Genehmigung eines Verpflichtungskredits für die Staatenbeschwerde des Fürstentums Liechtenstein gegen die Tschechische Republik beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (Nr. 91/2020)
Landtagspräsident Albert Frick
Wir kommen zu Traktandum 6: Genehmigung eines Verpflichtungskredits für die Staatenbeschwerde des Fürstentums Liechtenstein gegen die Tschechische Republik beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.Der Bericht und Antrag trägt die Nr. 91/2020 und steht zur Diskussion.Abg. Daniel Seger
Vielen Dank für das Wort, Herr Präsident. Mit dem liechtensteinischen Pass oder mit der liechtensteinischen Identitätskarte erfährt man im Ausland immer wieder Überraschungen und häufig kommt es zu Rückfragen und man wird deshalb bei der Ein- oder Ausreise häufig in ein Gespräch verwickelt oder sogar selbst zum Gesprächsthema, indem die entsprechenden Beamten bei ihren Kollegen stolz zeigen, dass sie da jemanden vor sich haben, der eine recht seltene Staatsbürgerschaft hat. Dies ist mir schon häufiger passiert und es hat mich nie gestört, da ich privat in den Ferien war, nicht in Eile war und mir im Endeffekt nichts verwehrt wurde. Sehr wohl gestört hätte es mich jedoch, wenn ich Probleme bekommen hätte, beispielsweise wenn man mich nicht einreisen lassen hätte oder man mir wegen meiner liechtensteinischen Staatsangehörigkeit etwas nicht zugestanden hätte, was man anderen Staatsangehörigen zugesteht, oder wenn man mir gesagt hätte, dass ich nicht Liechtensteiner bin. Denn ich stolz darauf, Liechtensteiner zu sein, und will als solcher wahrgenommen werden. Wenn ich nicht als Liechtensteiner im Ausland wahrgenommen werde, so betrifft dies nicht nur meine persönliche Situation, sondern auch die Souveränität Liechtensteins und darum geht es meines Erachtens zu einem grossen Teil bei der Staatenbeschwerde von Liechtenstein gegen die Tschechische Republik: Liechtensteinischen Personen werden durch tschechische Behörden und Gerichte Eigentumsrechte vorenthalten beziehungsweise entzogen, weil liechtensteinische Bürger, basierend auf einer falschen Anwendung tschechoslowakischer Präsidialdekrete von 1945, als Personen deutscher Nationalität eingestuft werden. Mit dem gegenständlichen Verpflichtungskredit soll der Landtag einen Verpflichtungskredit in Höhe von CHF 1,22 Mio. für die Staatenbeschwerde des Fürstentums Liechtenstein beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen die Tschechische Republik genehmigen, wobei die Regierung gemäss Bericht und Antrag bereits im August 2020 eine Kreditüberschreitung von CHF 510'000 genehmigt hat. Letzterer Betrag ist für jene Aufwände angefallen, die bereits entstanden waren und wegen des Fristenablaufs für die Einreichung der Staatenbeschwerde nicht aufgeschoben werden konnten, bis der Landtag anfangs September wieder tagte. Die beantragte Summe von CHF 1,22 Mio. werde in den Folgejahren für rechtliche Unterstützung, kommunikative Unterstützung, Übersetzungskosten, weitere Spesen und als Reserve benötigt. Die Staatenbeschwerde erschien deshalb als notwendig, weil es bis heute nicht gelungen ist, mit der Tschechischen Republik eine Verhandlungslösung für die offenen vermögensrechtlichen Fragen zu finden. Die Tschechische Republik zeigte und zeigt keine Bereitschaft zu Verhandlungen über die offenen Fragen, obwohl sie mit der Schweiz und Österreich solche Abkommen abgeschlossen hat. Der Grund dafür kann allenfalls darin gesehen werden, dass es bezüglich der entschädigungslosen Enteignungen von 39 liechtensteinischen Personen um Vermögenswerte geht, die bereits 1949 einen Wert von circa CHF 405 Mio. hatten. Der heutige Wert wird um ein Vielfaches höher sein. Bezüglich des Respekts für die uneingeschränkte Souveränität und elementare Grundrechte der Staatsbürger teile ich die Meinung der Regierung, dass diese nur der Staat einfordern kann und deshalb eine Staatenbeschwerde als geeignetes Instrument ergriffen wurde. Die Nichtachtung der liechtensteinischen Souveränität durch die Tschechische Republik wird vor allem durch die Zuordnung von liechtensteinischen Personen als Personen deutscher Nationalität, der Missachtung der dem Fürsten als Oberhaupt eines souveränen Staates zustehenden Immunität, die Ungleichbehandlung Liechtensteins gegenüber anderen Staaten wie der Schweiz und Österreich und sowie die Verletzung elementarer Grundrechte (insbesondere des Rechts auf Eigentum) verletzt. Das Gewicht einer Staatenbeschwerde ist denn auch ein anderes als dasjenige einer Individualbeschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, kurz EGMR. Während beim EGMR jährlich mehr als 50'000 Individualbeschwerden eingehen und zurzeit circa 60'000 Individualbeschwerden hängig sind, wurden seit Bestehen des EGMR gerade einmal 25 Staatenbeschwerden eingereicht. Die Staatenbeschwerde Liechtensteins ist nun die 26. Staatenbeschwerde. Im Vergleich zu Individualbeschwerden werden Staatenbeschwerden verfahrensrechtlich privilegiert und vom EGMR mit hoher Priorität behandelt. Die Staatenbeschwerde kann in einem Urteil enden oder durch gütliche Einigung erledigt werden, wobei letztere vertraulich ist und deren Durchführung vom Ministerkomitee des Europarates überwacht wird. Bei zwei Staatenbeschwerden kam es in der Vergangenheit zu einer gütlichen Einigung. Wenn der EGMR im Falle eines Urteils eine oder mehrere Konventionsverletzungen feststellt, spricht der Gerichtshof der verletzten Partei, in unserem Fall dem Land Liechtenstein, eine gerechte Entschädigung zu. Der beklagte Staat ist dabei verpflichtet, das Urteil des Gerichtshofs zu befolgen. Es ist gegenständlich mit einer mehrjährigen Verfahrensdauer zu rechnen, wobei im Falle einer gütlichen Einigung die Verfahrensdauer kürzer ausfallen kann. Diesen Verpflichtungskredit sehe ich deswegen auch als Investition in die Souveränität Liechtensteins.Prof. Dr. Mark E. Villiger berät die Regierung bei dieser Staatenbeschwerde und hat diese auch überarbeitet. Bei ihm handelt es sich nicht nur um einen anerkannten EMRK-Experten, der unter anderem das Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention publiziert hat, sondern auch um einen Kenner des EGMR, war er doch selbst von 2002 bis 2006 