03. Februar 1999
Thronrede, Fürst Hans-Adam II.
Thronrede anlässlich der Eröffnung des Landtages
am 3. Februar 1999
Dem Landtag möchte ich danken, dass wir einen Kompromiss finden konnten in der Frage, wie das Verhältnis Kirche - Staat zu regeln ist. Dadurch haben wir Zeit gewonnen, um eine Lösung für eine Beziehung zu finden, die besonders in der jüngeren Vergangenheit für den Landtag und Teile der Bevölkerung mit Emotionen belastet war.Wir sollten jetzt gemeinsam nach Lösungen suchen, die frei sind von emotionellen Belastungen und die nicht immer wieder zu Spannungen führen, die letzten Endes sowohl der Kirche als auch dem Staat schaden. Dazu müssen wir nüchtern die Situation analysieren und Alternativen betrachten, die Konflikte zwischen der Kirche einerseits und dem Staat und den Gemeinden andererseits für die Zukunft möglichst ausschliessen.Im Landtag und auch sonst wurde verschiedentlich der Wunsch geäussert, das Verhältnis Kirche und Staat neu in einem Konkordat zu regeln. Diese Vorgangsweise erscheint mir, zumindest für die absehbare Zukunft, aus zwei Gründen wenig erfolgversprechend zu sein.Erstens muss man davon ausgehen, dass sich die Hoffnungen und Erwartungen des Landtages auf ein Mitspracherecht im Erzbistum durch ein Konkordat nicht verwirklichen lassen. Der Hl. Stuhl würde gegen die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils handeln, würde er dem Fürstentum Liechtenstein ein Mitspracherecht in personellen, organisatorischen oder Glaubensfragen des Erzbistums zugestehen. Es ist kaum anzunehmen, dass es für das Fürstentum Liechtenstein eine Ausnahme geben wird.Zweitens besteht auf liechtensteinischer Seite kein Konsens darüber, wie in Zukunft das Verhältnis Kirche und Staat aussehen soll. Eine liechtensteinische Verhandlungsdelegation wäre in der unangenehmen Situation, nicht zu wissen, worüber sie konkret verhandeln soll.Würden wir unter diesen Voraussetzungen an den Hl. Stuhl mit dem Wunsch herantreten, Konkordatsverhandlungen aufzunehmen, wären diese wohl zum Scheitern verurteilt. Wir haben nur einen sehr kleinen diplomatischen Apparat, der mit dem Problem der europäischen Integration und anderen Aufgaben voll ausgelastet ist. Deshalb sollte man es vermeiden, ihn unnötigerweise mit Verhandlungen zu belasten, welche mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos verlaufen werden. Erfolgversprechend wären solche Konkordatsverhandlungen nur, falls der Landtag bereit ist, finanziellen und anderen Verpflichtungen des Staates zuzustimmen ohne Mitspracherecht im Erzbistum. Wenn ich mir die Reaktionen im Landtag bei der Errichtung des Erzbistums in Erinnerung rufe, erscheint mir so ein radikaler Meinungsumschwung doch sehr unwahrscheinlich.Wenden wir uns den denkbaren Modellen zum Verhältnis Kirche und Staat zu, gibt es für einen modernen Staat, der die Religionsfreiheit ernst nimmt, nicht viele Alternativen. Eine klare Trennung von Kirche und Staat ist beim Abwiegen aller Vor- und Nachteile den anderen Alternativen meiner Meinung nach weit überlegen.Ich bin mir bewusst, dass so eine Lösung für die Bevölkerung neu und ungewohnt ist. Teilweise herrscht auch grosse Unkenntnis. Wie im letzten Jahr in den liechtensteinischen Zeitungen zu lesen war, lehnten zwei prominente Anhänger des Vereins für eine offene Kirche die Trennung von Kirche und Staat mit folgenden Argumenten ab: der eine vertrat die Meinung, dass es nur im kommunistischen Albanien eine Trennung von Kirche und Staat gab, der andere glaubte, die angeblich hohe Arbeitslosigkeit in den USA auf die Trennung von Kirche und Staat zurückführen zu können. Dazu ist zu bemerken, dass es im kommunistischen Albanien keine Trennung von Kirche und Staat gab, sondern der Sozialismus wurde zur "Staatsreligion" erhoben und die katholische Kirche sowie andere Religionsgruppen wurden brutal unterdrückt. In den USA ist die Arbeitslosigkeit seit Jahren niedriger als in fast allen europäischen Ländern, die keine klare Trennung von Kirche und Staat kennen. Zwar konnte meines Wissens noch kein Wirtschaftswissenschaftler einen Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und dem Verhältnis Kirche - Staat nachweisen, falls aber jemand davon überzeugt ist, müsste er sich für eine Trennung aussprechen.In der Diskussion wurde die Befürchtung geäussert, dass bei einer Trennung von Kirche und Staat die katholische Kirche zwar finanziell nicht mehr vom Staat abhängig sei, dafür aber vom Fürsten. Auch diese Angst ist unbegründet. In Staaten, die sehr viel ärmer sind als Liechtenstein und in denen die katholische Kirche nicht mit Steuergeldern subventioniert wird, überlebt die katholische Kirche sehr gut von den Spenden der Gläubigen. Das neue Steuergesetz eröffnet zusätzlich dem Steuerzahler die Möglichkeit, bis zu Sfr. 10'000.-- als Spenden abzusetzen. Wer die katholische Kirche kennt, weiss ausserdem, dass sie eine Organisation ist, die sehr viel älter und sehr viel grösser ist als das kleine Liechtenstein. Die Vorstellung, dass der Fürst von Liechtenstein die Politik der katholischen Kirche mit Spenden beeinflussen kann, ist unrealistisch. Auch wenn dieses Gerücht fälschlicherweise bereits bei der Ernennung unseres Erzbischofs zum Bischof von Chur von einigen Medien in der Schweiz verbreitet wurde.Dem Landtag erlaube ich mir, vorzuschlagen, möglichst bald die Verfassungskommission oder eine andere Kommission damit zu beauftragen, an einer Lösung mitzuarbeiten, wie in Zukunft das Verhältnis Kirche - Staat im Fürstentum Liechtenstein aussehen soll. Wir sollten die kurze Zeit nutzen, die uns mit dem erzielten Kompromiss zur Verfügung steht. Erfahrungsgemäss ist es ein längerer Prozess, bis eine Lösung in allen Einzelheiten ausgearbeitet und beschlossen wird. Den Landtag möchte ich ermuntern, die Bereitschaft der liechtensteinischen Bevölkerung nicht zu unterschätzen, neuen und sinnvollen Lösungen zuzustimmen. Als Beispiel sei in diesem Zusammenhang die Zustimmung zum EWR im Jahre 1992 erwähnt, die nach dem Nein in der Schweiz viele liechtensteinische Politiker überrascht hat.Sehr geehrte Frau Abgeordnete, sehr geehrte Herren Abgeordnete, für die vor Ihnen liegenden Aufgaben wünsche ich Ihnen viel Erfolg und Gottes Segen.