufenthaltsstatus zu verlieren. Gleichzeitig weist die Regierung in diesem Schreiben aber auch darauf hin, dass bei Straffälligkeit das Aufenthaltsrecht auch entzogen werden kann. Ich vereinfache und sage, dass je nach Schwere der Straftat auch eine Abschiebung in Betracht gezogen werden kann. Ein weiteres Thema, das mich natürlich auch sehr interessiert, ist die Anerkennung von Berufsqualifikationen und Diplomen. Im Protokoll der APK vom 23. Januar 2020 finden wir Ausführungen dazu. Momentan ergeben sich keine Veränderungen, aber nach der Übergangsfrist müssen auch in diesem Bereich neue Lösungen gesucht werden. Wie diese Regelungen dann aussehen werden, kann heute noch nicht gesagt werden. Ich hoffe aber, dass im Sinne der Berufsleute und der zukünftigen Studierenden Lösungen gefunden werden, die der heutigen Situation möglichst weitgehend entsprechen. Auf der Seite 26 im Bericht und Antrag wird die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit mit Grossbritannien erwähnt. Diese Zusammenarbeit basiert nicht auf dem EWR-Abkommen, sondern auf der Schengen-Assoziierung der einzelnen Länder. Dort steht, dass Island, Liechtenstein und Norwegen teilweise unterschiedliche Abkommen haben. Für mich ergeben sich daraus folgende Fragen: Wie werden die Verhandlungen nach der Übergangsfrist laufen? Werden die EWR/EFTA-Staaten gemeinsam mit UK verhandeln oder jedes Land für sich? Es ist mir bewusst, dass auf solche Fragen heute schwierig zu antworten ist, aber dennoch bitte ich die Aussenministerin um eine Einschätzung zu dieser Frage. Ein sehr wichtiger Bereich, der in diesem Bericht und Antrag fehlt und damit auch im Abkommen, ist der Handel mit Grossbritannien. Dieses Thema wird im Protokoll der APK, wie auch im Schreiben der Aussenministerin an den Landtag, erwähnt. Dieses Thema ist natürlich nicht vergessen worden, sondern wird zu einem späteren Zeitpunkt im Landtag diskutiert werden. Die wirtschaftlichen Beziehungen zu Grossbritannien sind für unsere Unternehmen sehr wichtig, da UK ein wichtiger Markt für unsere Exportindustrie ist. Ich bitte deshalb die Aussenministerin um Auskünfte zum Handelsabkommen mit UK. Wie ist der Stand der Dinge und vor allem wie sieht der zeitliche Ablauf aus? Zum Schluss bedanke ich mich beim Ministerium für Äusseres und den zuständigen Stellen im Hintergrund für diesen guten Bericht und Antrag und für das erreichte Verhandlungsresultat. Rückblickend stelle ich fest, dass das Ministerium für Äusseres rasch und klug reagiert hat. Schon im Juli 2016 setzte die Regierung unter der Leitung des AAA eine Arbeitsgruppe Brexit mit relevanten Amtsstellen und Vertretern von Verbänden ein. Für die Vorbereitung der Verhandlungen und die Verhandlungen selber setzte die Regierung eine Expertenstelle Brexit ein. Sie wurde temporär von Christian Frommelt und danach von Esther Schindler sehr engagiert und professionell geleitet. Ich gehe davon aus, dass auch die Mission in Brüssel einen wichtigen Beitrag leistete. Der gesamte Prozess verlangte immer wieder Flexibilität, auch vom Landtag, der durch die mehrmalige Ansetzung des Sonderlandtags ein Liedchen davon singen könnte. Ich glaube, heute können wir sagen, dass das Ministerium und das Amt für auswärtige Angelegenheiten das erreicht haben, was von Anfang an das Ziel war, nämlich eine gleichwertige Lösung zu erreichen wie die EU. Das ist gelungen. Es ist gelungen, die Interessen Liechtensteins zu wahren. Ich hoffe, dass wir nach dem Ablauf der Übergangszeit und nach den Neuverhandlungen das auch sagen können. Good luck und danke.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Abg. Manfred Kaufmann
Besten Dank für das Wort, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete. Im Namen der Landtagsfraktion der Vaterländischen Union verlese ich gerne folgende Fraktionserklärung: Wir bedanken uns bei der Regierung sowie den zuständigen Stellen für den vorliegenden Bericht und Antrag betreffend den Austritt des Vereinigten Königreichs Grossbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und dem EWR-Abkommen.