stellvertretender Kanzler der 3. Sektion am EGMR und von 2006 bis 2016 Richter am EGMR für Liechtenstein. Bei der Vorstellung dieser Vorlage durch die zuständige Ministerin und deren Mitarbeiter, hat Prof. Villiger unter anderem geäussert, dass er für diese Staatenbeschwerde Erfolgsaussichten sieht. Er sei grundsätzlich ein verhaltener Optimist, doch im vorliegenden Fall sei er trotzdem optimistisch und dies nicht nur verhalten, da vieles haarsträubend sei, was von der Tschechischen Republik geäussert wurde, und schwerwiegende Rechtsverletzungen vorliegen würden. Ich bin einigermassen erleichtert, dass es Liechtenstein bisher gelungen ist, dass die Erhebung dieser Staatenbeschwerde nicht dazu geführt hat, dass die Tschechische Republik diese Staatenbeschwerde als unfreundlichen Akt ansieht. Dennoch ist ersichtlich, dass sich das Verhältnis verschlechtert hat: Beispielsweise wurde der geplante Besuch des tschechischen Aussenministers in Vaduz, der am 5. Oktober hätte stattfinden sollen, auf ein unbestimmtes Datum verschoben, und die Rhetorik von tschechischer Seite gegenüber Liechtenstein habe sich auch merklich verschärft. Auch hat der tschechische Botschafter beim Europarat während der Sitzung des Ministerkomitees des Europarates geäussert, dass er bedaure, dass Liechtenstein eine Staatenbeschwerde eingereicht habe, da der Fall nach tschechischer Leseart eine Privatangelegenheit und keine Staatenangelegenheit betreffe und der EGMR dafür nicht zuständig sei, da die EMRK erst 1953 in Kraft getreten sei. Der Botschafter Liechtensteins in Strassburg hat in seiner Antwort darauf diese falsche Interpretation richtiggestellt. Hält man sich das schlechter gewordene Verhältnis zur Tschechischen Republik und die schärfere Rhetorik der Tschechischen Republik gegenüber Liechtenstein vor Augen, so sind die Ausgaben für kommunikative Unterstützung im vorliegenden Fall, insbesondere wenn diese Kosten für die Kommunikation in der Tschechischen Republik anfallen, gut investiertes Geld. Es wird sowohl von der Aussenpolitischen Kommission wie auch der Finanzkommission einhellig empfohlen den Verpflichtungskredit über CHF 1,22 Mio. zu genehmigen.Ich teile diese Empfehlung und werde dem Verpflichtungskredit meine Zustimmung erteilen und ich hoffe, dass Sie, sehr verehrte Damen und Herren Abgeordnete, im Sinne der Souveränität Liechtensteins diesem Verpflichtungskredit auch zustimmen werden. Besten Dank.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Stv. Abg. Rainer Beck
Danke, Herr Präsident. Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete. Beim vorliegenden Bericht und Antrag geht es um die Bewilligung eines Verpflichtungskredits in der Höhe von CHF 1,22 Mio. Am 18. August 2020 beschloss die Regierung, eine Staatenbeschwerde gegen die Tschechische Republik beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg zu erheben. Die Beschwerde wurde einen Tag später, am 19. August 2020, eingereicht. Die Regierung sieht die Souveränität Liechtensteins in Tschechien nicht als ausreichend respektiert an. Bis heute werden liechtensteinischen Staatsangehörigen durch tschechische Behörden und Gerichte Eigentumsrechte vorenthalten, indem diese unter falscher Anwendung tschechoslowakischer Präsidialdekrete von 1945 als Personen deutscher Nationalität eingestuft werden. In einem Urteil vom 20. Februar 2020 stützte das tschechische Verfassungsgericht diese inakzeptable Vorgehensweise. Die fortbestehende falsche Anwendung der präsidialen Dekrete entspricht einer offensichtlichen Missachtung der Souveränität Liechtensteins und verletzt elementare Grundrechte der betroffenen liechtensteinischen Staatsbürger. Den Respekt für die uneingeschränkte Souveränität von Liechtenstein und elementarer Grundrechte der Staatsangehörigen könne nur der Staat selbst einfordern. Die Regierung erachtet deshalb eine Staatenbeschwerde gegen die Tschechische Republik beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als geeignetes Instrument dafür. Mit der Staatenbeschwerde setzt sich die Regierung für die Interessen und Rechte der betroffenen liechtensteinischen Staatsangehörigen ein. Und hier beginnen meine Zweifel. Ich meine, es ist aus souveränitätspolitischer Sicht sicherlich gut und richtig, dass sich der Staat für seine Unabhängigkeit und deren Anerkennung einsetzt. Dass er sich auch für die Rechte von betroffenen Staatsbürgern, im gegenständlichen Fall für deren Vermögensrechte, einsetzt, ist aus meiner Sicht ein anderes Kapitel. Die Regierung sieht sich dennoch zum Schritt der Staatenbeschwerde veranlasst, weil es bis heute nicht gelungen ist, mit der Tschechischen Republik eine Verhandlungslösung für die offenen vermögensrechtlichen Fragen zu finden. Die Tschechische Republik zeige keine Bereitschaft zu Verhandlungen über die offenen Fragen. Für das Verfahren der Staatenbeschwerde, das offensichtlich mehrere Jahre dauern wird, beantragt die Regierung einen Verpflichtungskredit in der Höhe von CHF 1,22 Mio. Der überwiegende Teil dieser Kosten entfällt auf juristische Arbeiten. Die Erarbeitung der Staatenbeschwerde erforderte spezifische Expertise, insbesondere zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und zur Rechtsprechung in der Tschechischen Republik. Da weitere relevante Urteile des tschechischen Verfassungsgerichts, die erst im Mai und Juni 2020 ergingen, abzuwarten waren, konnte gemäss den Ausführungen der Regierung der Bericht und Antrag für einen Verpflichtungskredit dem Landtag nicht vor der Einreichung der Staatenbeschwerde vorgelegt werden. Die bis zur Einreichung der Staatenbeschwerde aufgelaufenen Aufwendungen über CHF 510'000 seien aufgrund des Fristenablaufs für die Einreichung der Staatenbeschwerde unaufschiebbar gewesen und wurden von der Regierung im Rahmen einer Kreditüberschreitung genehmigt. Hier beginnen meine Fragen: Um was ging es bei den Urteilen im Mai und Juni 2020 konkret? Die Regierung schreibt auf Seite 21 des Berichts und Antrags, dass es in diesen Verfahren um den Status des Fürsten und um Zuständigkeitsfragen ging. Wenn diese Urteile abgewartet werden mussten, weshalb ist dann der 20. Februar 2020, das Datum des Urteils des tschechischen Verfassungsgerichts, als