Landtagsprotokolle des Liechtensteiner Landtags

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18.	Schulgesetz (Abänderung; Reform Sekundarstufe), 1. L.

18.	Schulgesetz (Abänderung; Reform Sekundarstufe), 1. L.

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18.	Schulgesetz (Abänderung; Reform Sekundarstufe), 1. L.

Genehmigung

Beschlussprotokoll

Verknüpfungen

Sitzungen -

Protokolltyp

Parlamentarische Eingänge

Abstimmmungsergebnisse

LR – Systematik

LGBl – Nummern

BuA Nummern

Kleine Anfragen Beantwortung

Sprecher

GESETZ ÜBER DIE ABÄNDERUNG DES SCHULGESETZES (REFORM DER SEKUNDARSTUFE) (NR. 148/1999), 1. LESUNG

Landtagspräsident Peter Wolff:

Wir kommen zu Punkt 18 der Tagesordnung: Gesetz über die Abänderung des Schulgesetzes, Reform der Sekundarstufe. Der Bericht und Antrag Nr. 148/1999 der Regierung steht zur Diskussion.

Abg. Norbert Bürzle:

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete. Pädagogische Reformbemühungen, nicht nur auf der Sekundarstufe I, haben in den letzten 15 Jahren nicht nur in unserem Land stattgefunden. Immer wieder hörte und hört man die Begriffe Gesamtschule, Orientierungsstufe, Beobachtungsstufe, kooperative Oberstufe. Bei all diesen Diskussionen geht es um die Frage der besten Schulstruktur. Schulstrukturfragen sind immer wieder politische, weltanschauliche und lehrergewerkschaftliche Diskussionsfelder. Gerade auch in der Schweiz ist eine Ursache für die zunehmende Vielfalt der Schulgliederung die rückläufige Schülerzahl. Klassen müssen aufgehoben werden und dies vor allem in den Abteilungen der Realschulen, bei uns Oberschulen. Damit beginnen bestehende Schulstrukturen zu zerbröckeln. Dieser Zerfall der Schülerzahlen zwingt geradezu zu vermehrter Kooperation und zur Suche nach neuen, den entsprechenden Verhältnissen angepassten Schulstrukturen. Auch in unserem Land wird seit rund 15 Jahren diese Diskussion einer neuen Schulstruktur geführt. Immer wieder ging und geht es dabei um die Frage nach der bestmöglichen Schulstruktur. Eine Einigung auf eine grundlegende Reform - dies zeigen die engagierten Debatten der letzten Zeit - scheint schwierig zu sein. Mit einem grossen Engagement haben sich Befürworter und Gegner mit dem uns heute vorliegenden Bericht und Antrag der Regierung auseinander gesetzt und für ihre Schule gekämpft und beide sind überzeugt von ihren Vorstellungen einer richtigen Schulstruktur. Dies zeigt auf, welche bildungspolitische Bedeutung diese Vorlage für das Bildungssystem unseres Landes hat. Mit der Einführungs-, Erprobungs- und Evaluationsphase des neuen Lehrplans auf das laufende Schuljahr 1999/2000 hat eine innere Reform auf der Sekundarstufe stattgefunden. In den einzelnen Schulen haben sich bereits schulhausinterne Abläufe und Strukturen etabliert, die bei der Umsetzung des Lehrplans von grossem Nutzen sind. Sicherlich verlangt die neue Ausrichtung des Lehrplans mit Lernzielorientierung und Vernetzung von den Lehrpersonen einiges ab. Auch haben sich Schulen in den vergangenen Jahren den jeweiligen veränderten Situationen angepasst und sich stark reformiert. Ich möchte hier nur das Beispiel der Oberschule erwähnen, in der nach der Abschaffung der Hilfsschule der Ergänzungsunterricht, Zusatzunterricht in Deutsch und Mathematik, Deutsch als Zweitsprache und die Kleinklassen eingeführt wurden. Auch die Suche nach neuen schülergerechten Lehr- und Lernmethoden wurde intensiv weiterentwickelt und Individualisierung und innere Differenzierung sind nicht nur Schlagworte, sondern Praxis. Begleitend zu diesen inneren Reformen strebt die Regierung mit dem uns vorliegenden Bericht eine äussere Reform der Sekundarstufe an mit dem Ziel, unser Bildungswesen auf der Sekundarstufe flexibler zu strukturieren. Eine Strukturkommission, gebildet aus Vertretern der Sekundarstufe, Experten und der Regierung, hat nach mehrjähriger Vorarbeit und im gegenseitigen Einverständnis einen neuen Weg eingeschlagen. Ich bin überzeugt, dass die vorgeschlagene Strukturreform allen Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe hilft, und zwar aus folgenden Gründen: Mit der Trennung in sehr gute, gute und schwache Schülerinnen und Schüler, also der Selektion am Ende des 5. Primarschuljahres, werden die Jugendlichen klar in drei Gruppen eingeteilt, also für das Gymnasium, die Realschule und die Oberschule. Es kommt aber zu Überschneidungen. Das belegen auch Untersuchungen in den verschiedenen Schulzweigen. Allen Lehrpersonen, die auf diesen Stufen unterrichten, ist dies bekannt. Schülerinnen und Schüler, die nicht eindeutig der einen oder anderen Schulart zugeordnet werden können, wird es immer geben und die Gliederung in die verschiedenen Schularten führt nicht zu den erhofften leistungshomogenen Gruppen. Mit der neuen Schulstruktur sollen die Nachteile der derzeit zu früh erfolgten Selektion beseitigt werden und im Sinne einer leistungsorientierten Schule dauernd Leistungsanreize geboten und Chancen zum schulischen Aufstieg gegeben werden. Schülerinnen und Schüler machen auf dieser Schulstufe gewaltige Entwicklungen durch und das Leistungsverhalten der Jugendlichen verändert sich. Man redet hier von einem dynamischen Bildungsverständnis. Unser jetziges Schulsystem kann auf diese Entwicklung kaum reagieren und dadurch wird die heutige Selektionsproblematik noch verschärft. In der neuen kooperativen Schulstruktur wird der Durchlässigkeit viel mehr Beachtung geschenkt, da nach jedem Semester die Möglichkeit besteht, Niveau und Klasse zu wechseln. Das neue Strukturmodell bringt ebenfalls für die einseitig begabten Schülerinnen und Schüler eine Verbesserung, denn nicht alle Jugendlichen erbringen in den Selektionsfächern durchschnittlich gute oder schwächere Leistungen. Durch die Einstufung in drei Anforderungsniveaus in den Fächern Mathematik und Englisch können die Schülerinnen und Schüler in diesen Fächern den Unterricht je nach Begabungen besuchen und sie somit besser gefördert werden. Auch im sozialen Bereich bringt die neue Schulstruktur eine deutliche Verbesserung. Leistungsschwächere Schüler erleben in ihrem Klassenverband auch gute Schüler als Vorbilder und Zugpferde. Dies ist förderlich nicht nur für das Lernen, sondern auch für das gesamte soziale Umfeld einer Klasse. Das soziale Lernen bekommt einen höheren Stellenwert. Dadurch kann einer vorzeitigen Stigmatisierung von bestimmten Kategorien von Jugendlichen in der Gesellschaft besser entgegengewirkt werden. Bei der bestehenden Schulstruktur, wo leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler in einer Klasse zusammengefasst sind, kann sich in vielen Fällen die Motivation und die Leistungsbereitschaft verschlechtern und auch die Leistungsstärkeren in Realschule oder Gymnasium werden von wichtigen sozialen Lernprozessen ausgeschlossen. Auch im neuen Strukturmodell wird - und das scheint mir wichtig - das Klassenlehrerprinzip beibehalten. Die Schülerinnen und Schüler verbleiben als soziale Gruppe und Klassengemeinschaft in vielen Unterrichtsfächern zusammen und werden nur in den verschiedenen Niveaugruppen getrennt. Bereits heute werden an verschiedenen Schulen in Mathematik und im Fremdsprachenunterricht Leistungszüge geführt. Der Klassenverband bleibt aber in vielen Lektionen zusammen und der Klassenlehrer sollte möglichst viele Lektionen in seiner Klasse unterrichten, damit eine intensive Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern entwickelt und aufgebaut werden kann.Einig sind wir uns alle über die Ziele und die Bedeutung der Bildung. Wir alle wollen unseren Kindern eine bestmögliche Ausbildung ermöglichen und alle Schülerinnen und Schüler sollen in unseren Schulen optimal und ihren Begabungen entsprechend gefördert werden. Wir brauchen für die Zukunft ein Schulsystem, das den hohen Bildungsansprüchen der Eltern und der Gesellschaft gerecht wird. Dies erreichen wir nach meiner Überzeugung mit der von der Regierung vorgeschlagenen Schulstrukturreform.

Abg. Egon Matt:

Meine Damen und Herren. Irgendwie spüren wir alle, dass die Modernisierung der Schule längst begonnen hat und dass Umgestaltungen im Gang sind, die mit unseren persönlich erlebten Schulerfahrungen nicht mehr viel gemein haben. Und irgendwie haben wir alle ob den Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft erkannt, dass die Schule in manchen Bereichen in einer Krise steckt und Reformen zugunsten aller an der Schule Beteiligten nötig sind. Nur zeigt uns die Vergangenheit, dass die Institution Schule bedingt durch ihre Öffentlichkeit und der damit verbundenen Einflussnahme durch ihre nur noch schwer durchschaubare Komplexität und durch die Vielschichtigkeit ihres Auftrages nicht nur träge ist, sondern dass sie erst und vor allem dann zum Thema wird, wenn es um das vordergründig Eingemachte geht bzw. Hergebrachtes und scheinbar Unverrückbares in Frage gestellt wird. Wenn im Schulbereich heilige Kühe, die meistens gar nicht inhaltlich, sondern mehr struktureller Natur sind, angetastet werden, dann werden gewaltige Emotionen ausgelöst und die Positionen selbst unter Lehrerpersonen könnten nicht gegensätzlicher sein. Die zur Existenzfrage der Schule hochstilisierte Auseinandersetzung um die 5-Tage-Woche ist noch in bester Erinnerung von uns allen. Mit der Sache hat bei diesen Auseinandersetzungen die Argumentation oft nicht mehr viel zu tun. Statt dessen beherrschen Skepsis, Angst, Standesdenken, die befürchtete Gefährdung der Zukunft unseres Staates und tief verwurzelte Vorstellungen das Feld. Das Eigentliche, die Gründe für notwendige Veränderungen und mit ihnen die Reformelemente, geraten häufig völlig in den Hintergrund. Die Diskussion um innovative Veränderungen der Schule ist vor allem deshalb eine schwierige, weil sich alle darunter etwas anderes vorstellen und hinter dem anderen die unterschiedlichsten Beweggründe stecken, die mehr zur Verwirrung als zur Klärung beitragen. So ist es nicht verwunderlich, dass gegen die seit über 15 Jahren zur Diskussion stehende Strukturreform die immer wiederkehrenden und alten Schreckgespenster Niveau- und Bildungsverlust, Schein- und Schnelllösungen, Abschaffung der guten, alten Schule usw. bemüht werden.Die Diskussion über die geplante Reform wird auch durch die Hartnäckigkeit von Vorurteilen und durch pädagogisches Unwissen mitbestimmt. Selbst erfahrene Pädagogen in unserem Land gehen so weit, dass sie im Zusammenhang mit der vorgeschlagenen Orientierungsstufe öffentlich von - Zitat - "einem Ausbruch der sozialen Kämpfe in allen Klassen" sprechen und - Zitat - "dass die Heranreifenden bis zu ihrem 15 Lebensjahr aus dem gleichen Topf löffeln müssten und so die Mediokrität triumphieren würde". Solches Denken ist nicht nur arrogant, es liefert vor allem einen eindrücklichen Blick hinter die Kulissen der Auseinandersetzung und der ihr zugrunde liegenden Motivationen. Es wird zudem in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt, dass Lehrergruppen, wie etwa das Gymnasium, als Ganzes in sich geschlossen agieren. Dem ist bei weitem nicht so. Die Brüche gehen heute quer durch alle Schularten. Der stattfindende Umbau der Schule, der mehr durch den Druck von aussen als durch die Bereitschaft von innen angeschoben wurde, macht die Risse quer durch die einzelnen Fraktionen der Lehrergattungen deutlich. Beispiel 1: So war das Gymnasium nicht in der Lage, unter sich die neuen Profilfächer auszugestalten und auszuhandeln. Zu gross waren die Interessens- und Anschauungsunterschiede zwischen den Fachschaften. Der Auftrag ging unerledigt an das Schulamt zurück. Beispiel 2: In letzter Minute wurde von einer Handvoll Lehrpersonen der Versuch unternommen, in den bereits abgeschlossenen und nun vorliegenden Bericht und Antrag zur Reform der Sekundarstufe eine von der ganzen Reform abgelöste Langzeitreform des Gymnasiums aufzunehmen und das weder abgestimmt noch kommuniziert mit allen Lehrpersonen des Gymnasiums. Beispiel 3: Als Reaktion auf die Schulentwicklung allgemein und die Strukturreform im Besonderen hat sich ein Teil der Reallehrerinnen und Reallehrer abgespaltet und im Sekundarlehrerverein neu als Gegenantwort zu den Reformen sich zusammengeschlossen. Es kann also nicht verwundern, dass die Schulpolitik in der Frage der Struktur völlig verfahren und ideologisch festgefahren ist. Der befürchtete Glaubenskrieg ist nicht ausgeblieben. Dabei muss man nicht vom Fach sein, um erkennen zu können, dass unsere Schule sich in den kommenden Jahren grundlegend verändern wird. Die Probleme haben sich in den letzten Jahren verdichtet und sind heute für alle, die es sehen wollen, auch spür- und sichtbar. Unsere Schule hat erstens und vor allem ein Struktur- und Führungsproblem. Viele Probleme, z.B. der Reformstau am Gymnasium oder die fehlende Akzeptanz der Oberschule, sind vor allem systembedingt und die bisherigen Kompetenzen der Schulleitungen reichen nicht mehr aus, um die einzelnen Schulen als Organisation zu begreifen und zu führen. Zweitens: Es sind vor allem die Lehrpersonen selbst, die sich als Bremser erweisen. Vor allem die oberen Schularten haben sich aufgrund ihrer priviligierten Situation weitgehend dem Reformdruck entzogen. Es kommt nicht von ungefähr, dass Anton Strittmatter, pädagogischer Leiter des Dachverbandes der Schweizer Lehrerinnen und Lehrer, in diesem Zusammenhang feststellt: "Grundsätzlich sind Lehrerinnen und Lehrer wohl nicht besonders reformfreudig. Qualitätsbewusste Lehrer geben das Bewährte nicht auf, bevor sich das Neue nicht als erfolgreich erwiesen hat. Vor allem in der Primarschule hat sich in den letzten Jahren aber sehr viel getan. Je höher die Schulstufe, desto mehr gleicht die Schule aber in der Regel der Schule von früher". Drittens: Nicht nur die Oberschule hat Probleme, der gesellschaftliche Bildungsanspruch an die Schule hat sich ungeachtet der starren Strukturen in der Vergangenheit stark gewandelt. Der gymnasiale Bildungsweg wird immer mehr zum schulischen und beruflichen Königsweg. Dementsprechend der Run auf das Gymnasium. Dieses Jahr drängen fast 30% der Primarschulabgängerinnen und -abgänger ins Gymnasium. Die festgelegte Maximalquote von 20% ist pulverisiert und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen. Am unteren Bildungsrand hingegen geht die Entwicklung genau in die Gegenrichtung. In die Oberschule wollen immer weniger. Das Resultat: Die Oberschule verliert dramatisch an Akzeptanz und degeneriert Jahr für Jahr mehr zu einer Restschule. Und in die Realschule geht heute, wer vor 10 oder 15 Jahren noch die Oberschule besucht hätte. Dementsprechend beklagen die Lehrpersonen aller Stufen den damit zusammenhängenden Niveauverlust. Diese Probleme - das muss uns klar sein - lassen sich nicht mehr auf der Ebene der Einzelschulart lösen und werden sich, wenn keine überzeugenden Massnahmen dagegengesetzt werden, in Zukunft noch verschärfen. Viertens: Weil die öffentliche Schule keine Antwort auf diese gesellschaftsbedingten Veränderungen hat, erhalten die Privatschulen ungeahnten Aufschwung. Musste die "Formatio" noch vor wenigen Jahren mit wenig Schülerinnen und Schülern über die Runde helfen, so ist sie heute gerammelt voll. Wer nach der Primarschule negativ selektioniert wird und es sich leisten kann - in der Regel die Finanzkräftigen - kehrt der öffentlichen Schule und damit dem Stempel "Oberschule" den Rücken zu. Mit dieser Entwicklung werden die Bedingungen für die staatliche Sekundarstufe I zunehmend schwieriger.Fünftens: Die Eltern verlangen heute für ihre Kinder flexible Schullaufbahnen. Die dreigliedrige Sekundarstufe I hat auf diese berechtigte Forderung bis heute keine Antwort gefunden und in dieser Frage viel Kredit bei den Eltern verspielt. Die seit Jahren geforderte Durchlässigkeit und Zusammenarbeit unter den Schularten und die heute von den Gegnern der Reform als Heilungsrezept geforderten sanften und inneren Reformen wurden nie eingelöst. Wenn man heute überhaupt von einer Durchlässigkeit sprechen kann, dann vor allem nach unten. Sechstens: Das dreigliedrige Schulsystem integriert nicht, sondern grenzt aus. Es orientiert sich mehr an den Schwächen als an den Stärken der Schüler. Die Abgrenzungen unter den bestehenden Schularten sind so hart, dass einseitig begabte Kinder oder Kinder mit Teilleistungsschwächen kaum Aufstiegschancen haben. Das jetzige Bildungssystem trägt den unterschiedlichen Begabungen des Einzelnen und damit der individuellen Leistungsfähigkeit viel zu wenig Rechnung. Vor allem kann es nicht ein verbindlich differenziertes Modell zu Förderung aller Schülerinnen und Schüler vorlegen.Und schliesslich siebtens und letztens: Die Schule insgesamt muss immer mehr erzieherische Aufgaben übernehmen. Veränderte Familien- und Arbeitsstrukturen sowie unterschiedliche und individuelle Lebensformen haben direkte Auswirkungen auf das Arbeits- und Sozialklima in der Schule. Auch wird, was die Gesellschaft versäumt oder nicht mehr leisten kann, an die Schule delegiert. Das belastet den Unterricht und das soziale Klima an den Schulen und führt in der Summe zu einer Überforderung der Lehrkräfte und des ganzen Systems. Eine Untersuchung im Auftrag des Kantons Zürich hat gezeigt, dass keine Leistungsunterschiede in Deutsch zwischen der gegliederten Schule - entsprechend dem Reformvorschlag - und der dreiteiligen Sekundarstufe - entsprechend dem heutigen System - festzustellen sind. Dies für Deutsch. In Mathematik fühlen sich die Jugendlichen der gegliederten Sekundarschule weniger überfordert und zeigen eine höhere Leistungsbereitschaft weil das Fach auf drei Leistungsniveaustufen unterrichtet wird. Die Untersuchung stellt grosse Leistungsunterschiede zwischen den Klassen fest. Die Gründe dafür orten die Verfasser in der sozialen Herkunft, in der Muttersprache oder in der Klasse selber, nicht aber im jeweiligen Schulmodell. Wenn es also mit der Orientierungsstufe gelingt, gleiche Ergebnisse bzw. Leistungen ohne eine stigmatisierende Oberschule zu erbringen, dann ist sie eindeutig das bessere Modell. Und wenn es der Orientierungsstufe zudem noch gelingt, die Durchlässigkeit zu erhöhen, die unterschiedlichen Begabungen besser zu fördern und durch eine spätere Selektion die Laufbahnentscheidung begründeter und damit fundierter zu machen, dann ist unbedingt diesem Modell der Vorzug zu geben. Zudem sollte ein weiterer positiver Aspekt nicht ausser Acht gelassen werden. Die Einführung der Orientierungsstufe bedeutet gesamthaft einen Innovationsschub für die Sekundarstufe, denn die neue Struktur zwingt alle zu grundlegenden Veränderungen und Neuausrichtungen. Und anstelle der starren, voneinander sich abgrenzenden und heute völlig isoliert agierenden Lehrergruppierungen auf der Sekundarstufe I könnte ein Geist der "Corporate identity" in Bezug auf die ganze Sekundarstufe eintreten. Mehr Miteinander als Gegeneinander ist in der heutigen Zeit für mich das überzeugendere Rezept. Die Schule als Ganzes, aber auch Lehrpersonen, Eltern und Schülerinnen und Schüler sind aufgefordert, ihre Rolle neu zu definieren. Die Orientierungsstufe öffnet hierzu die Chance. Ich bin deshalb für Eintreten auf diese Vorlage.