Bisher kannte der europäische Integrationsprozess nur eine Richtung: Immer mehr Staaten haben unter dem institutionellen Dach der EU immer mehr Kompetenzen in immer mehr Politikfeldern geteilt. In diesem Prozess markiert der Brexit - also der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU - eine sichtbare Zäsur. Mit dem Brexit verlässt das Vereinigte Königreich nicht nur die EU, sondern gleichzeitig auch den Europäischen Wirtschaftsraum, der neben den EU-Staaten die EFTA-Staaten Island, Norwegen und Liechtenstein umfasst. Seit fast 25 Jahren bildet dieser die Grundlage für die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Liechtenstein und dem Vereinigten Königreich. Als Mitgliedsland des EWR müssen wir uns der Frage stellen, wie es zu dieser Entscheidung der Briten kam. Aus Sicht der Landtagsfraktion der Vaterländischen Union müssen sich die europäischen Institutionen mehr denn je Gedanken darüber machen, wie sie solche Schritte ihrer Mitglieder verhindern können. Institutionelle Reformen müssen garantieren, dass Bürger nicht von Technokratie dominiert werden und sich überfahren vorkommen. Die europäischen Institutionen müssen sich so reformieren, dass Prozesse demokratisch legitimiert werden. Nur die Demokratie kann das Projekt und die Idee eines gemeinsamen und friedlichen Europas am Ende retten. Ansonsten werden sich Mehrheiten dagegen bilden, wie das im Vereinigten Königreich der Fall war. Mit dem Austritt von UK ist es nicht länger Teil des räumlichen Geltungsbereichs des EWR und damit nicht mehr Vertragspartei des EWR-Abkommens. Gestützt auf das EWR-Abkommen verfügen liechtensteinische Bürgerinnen und Bürger über zahlreiche Rechte, auf die sie sich in allen EU-Staaten gleichermassen berufen können. Umgekehrt verfügen Bürgerinnen und Bürger aus UK über zahlreiche Rechte in Liechtenstein. UK ist die zweitgrösste Volkwirtschaft im EWR. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass UK auch für Liechtenstein einen bedeutenden Handelspartner darstellt. Gemäss der liechtensteinischen Aussenhandelsstatistik ist UK sowohl für die Warenexporte als auch Warenimporte einer der wichtigsten Partner, wobei in dieser Statistik die Schweiz nicht mitgezählt wird. Die Warenexporte nach UK machten im 2018 2,3% der gesamten Warenexporte Liechtensteins aus. Bei den Warenimporten betrug der Anteil 1,7%. Sowohl Liechtenstein als auch UK profitierten von der engen wirtschaftlichen Verflechtung über den EWR. Daneben sind auch die gesellschaftspolitischen Beziehungen zwischen UK und Liechtenstein wichtig. So leben ungefähr 100 Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner in UK. Ausserdem ist UK eines der beliebtesten Länder durch «Erasmus+»-geförderte Mobilität und Projektpartnerschaften. Mit dem Brexit verringert sich die Anzahl der EWR-Staaten. Das EWR-Abkommen bleibt für Liechtenstein indes von zentraler Bedeutung, um den Zugang zum europäischen Binnenmarkt zu sichern. Das übergeordnete Ziel der liechtensteinischen Strategie ist, dass der Brexit das gute Funktionieren des EWR nicht gefährden darf. Auch haben verschiedene Staatsangehörige und Unternehmen Liechtensteins durch die EWR-Mitgliedschaft in UK gewisse Rechte erworben. Diese gilt es durch das Austrittsabkommen zu schützen und zu sichern, damit der Brexit sich nicht negativ auf bereits getroffene Lebensentscheidungen auswirkt und die Personen ihre Existenzgrundlage verlieren würden. Dadurch soll ausserdem verhindert werden, dass eine unterschiedliche Behandlung von EU-Staatsangehörigen und EWR/EFTA-Staatsangehörigen entsteht. Das vorliegende Austrittsabkommen zwischen den EWR/EFTA-Staaten und UK erfüllt diese Forderung, wonach die liechtensteinischen Staatsangehörigen, die bereits in UK leben, weitgehend die gleichen Rechte haben wie bisher. Dazu gehören neben dem Aufenthaltsrecht auch die Ansprüche auf Sozialversicherung und die Anerkennung von beruflichen Qualifikationen. Es ist zu begrüssen, dass die spezielle liechtensteinische Lösung beim Personenverkehr gewahrt bleibt. Bis Ende 2020 bleibt nun UK im Binnenmarkt, allerdings ohne Mitspracherechte. In dieser Zeit soll ein Abkommen über die künftigen Beziehungen ausgehandelt werden. Der Übergangszeitraum kann einmalig um ein oder zwei Jahre verlängert werden. Es ist von grosser Wichtigkeit, dass sich während des Übergangszeitraums für die betroffenen Bürger und Unternehmen nichts ändert. Mit der Gesetzesvorlage wird für den Rechtsanwendenden klargestellt, dass UK während des Übergangszeitraums im liechtensteinischen Recht weiter als EWR- beziehungsweise EU-Mitgliedstaat gilt. Der Übergangszeitraum ist auch im Interesse Liechtensteins. Er gibt der Regierung Zeit, die zukünftigen Beziehungen mit UK zu verhandeln, und der Verwaltung und Unternehmen, sich auf die neuen Regelungen vorzubereiten. Für die VU-Landtagsfraktion ist es wichtig, dass bei weiteren Verfahren und Verhandlungen im Zusammenhang mit dem Brexit die Interessen von liechtensteinischen Staatsangehörigen und Unternehmen gewahrt bleiben und es in Zukunft zu keinen Nachteilen im Vergleich zu unseren wichtigsten Handelspartnern kommt. Die Fraktion der Vaterländischen Union wird dem Antrag der Regierung ihre Zustimmung erteilen. Besten Dank.