einzuhaltende Einsprachefrist relevant? Findet hier eine Vermischung von souveränitätspolitischen und vermögenrechtlichen Urteilen statt? Wann wurde die Regierung erstmals über das verfassungsgerichtliche Urteil vom 20. Februar 2020 informiert? Wann wurde sie über die Urteile von Mai und Juni 2020 informiert? Wann wurde der Landtag erstmals in dieser Sache informiert? Wäre es aufgrund der bedeutenden Thematik nicht richtig und möglich gewesen, vor der Einreichung der Klage und vor der Ausgabe von über einer halben Million Franken, den Landtag umfassend zu informieren, beispielsweise im Rahmen der nichtöffentlichen Landtagssitzung im Juni 2020? Oder anders gefragt, weshalb ist dies nicht geschehen?Wäre es nicht richtig und möglich gewesen, bevor die Kosten in Höhe von über einer halben Million Franken angefallen sind, einen Nachtragskredit beim Landtag einzuholen? Der Landtag steht heute vor vollendeten Tatsachen und darf die Kreditüberschreitung von CHF 510'000 zur Kenntnis nehmen. Zu diesen Kosten und zum beantragten Verpflichtungskredit über CHF 1,22 Mio. habe ich weitere Fragen. Auf Seite 18 des Berichts und Antrags heisst es, dass die Staatenbeschwerde selbst rund 200 Seiten umfasse und zusätzlich mehr als 600 Seiten Anhang beinhalte. Dafür seien einschliesslich der kommunikativen Begleitung Kosten in Höhe von CHF 510'000 angefallen. Alleine für die Staatenbeschwerde seien CHF 360'000 für juristische Arbeiten benötigt worden. Der nächste wichtige Schritt gemäss Seite 19 des Berichts und Antrags sei die Erstellung einer rund 60- bis 80-seitigen Replik. Diese schlage mit CHF 300'000 zu Buche. Es ist selbstverständlich, dass nicht die Anzahl der Seiten, sondern vor allem die Erarbeitung der Inhalte sehr aufwendig sein können. Dennoch erscheinen mir die Zahlen, CHF 360'000 für die ganze Staatenbeschwerde mit über 800 Seiten und CHF 300'000 für die Replik mit rund 60 bis 80 Seiten, somit rund ein Zehntel der Staatenbeschwerde, in keinem nachvollziehbaren Verhältnis zu stehen. Kann die zuständige Ministerin dazu Stellung nehmen?Dann werden weitere CHF 380'000 für eine mündliche Verhandlung angesetzt. Gemäss Seite 23 des Berichts und Antrags stehen im Rahmen der mündlichen Verhandlung jeder Partei 45 Minuten Zeit zur Verfügung, ihre Standpunkte zu vertreten. Diese Kosten erscheinen im Vergleich zur juristischen Aufarbeitung der Klage exorbitant hoch. Wie ist dies zu erklären? Des Weiteren wird im Bericht und Antrag ausgeführt, dass die Kommunikationskosten in der Höhe von CHF 220'000 bereits zur Hälfte angefallen seien. Diese Kosten würden zusätzlich zu den internen Kosten der staatlichen Stellen entstehen. Dazu bitte ich die zuständige Ministerin um genaue Ausführungen, für was die bisherigen CHF 110'000 angefallen sind. Bis heute sind mir lediglich zwei Pressekonferenzen und eine Medienmitteilung bekannt. Im September-Landtag habe ich eine Kleine Anfrage zu den Kommunikationskosten rund um das Mobilitätskonzept 2030 und zur S-Bahn gestellt. Für die Informationskampagne der S-Bahn sind gemäss Antwort der Regierung Kosten in Höhe von CHF 68'000 entstanden. Wenn nun für die Kommunikation der Staatenbeschwerde mehr als das Dreifache ausgegeben werden soll, stellt sich mir die berechtigte Frage, für was denn genau? Ich bitte deshalb um erklärende Ausführungen zur Position Kommunikative Unterstützung. Ebenfalls hoch erscheinen mir die Kosten für Übersetzungen, Reisen und weitere Spesen, die noch anfallen sollen. CHF 36'000 wurden bereits ausgegeben, CHF 74'000 sollen noch folgen. Es ist davon auszugehen, dass lediglich für die mündliche Verhandlung tatsächlich Reisekosten anfallen werden. Die rund 800 Seiten der Staatenbeschwerde dürften ja bereits übersetzt sein, weshalb nur noch für die 60 bis 80 Seiten der Replik eine Übersetzung erforderlich sein wird. Ich kann die geplanten CHF 74'000 für diese Budgetposition in keiner Weise nachvollziehen. Kurzum: Bisher sind gemäss Bericht und Antrag für den aufwendigsten Teil der Arbeiten rund CHF 510'000 Franken aufgewendet worden. Nun sollen für den weit weniger aufwendigen Teil noch einmal CHF 1,22 Mio., also weit mehr als das Doppelte der bisherigen Kosten, anfallen. Dies kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen und ich bitte die zuständige Ministerin um entsprechende Aufklärung. Des Weiteren bitte ich die Ministerin um Information, ob zwischen der Kreditüberschreitung von CHF 510'000 und dem nun vorliegenden zu genehmigenden Verpflichtungskredit bereits weitere Verbindlichkeiten und Verpflichtungen eingegangen wurden? Auch wenn wir es uns aufgrund der Coronapandemie mittlerweile gewohnt sind, rasch hohe Millionenbeträge zu sprechen, möchte ich auch hier mit der notwendigen Sorgfalt vorgehen, auch wenn es «nur» um CHF 1,7 Mio. geht. Natürlich muss uns unsere Souveränität diesen Betrag wert sein.Dann habe ich noch weitere Fragen zu den Enteignungen. Nach Auskunft der zuständigen Ministerin anlässlich der Informationsveranstaltung der Regierung vom 13. September 2020 betreffen von den besagten beziehungsweise betroffenen 39 liechtensteinischen Staatsangehörigen 29 Fälle die Tschechische Republik und zehn Fälle die heutige Slowakei. Zudem gab es gemäss den Ausführungen von Peter Geiger in Ungarn eine Reihe analoger Enteignungen von insgesamt 13 liechtensteinischen Staatsbürgern und einer Firma in liechtensteinischem Besitz. Wie sieht es denn souveränitätspolitisch mit diesen beiden Staaten aus? Anerkennen die Slowakei und Ungarn die Souveränität Liechtensteins? Und wenn ja, gibt es hier auch Bestrebungen, die Enteignungen rückgängig zu machen oder finanziell auszugleichen? Wurde dies allenfalls bereits vollzogen oder kommt diesbezüglich auch noch etwas auf Liechtenstein zu? Wenn ja, mit welchen Kosten wäre hierbei zu rechnen? Die Regierung rechnet mit einer Verfahrensdauer der gegenständlichen Staatenbeschwerde gegen die Tschechische Republik von mindestens drei Jahren, bis mit einem Urteil gerechnet werden kann, weshalb die Regierung das Mittel eines Verpflichtungskredits gewählt hat, was richtig ist. Bei einer allfälligen gütlichen Einigung könnte die Verfahrensdauer kürzer ausfallen. Abschliessend habe ich eine Frage zur Aussage der