Abg. Alois Beck:

Ich möchte eingangs den ehemaligen deutschen Bundespräsidenten Roman Herzog zitieren. Er meinte: "Wissen ist heute die wichtigste Ressource in unserem rohstoffarmen Land. Wissen können wir aber nur durch Bildung erschliessen. Wer sich den höchsten Lebensstandard, das beste Sozialsystem und den aufwendigsten Umweltschutz leisten will, der muss auch das beste Bildungssystem haben. Ausserdem ist Bildung ein unverzichtbares Mittel des sozialen Ausgleichs. Bildung ist der Schlüssel zum Arbeitsmarkt und auch immer die beste Prophylaxe gegen Arbeitslosigkeit. Sie hält die Mechanismen des sozialen Auf- und Abstiegs offen und damit unsere offenen Gesellschaften in Bewegung. Sie ist zugleich das Lebenselexier der Demokratie in einer Welt, die immer komplexer wird, in der kulturelle Identitäten zu verschwimmen drohen und das Überschreiten der Grenzen zu anderen Kulturen zur Selbstverständlichkeit wird". Dieser Aussage schliesse ich mich vorbehaltlos an. Liechtenstein ist ein reiches Land. Wir haben einen sehr hohen Lebensstandard und verfügen über ein gut ausgebautes Sozialsystem. Liechtenstein hat keine Rohstoffe, ausser vielleicht Erz, das vom Erzbistum ab und zu zutage gefördert wird. Bildung ist das Kapital, das wir in die Zukunft investieren. Für die Beibehaltung des heute herrschenden Standards sowie für den weiteren Ausbau der liechtensteinischen Wirtschaft, insbesondere auch zur Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit, bedarf es eines wirksamen und gut funktionierenden Bildungssystems, das eine gute Allgemeinbildung gewährleistet. Es ist nicht zu übersehen, dass die Reformbestrebungen der Regierung hauptsächlich auf die mangelnde, gesellschaftliche Akzeptanz der Oberschule zurückzuführen sind. In diesen Sog geraten nun aber auch die gewachsenen und gut akzeptierten Schulformen wie Realschule und Gymnasium. Ich verkenne nicht gewisse Mängel der gegenwärtigen Schulstruktur. Die Oberschule leidet an einem Akzeptanzproblem. Die Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Schularten ist mangelhaft und bedarf einer Verbesserung. Allerdings mangelt es bis zum Schuljahr 99/2000 an einem einheitlichen und für alle verbindlichen Lehrplan. Aufgrund des unterschiedlichen Fächerkatalogs der einzelnen Schularten war ein Übertritt fast unmöglich geworden. Der neue Lehrplan soll und kann dem entgegenwirken. Mit der geplanten Struktur wird keine Förderung der Schülerinnen und Schüler erreicht werden. Im Gegenteil: Ich befürchte - dies bezogen auf alle Schularten - einen starken und auf Jahre hinaus irreversiblen Niveauverlust. Ich spreche mich klar für Reformen aus, allerdings schwebt mir vor, dass dabei Erkenntnisse der Schulqualitätsforschung berücksichtigt werden und den Innovationen im Bildungsbereich Rechnung getragen wird. Hält die geplante Schulreform, was sie verspricht? Die Begriffe "Orientierungsstufe" - für das sechste und siebte Schuljahr - und "Abschlussstufe" - für das achte und neunte Schuljahr - konnten sich in der Vernehmlassung nicht durchsetzen. Die heutige Oberschule, die Realschule und das Untergymnasium laufen neu unter dem Begriff "Sekundarschule". Bei der Zuteilung in die Klassen Grundanforderungen - mit "G" bezeichnet - und erweiterte Anforderungen - mit "E" bezeichnet - spricht die Regierung nicht mehr von Zuteilungsquoten, sondern lediglich von Richtwerten, welche keinesfalls stark gehandhabt werden sollen. Im Bericht und Antrag der Regierung wird die dritte und vierte Stufe der Sekundarschule nicht weiter definiert, obwohl nach der zweiten Stufe ca. 25% der Schülerinnen und Schüler eines jeden Jahrgangs - und dies mit steigender Tendenz - ins Gymnasium übertreten werden. Wie geht es in der dritten und vierten Stufe der Sekundarschulen weiter, die vormals als Abschlussstufe bezeichnet wurde? Hier mangelt es an klaren Aussagen. Verkümmert die Sekundarschule oder Teile davon nach Weggang der Gymnasiasten in kurzer Zeit wiederum zu einer sogenannten Restschule? Werden die Schülerinnen und Schüler der dritten Stufe neu gemischt, damit Klassen mit ähnlicher Schülerzahl geführt werden können? Werden die Niveauzüge in Mathematik und Englisch neu verteilt? Es ist anzunehmen, dass das Niveau 3 grösstenteils ans Gymnasium übertreten wird. Müssen die verbleibenden Schülerinnen und Schüler im Niveau 3 warten, bis einige aus dem Niveau 2 aufschliessen? Wo und wie wird abgegrenzt?Meiner Meinung nach geht die Regierung mit der geplanten Reform von einem veralteten Ansatz aus. Das vorgesehene, kooperative Schulmodell geht wie der abteilungsübergreifende Schulversuch an der Oberstufe AVO des Kantons Zürich - er wurde bereits erwähnt vom Abg. Matt - der auch als Vorbild der zur Diskussion stehenden Schulreform diente oder auch die Orientierungs- und Weiterbildungsschule im Kanton Basel, auf Schulreformbestrebungen der 70er Jahre zurück. Wie sieht es jedoch in Zürich und Basel heute aus? In Zürich ist es so: Die Schulgemeinden haben die Wahl, sich für die gegliederte Sekundarstufe AVO oder die dreiteilige Sekundarstufe zu entscheiden. Laut dem Herrn Jaggi, zuständig für die Oberstufenreform in der Bildungsdirektion, wollen 37,5% die gegliederte Sekundarstufe, was dem liechtensteinischen Reformbestreben gleichkäme, und 62,5% die dreiteilige Sekundarstufe einführen. Das entspräche ungefähr unserem heutigen System. Die Diskussion ist, ob in Zürich künftig auch sämtliche Zwischenformen möglich sein sollen. Einerseits erschreckt dieser Befund. Andererseits zeigt sich, dass Schulstrukturreformen nicht die erhofften Verbesserungen bringen und die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen können. In Basel: Seit 1994 tritt die gesamte Schülerschaft nach der vierten Primarschule in die dreijährige Orientierungsschule, ab dem achten Schuljahr wird entweder das Gymnasium oder die zweijährige Weiterbildungsschule besucht. Ein externer Evaluationsbericht bestätigt nun erhebliche Mängel im Bereich dieser Weiterbildungsschulen und eine grosse Unzufriedenheit bei Eltern und Lehrern. Der Projektbegleiter, Prof. Fritz Oser von der Uni Fribourg, kam zum Befund, dass gute Schüler in der WBS - in dieser Weiterbildungsschule - eher schlechter und schlechte Schüler kaum besser wurden. Nur 20% der WBS-Absolventen traten eine Lehre an, 5% wechselten ins Gymnasium und 25% in andere weiterführende Schulen. 42% machten von Brückenangeboten Gebrauch und drängen nach Absolvierung des zehnten Schuljahres auf den Lehrstellenmarkt. Ich kann der Regierung den schweren Vorwurf nicht ersparen, dass sie, ohne eine Analyse der Schwächen und Stärken der heutigen Schulstruktur vorzunehmen, der Schule nur eine neue Struktur überstülpt. Wenn jedoch Stärken und Schwächen nicht festgestellt und erkannt werden, kann auch nicht gewährleistet werden, dass Gutes und Bewährtes erhalten bleibt und Fehler eliminiert werden. Wie will man so messbar bessere Resultate erzielen? Wofür stehen Reformen, die keine messbaren Verbesserungen bringen? Die Regierung spricht von Qualitätssicherung und Entwicklung. Welche Parameter nimmt sie als Vergleichsgrössen? Was bedeutet Qualitätssicherung und wie beurteilt sie diese, wenn sie die Qualität der gegenwärtigen Schulstruktur gar nicht kennt? Die Regierung gibt vor, das Akzeptanzproblem der Oberschule mit der geplanten Reform lösen zu können, stellt dann aber im Bericht und Antrag auf Seite 51 gleich selbst treffend fest: "Ein offenes, durch die Reform nicht zu lösendes Problem, bleibt die Integration von leistungsschwachen Schülerinnen und Schülern in die Berufswelt". Warum dann diese Reform? Wofür steht die Reform wirklich?Ich möchte gewährleistet sehen, dass die Schülerinnen und Schüler ganzheitlich betrachtet werden. Um sich entwickeln zu können, brauchen sie gewisse Rahmenbedingungen. Der Mensch ist ein Individuum und auch als solches zu behandeln. Ungleiche Begabungen müssen berücksichtigt und akzeptiert werden. Daraus folgt für mich: Integration, wo immer möglich, Differenzierung, wo notwendig. Die Dreigliedrigkeit der heutigen Schulstruktur bietet meiner Meinung nach gegenüber dem kooperativen Modell den Vorteil, dass homogenere Gruppen gebildet werden können und innerhalb dieser Gruppen besser differenziert werden kann. Ferner wird nicht halbjährlich Druck auf die Schülerinnen und Schüler, auf die Eltern und Lehrerinnen und Lehrer ausgeübt, indem nach jedem Semester auf- oder abgestuft wird und ständig Wechsel in den Niveauzügen stattfinden. Um solche Wechsel zu rechtfertigen, muss stärker als heute evaluiert werden. Noch mehr Prüfungen, Vergleichstests, Standortbestimmungen, erweitertes Angebot an Stütz- und Förderunterricht. Die Schülerinnen und Schüler brauchen aber auch Freiräume, um Tiefs und Rückschläge auffangen und überwinden zu können. Sie stecken mitten in der Pubertät. Leistungsbereitschaft braucht intakte, gefestigte Menschen. Ein Schuljahr Verlust aufgrund eines Übertritts von der Oberschule an die Realschule bzw. von der Realschule ins Gymnasium kann auch eine Chance sein. Der leichte Vorsprung, der aus dem Vorjahr mitgebracht wird, stellt ein Potenzial für den neuen Schultyp dar. Die Schülerin bzw. der Schüler muss nicht von Anfang nachlernen, um auf den gleichen Stand der Schülerinnen und Schüler des gleichen Schuljahres im neuen Schultyp gebracht zu werden. Positive Selektion ist höher zu bewerten als ein Jahr Verlust, gesehen auf die gesamte Schullaufbahn. Meiner Meinung nach kann das Akzeptanzproblem mit der geplanten Reform nicht behoben werden, da die Einteilung in die Klasse mit grundlegenden Anforderungen - mit "G" bezeichnet - in kurzer Zeit wie die bisherige Einstufung Oberschule/Realschule bekämpft werden wird. Die Durchlässigkeit der Stammklassen E und G ist sehr gering, rund 3%. Es wird für die Jugendlichen schwer werden, in die höhere Stammklasse zu gelangen. Das geplante System wird starrer als das heutige. Dies belegen Studien des Kantons Zürich. Es macht im Übrigen den Anschein, dass im bestehenden System prozentual mehr Schülerinnen und Schüler in eine andere Schulart übertreten. Seitens der Behörden mangelt es meiner Meinung nach generell am guten Willen, im bestehenden Modell Verbesserungsmöglichkeiten aufzuzeigen und diese in Angriff zu nehmen. Nach dem Motto "neue Besen kehren gut" wird leichtfertig Bewährtes über Bord geworfen und Neues wahllos probiert. Es ist ja nicht so, dass heute in den Schulen nichts passiert. Es laufen diverse Schulversuche und Projekte. Viele sind noch nicht zu Ende geführt oder konnten noch nicht ausgewertet werden. Mit der Einführung des neuen Lehrplans fand ein Abbau der Anzahl Stunden in bestimmten Fächern - beispielsweise Sprache und Mathematik - im Pflichtbereich statt. Diese wurden in den Wahlbereich verschoben. Mit der geplanten Struktur werden demzufolge Zeitgefässe eingebüsst. Die Leute werden für dumm verkauft, wenn man ihnen glauben macht, dass Schülerinnen und Schüler Fächer wählen, die sie zusätzlich belasten. So wird beispielsweise Deutsch Förderunterricht, ein zusätzliches Mathematikangebot oder Französisch eher selten gewählt, weil damit erheblicher Mehraufwand für die Schülerinnen und Schüler verbunden ist, obwohl sich dadurch manch eine Schülerin oder ein Schüler den Anschluss an eine weiterführende Schule in der Schweiz erschwert oder sogar verbaut. An einigen wenigen Beispielen möchte ich kurz zitieren, dass die Schulreform eben nicht hält, was sie verspricht. Zum gesellschaftlichen Stellenwert: Die Probleme der Oberschule werden in die Stammklasse G verlagert. Statt bisher weniger als 30% sind neu rund 40% der Schülerinnen und Schüler betroffen. Zur Verbesserung der Durchlässigkeit: In den Stammklassen ist die Durchlässigkeit erfahrungsgemäss sehr gering. Wie erwähnt, rund 3%. In den Niveaus ist sie möglich, bringt aber aufgrund der halbjährlichen Umteilung Stress, Unruhe, Hektik und ein verschlechtertes Lernklima. Die Durchlässigkeit konnte mit dem neuen Lehrplan im heutigen System wesentlich verbessert werden. Zur optimalen Förderung: Jede Schülerin und jeder Schüler hat das Recht, gemäss den individuellen Veranlagungen und Fertigkeiten gefördert und unterstützt zu werden. Das vorgeschlagene Modell konzentriert und beschränkt sich auf die Förderung in den Niveaufächern Mathematik und Englisch und vernachlässigt alle anderen Bereiche. Das heutige System wird den Ansprüchen der Jugendlichen viel eher gerecht. Ein Übertritt ins Gymnasium erfordert starke Leistungen in allen Fächern. Die begabtesten Schülerinnen und Schüler werden im geplanten Modell die Stammklasse E besuchen, wie 60% des gesamten Jahrganges. Wo und wie findet Begabtenförderung statt? Die Lösung des Problems der "sterbenden Oberschule": Im Pflichtschulbereich besuchen landesweit mehr Schülerinnen und Schüler eine Oberschule als ein Gymnasium. Die Oberschule ist ein für nicht so leistungsstarke Jugendliche spezialisierter Schultyp und besitzt vielfältige pädagogische und organisatorische Mittel, um diesen Jugendlichen möglichst gerecht zu werden. Die neue Struktur ist ein Schultyp für alle und orientiert sich am Durchschnitt. Sie wird weder den besonders leistungsschwachen noch den besonders leistungsstarken Schülerinnen und Schülern gerecht. Jeder und jedem eine Lehrstelle: Dies wird mit der vorgeschlagenen Struktur nicht erreicht. Hier muss die Zusammenarbeit mit dem Dienstleistungssektor, dem Gewerbe und der Industrie gesucht werden, um Lehrstellen für Schulabgängerinnen und Schulabgänger mit den unterschiedlichen Begabungen aufzufangen. Die Anzahl der Lehrstellen wird ständig reduziert. Die Berufsfelder ändern sich. Hier sollten konkrete Förderungsmassnahmen für Betriebe in Angriff genommen werden, die Lehrlinge ausbilden. Bisher hatten sowohl einige Real- und Oberschülerinnen und -schüler Probleme, geeignete Lehrstellen zu finden. Im neuen System wird das Lehrstellenproblem vor allem die Schülerinnen und Schüler der Stammklassen G treffen. Einige Schlussbemerkungen: 1. Ohne Bestandesaufnahme mit klarer Stärken- und Schwächenanalyse kann ein Bruch von der bestehenden zur geplanten Struktur nicht vollzogen werden. Ich fordere die Regierung auf, eine klare Analyse der heutigen Schulstruktur vorzunehmen. Die Ergebnisse müssen als messbare Grössen in eine Reform einfliessen. Ferner fordere ich ein gezieltes Vorgehen, angefangene Projekte sind zu Ende zu führen und zu evaluieren. Dies gilt sowohl für laufende Schulprojekte als auch für die Umsetzung des neuen Lehrplans. 2. Wir brauchen das Rad nicht neu zu erfinden. Auf bereits gemachte Erfahrungen muss zurückgegriffen werden. Gescheiterte Versuche dürfen nicht eingeführt bzw. blind übernommen werden. Wenn eine neue Struktur eingeführt werden soll, müssen zuerst die Lehrerinnen und Lehrer entsprechend ausgebildet oder mittels Weiterbildung auf den gewünschten und geforderten Stand gebracht werden. Es ist der falsche Weg, eine Struktur ohne die entsprechenden Rahmenbedingungen einzuführen. Zuerst muss in die Lehrkräfte investiert werden. Dazu muss genau beschrieben sein, welche Ziele erreicht werden sollen. Die Vermittlungskompetenz der Lehrkraft muss dauernd gefördert werden. Unterrichtsmanagement muss zielgerecht betrieben werden. Erst wenn die Lehrerinnen und Lehrer auf dem neuen Stand sind, kann man eine Systemänderung ins Auge fassen und nicht umgekehrt. 3. Ich spreche mich gegen jegliche Reformen in Richtung "alle über einen Kamm scheren" aus. Es mangelt nicht an negativen Beispielen. Gesamtschulen und ähnliche Schulstrukturen geraten vermehrt unter Druck. Wer Presseberichte liest, lässt die Finger von Schulen, die sich zum Ziel setzen, alle Schülerinnen und Schüler gleichzumachen. Wir müssen Menschen als Individuen mit ihren unterschiedlichen Begabungen und Fähigkeiten akzeptieren und individuell fördern.4. Lehrkräfte sind in jedem System der massgebliche Faktor. Die geplante Struktur bedeutet für den Unterricht und das Lernen, dass die Lehrkräfte Schüler mit sehr heterogenem Leistungshintergrund haben. Eine Lehrkraft muss eine Binnendifferenzierung machen. Für eine Schulstunde sind 3 bis 4 Stunden Vorbereitungszeit einzurechnen, nämlich für schwache, für mittelmässige und starke bis ganz starke Schülerinnen und Schüler. Eine solche Binnendifferenzierung hält keine Lehrkraft für alle Fächer auf Dauer durch. Faktisch hat dies zur Folge, dass die Lehrkraft sich vor allem den Schwächeren widmet und in die langsam Lernenden Zeit investiert. Die schnellen Schüler bräuchten Futter, haben aber keine Lehrkraft, die sich noch aktiv um sie kümmern kann, weil sie bereits absorbiert ist. Niveaukurse sind grundsätzlich gut. Die Erfahrung zeigt aber, dass es nicht gut ist, diese bis ins Niveau 1 - wir haben drei Niveaus, 1 bis 3 - absteigen zu lassen, denn man kommt nicht wieder hinauf, weil die anderen im Tempo davonziehen. Und Niveaukurse in Hauptfächern lösen das Problem in anderen Fächern nicht.5. Die Oberschule dünnt sich nicht aus, weil sie schlecht ist. Sie dünnt sich auch nicht aus, weil die Schülerinnen und Schüler und deren Eltern sich stigmatisiert fühlen, sondern weil die Berufsaussichten und Berufschancen nicht optimal sind. Die Reform löst dieses Problem jedoch nicht, wie oben schon erwähnt. 6. Entwicklungsmöglichkeiten bleiben in der bestehenden Struktur offen. Lernen ist vernetzt. Heute ist lebenslanges Lernen angesagt. Nicht umsonst wird heute Bildung auch im Baukastensystem angeboten. Im Rahmen der Berufsausbildung haben Lehrlinge die Möglichkeit, sich fachspezifisch ausbilden zu lassen und gleichzeitig - bei entsprechender Begabung - auch die Berufsmatura zu erlangen. Das heutige Bildungssystem ist keine Einbahnstrasse, die Karriereleiter ist und bleibt nach oben offen. Wir brauchen auch gut ausgebildete, motivierte Handwerker. Ebenso brauchen wir Leute, die fähig sind, Gewerbebetriebe zu führen und Lehrstellen für Lehrlinge bereitzustellen. Wir müssen den Gegebenheiten im Land Rechnung tragen und die Voraussetzungen dazu schaffen, dass jede und jeder sich nach ihren oder seinen individuellen Fähigkeiten und Neigungen aus- und weiterbilden kann. Es genügt nicht mehr, einmal einen Beruf zu erlernen und dann die Pensionierung abzuwarten. Flexibilität wird von allen gefordert. Wir müssen uns ständig beruflich, aber auch persönlich weiterbilden und entwickeln. 7. Es ist unverantwortlich, wenn Politiker und Schulpädagogen einen Schultyp für "gestorben" erklären. Hinter vorgehaltener Hand erklären nämlich die gleichen Personen die Realschule bereits als gestorben, weil sie davon ausgehen, dass künftig wesentlich mehr als 50% der Schülerinnen und Schüler ins Gymnasium drängen. Solche Szenarien können verheerende Folgen haben. 8. Die Berufsbildung ist durchlässig und flexibel: Es stehen auch Oberschulabgängern attraktive Berufe offen. Es ist einfach unverantwortlich, Schülerinnen und Schüler bis zur 9. Schulstufe in einem einheitlichen Schultyp zusammenzuhalten. Ein einheitlicher Schultyp orientiert sich am Durchschnitt und vernachlässigt die Schwach- und Hochbegabten. Im bestehenden Modell wird keinem Spätzünder etwas verbaut, weil er die Realschule oder die Oberschule besucht hat. Das heutige Schulsystem berücksichtigt meiner Meinung nach die unterschiedlichen Begabungen besser. Ich spreche mich gegen die von der Regierung vorgeschlagene Reform der Sekundarstufe I aus und beantrage Rückweisung an die Regierung. Gleichzeitig wird die Regierung aufgefordert, folgende zehn Punkte abzuklären bzw. in die Wege zu leiten. 1. Für die bestehende Schulstruktur muss eine Stärken- Schwächeanalyse veranlasst werden. 2. Begonnene Projekte und Schulversuche sind zu Ende zu führen und zu evaluieren, bevor neue Versuche lanciert werden. 3. Im Sinne einer Objektivierung und im Sinne des sozialen Ausgleichs soll ein Übertrittsverfahren durchgeführt werden. 4. Die Durchlässigkeit ist in Bezug auf alle Schultypen zu verbessern. Dabei soll insbesondere auch geprüft werden, ob beispielsweise mit Förderunterricht ein Übertritt in einen anderen Schultyp ohne Zeitverlust ermöglicht werden kann. 5. Es soll die Möglichkeit einer Nachqualifikation - beispielsweise im Rahmen des 10. Schuljahres - geschaffen werden. 6. In Zusammenarbeit mit Gewerbe und Industrie sowie mit Dienstleistungsunternehmen ist eine Verbesserung der Berufschancen, insbesondere auch für schwächere Schülerinnen und Schüler anzustreben. 7. Im Rahmen der Dreigliedrigkeit sollen Möglichkeiten von engerer, schulhausinterner Zusammenarbeit aufgezeigt werden. 8. Es soll die Möglichkeit für einen schultypenübergreifenden Unterricht in bestimmten Bereichen - Wahlfachangebot - überprüft werden. 9. Die notwendige Parzialrevision bezüglich des Gymnasiums, welche sich aufgrund des schweizerischen Maturitätsanerkennungs-Reglements aufdrängt, soll in die Wege geleitet werden. Und schliesslich 10. Eine Gewichtung des Fächerkatalogs mit dem Ziel einer Stärkung der sprachlich-mathematischen Fächer soll geprüft werden.