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Abg. Georg Kaufmann
Danke für das Wort, Herr Präsident. Im Namen der FL-Fraktion gebe auch ich eine Fraktionserklärung ab. Ausserordentliche Ereignisse bedürfen ausserordentlicher Aktionen. Dieser heutige Sonderlandtag ist eine derartige ausserordentliche Aktion und betrifft das beschlossene Ausscheiden des Vereinigten Königreiches von Grossbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und dem EWR-Abkommen. Kurz zur Vorgeschichte: Nach dem entsprechenden Volksentscheid im Juni 2016 unterbreitete die britische Regierung der EU im März 2017 ihren formalen Austrittsentscheid. Damit begann die zweijährige Frist für Verhandlungen über einen geordneten Austritt. Diese Frist wurde insgesamt drei Mal bis zum 31. Dezember 2020 verlängert. Im Oktober des letzten Jahres einigten sich nun die Vertragspartner auf ein Abkommen über einen geordneten Austritt per 31. Januar dieses Jahres. Demgemäss bleibt das Vereinigte Königreich bis Ende 2020 im Binnenmarkt, jedoch ohne Mitspracherechte. In dieser Zeit soll der nächste Schritt folgen, nämlich die Erarbeitung eines Abkommens, welches die zukünftigen Beziehungen zwischen den beiden Vertragspartnern regelt. Dieser Übergangszeitraum kann einmalig um ein oder zwei Jahre verlängert werden. Mit dem Austritt aus der EU verlässt das Vereinigte Königreich auch den EWR. Ab dem 1. Februar dieses Jahres wird das Vereinigte Königreich also keine Vertragspartei des EWR-Abkommens mehr sein, auch wenn es während des Übergangzeitraums noch an das Abkommen gebunden sein wird. Gestern hat Liechtenstein das Austrittsabkommen mit dem Vereinigten Königreich in London unterzeichnet. Das Abkommen und das Übergangsgesetz treten am kommenden Samstag in Kraft. Die Freie Liste ist für Eintreten auf die Vorlage, wird beiden Abkommen die Zustimmung erteilen und unterstützt auch die abschliessende dringliche Behandlung. Beides, also das Austrittsabkommen und das Übergangsgesetz, soll garantieren, dass EWR/EFTA-Staatsangehörige, also auch Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner, die bereits im Vereinigten Königreich leben, beziehungsweise britische Staatsangehörige, die in Liechtenstein leben, ihre bisherigen Rechte behalten. Der Brexit soll sich nicht negativ auf bereits getroffene Lebensentscheidungen auswirken. Dazu gehören neben dem Aufenthaltsrecht auch die Ansprüche auf Sozialversicherung und die Anerkennung von beruflichen Qualifikationen. Gemäss Bericht und Antrag betrifft dies gegenwärtig etwa 80 Liechtensteiner Bürger, die im Vereinigten Königreich sesshaft sind und 57 UK-Bürger, die sich in Liechtenstein aufhalten. Neben den Bürgerrechten umfasst das Abkommen auch weitere EWR-relevante Bereiche, namentlich Geistiges Eigentum, justizielle und polizeiliche Zusammenarbeit, Datenschutz und öffentliches Beschaffungswesen. Bei all diesen Themen wird im Wesentlichen geregelt, dass Rechte, die vor dem Ende des Übergangszeitraums erworben wurden, auch darüber hinaus geschützt werden beziehungsweise dass am Ende des Übergangszeitraums noch laufende Verfahren nach denselben Bestimmungen, nach denen sie begonnen wurden, beendet werden. Von EWR-Seite wurde damit alles unternommen, damit die heikle Situation des EU-Austritts Grossbritanniens für die betroffenen Menschen keine nachteiligen Folgen hat. Auch die liechtensteinische Sonderlösung zum Personenverkehr bleibt bestehen. Dies ist durch einen Zusatz in der Präambel des Austrittsabkommens sichergestellt. Die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen sollen ebenfalls nicht leiden. Allerdings fällt die Abwicklung des Warenverkehrs aufgrund des Zollvertrags in den Kompetenzbereich der Schweiz. Diese hat ein separates Abkommen mit dem Vereinigten Königreich abgeschlossen und über ein Zusatzprotokoll auf Liechtenstein ausgedehnt. Dieses Abkommen wurde bereits vor einem Jahr unterzeichnet und wird dem Landtag