zuständigen Ministerin anlässlich der Informationsveranstaltung vom 13. September 2020. Sie führte aus, dass im Falle eines für Liechtenstein positiven Ausgangs dieser Staatenbeschwerde der allfällige Schadenersatz dem Land Liechtenstein zugutekomme und nicht den ehemaligen liechtensteinischen Eigentümern. Wenn dem tatsächlich so wäre, wie ginge es mit den zurückgegebenen Vermögenswerten weiter? Blieben diese dann im Eigentum des Staates oder würden diese den ehemaligen Eigentümern zurückgegeben? Was passiert, wenn Tschechien die Vermögenswerte trotz Beschluss des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nicht herausrückt? Auch hier bin ich auf die Ausführungen der zuständigen Ministerin gespannt. Und nun zuallerletzt: Ich stimme dem Verpflichtungskredit in Höhe von CHF 1,22 Mio. für die Staatenbeschwerde von Liechtenstein gegen die Tschechische Republik in Sinne der souveränitätspolitischen Anerkennung unseres Landes zu. Danke. Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Abg. Herbert Elkuch
Besten Dank für das Wort. Zum Verpflichtungskredit für die Staatenbeschwerde gegen die Tschechische Republik beim Europäischen Gerichtshof - in diesem Votum beziehe ich mich auf verschiedene von der Regierung zugestellte Unterlagen. Das Fürstentum Liechtenstein reicht eine Staatenbeschwerde gegen die Tschechische Republik beim Europäischen Gerichtshof ein, um die internationale Verantwortung der Tschechischen Republik für ihre systematische Verweigerung der garantierten Grundrechte liechtensteinischer Staatsangehöriger einzuklagen. Diese Rechte einschliesslich des Verbots der ethnischen Diskriminierung, des Rechts auf ein faires Verfahren und des Rechts auf Privat- und Familienleben wurden durch eine Reihe jüngster gerichtlicher und administrativer Massnahmen verletzt. Sie stehen im Zusammenhang mit konzertierten Anstrengungen der tschechischen Behörden, mehreren liechtensteinischen Staatsangehörigen ihre Eigentumsrechte zum Vorteil der Tschechischen Republik zu entziehen. Mehrere liechtensteinische Staatsangehörige werden von der Tschechischen Republik mit einem Verfahren konfrontiert, das in unfairer, diskriminierender und willkürlicher Weise geführt wird, ohne vernünftige Aussicht auf Abhilfe für die Verletzungen ihrer Rechte. In zwei Fällen hat die Tschechische Republik von sich aus Gerichtsverfahren eingeleitet, in denen sie versucht, für sich selbst die seit Jahrhunderten bestehenden Eigentumsrechte liechtensteinischer Staatsbürger zu beanspruchen, obwohl diese Staatsangehörigen seit Langem als rechtmässige Eigentümer der Rechte eingetragen sind und dieses Eigentum wiederholt anerkannt und auch kürzlich von verschiedenen tschechischen Behörden bestätigt wurde. Es werden Grundrechte verletzt, die Liechtenstein aus meiner Sicht als souveräner Staat so nicht stehen lassen darf. Im Jahr 1945 sind in der Tschechoslowakei 38 Personen mit Liechtensteiner Staatsangehörigkeit enteignet worden. Die meisten Enteignungen fanden in der heutigen Tschechischen Republik statt. Die Staatenbeschwerde betrifft ausschliesslich Tschechien. Insgesamt wurden 90'500 Hektar Land, das sind 905 Quadratkilometer, 5,5-mal die Fläche von Liechtenstein, zu Unrecht enteignet. Die Enteignung war jeweils vollständig und entschädigungslos. Enteignet wurden Liegenschaften, Wälder, Landwirtschaftsland mit Gebäuden - von Schlössern bis zu Stallungen -, Fabriken, Firmen, Bergwerke, Brauereien, komplett mit Einrichtungen und Bankeinlagen, Wertschriften, Aktien, Schmuck, Pacht- und Nutzungsrechte. Der geschätzte Gesamtwert im Jahr 1949: total CHF 405 Mio.; heute wären dies viele Milliarden Franken. Diese Ereignisse liegen zwar schon Jahrzehnte zurück, aber das massgebende Urteil in Tschechien ist am 20. Februar 2020 und weitere sind im Mai und Juni erfolgt. Diese aktuellen Beschlüsse missachten die Souveränität Liechtensteins. Es geht nicht nur um die betroffenen Besitzer, sondern um die Souveränität Liechtensteins. Die Souveränität Liechtensteins wird missachtet und die elementaren Grundrechte liechtensteinischer Staatsbürger sind verletzt. Den Respekt für die uneingeschränkte Souveränität Liechtensteins und die elementaren Grundrechte für liechtensteinische Staatsbürger kann nur der Staat selbst einfordern. Die Tschechische Republik zeigt bislang keine Bereitschaft zu Verhandlungen über die offenen Fragen. Demgegenüber schloss sie mit der Schweiz und mit Österreich entsprechende Abkommen ab. Es ist an der Zeit, dass auch Liechtenstein sich anstrengt ein akzeptables Abkommen einzufordern. Die Regierung rechnet für eine Staatenbeschwerde gegen die Tschechische Republik beim Europäischen Gerichtshof mit Gesamtkosten von insgesamt CHF 1,73 Mio. Mit vorstehendem Bericht und Antrag gelangt die Regierung mit einem Verpflichtungskredit von CHF 1,22 Mio. an den Landtag. Ich stimme dem Verpflichtungskredit im Sinne einer Investition in die Souveränität Liechtensteins zu. Besten Dank.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Landtagsvizepräsidentin Gunilla Marxer-Kranz
Besten Dank, Herr Präsident. Geschätzte Damen und Herren. Die Tschechische Republik ist unter anderem Mitglied der UNO, sie ist Mitglied der EU, Mitglied der NATO, Mitglied beim Europarat und Mitglied der OECD. So könnte erwartet werden, dass ein zumindest formal demokratisch strukturiertes Land wie die Tschechische Republik, gelegen im Herzen Europas, Liechtenstein als Souveränes Land anerkennt. Dies insbesondere, da Liechtenstein als Mitglied der UNO, des EWR und des Europarats seine Souveränität als solche klar ausweist. Die Souveränität Liechtensteins durch die Tschechische Republik aber wird aufgrund falscher Anwendung der präsidialen Dekrete Tschechiens bis heute nicht anerkannt. Liechtensteinische Staatsbürger werden durch tschechische Behörden und Gerichte noch heute fälschlicherweise als Personen deutscher Nationalität eingestuft. Um dieses elementare Grundrecht, die Anerkennung der Souveränität Liechtensteins, durchzusetzen, erachtet die Regierung eine Staatenbeschwerde als das geeignete Instrument. Die Regierung will damit aber auch eine Verhandlungslösung für noch offene vermögensrechtliche Fragen finden. Mir geht es vordergründig nicht