Abg. Lorenz Heeb:

Herr Präsident, Frauen und Herren Abgeordnete. Nach jahrelanger, gründlichster Vorarbeit liegt uns heute ein wirklich ausgezeichneter, fundierter Bericht und Antrag über die Reform der Sekundarstufe vor. Eine Reform, die auf die gesellschaftlichen, aber auch die bildungspolitischen Veränderungen in Liechtenstein, in der uns vor allem im Bildungsbereich immer sehr nahe stehenden Schweiz und in Europa zu reagieren versucht. Ich persönlich habe diese Veränderungen in unserem heute praktizierten, dreigliedrigen System persönlich als Lehrer und auch als Vater heute bereits erwachsener Söhne über die ganze Zeit als direkt Betroffener miterlebt und in bescheidenem Masse auch mitgestaltet. Ich erlebe, dass einiges, was vor 25 Jahren oder 10 Jahren noch gut funktionierte, heute unter den veränderten Bedingungen äusserst reformbedürftig ist. Ich bin der festen Überzeugung, dass der vorgeschlagene Weg eine Optimierung aller Ausbildungswege auf der Sekundarstufe I bringt und auch die Neukonzeption der Sekundarstufe II mit den fünf vorgeschlagenen Profilen den Weg zur Matura wesentlich attraktiver macht, weil die Schülerinnen und Schüler durch bewusste Wahl ihren Bildungsweg entsprechend ihren persönlichen Neigungen und Begabungen gestalten können. Unbestritten scheint mir, dass Veränderungen bzw. Verbesserungen des heutigen Bildungssystems von allen, seien es Befürworter oder auch Gegner der Regierungsvorlage, als notwendig erachtet werden. Die Meinungen gehen aber sehr weit auseinander, wenn es um die Beurteilung der vorgeschlagenen neuen Struktur geht. Der Gegnerschaft gehen die Verbesserungsvorschläge der Vorlage zu weit, ja sie werden meines Erachtens mit unzulässigen, falschen, nicht belegbaren Behauptungen als Verschlechterung des liechtensteinischen Bildungssystems dargestellt. Ich finde es beispielsweise als diffamierend, wenn dem grösseren Teil der liechtensteinischen Lehrerschaft in einem Zeitungsartikel vorgeworfen wird, sie verwenden die Kinder als Kanonenfutter oder die Lehrpersonen seien nicht fähig bzw. überfordert, das vorgeschlagene Modell, insbesonders auf der Orientierungsstufe, umzusetzen. Ich denke doch, dass sowohl die für die Ausarbeitung der Vorlage Verantwortlichen als auch die Vielen, die überzeugt sind von der besseren Qualität der neuen Struktur, das Beste für die Kinder und die Jugendlichen wollen. Die im Bericht vorgeschlagenen neuen Wege sind gut, sehr gut begründet mit Beispielen und Zahlenmaterial aus Erfahrungen, die bei Reformen des Bildungswesens im Ausland und vor allem auch in der Schweiz gemacht wurden. Sie stützen sich nicht nur auf Erfahrungen aus dem Kanton Zürich. Es sind etliche Kantone in der Schweiz, die beispielsweise auch sehr grosse bildungspolitische Veränderungen und Reformen in den letzten Jahren durchgemacht haben. Das vorgeschlagene, kooperative Modell wurde nicht in Liechtenstein erfunden. Der Trend in der EU und auch in der Schweiz geht im Bereich der Sekundarstufe I klar in Richtung kooperativer Schulen. Ganz im Gegensatz dazu habe ich von den Gegnern der Schulreform noch keinen realisierbaren Vorschlag gehört oder gelesen, der tatsächlich aus meiner Sicht etwas zur Problemlösung beigetragen hätte. Und nur mit Kosmetik werden die Probleme des heutigen Bildungssystem nicht gelöst. Ich möchte noch auf einige der meines Erachtens grossen Vorteile der neuen Schulstruktur bzw. auf die in letzter Zeit mehrfach wiederholten Argumente der Gegnerschaft eingehen. Zum Teil hat sie oder praktisch vollumfänglich hat sie mein Vorredner hier auch dargelegt. Ich beurteile die spätere Selektion nach der zweijährigen Orientierungsstufe als wesentlichen Fortschritt gegenüber der heutigen Selektion am Ende der 5. Klasse der Primarschule. Heute wird von den Eltern für ihre 11- bis 12-jährigen Kinder entschieden, welche Schullaufbahn sie einzuschlagen haben. Ich weiss, dass wirklich alle Eltern dabei das Beste für ihre Kinder wollen. Ich bin aber auch überzeugt, dass Jugendliche im Alter von 13 bis 14 Jahren bei ihrer Schullaufbahnentscheidung ihre Meinung und ihren Willen mit wesentlich grösserem Gewicht einbringen werden. Ich habe seit über 20 Jahren mit dieser Altersgruppe täglich zu tun. Ich kann ihnen versichern, dass diese Jugendlichen ihre Wünsche durchaus artikulieren können und auch wissen, wovon sie reden. Ich sehe darin die grosse Chance, dass wieder vermehrt Jugendliche sich für eine Berufslaufbahn über eine Lehre und nachfolgende Weiterbildung über die Berufsmatura und Fachhochschule entscheiden, wenn sie nicht schon am Ende der 5. Klasse in eine gymnasiale Laufbahn gedrängt werden. Richtige, schülergerechte Selektion ist immer schwer. Ich glaube jedoch, dass eine Selektion, die auf der Erfahrung mehrerer Lehrpersonen und einem Beobachtungszeitraum von 2 Schuljahren basiert, dem Schüler gerechter wird als die Entscheidung der Klassenlehrer am Ende der 5. Klasse, ohne dass ich deren Entscheidungsfähigkeit kritisieren möchte. Die äusserst unterschiedlichen Zuteilungsquoten verschiedener Lehrpersonen an verschiedenen Schulen in verschiedenen Gemeinden belegen, dass bei den heutigen Zuteilungen sehr grosse Ungerechtigkeiten geschehen, obwohl seitens der Verantwortlichen des Schulamtes alles unternommen wird, dass die zuteilenden Lehrpersonen einheitliche Massstäbe ansetzen. So werden beispielsweise Vergleichstests in allen 5. Primarklassen des Landes durchgeführt, damit die beurteilende Lehrperson auf notwendige Anhaltspunkte für die richtige Beurteilung bekommt. Auch haben die Lehrerinnen und Lehrer der 1. Klasse der Sekundarstufe I Rückmeldungen an die Primarlehrer zu machen, wie erfolgreich ihre Schülerinnen und Schüler in der neuen Schule sind. Trotzdem bewegen sich die Schülerzuteilungen für das neue Schuljahr 2000/2001 je nach Klasse und Lehrperson an die Oberschule zwischen 0% und 42,9%, an die Realschule zwischen 23,1% und 66,7% und ans Gymnasium zwischen 11% und 45%. Ich habe jetzt bewusst die kleinsten Gemeinden als Beispiel nicht verwendet, denn besonders bei kleinen Klassen können durchaus die Prozentquoten auf erklärliche Weise aus dem Rahmen fallen. Aber es erstaunt mich schon, wenn aus einer 20iger Klasse kein Schüler der Oberschule zugeteilt wird. Wo bleibt da die gerechte Zuteilung? Wenn man weiss, dass im dreigliedrigen System nachträgliche Negativselektion erstens schwer durchzuführen ist, zweitens bei einer Abstufung in einen anderen Schultyp diese Schule praktisch nie mehr nach oben verlassen werden kann und dementsprechend Motivationsrückschläge daraus resultieren, und drittens durch die zu kleinen Realschulen ein Halte-Effekt Tatsache geworden ist, der dem Schul-, Realschulniveau sehr abträglich ist. Bedeuten doch Schülerverluste relativ schnell Klassenzusammenlegungen mit den entsprechenden Konsequenzen für die Lehrerschaft. Wie kommt es nun zu diesen Zuteilungsquoten? Das Gewicht beispielsweise der Elternbeurteilung oder des Elternwunsches ist heute sehr, sehr gross, nämlich wird mit 60% im ganzen Beurteilungsverfahren berücksichtigt. Jetzt könnte man sagen, man wolle wieder Übertrittsprüfungen einführen, damit man dann sich genau an Quoten halten könne. Mich nimmt es wunder, wie dann die Eltern auf solche Vorschläge reagieren würden. Ich kann mir vorstellen, dass den Eltern dieses Übertrittsverfahren, wie es heute verwendet wird - mit Lehrerurteil und sehr gewichtigem Elternurteil - sehr angenehm ist, denn so können sie ihre Wünsche bzw. die Wünsche ihrer Kinder wesentlich besser berücksichtigen. Prüfungen wurden abgeschafft, weil sie eben auf Tagesformen reagierten und sehr viele ungerechte Zuteilungen praktisch irreparabel zur Folge hatten. Ich möchte nur noch ein paar Worte zum Niveauverlust sagen. Tatsache ist, dass heute beim dreigliedrigen System nicht nur die Oberschule, sondern auch die Realschule und das Gymnasium mit Niveauverlusten konfrontiert sind. Für das kommende Schuljahr ist erstmals - und hier haben Sie die Zahlen, die neuen Zahlen wiederholt, Herr Beck. Die Zuteilungsquote an die Oberschule 24,9% - die geringste Quote. Der Realschule werden noch 47,8% und dem Gymnasium bereits 27,3% zugeteilt. Wird ab nächstem Jahr für zukünftige Primarlehrerinnen und Primarlehrer auch die Matura für den Zugang zur Lehrerausbildung verlangt, wird die Zuteilungsquote ans Gymnasium die 30%-Grenze schnell überschreiten. Vergleichsweise mit den EU-Ländern ist diese Quote eigentlich nicht besonders hoch. Wir erreichen langsam europäischen Standard und damit Chancengleichheit unserer Jugend mit anderen europäischen Jugendlichen. Wo liegt in unserem dreigliedrigen System unter diesen Umständen aber die Zukunft der Oberschule? Wenn man von 24,9% - das sind 95 Schülerinnen und Schüler - noch die 13 Kinder subtrahiert, die eine Privatschule besuchen werden, verbleiben für die drei Oberschulen des Landes gerade noch 82 Kinder, und das sind noch 21,5% dieses Jahrgangs. Teilt man die 29 Zuweisungen an die Oberschule Eschen - ohne Privatschulbesuche - noch auf das Schulzentrum Unterland 1 und das Schulzentrum Unterland 2 auf, werden diese Schulen im dreigliedrigen System nicht mehr funktionieren. Bei einer Ablehnung der Reform der Sekundarstufe I ist für mich deshalb die logische Konsequenz, dass wir in wenigen Jahren - ich habe schon Wetten abgeschlossen - ein zweigliedriges System mit Langzeitgymnasium und einer Sekundarschule ab der 5. Klasse haben werden. Entspricht dies den Vorstellungen, wie sie teilweise schon geäussert wurden? Zum Niveauverlust, der von den Gegnern immer wieder prognostiziert wurde oder wird, gibt es auch Ergebnisse aus dem Ausland, wo kooperative Schulen schon längst in grosser Mehrheit Tradition sind. Diese weisen nicht auf solche Niveauverluste hin. In der sozialen Selbstkompetenz dieser Schüler zeigt sich sogar ein deutliches Plus. Ich bin auch der Überzeugung, dass in den Niveaufächern Mathematik und Englisch, das Niveau sogar steigen wird. Für mich ist das mathematisch nachvollziehbar. Eine Gymnasialklasse heute ist nicht homogen, was die mathematische Begabung anbelangt. Und die 30% der besten Mathematiker eines Jahrgangs haben - denke ich mir - das Klassenniveau wird höher als heute in einer Gymnasialklasse. Das einzelne Kind kann in diesen Niveaufächern seinen Fähigkeiten entsprechend durchaus auch gefördert werden mit Stützkursen, Förderunterricht und damit auch zu einer positiven Selektion geführt werden, was meines Erachtens durchaus leistungsfördernd wird. Ein gewichtiger Vorteil der neuen Struktur ist die verbesserte Durchlässigkeit. Daran glaube ich nun wirklich hundertprozentig. Ich glaube aber übrigens auch an alles andere. Die Regierung hat mit Zahlen aus Untersuchungen belegt, dass die Durchlässigkeit vor allem in aufsteigender Form verbessert wird. Seitens der Gegner wird zu den Niveauwechseln behauptet, der permanente Leistungsdruck würde die Schulzeit zusätzlich erschweren. Ich bin ganz gegenteiliger Meinung. Die Chance, in ein besseres Niveau aufzusteigen, wirkt motivierend. Ich möchte hier mit den Verhaltensweisen der Erwachsenen vergleichen. Ich denke, dieser Vergleich ist durchaus auch zulässig. In der Erwachsenenwelt motivieren Aufstiegsperspektiven im Beruf und wirken unbestrittenerweise leistungsfördernd. Dass besonders durch die Niveauwechsel sehr grosse Hektik und Unruhe in der Klasse entstünde und dabei der Klassenverband weitgehend aufgelöst würde, möchte ich ganz klar verneinen. Im Regierungsbericht erwähnte Untersuchungen an kooperativen Schulen belegen, dass zwischen 50 und 60% der Schülerinnen und Schüler nie umgestuft werden. Dazu kommt, dass lediglich in 8 von 34 Pflichtlektionen Niveauumstufungen vorgenommen werden können. Während 26 Lektionen bleiben die Klassen in jedem Fall in der gleichen Zusammensetzung oder in der von ihnen gewünschten Zusammensetzung, beispielsweise in Wahlfächern. Und somit von Auflösung des Klassenverbandes zu reden, ist einfach nicht richtig. Ergänzend möchte ich noch bemerken, dass schon heute an Real- und Oberschulen Leistungszüge in Mathematik und der ersten Fremdsprache geführt werden und ebenfalls Umstufungen vorkommen. Mir ist keine Äusserung eines Real- oder Oberschullehrers bekannt, dass dadurch Hektik oder Unruhe aufgekommen sei. Klassenauflösend ist eindeutig die heutige Frühselektion nach der 5. Klasse, wenn aufgrund des Besuchs verschiedener Schulen oder der örtlichen Trennung sogar Kinderfreundschaften auseinander gehen. In einer zukünftigen Orientierungsstufe würden alle diese Kinder wenigstens noch während zwei Jahren und der grösste Teil während 4 Jahren die gleiche Schule und teilweise sogar dieselben Wahlfächer besuchen. Was wiegt nun schwerer? Wo verlieren die Kinder mehr ihren Halt? In welchem Alter tun sie sich schwerer damit? Mit 11 oder mit 13 Jahren? Dies alles zu beurteilen überlasse ich den Eltern mit Kindern.Die Aussagen, dass Lehrpersonen mit der neuen Orientierungsstufe überfordert seien, werte ich indirekt als Bestätigung für die neue Struktur. Ich weiss, dass viele Kolleginnen und Kollegen diese Arbeit durchaus sich zutrauen. Ich bin mir im Klaren, dass diese neue Struktur einiges an Mehrarbeit für die beteiligten Lehrpersonen bedeutet. Diese Mehrarbeit entsteht vor allem durch gemeinsame Unterrichtsplanungen, durch Gespräche, Beurteilungen und Hilfestellungen für die betroffenen Schülerinnen und Schüler. Diese Mehrarbeit kommt doch eindeutig den Kindern zugute. Was soll daran schlechter sein als heute?Als Oberschullehrer möchte ich auch noch speziell auf die Problematik für meine Schülerinnen und Schüler im heutigen System eingehen. Ich fühle mich befähigt, das relativ gut beurteilen zu können, im Gegensatz zu vielen anderen Leuten, die noch nie einen Fuss in eine Oberschule gesetzt haben, aber genau wissen, wo unsere Probleme liegen. Ich fühle mich aufgrund meiner jahrelangen Erfahrung eben befähigt dazu. Ob die Schulstrukturreform die Situation der Oberschülerinnen und Oberschüler verbessert? Es ist durchaus richtig, dass diese Kinder höchstwahrscheinlich in die Stammklasse mit den grundlegenden Anforderungen und teilweise sogar in eine Kleinklasse eingeteilt werden. Dies als Fortführung der Stigmatisierung zu bezeichnen ist grundfalsch. Ich kann mich an die Zeiten erinnern, als die Oberschule noch 35% des gesamten Schülerspektrums exklusive Hilfsschule hatte. Kein Mensch hat damals von Akzeptanzproblemen gesprochen. Die Eltern waren zufrieden mit dieser Schule und viele unserer Schülerinnen und Schüler haben sehr, sehr erfolgreiche Schullaufbahnen absolviert. Ich kenne Leute, die die Oberschule besucht haben, die heute Ingenieur sind, eine Ausbildung im LIS abgeschlossen haben. Bei der 20%igen Zuteilung von heute sieht das natürlich ganz anders aus. Uns fehlen genau diese Schüler, mit denen wir früher renommieren konnten. Die Zuteilung in die Stammklasse "grundlegende Anforderungen" ist im Regierungsbericht mit 40% beziffert. Das ist noch höher als die Zuteilung, die die Oberschule in ihren Gründerzeiten hatte. Und das zu vergleichen, das ist ungefähr wie Sandalen und Stiefel miteinander zu vergleichen. Unsere Schüler werden nämlich beweisen, dass sie auch fähig sind, besonders in mathematischen Fächern, wenn eine Strukturreform realisiert wird, im B-Niveau, einzelne sogar im A-Niveau mitzuhalten. Und dieser Fähigkeitsausweis ist schlussendlich ausschlaggebend bei der Lehrstellenvergabe, denn diese Fähigkeitsausweise können verglichen werden, es ist ein Sekundarschulzeugnis mit Aussagekraft. Der gute Sekundarschüler hat dasselbe Zeugnis und hat auch eine Mathematik A-Niveau oder B-Niveau Bestätigung, und dann ist das vergleichbar. Heute sind diese Zeugnisse nicht mehr vergleichbar. Ein Oberschulzeugnis kann man nicht mit einem Sekundarschulzeugnis vergleichen. Es genügt der Zeugniskopf, um einen Schüler nicht anzunehmen. Und deshalb erhöht sich die Berufschance für unsere Schüler wirklich beträchtlich. Heute ist die Benachteiligung durch die Bezeichnung "Oberschüler" tatsächlich vorhanden. Die Aussage, einseitige Begabung sei sehr selten und im marginalen Prozentbereich, wie ich das auch schon oft gehört habe, ist unzulässig. Es ist nämlich ganz entscheidend, wie einseitige Begabung definiert wird. Für mich ist ein Schüler bereits einseitig begabt, wenn er beispielsweise in der Mathematik das Niveau B besuchen kann und im sprachlichen Bereich Niveau C aufweist. Des Öfteren musste ich auch lesen, dass sogar die Regierung in ihrem Bericht zugebe - und heute habe ich es wieder vom Abg. Beck gehört -, dass durch die Strukturreform die Probleme der schulleistungsschwachen Schüler in Sachen Berufsbildung nicht gelöst werden könne und sich folglich die Situation der Oberschülerinnen und Oberschüler auch nicht verbessert. Dazu möchte ich noch bemerken, dass diese Interpretation nicht stimmt und das ist sicher auch nicht die Meinung der Regierung. Das Schülerspektrum der Oberschüler umfasst realschulfähige Kinder und Hilfsschüler, ja sogar Sonderschüler. Für die besseren Oberschülerinnen und Oberschüler erhöhen sich durch die Strukturreform die Berufschancen, wie gesagt, beträchtlich. Die im Bericht gemeinten leistungsschwachen Schüler haben in jedem Schulsystem dieselben Schwierigkeiten, eine Lehre zu absolvieren. Es ist wirklich eine Aufgabe, für diese Schülerinnen und Schüler Ausbildungsplätze zu finden, ja Ausbildungen zu kreieren. Heute gibt es wohl Anlehren. Eine ganz neue Berufsrichtung, Ausbildungsrichtung ist z.B. der Berufspraktiker. In diesen Berufen werden nicht mehr diese grossen Anforderungen gestellt, aber es ist weiterhin Aufgabe, genau für diese Schülerinnen und Schüler noch mehr zu tun. Mir ist klar, dass die Strukturreform dieses Problem auf diese Weise noch nicht lösen kann, aber das wird zusätzliche Lösungswege erfordern. Abschliessend möchte ich noch bemerken, dass die heutige Situation der Oberschule kein oberschulspezifisches Problem ist, sondern ein Gesellschaftsproblem, und zwar für etwa 20 bis 25% unserer Kinder. Gemeinsame Verantwortung ist gefragt. Ich kann mich deshalb auch mit den Vorschlägen einiger Vernehmlassungsteilnehmer nicht einverstanden erklären, dass die Probleme dieser Schulart durch innere Reformen von der Oberschule beispielsweise selbst gelöst werden, besonders dann, wenn die von ihnen vorgeschlagenen Massnahmen - und die lassen sich im Regierungsbericht nachlesen - bereits in die Tat umgesetzt werden an der Oberschule. Die Oberschule ist nämlich die Schule, die am meisten innere Reformen aller Sekundarstufen in den letzten Jahrzehnten - kann man schon sagen - durchgeführt hat, um ihre Situation zu verbessern. Und trotzdem: Der Negativtrend und die Akzeptanzprobleme setzen sich fort. Ich bin der festen Überzeugung, dass mit dieser Reform der richtige Weg für die Verbesserung unseres Bildungssystems zum Vorteil aller Schülerinnen und Schüler eingeschlagen wird. Und deshalb plädiere ich für Eintreten.