zu einem späteren Zeitpunkt zusammen mit weiteren Vorlagen zu den zukünftigen Beziehungen unterbreitet. EWR/EFTA-Staatsangehörige können sich wie EU-Bürger bei Problemen mit der Umsetzung des Bürgerrechts im Vereinigten Königreich an die unabhängige nationale Behörde (IMA) wenden. Auf EWR/EFTA-Seite sind die ESA und der EFTA-Gerichtshof für die korrekte Umsetzung des Austrittsabkommens zuständig. Für Streitigkeiten, die sich aus den restlichen Bestimmungen des Abkommens ergeben, ist ein gemeinsamer Ausschuss zuständig. Der beschlossene Übergangszeitraum ist auch im Interesse Liechtensteins. Er gibt der Regierung Zeit, die zukünftigen Beziehungen mit dem Vereinigten Königreich zu verhandeln, und der Verwaltung und den Unternehmen Gelegenheit, sich auf die neuen Regelungen vorzubereiten. Liechtenstein gewährt dem Vereinigten Königreich deshalb während des Übergangszeitraums die Rechte aus dem EWR-Abkommen und weiteren Abkommen mit der EU. Wichtig ist hervorzuheben, dass Personen die nach Ablauf des Übergangszeitraums neu zuwandern, vom Abkommen nicht erfasst werden. Diese Frage wird Gegenstand der Verhandlungen über die zukünftigen Beziehungen mit dem Vereinigten Königreich sein. Gemäss den aktuellen Plänen der britischen Regierung soll es aber im Vereinigten Königreich keine Sonderbehandlung für EU- und auch EWR-Staatsangehörige mehr geben. Wir gehen davon aus, dass es dann auch auf EU- beziehungsweise EWR-Seite keine Sonderbehandlung für UK-Bürger mehr geben wird. Sie werden also in den Status von Drittstaatsausländern fallen mit den entsprechenden Konsequenzen. Kann an dieser Stelle die Regierung schon Auskunft geben über den Ablauf und den Zeitplan von künftigen Verhandlungen? Man darf gespannt sein, ob die doch recht knappe Übergangszeit von nicht einmal einem Jahr reichen wird, um das Abkommen über die zukünftigen Beziehungen zum Vereinigten Königreich unter Dach und Fach zu bringen. Die Aufgabe ist immens, müssen doch praktisch alle Bereiche neu verhandelt werden. Da aber die Regeln für die Übergangszeit klar und eindeutig geregelt sind und eine Verlängerungsmöglichkeit besteht, ist dies aus Liechtensteiner Sicht nicht relevant beziehungsweise auch nicht problematisch. Im Namen der Fraktion der Freien Liste danke ich der Regierung und allen betroffenen Stellen für ihr grosses Engagement bei dieser doch sehr komplexen Gesetzesmaterie. Sie zeigt auf, wie essenziell gerade für Liechtenstein eine aktive und entschlossene Aussenpolitik ist. Als Kleinstaat sind wir auf starke und verlässliche Partner und Netzwerke angewiesen. Beim Thema Brexit jedenfalls haben sich die Vorteile einer EWR-Mitgliedschaft für Liechtenstein bestätigt. Und wenn in diesem Haus immer wieder kritische Worte zu Europa zu hören und die Kosten für die Mitgliedschaft im EWR doch erheblich sind, möchte ich betonen, dass unseres Erachtens Liechtenstein durch die EWR-Mitgliedschaft an aussenpolitischem Profil gewonnen hat und die Vorteile einer Mitgliedschaft deren Nachteile klar überwiegen. Aus dieser Warte heraus kann ich persönlich den Weg, für den sich das Vereinigte Königreich entschieden hat, auch nicht nachvollziehen, ja, ich bedauere ihn, denn meines Erachtens schwächen sich damit beide Seiten sehr. Besten Dank.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Abg. Thomas Lageder
Besten Dank für das Wort, Herr Präsident. Guten Morgen. Auch von mir noch einige kritische Worte zu dieser Vorlage. Das ist ein trauriger Tag. Die Entscheidung des Vereinigten Königreichs, die EU und somit auch den EWR zu verlassen, ist sehr bedauernswert. Bedauernswert in vielerlei Hinsicht, weil durch den Austritt des Vereinigten Königreichs weniger Kooperation und weniger Handel resultieren wird. Unter dem Strich werden alle verlieren und schlechter dastehen. Sicherlich wird es durch gewisse Verlagerungen auch Gewinner geben. Die Gewinne werden aber die Verluste keinesfalls aufwiegen. Der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union birgt vor allem auch grosses Konfliktpotenzial innerhalb des Vereinigten Königreiches. So droht die reale Gefahr, dass alte noch immer in den Köpfen der Menschen sehr präsente Konfliktlinien in Nordirland wieder aufbrechen können. Die EU-Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs in Verbindung mit dem Karfreitagsabkommen von 1998 sind die Ecksteine der positiven Entwicklung in Nordirland, die es diesem Teil des Vereinigten Königreiches erlaubt haben, aus einer Situation des Bürgerkrieges gepaart mit harter Arbeit in den beiden Gesellschaftsteilen und den am Konflikt indirekt