um Verhandlungslösungen für vermögensrechtliche Fragen. Für mich auschlaggebend ist, dass die Souveränität Liechtensteins von einem modernen, demokratischen Staat wie der Tschechischen Republik, einem EU-Mitglied, mit Füssen getreten wird. Die Nichtanerkennung von uns Liechtensteinern als liechtensteinische Staatsbürger stellt für mich einen Affront sondergleichen dar. Ich war daher auch überrascht, dass in der Ausgangslage der Regierung nicht mit den Grundsätzen der Souveränität argumentiert wurde, um die es der Regierung hier vordergründig zu gehen scheint. Die Argumentation, die die Regierung im vorliegenden Bericht anführt, scheint mehr eine privatrechtliche aus Sicht der betroffenen Grundeigentümer zu sein - was aus deren Perspektive durchaus legitim erscheinen mag. Die Regierung führt ausserdem aus, dass die Nichtachtung der liechtensteinischen Souveränität durch die Tschechische Republik sich insbesondere auch darin zeige, dass die dem Fürsten als Oberhaupt eines souveränen Staates zustehende Immunität missachtet werde. Diesen Zusammenhang verstehe ich nicht und bitte daher um eine Erklärung von der zuständigen Ministerin. Natürlich geniesst das Staatsoberhaupt bei uns Immunität. Wie und wo aber soll die Tschechische Republik die Immunität des Fürsten verletzt und damit die liechtensteinische Souveränität infrage gestellt haben? Dies erschliesst sich mir aus den Ausführungen im Bericht und Antrag nicht, scheint jedoch ein wichtiger Punkt zu sein. In der Zusammenfassung dieses Berichts und Antrags wird weiter ausgeführt, dass es neben dem Urteil vom 20. Februar 2020 sowohl im Mai wie auch im Juni 2020 noch weitere relevante Urteile des tschechischen Verfassungsgerichts gegeben habe. Laut Regierung hätten diese weiteren Urteile abgewartet werden müssen, bevor dem Landtag ein Verpflichtungskredit habe vorgelegt werden können. Dieses Vorgehen erstaunt umso mehr, als dass der - zumindest für mich - relevante Punkt, nämlich die Einstufung durch tschechische Behörden von Liechtensteiner Staatsbürgern als Personen deutscher Nationalität, mit eben diesem Urteil bereits im Februar 2020 bestätigt wurde. In den Urteilen von Mai und Juni 2020 ging es gemäss Bericht nämlich um den Status des Fürsten und gewisse Zuständigkeitsfragen. Die Regierung hätte folglich doch schon im Februar sofort reagieren müssen. Wiederum stellt sich mir daher die Frage, ob das Aussenministerium hier wirklich korrekt zwischen der Rolle des Staates, welcher sich für die offensichtliche Missachtung der Souveränität Liechtensteins einzusetzen hat, und privaten Interessen unterscheidet. Diese Unterscheidung ist meines Erachtens aber absolut notwendig. Auch hierzu bitte ich die Frau Ministerin um entsprechende Ausführungen. Der Landtag wurde seitens der Aussenministerin erstmalig am 18. August 2020, also nur einen Tag vor Einreichung dieser Staatenbeschwerde, per Mail informiert. Es stellt sich mir die sicher begründete Frage, ob es aufgrund der doch heiklen Thematik und der nicht geringen Kosten es nicht besser und konstruktiver gewesen wäre, vorgängig vor Einreichung der Klage, den Landtag umfassender zu informieren. Weshalb ist dies nicht geschehen? Zumal ja der relevante Entscheid, wie bereits von mir ausgeführt, nämlich die falsche Einstufung der tschechischen Behörden von Liechtensteiner Staatsbürgern als Personen deutscher Nationalität, bereits mit Urteil vom Februar 2020 gefällt wurde. Ging es der Regierung wirklich um die offensichtliche Missachtung der Souveränität und nicht vordergründig eher um die privaten vermögensrechtlichen Fragen? Aus diesem Grunde interessiert mich auch wie schon Abgeordnete vor mir, wann die Regierung erstmals Kenntnis über das Urteil vom 20. Februar 2020 und wann sie Informationen über die Urteile vom Mai und Juni 2020 erhalten hat. Mehrfach wird, wie bereits angeführt, im Bericht und Antrag über eine Verhandlungslösung für die offenen vermögensrechtlichen Fragen gesprochen. Die Tschechische Republik zeige hierbei keine Bereitschaft zu Verhandlungen über diese offenen Fragen, wohingegen sie mit der Schweiz und Österreich entsprechende Abkommen abgeschlossen habe. Gerne möchte ich von der Aussenministerin wissen, ob es korrekt ist, dass diese von der Tschechischen Republik mit der Schweiz und Österreich geschlossenen Abkommen vermögensrechtliche Lösungen für einzelne Privatpersonen und nicht souveränitätspolitische Problemstellungen beinhalten? Zu guter Letzt noch eine Frage ausserhalb dieses Berichts. Für kommenden Montag ist ein Besuch des tschechischen Aussenministers hier in Liechtenstein geplant. Dieser Besuch wurde bekanntlich vonseiten der Tschechischen Republik zwischenzeitlich abgesagt. Hat diese Absage a) einen Zusammenhang mit der Einreichung dieser Staatenbeschwerde und b) wie beurteilen Sie, Frau Aussenministerin, diese Reaktion des tschechischen Aussenministers? Ich werde dem uns hier vorliegenden Verpflichtungskredit für eine Staatenbeschwerde gegen die Tschechische Republik zustimmen. Es geht mir dabei nicht primär darum, vermögensrechtliche Fragen zu klären, sondern darum, die offensichtliche Missachtung der Souveränität Liechtensteins durch die Tschechische Republik zu ahnden. Liechtenstein fordert nur eine Selbstverständlichkeit, nämlich die Anerkennung seiner Souveränität. Diese ist nur gewahrt, wenn vonseiten der Tschechischen Republik Liechtenstein als souveräner Staat und seine Bürger vollumfänglich als das akzeptiert werden, was sie sind, liechtensteinische Staatsbürger. Besten Dank.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Regierungsrätin Katrin Eggenberger