Abg. Donath Oehri:

Bildung ist wirklich ein Thema, das uns alle angeht. Ob Eltern oder Kinder, ob Jugendliche oder Erwachsene, ob Fachperson oder nicht, ob Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, ob Politiker oder nicht. Der oft zitierte Satz "Wissen ist die wichtigste und einzige Ressource in unserem Land ohne Bodenschätze und Rohstoffe" hat wirklich seine Berechtigung. Wir müssen Sorge tragen zu unserem Bildungssystem. Gerade in unserer Zeit, in der sich die Welt um uns dauernd und immer schneller verändert, kann Bildung und ein Bildungssystem kein starres Gebilde sein. Die Weiter- und Fortentwicklung des Bildungssystem und des Bildungsbegriffes allgemein ist eine wichtige Daueraufgabe. In den vergangen Jahren ist durch einen stetigen Schulentwicklungsprozess in den verschiedenen Schulen vieles verändert, verbessert und der neuen Zeit entsprechend angepasst worden. Die Lehrerinnen und Lehrer haben als Ganzes in Lehrerteams, als Einzelpersonen und zum Teil auch als Pioniere gute und wichtige Arbeit geleistet. Dieser Prozess der Schulentwicklung entstand einerseits aus dem Bedürfnis und der Erkenntnis, dass dort, wo Schwachstellen und Verbesserungsmöglichkeiten sind, diese ausgemerzt und umgesetzt werden müssen. Dabei konnte sich die Lehrerschaft auf Prozesse und Entwicklungen in anderen Ländern stützen. Die Kleinheit unseres Landes und die dabei kürzeren Wege waren zum Teil kein Nachteil, Projekte entsprechend schnell und effizient umzusetzen. Parallel dazu fand über viele Jahre eine mehr oder weniger öffentlich geführte Diskussion über unser Bildungssystem statt. Vor allem die Fachleute, aber auch die ganze Öffentlichkeit, vor allem auch die Eltern, waren anfänglich unter dem Motto "Schule wohin?" und bis zum heutigen Tag immer wieder aufgerufen zur breiten Bildungsdiskussion. Das war und ist gut so. Verschiedene innere Reformen und Verbesserungen wurden erfolgreich durchgeführt. Nun steht uns mit der Reform der Sekundarstufenstruktur ein etwas grösserer Brocken ins Haus. Der vorliegende Bericht und Antrag betreffend die Reform der Sekundarstufe entstand in langer, intensiver Arbeit unter Beizug aller Lehrergruppen, von der Kindergartenstufe bis hin zum Gymnasialbereich. Unter Beizug von Fachleuten auch ausserhalb unseres Landes und der Berücksichtigung der europäischen Schulentwicklungstendenzen und des Standes der bildungswissenschaftlichen Forschung entstand ein abgerundeter und guter Vorschlag, der uns heute vorliegt. Es ist klar, dass jede Veränderung, aber gerade auch eine Veränderung in einem Bildungssystem, nicht auf ungeteilte und 100%ige Zustimmung stossen kann. Neues macht oft Angst, es verunsichert, liebgewonnene Gewohnheiten und Strukturen müssen in Frage gestellt und manche allenfalls aufgegeben werden. Die Stellung des eigenen Berufsstandes steht zur Diskussion und muss allenfalls näher zu einem anderen hinrücken usw. usf. Ich bin mir sicher, dass unsere Lehrerschaft als Ganzes und jede Lehrerin und jeder Lehrer für sich diese vorgeschlagene Reform erfolgreich und zum Wohle aller umsetzen kann. Gerade auch unsere Bildungsfachleute werden sozusagen als geistige Elite unseres Landes ebenfalls wie andere Berufsgruppen, welche tagtäglich einem galoppierenden Veränderungsprozess an ihrem Arbeitsplatz gegenüberstehen, in dieser Hinsicht betreffend Innovations- und Anpassungsleistung in nichts nachstehen. Eine Umsetzung der vorgeschlagenen Sekundarstufenreform kann jedoch nicht von heute auf morgen und ohne grosse Anstrengungen erfolgreich durchgeführt werden. Es wird eine Fort- und Weiterbildungsoffensive für die Lehrer nötig werden. Dabei denke ich an verschiedene Themen, insbesondere wird in Richtung Individualisierungs- und Differenzierungstechniken ein grosser Weiterbildungsbedarf bestehen. Zweitens wird unter den heute noch bestehenden, verschiedenen Lehrergruppen in Zukunft eine intensive Zusammenarbeit eine Unumgänglichkeit sein. Dies ist sicher nichts Schlechtes. Drittens: Die Umsetzung der Sekundarstufenreform wird eine professionelle Unterstützung und Begleitung der Lehrerinnen und Lehrer durch entsprechendes Coaching nötig machen. Nach einer seriösen Einführung muss eine qualitätssichernde Evaluation des Entwicklungsprozesses folgen. Viertens: Waren bisher die Schülerinnen und Schüler vor allem des untersten Leistungssegmentes durch entsprechende Stütz-, Förder- oder Ergänzungsunterrichte mit entsprechenden Angeboten abgedeckt, so muss bei einer Umsetzung der neuen Struktur eine Unterstützung und Förderung der durchschnittlich aber auch der überdurchschnittlich Begabten erfolgen. Fünftens: Dies alles wird eine Kostenfolge haben, welche die finanziellen Auswirkungen, wie sie im Bericht und Antrag unter Punkt 7.4 beschrieben sind, übersteigen wird. Doch scheint mir der Einsatz dieser finanziellen Mittel zugunsten einer ausgezeichneten Bildung für angebracht. Nun zu einigen Punkten der Vorlage im Detail: Die Pflichtschule hat die Aufgabe, alle unsere Schülerinnen und Schüler ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten, Interessen und Bedürfnissen entsprechend und ohne soziale Benachteiligung optimal zu fördern. Die Weiterführung einer Trennung in Schafe und Böcke im obligatorischen Schulbereich, eine Beibehaltung einer aus Jugendlichen bestehenden Zwei-Klassen-Gesellschaft kann nicht die Absicht und Leitidee eines Staates sein. Die Einführung des dargestellten kooperativen Modells öffnet den Weg zu einer gesamthaften und somit wirksamen Reform der Sekundarstufe. Die Aufgabe besteht darin, den unterschiedlichen Begabungsprofilen unserer jungen Menschen Rechnung zu tragen, ohne dadurch eine Gruppe zu benachteiligen. Was wir brauchen ist eine Sekundarstufe, die sowohl dem Leistungsaspekt als auch dem Sozialaspekt gerecht wird. Da die Schule ein riesiges sozial hochkomplexes System darstellt, ist es Aufgabe der Bildungsforschung, für die Entwicklung der eher trägen Organisation Schule zuverlässiges Forschungsmaterial für die Weiterentwicklung bereitzustellen. Im vorliegenden Bericht und Antrag sind die aktuellen wissenschaftlichen Forschungsergebnisse und die europäische Schulentwicklungstendenz eingeflossen. Gerade die Bildungsfachleute, die durch ihre Grundlagenarbeiten auch Forscher und Wissenschaftler in den verschiedensten Bereichen heranbilden, sollten in ihrem angestammten Beruf - der Bildung - ebenfalls das entsprechende Wissenschaftsvertrauen aufbringen können. Nur das Grundvertrauen in die Schulforschungsergebnisse kann uns hier weiterbringen. Drittens: Es ist Manipulation, wenn unsachgemäss Falschmeldungen in Umlauf gebracht werden, wie: Die Schulreform in Zürich ist gescheitert. Solche Fehlmeldungen, welche Angst und Emotionen schüren, anstatt der Sache zu dienen, können korrigiert werden. Zum einen haben in den neunziger Jahren weit über 100 Schweizer Sekundarschulen den relativ kleinen Schritt zum kooperativen Schulmodell vollzogen, mit dem kooperativen Modell einen kleinen Schritt also, wie bei uns jetzt vorgeschlagen, schon getan. Etwa 30% realisierten sogar den etwas umfassenderen Schritt zum integrativen Modell, während ein kleiner Teil zum Gesamtschulmodell wechselte. Fakt im Kanton Zürich ist, dass nicht die kantonal ermöglichte und vielerorts bereits realisierte Schulreform gescheitert ist, sondern dass eine einzige Sekundarschule vom integrativen Modell zum kooperativen, also den kleineren Schritt in Richtung Integration, gewechselt hat. Im gleichen Atemzug kann angeführt werden, dass der gesamte Kanton Tessin seit Jahren flächendeckend das Integrationsmodell praktiziert. Im Wallis 28 von 40 Schulen ebenso dieses Modell wählten und der gesamte Kanton Zug die Reform der Sekundarstufe I und II verabschiedet hat. Noch in diesem Jahr schlagen alle Zuger Sekundarschulen flächendeckend den kooperativen Weg ein. Das vorgeschlagene kooperative Modell ist also kein Ladenhüter aus anderen Ländern, sondern gerade auch in der Schweiz praktizierte Wirklichkeit, ein Modell mit Zukunft in der Schweiz und auch in anderen Ländern. Viertens: Mit Aussagen, wie "die Sekundarstufenreform bringt Niveauverlust", kann Angst gemacht werden. Niveauverlust, der zu erkennen ist, geschah während der letzten 30 Jahre unweigerlich. Niveauverlust kann also nicht einem neuen Modell angelastet werden, das noch nicht eingeführt ist. Gerade durch einen Innovationsschub in Richtung des vorgeschlagenen kooperativen Modells und dessen richtige und sachgemässe Einführung kann ein allfälliger weiterer Niveauverlust gestoppt werden. Fünftens: In der bestehenden Dreigliedrigkeit die nötigen Innovationsleistungen erbringen zu wollen, ist mit Sisyphusarbeit gleichzusetzen, weil sie das System nicht als Ganzes und nachhaltig und ganzheitlich zu fassen vermögen. Vor allem die Oberschullehrer haben beim Verbleib bei der Dreigliedrigkeit eine wenig motivierende Perspektive. Die Arbeit mit heterogenen Lerngruppen ist für Schüler wie auch für Lehrer attraktiver. Dann können sich Schülerinnen und Schüler auch nach oben orientieren, was die Leistungsfähigkeit anspornen würde. Bei der Dreigliedrigkeit erfahren diese Schülerinnen und Schüler deutlich weniger Anreize durch gleichaltrige Vorbilder, denen sie nacheifern können. Leistungsstarke Schülerinnen und Schüler würden zusätzlich Motivation erfahren, indem sie aufbauende Hilfestellung leisten können. Sechstens: Zirka 25% unserer Kinder, also diejenigen, die die Oberschule besuchen und auch ihre Eltern leiden unter der Restschule Oberschule. Gerade diese Kinder und ihre Eltern können sich bei der heute stattfindenden Diskussion weniger einbringen. Sie haben nicht so eine starke Lobby. Als oft sozial Ausgegrenzte können sie sich nicht so einfach in die Diskussion einschalten, ohne schräg angeschaut zu werden. Wir haben nicht das Recht, diese jungen Menschen und mit ihnen ihre Eltern sozial auszugrenzen. Der Verweis, die Oberschule und ihre Fachleute sollen ihre Schule entsprechend gestalten, geht ins Leere. Gerade unsere Oberschullehrkräfte haben in den vergangenen Jahren durch grosse Anstrengungen alles unternommen, um eine möglichst attraktive Schule anzubieten. Die Tendenz, die auch in anderen Ländern zu verzeichnen ist, dass die letzte Schule eines hierarchischen Systems zunehmend ausgehungert wird, ist in unserem Land unverkennbar, wenn man die Zuteilungsquotenentwicklung der letzten Jahre beobachtet. Heute können wir noch reagieren mit der Einführung eines kooperativen Modells - oder sollen wir die Schule ganz langsam austrocknen lassen und ganz langsam schlussendlich bei einem wirklichen Einheitsbrei einer Gesamtschule landen, welche wohl die Allerwenigsten wollen? Siebtens: Nochmals ein Wort zum Niveauverlust. Seit ca. 10 Jahren beklagen sich die Lehrpersonen der Realschule wie des Gymnasiums in verschiedenster Form über Niveauverlust. Dieser wurde unter anderem produziert durch die Unterwanderung der Zuweisungsquoten. Die Folge war, dass zunehmend mehr potenzielle Realschüler das Gymnasium besuchen, vor allem auch auf Druck der Eltern. Die Realschulen wurden wiederum entsprechend ausgeglichen, indem mehr sogenannte Oberschüler der Realschule zugeteilt wurden. Der auf diese Weise entstandene Niveauverlust muss folglich dem bestehenden System und nicht etwa dem neuen Modell zugeschrieben werden. Die unterlaufenen Zuteilungsquoten bekommen nun kleinere Schulen zu spüren. Die Lehrerinnen und Lehrer erkennen langsam die Zeichen und merken, dass zum Teil kaum mehr Wahlangebote gemacht werden können. Für die Realschule und Oberschule Balzers bietet sich durch die Reform überhaupt die Chance, eine eigene Sekundarschule mit entsprechenden Wahlangeboten zu führen. Dieselbe Situation tritt bei der Trennung des Unterländer Schulzentrums ein, wenn die Sekundarschule Ruggell/Gamprin/Schellenberg gebaut wird. Wahlangebote können auch dort nur in einem kooperativen Modell sinnvoll geführt werden, weil eine Mindestanzahl an Schülern für ein Wahlangebot zur Verfügung stehen muss. Achtens: Untersuchungen weisen nach, dass Schülerinnen und Schüler mit schwächeren Schulleistungen in einer homogenen Lerngruppe schlechtere Leistungen erbringen als in einer heterogenen und motivierter sind. Schüler mit stärkeren Leistungen erbringen zumindest keine schlechteren Leistungen, sind jedoch auch motivierter, weil sie als Lernpartner fungieren können. Dabei setzt sich zum einen das Gelernte und zum anderen profitieren sie vom sozial kommunikativen Aspekt her gesehen. Hingegen liegen die Werte im Emotionalbereich bei heterogenen Lerngruppen deutlich über den homogenen Vergleichsgruppen. Ein hohes Mass an Hilfsbereitschaft, weniger Konflikte und engere Beziehungen unter den Schülerinnen und Schülern in heterogenen Lerngruppen lassen aufhorchen. Diese Vergleichswerte bilden neben der erhöhten Durchlässigkeit bzw. den flexibel gestaltbaren Übergängen ein starkes Argument, das allen Begabungsprofilen in besonderem Masse entgegenkommt, womit auch Hochbegabungen gemeint sind. Neuntens und letztens: Ich spreche mich also für die Umsetzung der vorgeschlagenen Sekundarstufenstruktur aus. Was ist die Konsequenz, wenn wir das vorgeschlagene Modell ablehnen und beim heutigen, klar dreigliedrigen, separierenden Modell bleiben? Zum Ersten: Dann geht das Gymnasium als kurzfristiger, vermeindlicher Sieger hervor. Das Gymnasium hat dann den Status quo mitsamt den Privilegien kurzfristig wahren können. Zweitens: Die Oberschule wird wie die Kleinklassen sowie die Werk- und Realschulen auf der Schweizer Sekundarstufe sukzessive weiter gemieden wegen mangelnder Akzeptanz seitens der betroffenen Eltern, Jugendlichen und Lehrpersonen. Die Oberschule schrumpft und schrumpft, die Privatschulen florieren weiter. Drittens: Nach einigen Jahren werden Oberschule und Realschule zusammengeschlossen, wodurch wir österreichische Verhältnisse erreicht haben. Viertens: Den Bumerang bekommt auch das Gymnasium zu spüren, weil es dann sprungartig auf 40% und mehr der Jugendlichen anwachsen wird. Unvorbereitet wird dann die Zweiklassengesellschaft wirklich Tatsache in einem Land, das so viel auf Bildung und Chancengleichheit setzt. Somit werden alle eigentlich unvorbereitet das bekommen, was sie auf keinen Fall erreichen wollten.