beteiligten Regierungen der Republik Irland und Grossbritannien herauszukommen. Diese seit über 20 Jahren anhaltende positive Entwicklung ist in Gefahr. Der Nordirlandkonflikt droht wieder aufzubrechen, die Ausgangslage birgt im wahrsten Sinne des Wortes Sprengpotenzial. Die Wiedereinführung einer physischen Grenze, sei sie auf der Insel selbst oder in der Irischen See, wird die Grenzen und Zäune in den Köpfen festigen. Es bleibt zu hoffen, dass die Verhandlungen über die zukünftigen Beziehungen gerade hier eine Lösung hervorbringen werden. Zuversichtlich bin ich diesbezüglich jedoch nicht. Egal, wo die Grenze oder die Grenzkontrollen verlaufen werden, eine Seite wird sehr unzufrieden sein. Die jetzige Situation, die sich als lebenswert für beide Seiten erwiesen hat, gehört leider allerspätestens nach der Übergangsphase der Vergangenheit an. Auch in Schottland tun sich alte Konfliktlinien wieder auf. Unabhängigkeitsbestrebungen sind bereits im Gange. Wurde das letzte Unabhängigkeitsreferendum noch begründet mit der Mitgliedschaft in der EU, die für Schottland sehr wichtig ist, knapp abgelehnt, fällt dieses Argument für den Verbleib Schottlands im Vereinigten Königreich in Bälde weg. Auch die Ankündigung, dass die Meinung der schottischen Bevölkerung nicht abgefragt werden dürfe, gerade von denjenigen Personen, die sich dafür stark gemacht haben, dass dem Volkswillen in Sachen Brexit unmissverständlich gefolgt werden müsse, scheint widersprüchlich und birgt auch hier hohes Konfliktpotenzial. Warum sage ich das? Ganz einfach, weil es auch Liechtenstein betreffen wird. Obwohl es eher schwierig abzuschätzen ist, wie stark die Auswirkungen für Liechtenstein sein werden, ist es wohl doch eindeutig, dass diese mehr Instabilität bringen und wohl auch sehr wahrscheinlich negativ sein werden. Aus meiner Sicht sind Friede und gute Zusammenarbeit nämlich eindeutig im Interesse unseres Landes. Mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs sind beide in einer gewissen Weise in Gefahr und werden zwangsläufig reduziert werden. Weiter lässt sich sehr gut eine Parallele mit der Mitgliedschaft Liechtensteins im EWR ziehen, die auch dann und wann von gewissen politischen Kräften infrage gestellt wird. Die Mitgliedschaft Liechtensteins im EWR weist meiner Meinung nach deutlich mehr Vorteile als Nachteile auf. Die im Rahmen der 20-jährigen EWR-Mitgliedschaft durchgeführte Umfrage des Liechtenstein-Instituts zieht denn auch den Schluss, dass die Mitgliedschaft Liechtensteins im EWR einen Gewinn an Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit bewirkt hat. Auch die Analyse zu 20 Jahre EWR im Bericht und Antrag Nr. 18/2015 zeigt die Vorteile dieses Schrittes der europäischen Integration für Liechtenstein klar auf. Ich möchte hier gerne einige Punkte stichwortartig aufführen:- Positive Gesamtbilanz - EWR als Erfolgsmodell
- grosse Akzeptanz des EWR bei der Bevölkerung und den Unternehmen
- erfreuliche wirtschaftliche Entwicklung
- Stärkung der Eigenständigkeit
- Grössenverträglichkeit gegeben
- EWR-Vertrag: nicht bloss ein Wirtschaftsvertrag
Wichtig hierbei ist mir, dass ab und an, in regelmässigen Abständen, es durchaus lohnenswert und angebracht ist, Mitgliedschaften zu hinterfragen. Es ist richtig, die Frage zu stellen, ob der eingeschlagene Weg noch passt. Dabei ist es aber ebenso wichtig, eine ehrliche Bilanz zu ziehen und die Vor- und Nachteile abzuwägen. Das hat Liechtenstein gemacht. Was nicht passieren darf, niemals passieren darf, ist aber genau das, was meiner Meinung nach im Austrittsprozess des Vereinigten Königreichs passiert ist. Der Bevölkerung - und es geht nur um die Bevölkerung - wurde kein reiner Wein eingeschenkt. Es wurden bewusst Ängste geschürt, Tatsachen verlogen, alternative Fakten präsentiert und Fake News verbreitet. Der Bevölkerung wurde eben keine angemessene Entscheidungsgrundlage für oder gegen einen Austritt aus der EU dargeboten. Dieses Gefühl beschleicht mich auch in Liechtenstein ab und an bei gewissen Prozessen. Das soll - das muss uns ein Fingerzeig sein, dass wir mit der Demokratie sorgsam umgehen. Gerade auch dahingehend, dass Liechtenstein über direktdemokratische Mittel verfügt. Ich befürworte diese direktdemokratischen Mittel ausdrücklich. Es gilt aber auch, die Spielregeln einzuhalten. Hier haben zum einen die Medien als kritische Kontrollorgane eine überaus wichtige Rolle inne, zum anderen aber auch die Bürgerinnen und Bürger. Am Ende sind es eben auch diese, die eine Verantwortung durch ihre Mitbestimmung an der Urne haben. Diese Verantwortung