Besten Dank, Herr Präsident, für das Wort. Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete. Ich verzichte auf mein Votum, weil bereits einiges gesagt wurde und gehe sogleich auf die Fragen ein. Zur Aussage des Abg. Seger möchte ich noch kurz hinzufügen, dass lediglich das Treffen auf Aussenministerebene verschoben wurde. Auf den weiteren sonstigen Ebenen, zumindest dort finden Gespräche weiterhin statt. Wie es auch beim Ministerrat in Strassburg der Fall ist. Dann gehe ich auf die Fragen des Abg. Beck ein, ich starte mit der Frage zum Zeitpunkt. Eine Befassung des Landtags vor der Einreichung der Staatenbeschwerde war nicht möglich. Neben dem Fall Rícany fällte das tschechische Verfassungsgericht noch in drei weiteren Verfahren ein Urteil. Die letzten beiden Urteile ergingen am 2. Juni und 9. Juni. Diese Urteile galt es abzuwarten. In diesen Verfahren ging es um Fragen der Zuständigkeit. Je nach Entscheidung des Verfassungsgerichts wäre zuvor auch der Fall Rícany von den falschen Gerichten entschieden worden. Der Ausgang dieser Verfahren war somit von Relevanz für die Notwendigkeit einer Staatenbeschwerde. Zudem wurden auf der Basis des Urteils vom 20. Februar zwei völkerrechtliche Gutachten eingeholt. Die beiden Gutachten befassten sich mit den Möglichkeiten einer Internationalisierung, den möglichen Verletzungen internationalen Rechts und den Erfolgsaussichten. Die beiden Gutachten, die am 8. Juni vorlagen, bildeten ebenfalls eine wichtige Entscheidungsgrundlage für das weitere Vorgehen. Erst nach Vorliegen der weiteren Urteile und der Gutachten konnte sich die Regierung sinnvollerweise mit der Möglichkeit der Einreichung einer Staatenbeschwerde befassen. Die Befassung der Regierung erforderte eine Aufarbeitung aller relevanten Fakten und Argumente, sodass eine fundierte Diskussion stattfinden konnte. Eine Befassung des Landtags vor Einreichung der Staatenbeschwerde hätte in der Juni-Sitzung vom 3. bis 5. Juni erfolgen müssen. Dies hätte wiederum eine Fertigstellung der Entscheidungsgrundlagen für die Regierung bis Mitte April vorausgesetzt, was nicht realistisch war. Zu diesem Zeitpunkt lagen weder die beiden Gutachten noch die weiteren relevanten Urteile des Verfassungsgerichts vor. Zum Fristbeginn möchte ich kurz ausführen, dass das erste Urteil vom Februar 2020 für den Fristbeginn massgebend ist, weil es die Basis der Staatenbeschwerde bildet und weil dieser inhaltlich am besten für eine Beschwerde geeignet ist. Die Information an die Regierung erfolgte erstmals am 23. Juni. Dann möchte ich noch anfügen, dass ein Verfahren vor einem internationalen Gericht, das hoch professionell geführt wird, einen gewissen Preis hat. Deshalb komme ich nun auf die Frage zu den Kosten. Das Rechtsteam muss aus ausgewiesenen Experten bestehen. Es bedarf langjähriger Expertise zur EMRK und insbesondere zur Rechtsprechung des EGMR. Ebenso braucht es Expertise zum tschechischen Recht und zur Rechtsprechung des tschechischen Verfassungsgerichts. Nur so ist es möglich, eine Staatenbeschwerde von hohem Niveau einzureichen. Das Rechtsteam der Regierung umfasst diese notwendigen Kompetenzen. Das Rechtsteam wurde so schlank wie möglich gehalten. Der Verfahrensablauf vor dem EGMR kann nicht mit absoluter Gewissheit vorausgesagt werden. Dieser hängt auch vom Verhalten der Gegenpartei ab. Zum Beispiel ist nicht klar, ob Tschechien zu Verhandlungen über eine gütliche Einigung bereit ist. Bei der Berechnung der Kosten müssen sämtliche möglichen Verfahrensschritte berücksichtigt werden. Bei der Kostenberechnung kann nicht gutgläubig von einem sehr zügigen Verfahren oder von einem reibungslosen Verfahren ausgegangen werden. Bei der Kostenberechnung haben wir natürlich Erfahrungswerte zu internationalen Gerichtsverfahren berücksichtigt.Neben den Kosten für die juristischen Arbeiten fallen, wie Sie im Bericht und Antrag sehen, auch die Kosten für die Kommunikation ins Gewicht. Gerade in der Phase der Einreichung der Staatenbeschwerde, aber auch in weiteren kritischen Phasen, wie zum Beispiel der öffentlichen mündlichen Verhandlung, ist eine professionelle Kommunikation unabdingbar. Auch hier hat die Regierung versucht, die Kosten möglichst tief zu halten. Viele der Arbeiten wurden und werden weiterhin durch Stellen der Landesverwaltung erledigt. Eine gewisse externe Unterstützung insbesondere in Tschechien ist allerdings unabdingbar, da es auch um die Kenntnisse der tschechischen Sprache und Medienlandschaft und das bestehende Netzwerk geht.Die Kosten bewegen sich, auch wenn sie auf den ersten Blick vielleicht etwas hoch erscheinen mögen, in einem vernünftigen Rahmen. Dies zeigt ein Vergleich mit den Kosten des IGH-Falls, auch bekannt als Kalkofen- oder Bilder-Fall. Damals fielen Kosten von über CHF 4,5 Mio. an. Heute sprechen wir von Kosten von insgesamt CHF 1,73 Mio.Warum für die Replik so viel? Da möchte ich kurz ausführen, dass Tschechien in der Stellungnahme allenfalls mit neuen Argumenten kommen kann, diese müssen genau geprüft und beantwortet werden. Weiter auch zur Entscheidungsfindung: Da lief die Landtagssitzung vom Juni noch. Deshalb konnte nicht informiert werden, wie ich vorhin ausgeführt habe. Und wie gesagt eben die Kommunikationskonzepte, das Studium der Unterlagen, der Abklärungen mit Vertretern der Auftraggeberin und so weiter, also Abklärungen mit Rechtsexperten, mit Kommunikationspartnern, das alles fiel an. Und selbstverständlich hat die Ausarbeitung das auch berücksichtigt: Am 9. Juni erfolgte das letzte Urteil und am 23. Juni habe ich die Regierung informiert. Die Regierung hat dann auch am 15. Juli den Grundsatzentscheid gefällt, eine Staatenbeschwerde einzureichen. Und am 18. August erfolgte dann die definitive Entscheidung, diese einzureichen. Dann komme ich zur Frage der Enteignungen. Ja, auch in anderen Staaten wurden liechtensteinische Staatsangehörige nach dem Zweiten Weltkrieg enteignet. In einigen Fällen konnten die liechtensteinischen Ansprüche in die schweizerischen Globalentschädigungsabkommen aufgenommen werden. So wurde in den Abkommen zwischen der Schweiz und Jugoslawien, Polen, Rumänien sowie Bulgarien auch Liechtenstein miteinbezogen:
- Abkommen Schweiz-Jugoslawien von 1948 – Einbezug Liechtensteins in Art. 11
- Abkommen Schweiz-Polen von 1949 – Einbezug Liechtensteins in Art. 14
- Abkommen Schweiz-Rumänien von 1951 – Einbezug Liechtensteins in Art. 9
- Abkommen Schweiz-Bulgarien von 1954 – Einbezug Liechtensteins in Art. 9