Abg. Peter Sprenger:

Kolleginnen und Kollegen. Gestatten Sie auch mir einige kurze Bemerkungen zu diesem vielschichtigen Thema. Wenn ich den Bericht und Antrag, die Informationsveranstaltungen und die bisherigen Voten richtig verstanden habe, sieht die neue Schulstruktur zuallererst Neuerungen vor, welche das Gymnasium betreffen. Die Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums werden nach dem Vorschlag der neuen Schulstruktur die Möglichkeit erhalten, die Matura ein Jahr früher als bisher zu erlangen. Diese Anpassung entspricht dem europäischen Standard und die liechtensteinischen Mittelschüler wären damit ihren Kolleginnen und Kollegen in Europa gleichgestellt. Weiter ist vorgesehen, dass künftig die Gymnasiasten nicht aus 2, sondern aus 5 verschiedenen Wegen zur Matura auswählen können. Diese grössere Vielfalt an Maturatypen erhöht deren Attraktivität und ist ein weiterer Schritt auf dem Wege zur Gleichstellung der Gymnasiasten mit ihren europäischen Kommilitoninnen und Kommilitonen. Diesen Teil der Reform begrüsse und unterstütze ich vorbehaltlos und hätte auch nichts dagegen einzuwenden, diesbezüglich in dieser Landtagssitzung die 1. Lesung durchzuführen. Ein solches Vorgehen verbietet aber unsere Geschäftsordnung. Den zweiten Teil der Reform, der die Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I in die beiden Klassentypen E und G einteilt und in den Fächern Englisch und Mathematik den Niveaus A, B und C zuweist, möchte ich an die Regierung zur Überarbeitung überweisen. Ich möchte aber klarstellen, dass ich kein Gegner der neuen Schulstruktur bin. Es ist der richtige Weg, wenn in der neuen Struktur die potenziellen Gymnasiasten eingebunden sind, die Wechselmöglichkeiten in der Sekundarstufe I verbessert und versucht wird, Altbewährtes mit Neuem zu kombinieren. Das Schulamt - das möchte ich ausdrücklich festgestellt wissen - hat in diesem Zusammenhang der Regierung und dem Landtag sicher eine solide und argumentativ nachvollziehbare Arbeit vorgelegt und ist damit ihrem Auftrag, unser Schulsystem weiterzuentwickeln, gerecht geworden. Ich möchte meinen Antrag, die Reform an die Regierung zur Überarbeitung zu überweisen, wie folgt begründen: Erstens: Es ist mir bewusst, dass die Entwicklung der Zuteilungsquoten zu den Schularten der Sekundarstufe I unsere jetzige Schulstruktur implodieren, d.h. in sich zusammenbrechen lässt. Wenn diese Entwicklung anhält, besteht die Gefahr, dass nicht nur wie heute schon die Oberschule, sondern auch die Realschule in absehbarer Zeit hochgradig stigmatisiert wird. Es ist ja schon jetzt so, dass sich Lehrpersonen der Ober-, Realschulen und des Gymnasiums, weil das Übertrittsverfahren nicht mehr greift, über einen eklatanten Niveauverlust beklagen. Aber die Gefahr, dass die Zuteilungsquote nicht mehr stimmt, besteht meiner Auffassung nach auch gemäss der neuen Schulstruktur in den neuen Klassentypen E und G, wenn eben das Übertrittsverfahren nicht mehr greift. Zweitens: Wenn wir in dieser Landtagssitzung in einer 1. Lesung und im Herbst in einer 2. Lesung mit Schlussabstimmung diesen Teil der Reform annehmen würden, bestünde die Gefahr, dass bei einer zu erwartenden Volksabstimmung im Vorfeld der Landtagswahlen die Reform abgelehnt wird und dringend nötige Strukturänderungen für sehr lange Zeit verhindert würden. Drittens: Zu viele Lehrpersonen sind von dieser Reform nicht überzeugt. Darum würde es nicht einfach sein, die neue Reform umzusetzen. Viele Gegner der Strukturreform, so wie sie jetzt vorgeschlagen wird, auch diese wünschen sich Veränderungen, nur wollen sie nicht so weit gehen, wie es von der Regierung heute vorgeschlagen wird. Auch deren Bedenken und Vorbehalte sind ernst zu nehmen. Auch sie wissen, dass der Status quo auf Dauer nicht zu halten ist. Es wäre schön, wenn man in der vorgeschlagenen Reform Korrekturen, seien es pädagogischer oder gewerkschaftlicher Natur, anbringen könnte, um die Gegner zu überzeugen. Darum schlage ich der Regierung vor, dass sie die Zeit nutzt und in ihrem Vorschlag noch einmal Korrekturen anbringt, um den Bedenken vieler Lehrpersonen und Eltern eben gerecht zu werden und diese auszuräumen. Vor allem wird die Regierung aufgefordert aufzuzeigen, welche Massnahmen sie setzen würde, wenn in der neuen Schulstruktur das Übertrittsverfahren, wie von vielen befürchtet wird, nicht mehr greifen wird. Da die Köpfe unserer Kinder - das wurde heute mehrfach angeführt - die einzige natürliche Ressource unseres Landes sind, müssen wir mit allen Mitteln und unter Aufwendung aller verfügbaren Kräfte dafür besorgt sein, dass dem bitterbösen Aphorismus dahingehend, dass Schulen Gefängnisse seien, in die unsere Kinder kämen, die die Eltern nicht mehr wollen und die die Industrie - hierzulande müsste man allerdings ergänzen: und der Finanzdienstleistungssektor - noch nicht will, so wenig Wahrheitsgehalt wie immer möglich zukommt. Auch deshalb plädiere ich dafür, noch einmal über die Bücher zu gehen und den Versuch zu unternehmen, die artikulierten Bedenken der Gegner aufzufangen. Dies vor allem zum Wohle unserer Kinder und damit von uns allen. In diesem Sinne beantrage ich daher noch einmal Überweisung der Vorlage zur angeregten Überarbeitung. Dies ist ausdrücklich nicht als ein Zurückweisungsantrag zu verstehen, weil ich mit dem Sinn und Geist der Vorlage grundsätzlich nicht einverstanden wäre.

Abg. Hansjörg Goop:

Herr Präsident. Die Regierung umschreibt im Bericht und Antrag die Ausgestaltung einer neuen Sekundarstufe. Die Strukturhülle unserer weiterführenden Schulen soll neu erbaut werden. Der Plan ist sehr attraktiv und macht viele Versprechungen und weckt dadurch mindestens ebenso viele Erwartungen. Doch vor Baubeginn ist es sehr ratsam, den Plan auch in den Details zu durchleuchten. Leider zeigt sich dann sehr bald, dass nach diesem Plan keine Schulstruktur gebaut werden kann, welche nur annähernd die gestellten Forderungen und die ausgesprochenen Erwartungen erfüllen wird können. Dazu einige Beispiele.1. Späterer Selektionszeitpunkt: Dem heutigen System wird angelastet, dass die Jugendlichen zu früh selektioniert würden. Im neuen System soll später und darum auch besser begründet selektioniert werden. Dazu gilt festzuhalten: Für viele Jugendliche ist der heutige Selektionszeitpunkt nicht zu früh, sondern genau passend. Alle Jugendlichen eines Jahrgangs werden auch im neuen System zu genau demselben Zeitpunkt mit genau derselben Tragweite selektioniert: Einteilung in Stammklasse G und E, Durchlässigkeit zwischen G und E ist sehr gering, Prognose laut Bericht Seite 49: ca. 3%. Während im heutigen System begabten Schülerinnen und Schülern viele Wege ins Gymnasium offen stehen - nach der 5. Primarschulklasse, der 1. und 3. Realschule ohne Zeitverlust, nach dem 4. Realschuljahr mit einem Jahr Verlust - werden die Möglichkeiten im neuen System um zwei Jahre hinausgezögert und um eine Variante ärmer, 2. und 3. Sekundarstufe ohne Zeitverlust, und 4 Sekundarstufe mit einem Jahr Verlust. 2. Stigmatisierung der schulleistungsschwächeren Schülerinnen und Schüler: Im Bericht auf Seite 22 folgende wird begründet, wieso die Oberschule eine so geringe Akzeptanz in der Bevölkerung aufweist. Dabei stellt sich ganz klar heraus, dass nicht die Oberschule als Schultyp versagt hat - im Gegenteil, ihre besonderen Bemühungen um die lernschwachen Schülerinnen und Schüler werden hervorgehoben -, sondern dass hier einerseits ein gesellschaftliches Problem vorliegt, dessen Wurzeln schlussendlich dort liegen dürften, dass in unserem Land in einem überaus hohen Ausmass Arbeitskräfte mit hohen kognitiven Fähigkeiten gesucht werden, kaum aber Arbeitskräfte mit wenig kognitiven Fähigkeiten. Andererseits zeigt der Bericht auf Seite 24 noch krasser die aktuellen Zuteilungszahlen. Der Oberschule werden nicht mehr die Schülerinnen und Schüler zugeteilt, für welche eigentlich die Oberschule gedacht ist. Weder das Zuteilungsproblem noch die gesellschaftlichen Hintergründe werden gelöst, indem die Oberschule in die Stammklasse G überführt wird. Damit ist offensichtlich, dass die Stammklasse G von Beginn weg mit denselben Akzeptanzproblemen zu kämpfen haben wird, wie heute die Oberschule. Das Versprechen, dass sich Stammklasse - G-Schülerinnen und Schüler durch die Niveaus und Stammklassen hinaufarbeiten können, kann kaum mit gutem Gewissen gemacht werden, denn der Bericht geht von einer Umteilungsrate zwischen G und E-Stammklassen von 3% pro Jahr aus. Erstens sind in diesen 3% nicht nur die Aufstufungen, sondern auch die Abstufungen enthalten. Zweitens darf davon ausgegangen werden, dass die Prognose eher optimistisch gemacht wurde. Drittens weist das heutige System eine in etwa gleich hohe Aufstufungsrate zwischen Oberschule und Realschule auf. 3. Niveauverlust in allen drei Schultypen: Mit dem Begriff "Niveauverlust" muss vorsichtig umgegangen werden, ansonsten unseren Jugendlichen ungerechtfertigterweise ein schlechtes Zeugnis ausgestellt wird. Lehrer berichten, dass z.B. Schulabgänger der Oberschule und Realschule weniger Fertigkeiten in Bereichen der Mathematik, Deutsch und der 1. Fremdsprache haben. Dazu haben meines Erachtens folgende Umstände beigetragen. Bei diversen Stundentafelrevisionen in den letzten gut 20 Jahren fanden in diesen Bereichen immer Stundenkürzungen statt, niemals Stundenaufstockungen. Wir können weder von den Schülern noch von den Lehrern erwarten, dass in weniger Zeit gleich viel oder sogar mehr erreicht wird. Viele neue Lehrinhalte und Aufgaben sind den Schulen übertragen worden. Um diese neuen Aufgaben zu bewältigen, mussten anderswo Abstriche gemacht werden. Unsere Jugendlichen haben heute z.B. ein wesentlich höheres Niveau in Fach "Haushaltskunde" als vor vielleicht 20 Jahren, denn nach geltenden Stundentafeln werden alle Jugendlichen 2 Jahre lang obligatorisch in Haushaltskunde geschult. Durch die Auflösung der Hilfsschule und das teilweise starke Abweichen von der gesetzlichen Zuteilungsquote hat sich eine Verschiebung des Schülerprofils in allen drei Schularten ergeben. Der Niveauverlust - oder viel richtiger ausgedrückt - die Niveauverlagerung kann nicht dem Schulsystem angelastet werden, da die Ursachen nicht systembedingt sind. 4. Die Lehrerschaft: Im Bericht auf Seite 140 kann nachgelesen werden: Es ist die Lehrerschaft, welche letztendlich entscheidet, ob die Reform gelingen wird. Eine Mehrheit der Lehrerschaft, welche auf der Sekundarstufe I unterrichtet, lehnt die Reform ab. Einzig die Lehrkräfte der Oberschule befürworten die Reform mehrheitlich. Auffallend ist, dass genau diese Lehrergruppe von der Reform direkt betroffen würde. Im Bericht wird wiederholt darauf hingewiesen - z.B. Seite 96 -, dass die Effizienz des Unterrichts durch die Methode der Individualisierung und der Binnendifferenzierung gesteigert werden kann. Ebenso stellt die Regierung auf Seite 96 fest, dass in Bezug auf diese Methode in der Weiterbildung der Lehrerkräfte Handlungsbedarf besteht. Wenn diese Feststellung, dass viele Lehrer methodisch ungenügend ausgebildet sind, zutreffen sollte, dann ist es unverständlich, warum dieser Mangel nicht längst behoben wurde. Die Methodik betrifft nämlich ausschliesslich die Unterrichtsebene, und meines Erachtens muss die Unterrichtsqualität strukturunabhängig optimiert werden. 5. Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung an unseren Schulen: Die Unterrichtsqualität ist durch Strukturänderungen nur sehr gering beeinflussbar. Viel massgebender sind meines Erachtens Faktoren wie Lehrplan, Stundentafel, Lehreraus- und -fortbildung usw. Die Einführung einer neuen Schulstruktur und damit die Aufhebung jahrzehntelang gewachsener Strukturen würde für unser Land einen gewaltigen Kraftakt bedeuten. Wäre es nicht sinnvoller, diese Energien gezielter dort einzusetzen, wo uns heute der Schuh drückt? Das heutige Schulsystem hat sich bewährt und ist an und für sich gut. Nicht das Gute durch etwas Neues, Unbekanntes ersetzen, sondern das Gute besser machen, d.h. konkret: Die innere Weiterentwicklung der heutigen Schultypen gezielt voranzutreiben und dabei zwei Ziele anstreben. Erstens: Den einzelnen Schulen mehr Autonomie zugestehen und dafür von ihnen mehr Profil einfordern, denn Schulen und Schultypen mit einem starken charakteristischen Profil wirken gegen Stigmatisierungstendenzen. Profillose, nur durch unterschiedliche Leistungsanforderungen unterscheidbare Schultypen begünstigen eine Stigmatisierung. Zweitens: Weitere Entwicklung der bisherigen Schultypen in Richtung vermehrte Kooperation und Zusammenarbeit. Diese zwei Forderungen stehen zueinander nicht in Widerspruch, denn nur wenn Schulen mit markant unterschiedlichen Profilen in Zusammenarbeit und Kooperation treten, kann ein für beide Seiten befruchtender Austausch stattfinden. Ich unterstütze den Antrag des Abg. Sprenger, die Vorlage an die Regierung zu überweisen und die Schulreform in die Richtung zu lenken, wie es ausgeführt wurde. Wenn im Moment auf die Durchführung der geplanten Schulreform verzichtet wird, könnte dies der Startschuss sein für einen inneren Entwicklungs- und Erneuerungsprozess unserer Schulen mit einer starken Wirkung auf die Unterrichtsqualität.

Abg. Helmut Konrad:

Im vorliegenden Bericht und Antrag legt die Regierung dem Landtag ihre Vorschläge für die Reform für die Sekundarstufe I und II vor. Ich möchte im ersten Teil meiner Ausführungen mich zu den Reformvorschlägen auf der Sekundarstufe I äussern. Im Interesse der Erhaltung des guten, vielfältigen und differenzierten Bildungssystems in Liechtenstein spreche ich mich gegen die von der Regierung vorgeschlagene Reform der Sekundarstufe I aus, da das heutige, das bisherige differenzierte Bildungsangebot durch die geplante Änderung verringert wird, beispielsweise durch die Abschaffung der Langform des Gymnasiums. Meines Erachtens wird im ganzen Bericht und Antrag im Zusammenhang mit der Reform der Sekundarstufe I zu einseitig nur von den Vorteilen und Chancen der neuen Struktur gesprochen, die pädagogischen und schulorganisatorischen Risiken der vorgeschlagenen Änderungen hingegen werden ausgeklammert oder bagatellisiert. Ich bedauere es deshalb, dass die an sich bekannten und von Kritikern schon häufig auch in der Vernehmlassung vorgebrachten Einwände gegen diese vorgeschlagenen Änderungen der Schulstruktur im Bericht und Antrag nicht angemessen berücksichtigt worden sind. Nach diesen einleitenden Aussagen möchte ich einige allgemeine Bemerkungen machen. Im Vernehmlassungsbericht der Regierung wurde festgestellt, "dass die bestehende Struktur der Sekundarstufe sich in vielerlei Hinsicht bewährt hat". Dies heisse für die Regierung, ich zitiere noch einmal, "dass Änderungen der bestehenden Struktur behutsam und wohlbegründet vorgenommen werden müssen". Die Reform der Sekundarstufe gemäss dem Bericht und Antrag der Regierung, der im Übrigen gegenüber der Vernehmlassungsvorlage kaum eine nennenswerte Änderung erfahren hat, mit Ausnahme vielleicht der Tatsache, dass das Fach Deutsch nicht mehr als Niveaukurs aufscheint, diese Reform kann ich nicht als behutsame Änderung bezeichnen. Es muss vielmehr von einer radikalen Neugestaltung der Sekundarstufe gesprochen werden. Die Umsetzung der vorgeschlagenen Reform würde dazu führen, dass in den Sekundarschulen viel Bewährtes aufgegeben werden müsste. Ein zweiter Punkt: Der Regierungsbericht beschränkt sich auf die angeblichen Vorteile der neuen Struktur, ich habe das einleitend erwähnt. Die positiven Leistungen des jetzigen Systems werden kaum berücksichtigt. Fachliche Zitate werden einseitig ausgewählt. Ich denke, es lassen sich für viele - wir haben das auch in der Diskussion gehört - für viele Fakten Untersuchungsergebnisse einbringen und darlegen, die durchaus zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen. Es liessen sich deshalb genauso wissenschaftliche Untersuchungen aufführen, die zu anderen Ergebnissen gelangen als sie hier aufgeführt sind. Die vorgeschlagene Orientierungsstufe wird mit den guten Erfahrungen im Kanton Zürich - das AVO-Modell wurde erwähnt - begründet ohne die Erwähnung, dass im Kanton Zürich parallel zur kooperativen Form der Sekundarstufe I die gymnasiale Langform geführt wird und dass die Schulgemeinden zwischen dem dreigliedrigen und dem teilintegrierten Sekundarschulmodell wählen können. In der Evaluation der zehnjährigen, mittlerweile beinahe 15-jährigen AVO-Erfahrungen und im Vergleich werden auch gewichtige Vorteile des dreigliedrigen Systems festgestellt. Wenn in der vorläufigen Gesamtbewertung beide Sekundarstufe-I-Modelle gleichwertig beurteilt werden - besonders in Bezug auf Schulleistungen und Schulzufriedenheit der Lernenden - ist für mich die in vielerlei Hinsicht mit grossem Aufwand verbundene Strukturänderung nicht gerechtfertigt. Ich bedauere es, dass in der allen Eltern zugestellten Sondernummer des Schulamtsinformationsorgans "Schule heute" solche Einwände zum neuen Sekundarstufenvorschlag kaum aufgenommen wurden, obwohl eben auch aus der Sicht von anerkannten Pädagogen durchaus Bedenken aufgeführt werden. Ich möchte nur einen nennen, Professor Jürgen Öhlkers von der Universität Bern, der in Bezug auf diese Diskussionen, die im Kanton Luzern auch geführt wurden, auch von den Risiken einer Schulstrukturänderung gesprochen hat, die in diese Richtung geht, wie wir sie jetzt in Liechtenstein vorhaben. Und er betont eben, dass junge Menschen für die anspruchsvollen - jetzt in Bezug auf die Abschaffung des Langzeitgymnasiums - für die anspruchsvollen gymnasialen Bildungsprozesse Zeit brauchen, die eben in einer dreigliedrigen - mit Berücksichtigung auch einer Langform - in einer dreigliedrigen Schulstruktur noch gegeben seien. Dann ein weiterer Punkt, der auch schon angesprochen wurde: Die in den letzten Jahren eingeleiteten Schulentwicklungsprozesse in den verschiedenen Schulen der Sekundarstufe - innere Reformen wie z.B. Erarbeitung von Leitbildern, Geschäftsordnungen, Sonderwochen, Qualitätssicherungsansätze, Formen der Elternzusammenarbeit, neue Schulleitungsstrukturen, neue Lehr- und Lernformen - die würden meines Erachtens durch diese Schulreform, die mit sehr, sehr viel administrativem, organisatorischem Aufwand verbunden wäre, teilweise erschwert durch die neue Zusammensetzung von Lehrerinnen- und Lehrerkollegen, teilweise auch abgebrochen und müssten neu entwickelt werden. Deshalb kann ich auch nicht verstehen, wenn z.B. vom Abg. Egon Matt gesagt wurde: Schule verändere sich nicht. Wenn Ansätze vorhanden seien, dann würden sie nicht realisiert. Man spreche immer von inneren Reformen, die nicht eingelöst würden. Ich denke, wenn man sich mit der Schule auseinander setzt, dann stellt man fest, dass sich an den Schulen, und zwar aus der Sicht der einzelnen Lehrperson, aus der Sicht der verschiedenen Schulen und Schularten und auch initiiert landesweit vom Schulamt aus in verschiedensten Projekten, in einer Vielzahl von Projekten eben im Bildungswesen ungeheuer viel tut, getan hat, verändert. Deshalb kann ich eine solche Bemerkung nicht stehen lassen.Die bisherigen Ausführungen sollen auch nicht den Eindruck erwecken, dass innerhalb der heutigen Struktur auch unter Berücksichtigung von Projekten und Reformen, die laufen, alles in bester Ordnung sei. Man kann an den bisherigen Ausführungen erkennen, dass eben vieles verändert wird. Vielleicht nicht einmal alles nur zum Besten, auch da muss man ja sorgfältig dann schauen, ob Veränderungen sich wirklich auch zum Vorteil der Schule auswirken. Es ist nicht grundsätzlich so, dass jede Veränderung per se schon ein Fortschritt ist. Und dann zweitens sind auch trotz dieser Veränderungen Problemfelder vorhanden, zu deren Lösung etwas unternommen werden muss. Ich sehe dieses Akzeptanzproblem der Oberschule, das angesprochen worden ist. Ich meine aber, ohne dieses Problem gering zu schätzen, darf eine solche Fokussierung nicht zu einer so radikalen Umstrukturierung der Sekundarstufe führen und Weichenstellungen vornehmen, die sich möglicherweise später als Fehlentwicklungen erweisen, aber auf lange Sicht nicht mehr zu korrigieren sind. Ich meine, dass man Reformen behutsam und wohlbegründet vornehmen muss. Ich denke, dass man dieses Problem "Oberschule" mit dieser geplanten Strukturreform auch nicht lösen kann. Ich meine, dass sogar oder auch die Stigmatisierung von schulisch schwachen Schülerinnen und Schülern bestehen bleibt, es bleiben auch die Probleme der Lehrstellensuche. Ich gehe da von Beispielen aus, die ich aus der heutigen Zeit kenne. Es ist auch in der Realschule sogar nicht mehr so, dass ein Realschulabschluss als solcher von Lehrstellenanbietern einfach als Realschulabschluss angeschaut wird, sondern man schaut: Ist der in beiden Fächern, die in Niveaus geführt werden, im Niveau B oder A? Wenn er im B ist, dann ist das schon einmal eine erste Selektion und genauso wird das auch passieren in der geplanten Struktur, wenn man dann grundlegende Anforderungen besucht hat, allenfalls noch in den beiden Niveaufächern oder in einem der beiden Niveau C, dann ist das vielleicht eine andere Etikette für das, was man jetzt eben als Oberschüler bezeichnet. Und auch die Quoten werden meines Erachtens mit dieser geplanten Reform, diese Quotenprobleme, die angesprochen werden, nicht gelöst. Es ist vom Abg. Lorenz Heeb gesagt worden, 24% Oberschule jetzt auf das Schuljahr 2000/2001, 27,3% Gymnasiasten. Ich kann die weitere Entwicklung auch in der neuen Struktur, sofern sie kommen sollte, prognostizieren. Niveau G, wenn man jetzt im Bericht und Antrag drinnen schon feststellt, werde nicht als Quote 40% angestrebt, sondern es sei nur eine Richtzahl. Wenn man das weiterdenkt und die Mitentscheidung oder die Alleinentscheidung Eltern überlässt, dann werden wir über kurze Zeit von den 40% auf 35 oder 30% unten sein. Und wenn dann die Möglichkeit des Übertritts ans Gymnasium besteht, dort eben über 30, 35 Richtung 40% Gymnasiasten bekommen. Das ist übrigens auch eine Erfahrung, die jetzt in Basel gemacht wird nach dieser zweijährigen Orientierungsstufe, die anders strukturiert ist als sie bei uns vorgesehen ist. Basel steht bei 40% Gymnasiasten. Und die Probleme können wir eben mit solchen strukturellen Veränderungen nicht in den Griff bekommen.Dann nach diesen allgemeinen Bemerkungen möchte ich noch auf einige wenige konkrete Punkte aus diesem geplanten Reformvorhaben zu sprechen kommen. Erstens zur Frage Niveauverlust, die auch einige Male angesprochen wurde. Begabungsgerechte und wirkungsvolle Förderung aller Schülerinnen und Schüler ist das zentrale Element eines guten Bildungssystems. In der heutigen Struktur ist das meines Erachtens besser zu erreichen, weil sie durch eine bessere äussere Differenzierung homogenere Klassen mit sich bringt. Die Zweiteilung gegenüber der heutigen Dreiteilung in G- und E-Klassen - mit Ausnahme der Niveaufächer Englisch und Mathematik - bringen grössere Anteile, wenn man jetzt einmal von unterschiedlichen Begabungsspektren ausgeht, grössere Unterschiede innerhalb der Schülerschaft. Wenn man jetzt das Niveau E nimmt, sind das 60%. Und wenn vorher gesagt wurde, die Realschule und das Gymnasium jammere über Niveauverlust, dann hängt das eben damit zusammen, dass über die letzten Jahre der gymnasiale Anteil der Schülerinnen und Schüler von 15 über 20 jetzt auf 25 - neu auf 27% - angewachsen ist. Ähnliches lässt sich auch für die Realschule feststellen. Also kann man eben einen Niveauverlust feststellen, wenn sich das Spektrum der Schülerinnen und Schüler immer weiter öffnet. Es gibt wissenschaftliche Studien - ich berufe mich jetzt einfach auch auf eine, um einfach zu zeigen, dass es auch für solche Aussagen Studien gibt -, dass in homogeneren Lerngruppen im Durchschnitt bessere Leistungen erbracht werden. Das ist keine Misstrauenserklärung an die Lehrperson, sondern einfach an Grenzen der Individualisierung, die man auch sehen muss. Es zeigt sich eben, dass Lehrpersonen dann häufig überfordert sind und sich an der Mitte der Schülerinnen und Schüler, der Begabungskapazitäten der Schülerinnen und Schüler orientieren, wenn eben die Schere zu weit auseinande geht. Und das führe oder birgt zumindest die Gefahr in sich, dass es zu einem Niveauverlust führt. Und dann zeigen auch Erfahrungen, dass Integrationsmodelle auf der Sekundarstufe die in sie gestellten Erwarten oft nicht erfüllen und nicht zu einer Qualitätsverbesserung, wenn dann vielleicht eher zu einem Qualitätsverlust führen.Dann zu einem zweiten Punkt - ich habe das teilweise schon angesprochen: Im liechtensteinischen Bildungssystem sind verschiedenste und