gilt es wahrzunehmen. Es muss das Ziel sein, dass so viele Bürgerinnen und Bürger wie nur irgend möglich an Wahlen und Abstimmungen teilnehmen. Denn die Resultate sind bindend, werden umgesetzt und haben für uns alle Konsequenzen. Wir müssen dafür sorgen, dass wir alle unsere Bürgerpflichten zur Mitbestimmung wahrnehmen. Das setzt einen ehrlichen und fairen politischen Wettbewerb mit Zugang zu einfach verständlichen und wahren Informationen für alle voraus. Dazu müssen wir Sorge tragen, das müssen wir gar verbessern. Eben dieser Prozess, der anstrengend ist, der jedermann und jederfrau sozusagen tagtäglich etwas abverlangt, ist ein anstrengender. Er lohnt sich aber. Ich jedenfalls will es nicht erleben, dass Menschen in diesem Land eine Entscheidung, die für sie mit negativen Auswirkungen behaftet ist, dahingehend bereuen müssen, weil sie sich nicht an einer Abstimmung oder Wahl beteiligt haben. Es bleibt zu hoffen, dass die zukünftige Beziehung der EFTA, des EWR, der EU und Liechtensteins im Besonderen mit dem Vereinigten Königreich zum Vorteil aller gestaltet werden kann, dass erworbene Rechte geschützt bleiben und dass Sozialversicherungsansprüche sowie die Anerkennung von Ausbildungen geregelt werden können, um nur einige zu nennen. Dass Reisen und Handel weiterhin unkompliziert und ohne Zölle sowie Hürden bewerkstelligt werden können. Es bleibt zu hoffen, dass ein Freihandelsabkommen, das den Namen auch verdient hat, installiert werden kann. In jedem Fall wird es aber schlechter sein als die Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs in der EU und gleichzeitig im EWR. Die Wohlstandsverluste werden sich bemerkbar machen. Ein Preis wird zu zahlen sein für die Bevölkerungen der beteiligten Länder allgemein und für jede einzelne Person. Es wird komplizierter werden, länger dauern und teurer werden. Der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU und dem EWR ist bedauerlich. Allen Beteiligten an den Verhandlungen der vorliegenden Abkommen möchte ich meinen aufrichtigen Dank aussprechen. Ich denke, es ist gelungen, so gut wie möglich die Rechte und Ansprüche Liechtensteins und seiner Bevölkerung sowie seiner Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Es ist gelungen, so gut wie irgend möglich Schadensbegrenzung zu betreiben. Der Prozess ist aber mit dieser Vorlage wohl noch lange nicht am Ende, er hat gerade erst begonnen. Die Regelung der zukünftigen Beziehungen wird weiter Ressourcen auf allen Seiten binden. Unnötigerweise, würde ich meinen, sind doch andere wichtige und dringende Herausforderungen zu meistern. Ich werde den beiden Abkommen meine Zustimmung erteilen, bin für Eintreten auf die Gesetzesvorlage sowie für abschliessende Behandlung und Dringlichkeitserklärung. Vielen Dank.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Regierungsrätin Katrin Eggenberger
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, besten Dank für das Wort. Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete. In den letzten 25 Jahren konnte Liechtenstein viel Erfahrung mit EU-Erweiterungen sammeln. Ein Austritt hingegen ist ein bisher einmaliges Ereignis in der Geschichte der EU. Er stellt nicht nur die EU, sondern auch die EWR/EFTA-Staaten vor Herausforderungen. Obwohl der Austritt eines Mitgliedstaates in Art. 50 EU-Vertrag geregelt ist, wirft der Brexit viele rechtliche und politische Fragen auf. Nicht zuletzt sind auch organisatorische Herausforderungen zu bewältigen und ich möchte mich in diesem Zusammenhang bei Ihnen allen für Ihre Flexibilität bedanken. Als Grundprinzip für den Brexit galt für die EWR/EFTA-Staaten von Anfang an: Im gemeinsamen Binnenmarkt müssen für den Austritt eines Mitglieds die gleichen Regeln für alle gelten. Angestrebt wurde daher eine parallele Lösung zur EU. Die EWR/EFTA-Staaten gliederten die Gespräche mit UK wie auch die EU in zwei Stufen. In einem ersten Schritt wurde der Austritt aus dem Binnenmarkt geregelt, in einem zweiten Schritt sollen die zukünftigen Beziehungen verhandelt werden. Für die Verhandlungen zum Austrittsabkommen galten die folgenden Grundsätze:- Das Abkommen soll so weit als möglich das Abkommen EU-UK spiegeln.
- Die Rechte der EWR/EFTA-Staatsangehörigen sollen in gleichem Umfang geschützt werden, wie die Rechte der EU-Staatsangehörigen.
- Das Abkommen soll alle EWR-relevanten Bereiche des Abkommens EU-UK umfassen.
- Fragen, die sich aus dem Dreiecksverhältnis EU-EWR/EFTA-UK ergeben, müssen gelöst werden.
- Für Liechtenstein zusätzlich: die liechtensteinische Personenverkehrslösung muss gewahrt bleiben.