Mit der Sowjetunion und der DDR lagen 1990 noch keine Lösungen vor. Mit der Tschechischen Republik, der Slowakischen Republik und Ungarn gibt es bis heute keine Lösungen. Vielleicht kurz zur Slowakei: Mit der Slowakei hat sich gezeigt, dass eine Lösung ohne vorherige Lösung mit der Tschechischen Republik realpolitisch nicht möglich ist. Die Dekrete des Präsidenten der Tschechoslowakei sind auch hinsichtlich der Slowakei relevant. In der Slowakei sind 13 Personen betroffen. Von diesen 13 hatten drei Personen Vermögenswerte sowohl im Tschechischen als auch im slowakischen Teil der Tschechoslowakei. Bei zehn Personen liegen die enteigneten Vermögenswerte also nur in der heutigen Slowakei.Zu Ungarn: Auch in Ungarn fanden nach dem Zweiten Weltkrieg Enteignungen statt, wobei auch liechtensteinische Staatsangehörige enteignet wurden. Im Abkommen der Schweiz mit Ungarn von 1950 wurde Liechtenstein nicht miteinbezogen. In den Jahren 1994 bis 1998 und ab 2018 wurden neue Versuche unternommen, die offenen Fragen zu lösen. Derzeit laufen die Gespräche noch. Zur Slowakei und Ungarn: Die Verhandlungen stehen hier im Vordergrund. Ausserdem gibt es kein höchstrichterliches Urteil in diesen zwei Ländern, das uns erlaubt hätte, diese weiterzuziehen, wie es bei der Tschechischen Republik der Fall ist. Dann komme ich kurz nochmals auf Ihre Frage zum Schadenersatz und Enteignungen: Da möchte ich noch hinzufügen, dass Liechtenstein und das Ministerkomitee des Europarats zusammen entscheiden würden, wie es damit weitergeht. Zu den Vermögenswerten: Diese gingen auch in den Beispielen der Schweiz und Österreich an den Staat zurück. Dieser verteilte die Gelder dann an die Betroffenen. Dann komme ich zu den Fragen der stellvertretenden Landtagspräsidentin Gunilla Marxer-Kranz zur Souveränität und Immunität: Es trifft zu, dass Liechtenstein und die Tschechische Republik 2009 wieder diplomatische Beziehungen aufgenommen haben. Es geht nicht um die völlige Negierung der Souveränität Liechtensteins, sondern um eine Missachtung der Souveränität im Zusammenhang mit Eigentum, das zu Unrecht entzogen wurde. Indem ein Staat dem anderen vorschreibt, dass gewisse Personen gar nicht seine Bürgerinnen und Bürger sind, beschneidet er auf massive Art die Souveränität dieses Landes. Das ist nicht nur 1945 beziehungsweise in den Gerichtsurteilen bis 1951 in der Tschechoslowakei so passiert, sondern hat sich in jüngster Zeit wiederholt. Indem das Verfassungsgericht die Entscheidungen der tschechischen Gerichte gestützt hat, legitimiert es sozusagen die erneute Anwendung der Dekrete des Präsidenten der Tschechoslowakei im Jahre 2020. Mit diesem Urteil werden liechtensteinische Staatsangehörige erneut fälschlicherweise als Personen deutscher Nationalität behandelt. Anders als damals steht nun der Gang zum EGMR offen. Durch die Konfiszierung des persönlichen Vermögens des Fürsten von Liechtenstein wurde die im Völkerrecht grundsätzlich als absolut anerkannte Immunität des Souveräns und Staatsoberhauptes Liechtensteins, eines im Zweiten Weltkrieg neutralen Landes, verletzt. Diese Immunität bedeutet grundsätzlich die Unzuständigkeit von Gerichten und Verwaltungsbehörden, die Jurisdiktionsimmunität, über den persönlichen Status und das Eigentum eines fremden Staatsoberhauptes zu entscheiden. Es geht also nicht um die völlige Negierung der Souveränität Liechtensteins, sondern um eine Missachtung der Souveränität im Zusammenhang mit Eigentum, das zu Unrecht entzogen wurde. Die Frage der Immunität des Fürsten war für die tschechischen Behörden und Gerichte eine zentrale Frage, mit der sie sich in entsprechender Weise hätten befassen müssen. Dass sie dies nicht getan haben, tangiert die Souveränität Liechtensteins. Der Grundsatz der Immunität für Staatsoberhäupter und in abgeschwächter Form für weitere hohe staatliche Amtsträger gilt für alle Staaten gleichermassen. Die Regierung stellt sehr wohl Souveränität in den Vordergrund, durch Geltendmachung des diplomatischen Schutzes für seine Bürger, Immunität des Staatsoberhauptes. Die Pochung auf souveräne Gleichheit der Staaten, das ist bei uns klar im Vordergrund und auch die Lösungsfindung durch die Tschechische Republik mit Liechtenstein, nicht nur mit der Schweiz und Österreich.Vielleicht noch kurz noch ein Zusatz dazu: Vor dem EGMR müssen Konventionsverletzungen geltend gemacht werden. Souveränität als solches ist kein Souveränitätsrecht. Weder im Falle der Schweiz noch im Fall Österreichs wurden Vermögen eines Staatsoberhaupts enteignet. Daher hat der Fall Liechtenstein eine andere Tragweite. Ausserdem stellte die Tschechoslowakei auch die Souveränität der Schweiz und Österreich nicht infrage und nahm mit diesen Staaten auch diplomatische Beziehungen auf. Dies wurde Liechtenstein verweigert.Dann noch zu weiteren Punkten der Abkommen mit Schweiz und Österreich: Ein Vertrag zwischen der Tschechoslowakei und der Schweiz konnte bereits 1949 abgeschlossen werden. Jener mit Österreich erst 1975. Beide Verträge sind sogenannte Globalentschädigungsabkommen, bei denen eine fixe Gesamtsumme, in der Regel ein gewisser Prozentsatz der geschätzten Vermögenswerte, an den Staat ausbezahlt wird. Der Staat, der die Globalentschädigung erhält, ist für die Verteilung der Gelder zuständig. Zugleich werden mit dem Vertrag zukünftige Ansprüche ausgeschlossen. Das Abkommen mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Tschechoslowakischen Republik betreffen die Entschädigungen der schweizerischen Interessen in der Tschechoslowakei. Sie wurden am 22. Dezember 1949 abgeschlossen. Darin wird festgelegt, dass die Schweiz CHF 43 Mio. als Globalentschädigung erhält. Hinzu kamen weitere CHF 28 Mio., die in einem vertraulichen Protokoll festgehalten wurden und teilweise bereits vor 1949 ausbezahlt wurden. Total erhielt die Schweiz also CHF 71 Mio. Kurz zu Österreich: Der sogenannte Vermögensvertrag zwischen der Republik Österreich und der Tschechoslowakei wurde am 26. August 1975 abgeschlossen. Darin wird festgelegt, dass die Tschechoslowakei 1 Mia. österreichische Schilling, was heute ungefähr EUR 240 Mio. entspricht, als Entschädigung an die Republik Österreich zahlt. Entschädigungsleistungen erhielten über 47'000 Personen, die vor 1945 im Besitz der der österreichischen Staatsbürgerschaft waren. Dabei wurden die Ansprüche der Sudetendeutschen, die 1945 nach Österreich vertrieben wurden, von den Entschädigungen ausgenommen. Wie gesagt, mit Österreich und der Schweiz hat die Tschechische Republik in den Jahren 1949 und 1975 Lösungen gefunden. Besten Dank. Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Stv. Abg. Rainer Beck