viele Reformen im Gang, teilweise abgeschlossen, aber sehr viele sind noch im Laufen, in einem Prozess, müssen evaluiert werden, zuerst zu Ende geführt werden. Es ist zu befürchten, dass durch die geplante Strukturreform diese positiven Ansätze gefährdet werden. Ich denke beispielsweise an neue Formen der Schülerinnen- und Schüler-Beurteilung, die Umsetzung des neuen Lehrplans, an Formen der Qualitätssicherung und -entwicklung, an den Einbezug neuer Informations- und Kommunikationstechnologien, für die wir ja im letzten oder vorletzten Landtag einen Kredit gesprochen haben, das neue Fremdsprachenkonzept, die vorgeschlagene Reform der gymnasialen Oberstufe etc. Ich teile die in vielen öffentlichen Diskussionen von Eltern und auch Wirtschaftsvertretern vorgetragene Einschätzung, dass in unserem Schulsystem Übersicht und Kontinuität zunehmend verloren gehen. Meines Erachtens wäre es wichtig, die Vielzahl der begonnenen Projekte sorgfältig zu Ende zu führen, zu evaluieren und allenfalls notwendige Verbesserungen einzuleiten, anstatt mit einem so grundlegenden Strukturwechsel, der mit einem riesigen Aufwand für alle Beteiligten verbunden ist, die laufenden Reformprozesse zu belasten. Aus meiner Sicht bringt dieser Aufwand nicht die erhoffte Verbesserung. Dann zur Organisation der Orientierungsstufe noch eine Bemerkung. Es sind zwei Stammklassen vorgeschlagen, G und E, grundlegende Anforderungen und erweiterte Anforderungen, und zwei Niveaugruppen mit der Möglichkeit, der verlockenden, in der Theorie verlockenden Möglichkeit zu Umstufungen am Ende jedes Semesters. Ich stimme nicht überein mit Aussagen, die gemacht wurden, dass das auf die Klassengemeinschaft kaum oder keine Auswirkungen habe. Ich habe einmal eine Folie gesehen, wie viele Stunden - unter Berücksichtigung der Stunden, in denen der Klassenverband nicht beieinander bleibt, Sport und musische Fächer, wo Klassen geteilt werden - dann bleiben in der Tat nicht mehr viele Stunden übrig, in denen die Klassengemeinschaft E oder G beieinander bleibt. Dann kommt für mich eigentlich oder fast gravierender der Erwartungsdruck an alle Beteiligten, Kinder, Eltern und Lehrpersonen dazu, der die Schulzeit in einer - aus der Sicht der Kinder - schwierigen Zeit im Pubertätsalter noch dazu, der Druck eben innerhalb eines Niveaus bleiben zu können, der Druck, der dann auch von den Eltern aus kommt, vielleicht ins nächste Niveau aufsteigen zu können, und das jedes halbe Jahr. Das führt auch oder bringt auch Rückwirkungen auf den Unterricht mit sich. Man braucht ja Kriterien, um Vorrückungen oder Rückstufungen dann auch begründen zu können. Das bedeutet automatisch wieder - ich kann mir das nicht anders vorstellen -, dass dann auch die Anzahl von Prüfungen und dergleichen halt zunehmen muss, weil wir dauernd in diesem Selektionsprozess drin sind. Ich verspreche, und das muss man auch noch berücksichtigen, dass das in der Regel für eine recht kleine Anzahl von Schülerinnen und Schülern der Fall ist, die eben an diesen Grenzen sich befinden. Die meisten sind im Typus, in dem sie zugeteilt sind, richtig zugeteilt. Dann zur Durchlässigkeit: Im bestehenden Schulsystem, ist gesagt worden, gebe es praktisch nur noch eine negative Selektion. Das stimmt meines Erachtens nicht. Ich erlebe das als am Gymnasium Unterrichtender, dass die Durchlässigkeit zwischen Gymnasium und Realschule sicher verbesserungsfähig, verbesserungswürdig ist, dass man - und da bietet wahrscheinlich der Lehrplan jetzt auch eine Möglichkeit, dass noch mehr gemacht werden kann. Man muss allerdings bei der positiven Selektion auch berücksichtigen, dass dadurch, dass die Quote der Schülerinnen und Schüler, die nach der Primarschule wechselt, immer höher wird, dass irgendwann auch einmal die positive Selektion von Realschülerinnen und Realschülern nach der ersten oder dritten und vierten Klasse nicht mehr möglich ist, sonst stimmt ja im System drin auch wieder etwas nicht. Und es ist so, dass wir aufgrund dieser Entwicklung der Zahlen auch zunehmend Rückstufungen haben, insofern ist das richtig. Wo Verbesserungsbedarf ist, ist an der Schnittstelle Oberschule/Realschule. Auch da ist meines Erachtens nur schon durch den Lehrplan eine Verbesserung eingetreten. Bisher hatte die erste Klasse Oberschule Englisch z.B. als erste Fremdsprache, die Realschule Französisch. Das hat sich durch die Angleichung der Stundentafel verändert, sodass z.B. eben auch ein verlustfreier Übertritt von der Oberschule an die Realschule künftig möglich wäre. Man kann auch die Anzahl dieser Übertrittsmöglichkeiten erhöhen, das ist sicher kein Problem. Also im Bereich der Durchlässigkeit sind sicher Korrekturen auch im Bestehenden möglich. Das wäre die horizontale Durchlässigkeit. Wichtig scheint mir auch, dass man die vertikale Durchlässigkeit ausbaut, das heisst eben dadurch auch nicht nur das Gymnasium als Königsweg anschaut, sondern dass man auch Veränderungen in den anderen Bereichen anbringt, den anderen Weg über die Realschule und Oberschule attraktiver werden lässt, neue Möglichkeiten schafft, z.B. diese Aufwertung des zehnten Schuljahres, das neue Konzept, das dieses zehnte Schuljahr attraktiver macht, das Weichen stellt vielleicht für neue Möglichkeiten, auch für Schülerinnen und Schüler die aus der Oberschule kommen. Dass weitere Möglichkeiten im Berufsbildungsbereich angeboten werden. Auch hier ist ja in den letzten Jahren viel gemacht worden, es ist vielleicht noch zu wenig bekannt, Möglichkeiten, nach der Berufslehre berufsbegleitend die Fachhochschulreife zu erlangen, Berufsmatura, innerstaatliche Maturitätsschule für Erwachsene, damit der Druck von dieser ersten Schnittstelle ans Gymnasium wegkommt. Ich kürze ab und möchte zum Schluss dieser Ausführungen zur Sekundarstufe I noch einmal betonen, dass ich mich einsetze für den Beibehalt dieser differenzierten Struktur, wie wir sie heute haben, vor allem auch z.B. eben in Bezug auf den Beibehalt des Langzeitgymnasiums, damit eben die Möglichkeit besteht, auch zu diesem Zeitpunkt schon. Und die Frage des Selektionszeitpunkts ist auch noch ein paar Ausführungen wert. Der Selektionszeitpunkt ist nicht zu früh oder zu spät. Ich denke, nach der 5. Klasse Primarschule ist für viele Schülerinnen und Schüler es wirklich möglich, sie einer Schulart zuzuordnen. Das bestätigen auch Primarlehrerinnen und Primarlehrer. Das Problem ist immer an einer Schnittstelle natürlich gegeben. Dort gibt es immer die Frage: Ist es der noch? Ist es dort noch besser zu warten und vielleicht ein Jahr später zu schauen, ob er sich dann bewährt und eben z.B. nach der 1. Klasse Realschule übertreten kann? Aber es soll eben die Möglichkeit gegeben werden, dass Kinder, die nach der 5. Stufe, nach der Primarschule die Möglichkeit haben, ins Gymnasium einzutreten. Und dieses Langzeitgymnasium ist nicht ein Auslaufmodell, auch das ist kein Auslaufmodell, genauso wie es der gebrochene Bildungsweg keines ist. Die gymnasiale Langform hat in vielen Ländern ihren Platz behalten, auch in der Schweiz. Ich denke an die Kantone Graubünden, Luzern, auch Zürich. Und dann vor allem, wenn wir den Blick auch von der Schweiz weg richten, in Österreich und in Deutschland, und dort vor allem in den südlichen Bundesländern Baden Württemberg und Bayern. Es kommt auch hier einfach ein bisschen drauf an, wohin man schaut und wohin man sich orientiert. Und dann kommt man durchaus auch zu anderen Ergebnissen. Dann möchte ich noch zwei, drei Bemerkungen, kurze Bemerkungen, zur Reform der Sekundarstufe II anbringen. Die ist in der Vernehmlassung unbestritten gewesen, sie ist auch in den Voten kaum angesprochen worden. Die Sekundarstufe II bekommt ja eine andere Struktur. Äusserer Anstoss dazu war die Änderung des MAR-Reglements, Maturitäts-Anerkennungs-Reglement der Schweiz, die die Maturatypen, die bisher gegolten haben, abschafft. Bei uns im Land haben wir den Maturatypus B und E geführt und diese Maturatypen sollen durch eine Einheitsmatura ersetzt werden, die aber eine Profilbildung ermöglicht. Es ist ganz kurz angesprochen, dass die Umsetzung in Liechtenstein zu dem Ergebnis geführt hat, dass wir einmal fünf Profile jetzt zur Disposition haben, ob dann letztlich alle fünf angeboten werden, das ist noch nicht entschieden. Es ist so, dass am Gymnasium die Lehrplanarbeit bereits begonnen hat und dass das vorliegende Gesetz oder die vorliegende Gesetzesänderung eigentlich die gesetzlichen Grundlagen für die bereits initiierte Rechnungtragung dieser MAR-Veränderung schafft. Und ich denke, es ist wichtig, dass das gemacht wird, weil es wichtig ist, dass wir mit unserer Matura die schweizerische und die österreichische Maturitätsanerkennung behalten können. Und in dem Zusammenhang möchte ich auch noch eine Äusserung zu einer Aussage des Abg. Egon Matt machen. Es ist in keinster Weise so, dass das Gymnasium, und in diesen pauschalen Äusserungen, die Sie gemacht haben gegenüber Lehrern, Lehrpersonen oder Schulen, nicht imstande sei, sich auf irgendetwas zu einigen. Es ist nicht so, dass das Gymnasium diesen Auftrag unerledigt zurückgegeben hat, sondern das Gymnasium hat diesen Auftrag weitestgehend erfüllt, es sind in einigen kleinen Bereichen, z.B. der Frage des Fachs Latein, in welchen Niveaus es angeboten werden soll, oder der Anzahl Niveaus, sind unterschiedliche Auffassungen dagewesen. Aber grosso modo kann man sagen, dass dieser Auftrag durchaus erfüllt wurde und dass jetzt die Lehrplanarbeiten eben schon in Angriff genommen wurden. Dann noch eine letzte Bemerkung, die eigentlich nicht einmal Gesetzesgegenstand ist. Als weiterer Bestandteil der Reform der Sekundarstufe II wird die Verkürzung der Gesamtschulzeit bis zur Matura von jetzt 13 auf neu 12 Jahre bezeichnet. Die Vernehmlassung hat hier eine grosse Zustimmung ergeben, gegen die Kürzung hat sich nur das Gymnasium und die Elternvereinigung des Gymnasiums ausgesprochen. Das Gymnasium hat Gründe aufgeführt, die man durchaus als Chancen sehen könnte, wenn man dieses 13. Jahr behalten könnte. Es wären Chancen hiermit verbunden, ich nehme aber zur Kenntnis, dass das politisch nicht durchsetzbar ist, vor allem auf dem Hintergrund der Tatsache dass in den umliegenden Ländern, vor allem auch in der Schweiz, dieser Rückgang von 13 auf 12 Jahre weitestgehend auch realisiert worden ist. Geärgert habe ich mich aber über eine Bemerkung im Bericht und Antrag, die ausdrückt, dass eine Kürzung in Bezug auf die Erreichung der Maturität oder mit der Maturität angestrebte Bildungsziele primär von der Qualität des Unterrichts und weniger von der Dauer der Jahre abhänge. Ich gehe davon aus, dass man auch bei 13 Jahren, die es bisher waren, von einer guten Qualität des Unterrichts ausgehen konnte, da macht man es sich meines Erachtens zu leicht und schätzt auch die bisherige Arbeit, die geleistet wurde, gering. Zusammenfassend ganz kurz. Ich spreche mich gegen die Reformbestrebung auf der Sekundarstufe I aus. Ich glaube, die Gründe sind zum Ausdruck gebracht worden, und ich spreche mich für diese geplanten Reformen im Sekundarstufe-II-Bereich aus.

Landtagspräsident Peter Wolff:

Meine Damen und Herren. Ich hoffe, dass wir in etwa die erste Hälfte dieser Eintretensdebatte absolviert haben. Wir machen eine Kaffeepause bis 17.45 Uhr und setzen dann fort.

DIE SITZUNG IST UNTERBROCHEN (UM 17:30 UHR)

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