Das Abkommen, das Ihnen die Regierung heute unterbreitet, erfüllt alle diese Forderungen. Liechtensteinische Staatsangehörige und ihre Familienmitglieder, die sich ein Leben in UK aufgebaut haben, können unter den bisherigen Voraussetzungen weiterhin dort leben, arbeiten oder studieren. Sie behalten ihre Ansprüche auf Gesundheits- und Altersvorsorge sowie auf Sozialleistungen, wie gehabt. In den weiteren vom Austrittsabkommen abgedeckten Bereichen - namentlich bereits in Verkehr gebrachte Güter, Geistiges Eigentum, justizielle und polizeiliche Zusammenarbeit, Datenschutz und öffentliches Beschaffungswesen - werden bestehende Rechte geschützt und eine reibungslose Abwicklung von laufenden Verfahren wird sichergestellt. Nachdem die Regeln für die Trennung klar sind, können nun die Verhandlungen für die Zukunft beginnen. Dank der zwischen der EU und UK vereinbarten Übergangsfrist wird sich bis mindestens Ende 2020 für betroffene Bürger und Unternehmen nichts ändern. Auch bei den zukünftigen Beziehungen möchte Liechtenstein so nah als möglich an der EU-Lösung bleiben. Dies, um das gute Funktionieren des Binnenmarkts sicherzustellen und Wettbewerbsnachteile für die liechtensteinische Wirtschaft zu vermeiden. Das Handelsabkommen Schweiz-Liechtenstein-UK gewährleistet bereits die Weiterführung des zollfreien Handels nach dem Ende des Übergangszeitraums. Die Regierung möchte aber noch weitere Bereiche der zukünftigen Beziehungen mit UK regeln. Gespräche mit allen involvierten Partnern sind bereits im Gang. Mit einem formellen Start der Verhandlungen ist aber erst Anfang März zu rechnen, nachdem die EU ihr Verhandlungsmandat verabschiedet und UK seine Umstrukturierung der zuständigen Stellen abgeschlossen hat. Über die Verhandlungen wird die Regierung den Landtag wie bereits beim Austrittsprozess über die Aussenpolitische Kommission laufend informieren.Gerne gehe ich nun über zur Beantwortung der Fragen des Abg. Nägele: Zur ersten Frage: Das in der «NZZ am Sonntag» erwähnte Schreiben der Schweizer Botschaft in London ging auch an liechtensteinische Staatsangehörige in UK, die bei der Schweizer Botschaft registriert sind. Auch Informationsveranstaltungen der Schweizer Botschaft und Events, wie zum Beispiel «online Fragestunden» mit dem Botschafter, stehen liechtensteinischen Staatsangehörigen offen. Die liechtensteinische Regierung hat zudem auch in verschiedenen Pressemitteilungen sowie einem Radiobeitrag zu Brexit auf die Registrierungspflicht hingewiesen. Mehrere liechtensteinische Staatsangehörige in UK haben sich aufgrund dieser Informationen auch direkt mit dem Ministerium in Verbindung gesetzt. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass in UK von der britischen Regierung selbst in sehr grossen Informationskampagnen auf die Registrierungspflicht aufmerksam gemacht wird. Zur zweiten Frage: Die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit kann nach dem Brexit grundsätzlich über andere Organisationen und Abkommen, bei denen sowohl Liechtenstein als auch UK Mitglieder sind, namentlich Interpol und Europaratsübereinkommen im Bereich Rechtshilfe und Auslieferung weitergeführt werden. Eine Zusammenarbeit über Schengen, also die Assoziierung oder Teilnahme von UK an einzelnen Programmen, wäre nur möglich, wenn die EU mit UK eine solche vereinbart. In einem solchen Fall wäre es sehr wahrscheinlich, dass die Schengen-assoziierten Staaten Norwegen, Island, Liechtenstein und die Schweiz gemeinsam eine analoge Lösung mit UK verhandeln würden. Zur dritten Frage: Das Handelsabkommen zwischen der Schweiz und UK, das auf Liechtenstein ausgedehnt wurde, wurde am 11. Februar 2019 unterzeichnet. Es soll erst nach dem Ende des Übergangszeitraums in Kraft treten. Dieses Abkommen garantiert bereits zum heutigen Zeitpunkt die nahtlose Weiterführung des zollfreien Handels mit Industrieprodukten nach der Übergangsfrist, ohne dass noch weitere Verhandlungen notwendig sind. Das Abkommen wird dem Landtag in einem zweiten Paket, das die zukünftigen Beziehungen mit UK betrifft, vorgelegt werden. In der Schweiz wird das Handelsabkommen in der Frühjahrssession vom Parlament behandelt.Und nun gehe ich über zur Beantwortung der Fragen des Abg. Kaufmann: Am 1. Februar 2020 beginnt die zweite Phase des Austrittsprozesses, in der die zukünftigen Beziehungen zwischen der EU und UK geregelt werden. Mit einem Start der offiziellen Verhandlungen ist aber erst Anfang März zu rechnen. Die EU muss zuerst, wie bereits genannt, das Verhandlungsmandat verabschieden. Die EWR/EFTA-Staaten werden auch in dieser Phase wieder regelmässige Treffen mit der Task Force for Relations with the United Kingdom (UKTF), die auf EU-Seite das Abkommen verhandelt, haben. Ein erstes Treffen fand bereits statt. Die UK-Task-Force bereitet im Moment einen Mandatsentwurf vor. Dieser wird voraussichtlich am 25. Februar von den Mitgliedstaaten verabschiedet. Ziel ist ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und UK.Die EU betont aber, dass selbst ein sehr umfassendes Freihandelsabkommen sich stark vom Binnenmarktzugang unterscheiden werde, insbesondere bei den Dienstleistungen. Beim Warenverkehr dagegen sei die Ambition gemäss politischer Erklärung höher als beim Abkommen mit Kanada - nämlich «zero tariffs, zero quotas»; zudem sollen Agrarprodukte und Fisch mitumfasst werden. Liechtenstein verfolgt die Entwicklungen zwischen der EU und UK genau und steht mit allen Partnern in einem engen Austausch zu den Optionen für die zukünftigen Beziehungen mit dem Ziel, möglichst rasch ebenfalls Verhandlungen aufzunehmen. Bei meinem Besuch in London gestern wurde mir auch von britischer Seite das Interesse an einer möglichst schnellen Verhandlungsaufnahme bestätigt. Von Liechtenstein wird ein Abkommen gemeinsam mit den EFTA-Partnern angestrebt. Auch hierzu gibt es positive Signale, die gestern ebenso bestätigt wurden. Besten Dank.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank. Es gibt noch eine Wortmeldung.Abg. Christoph Wenaweser
Danke, Herr Präsident. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen. Ich möchte nur zum Votum des Kollegen Lageder eine kurze Rückäusserung geben. Mit dem analytischen Teil seines Votums bin ich völlig einverstanden. Seinen kommentarigen Teil möchte ich doch noch etwas ergänzen, damit das nicht als einzige ausgesprochene Haltung in diesem Hause stehen bleibt. Der Entscheid des Vereinigten Königreichs, aus der EU auszutreten, ist nach im Vereinigten Königreich gültigen demokratischen Spielregeln entstanden, ist durch den Wahlsieg der Konservativen noch einmal bestätigt worden. Aus Respekt unter souveränen Staaten meine ich, dass wir das nicht für gut oder für schlecht, für lustig oder traurig zu befinden haben, sondern wir haben das einfach zu akzeptieren. Wir haben danach zu handeln. Danke.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank. Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Somit können wir uns dem Antrag der Regierung zuwenden. Ich bitte den Parlamentsdienst, den Antrag zu lesen. Der Antrag wird verlesen.
Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank. Wir stimmen ab, wer dem Antrag der Regierung die Zustimmung erteilen will, möge bitte die Stimme abgeben.
Abstimmung: Zustimmung mit 25 Stimmen
Landtagspräsident Albert Frick
Der Landtag hat mit 25 Stimmen die Zustimmung erteilt und wir können uns der Gesetzesvorlage zuwenden. Wir stimmen über Eintreten ab, wer für Eintreten auf die Gesetzesvorlage ist, möge bitte die Stimme abgeben. Abstimmung: Zustimmung mit 25 Stimmen
Landtagspräsident Albert Frick
Der Landtag hat mit 25 Stimmen Eintreten beschlossen und wir beginnen mit der 1. Lesung durch Artikelaufruf. Art. 1 wird aufgerufen.
Landtagspräsident Albert Frick
Art. 1 steht zur Diskussion.
Sie wird nicht benützt. Wir können weiterlesen.
Art. 2 wird aufgerufen.
Landtagspräsident Albert Frick
Art. 2 steht zur Diskussion.
Sie wird nicht benützt. Wir können weiterlesen.
Art. 3 wird aufgerufen.
Landtagspräsident Albert Frick
Art. 3 steht zur Diskussion.
Keine Wortmeldungen. Damit haben wir die 1. Lesung abgeschlossen. Die Regierung beantragt abschliessende Beratung. Wer mit abschliessender Beratung einverstanden ist, möge bitte die Stimme abgeben.
Abstimmung: Zustimmung mit 25 Stimmen
Landtagspräsident Albert Frick
25 Stimmen, ich bitte den Parlamentsdienst, mit der 2. Lesung zu beginnen. Art. 1 wird aufgerufen.
Landtagspräsident Albert Frick
Art. 1 steht zur Diskussion.
Sie wird nicht benützt. Wer damit einverstanden ist, möge bitte jetzt die Stimme abgeben.
Abstimmung: Zustimmung mit 25 Stimmen
Landtagspräsident Albert Frick
Wir haben mit 25 Stimmen zugestimmt und lesen weiter. Art. 2 wird aufgerufen.
Landtagspräsident Albert Frick
Art. 2 steht zur Diskussion.
Sie wird nicht benützt. Wer damit einverstanden ist, möge bitte jetzt die Stimme abgeben.
Abstimmung: Zustimmung mit 25 Stimmen
Landtagspräsident Albert Frick
Wir haben mit 25 Stimmen zugestimmt und lesen weiter. Art. 3 wird aufgerufen.
Landtagspräsident Albert Frick
Art. 3 steht zur Diskussion.
Sie wird nicht benützt. Wer damit einverstanden ist, möge bitte jetzt die Stimme abgeben.
Abstimmung: Zustimmung mit 25 Stimmen
Landtagspräsident Albert Frick
Wir haben mit 25 Stimmen zugestimmt. Wir nehmen die Schlussabstimmung vor. Wer der Gesetzesvorlage die Zustimmung erteilen will, möge bitte die Stimme abgeben.Abstimmung: Zustimmung mit 25 Stimmen
Landtagspräsident Albert Frick
Der Landtag hat mit 25 Stimmen die Zustimmung erteilt. Die Regierung beantragt, das soeben verabschiedete Gesetz als dringlich zu erklären. Wer mit der Dringlichkeitserklärung einverstanden ist, möge bitte jetzt die Stimme abgeben.Abstimmung: Zustimmung mit 25 Stimmen
Landtagspräsident Albert Frick
Der Landtag hat das Gesetz mit 25 Stimmen als dringlich erklärt. Damit sind wir am Ende der Sondersitzung des Landtages zum Thema Brexit angelangt. Ich bedanke mich sehr herzlich für die Mitarbeit und schliesse hiermit die Landtagssitzung. Ende der Landtagssitzung (um 9:50 Uhr)
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