Danke, Herr Präsident. Besten Dank der Frau Ministerin für die Ausführungen. Sie haben einen Teil meiner Fragen beantwortet. Ich masse mir an, jetzt nachzuhaken. Ich meine, es wäre im nichtöffentlichen Landtag an der Juni-Sitzung sehr wohl möglich gewesen, über das Thema Staatenbeschwerde oder den damaligen Zwischenstand der Erkenntnisse zu informieren und den Landtag darauf vorzubereiten, dass da Kosten auf das Land zukommen. Sie haben da sicher eine Antwort. Auf meine anderen konkreten Fragen haben Sie relativ allgemein geantwortet, sei es auf die Staatenbeschwerde selbst, auf die Replik, auf die mündliche Verhandlung, auf die Kommunikationskosten, Informationskampagne, die Übersetzung, die Reisen und weitere Spesen. Was für mich nach wie vor nicht nachvollziehbar ist, dass für den überwiegenden Teil der Arbeiten nur ein Drittel der Kosten angefallen ist oder nur ein Drittel der Kosten anfallen soll gegenüber den Kosten, die noch folgen sollen. Auch würde mich noch interessieren: Wenn die Kosten bis August CHF 510'000 betragen haben, jetzt haben wir Ende September, hat es in der Zwischenzeit weitere Verpflichtungen gegeben, die die Regierung eingegangen ist, die jetzt versucht werden, über den Verpflichtungskredit abzudecken, oder nicht? Zu guter Letzt und dann lasse ich es dann gut sein: Mich würde schon noch interessieren, wenn Tschechien, wenn das Urteil für Liechtenstein positiv ausgeht, die Vermögenswerte herausrücken müsste und sie tun es nicht, was passiert dann?Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Regierungsrätin Katrin Eggenberger
Besten Dank, Herr Präsident, für das Wort. Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete. Wie ich ausgeführt habe, erfolgte die erste Information an die Regierung am 23. Juni. Die Regierung befürwortete am 15. Juli die Einreichung einer Staatenbeschwerde gegen die Tschechische Republik grundsätzlich. Die endgültige Entscheidung über die Einreichung der Staatenbeschwerde erfolgte am 18. August. Noch am selbigen Tag wurde der Landtag informiert, indem allen Landtagsabgeordneten vorab die Medienmitteilung zugestellt wurde. Die Medien wurden erst einen Tag später informiert. Ich hoffe, Sie verstehen, dass ich nicht im Juni bereits hätte informieren können, auch nicht in einem nichtöffentlichen Landtag, denn die Regierung hat sich zum ersten Mal damit am 23. Juni befasst. Zur Frage der Kosten: Nein, es ist nichts weiteres angefallen. Die bisherigen Arbeiten sind nicht der überwiegende Teil. In anderen Worten, wir stehen erst am Anfang des Verfahrens. Natürlich aber ist die Einreichung als solches am 19. August erfolgt. Diese CHF 510'000 beinhalten selbstverständlich alle Arbeiten, die bisher angefallen sind. Dann was passiert: Der Gerichtshof entscheidet, ob die Grundstücke restituiert werden müssen, denn es hat ja auch andere bestehende Rechte darauf. Von dem her ist mir wichtig zu sagen, ich kann natürlich jetzt nicht sagen, wie es dann ausgeht, aber EGMR-Urteile sind für Vertragsstaaten rechtlich bindend. Daher gehe ich davon aus, dass es auch in unserem Falle bindend sein wird und, sollte es zugunsten Liechtensteins ausfallen, dass dann selbstverständlich die Tschechische Republik sich daran zu halten hätte. Das Ministerkomitee des Europarats überwacht die Umsetzung der Urteile des EGMR. Besten Dank.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Landtagsvizepräsidentin Gunilla Marxer-Kranz
Besten Dank, Herr Präsident. Ich habe noch eine kurze Frage, Frau Aussenministerin: Gehe ich richtig in der Annahme, dass der Landtag nicht informiert wurde, weil Sie es vorher in der Regierung besprechen mussten? Denn für mich war das Februar-Urteil relevant. In dieser Zeitspanne von Februar bis Mai/Juni wäre es doch auch möglich gewesen, allenfalls in einem nichtöffentlichen Landtag den Landtag zu informieren. Soweit ich weiss, brauchen Sie für solche Informationen nicht das Okay von der Gesamtregierung, aber ich lasse mich da gerne belehren. Danke.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Regierungsrätin Katrin Eggenberger
Besten Dank, Herr Präsident, für das Wort. Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete. Wie ich ausgeführt habe, hatten wir die letzten zwei zusätzlichen Urteile am 2. Juni und am 9. Juni abzuwarten. Selbstverständlich, wie ich gesagt habe, ist das erste Urteil vom Februar jenes, das für die Einreichung der Staatenbeschwerde von grösster Wichtigkeit war, weil am 20. Februar diese sechsmonatige Frist startete. Doch wie ich ausgeführt habe, galt es, die Urteile vom 2. Juni und vom 9. Juni abzuwarten. In diesen Verfahren ging es um Fragen der Zuständigkeit. Je nach Entscheidung des Verfassungsgerichts wäre zuvor auch der Fall Rícany vom 20. Februar 2020 von den falschen Gerichten entschieden worden. Der Ausgang dieser zwei zusätzlichen Urteile vom 2. Juni und vom 9. Juni war somit von Relevanz für die Notwendigkeit einer Staatenbeschwerde. Und diese gilt es abzuwarten. Wir mussten wissen, was die Entscheide dieser Urteile bis zum 9. Juni waren und auch die Gutachten, die eingeholt wurden, um zu wissen, ob wir mit dieser Staatenbeschwerde überhaupt in die richtige Richtung gehen. Die Regierung hat sich am 23. Juni erstmals damit befasst und hat dann am 15. Juli respektive am 18. August die Entscheidungen gefällt, endgültig dann am 18. August, diese Beschwerde einzureichen. Besten Dank.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank. Wenn es keine weiteren Wortmeldungen gibt, können wir uns dem Finanzbeschluss zuwenden. Ich bitte, die Lesung vorzunehmen. Art. 1 wird verlesen.
Landtagspräsident Albert Frick
Art. 1 steht zur Diskussion.
Sie wird nicht benützt. Wir lesen weiter.
Art. 2 wird verlesen.
Landtagspräsident Albert Frick
Art. 2 steht zur Diskussion.
Sie wird nicht benützt. Wir stimmen ab. Wer dem vorliegenden Finanzbeschluss die Zustimmung erteilen will, möge bitte die Stimme abgeben.
Abstimmung: Zustimmung mit 24 Stimmen
Landtagspräsident Albert Frick
Der Landtag hat dem Finanzbeschluss mit 24 Stimmen bei 25 Anwesenden zugestimmt. Gleichzeitig haben wir Traktandum 6 erledigt. -ooOoo-