Frage vom 04. April 2023
Der liechtensteinische Bankenplatz ist meiner Meinung nach stabil und unterscheidet sich vom schweizerischen Bankenplatz. Insbesondere die drei grossen Banken unterscheiden sich wesentlich von der Credit Suisse (CS) und der UBS, indem sie über eine stabile sowie ganz beziehungsweise mehrheitlich langfristig orientierte Eigentümerschaft verfügen, stärker kapitalisiert sind, kein risikoreiches Investmentbanking betreiben und im In- wie auch Ausland grosses Vertrauen geniessen. Im Zuge der Übernahme der CS durch die UBS wurden und werden immer wieder Fragen gestellt, ob ein solcher oder ähnlicher Fall, wie er der CS widerfahren ist, auch in Liechtenstein geschehen kann.
- Welche Banken in Liechtenstein erachtet die Regierung als systemrelevant?
- Welche Mittel stehen zur Verfügung, wenn ein Grossteil der Kunden das Vertrauen in eine dieser Banken verlieren und Vermögenswerte in hohem Masse abziehen würde?
- Welche Mittel stehen zur Verfügung, wenn ein Grossteil der Aktionäre das Vertrauen in eine dieser Banken verlieren und ihre Beteiligung abstossen würde?
- Wie kritisch wäre ein Konkurs einer nicht systemrelevanten Bank in Liechtenstein für den Bankenplatz Liechtenstein?
- Welches sind die verschiedenen Akteure in Liechtenstein, die bei einer ähnlichen Krise, wie sie der CS widerfahren ist, zur Krisenbewältigung beitragen?
Antwort vom 06. April 2023
zu Frage 1:
Die FMA ist gemäss Bankengesetz (BankG) dazu verpflichtet, jährlich eine Analyse zur Identifikation der systemrelevanten Banken in Liechtenstein durchzuführen. Die FMA hat folgende Banken bzw. Bankengruppen als systemrelevant identifiziert: LGT Bank AG, Liechtensteinische Landesbank AG und VP Bank AG bzw. auf konsolidierter Ebene die LGT Gruppe, die LLB Gruppe und die VPB Gruppe.
Die identifizierten Banken bzw. Bankengruppen sind für den Liechtensteiner Bankensektor und die Wirtschaft von sehr hoher Systemrelevanz. Alle identifizierten Banken sind in allen vier Kriterien (d.h. Grösse, Bedeutung für die liechtensteinische Wirtschaft, Komplexität sowie Verflechtung mit dem Finanzsystem) für den Liechtensteiner Bankensektor systemrelevant. Ihr Scheitern hätte daher aus heutiger Perspektive erheblich negative Auswirkungen auf die Finanzstabilität in Liechtenstein und wäre daher mit hohen Kosten für die Realwirtschaft verbunden.
zu Frage 2:
Ein Vertrauensverlust in Liechtenstein ist aus mehreren Gründen unwahrscheinlicher als in anderen Staaten. Die systemrelevanten Banken in Liechtenstein verfügen über sehr hohe und qualitativ hochwertige Liquiditätspuffer. Zudem sind die Refinanzierungsquellen dieser Banken stark gestreut und diversifiziert. Sowohl Markt- als auch Liquiditätskonzentrationsrisiken dieser Banken sind gering. Im Anlassfall kann die FMA zudem bei einer Bank besondere Liquiditätsanforderungen verlangen. Diese Massnahme dient bereits präventiv dazu, dass es zu keinem Liquiditätsengpass kommt.
Im Falle eines erhöhten Abzugs von Kundeneinlagen können diese Banken nicht nur auf ihre vorhandenen hohen Liquiditätspuffer zurückgreifen, sondern auch zusätzliche Liquidität über Repo-Plattformen und die Schweizerische Nationalbank (SNB) generieren. Der Währungsvertrag garantiert zwar, dass liechtensteinische Banken zu denselben Konditionen wie die schweizerischen Banken Refinanzierungsmöglichkeiten bei der SNB im Krisenfall erhalten, allerdings ist keine der liechtensteinischen Banken im schweizerischen Währungsraum als systemrelevant eingestuft. Deshalb ist aus heutiger Sicht davon auszugehen, dass liechtensteinische Banken im Krisenfall keine Notfall-Liquiditätshilfe erhalten würden und deshalb solvente, aber illiquide Banken nicht mit ausreichend liquiden Mitteln versorgt werden könnten. Auch vor diesem Hintergrund wäre aus Sicht der Regierung eine Mitgliedschaft im Internationalen Währungsfonds (IWF) zentral, um den Liquiditätsbedarf einer solventen Bank im Krisenfall sicherstellen zu können.
Sollten die Liquiditätspuffer und zusätzlich generierte liquide Mittel nicht ausreichen, um den «Bank-run» zu stoppen, würde die FMA alle notwendigen Schritte zur «Abwicklung» der Bank treffen. Darunter fällt etwa die Verhängung eines Zahlungsmoratoriums. Im Zeitraum des Zahlungsmoratoriums können seitens der Einleger nur geringe Beträge abgehoben werden. Darüber hinaus sind die besonders schützenswerten gedeckten Einlagen durch eine speziell eingerichtete Einlagensicherung geschützt.
Die FMA nutzt diesen Zeitraum insbesondere für die Durchführung der Herabschreibung und/oder Wandlung von Schuldinstrumenten, die von nicht-präferierten Gläubigern der Bank gehalten werden, z.B. nachrangige Fremdkapitalgläubiger («bail-in»). Damit werden diese Gläubiger an der Stabilisierung der Bank, zugunsten der sonstigen Einleger, womöglich auch gegen deren Willen, «beteiligt». Als Effekt dieses «bail-in» wird die Eigenkapitalbasis derart gestärkt, dass das Vertrauen der Einleger wiederhergestellt werden sollte. Die stabilisierte Bank wird sodann wieder markttauglich gemacht und an einen interessierten Investor verkauft. Wird kurzfristig kein Investor gefunden, so ist die FMA zur Einrichtung einer «Good Bank» ermächtigt.
Voraussetzung für die Effektivität dieser Massnahmen ist allerdings die «Abwicklungsfähigkeit» der betroffenen Institute. Um die Abwicklungsfähigkeit von Instituten zu verbessern, müssen Institute, bei denen ein öffentliches Interesse an einer Abwicklung im Krisenfall besteht, ausreichende Mittel zur Verlustabdeckung und Rekapitalisierung bereithalten. Dies dient insbesondere dem Abwicklungsgrundsatz, wonach Verluste stets zuerst von den Anteilseignern des in Abwicklung befindlichen Instituts getragen werden müssen, und nicht vom Steuerzahler oder den Einlegern.
zu Frage 3:
Im Gegensatz zur CS oder UBS befinden sich nicht alle Aktien der drei systemrelevanten Liechtensteiner Banken im Streubesitz, sondern alle drei Institute verfügen über eine solide und in Liechtenstein basierte Eigentümerschaft (sog. Ankeraktionäre). Das bedeutet, dass alle drei Grossbanken von (teils mehreren) qualifiziert Beteiligten gehalten werden. Der grösste Eigentümer jeder systemrelevanten Liechtensteiner Bank hält jeweils sogar mehr als 20% der Kapital- und Stimmrechte. Grundsätzlich steht es zwar jedem Aktionär, auch qualifiziert Beteiligten, die mehr als 10% der Kapital- oder Stimmrechte besitzen, frei, Aktien an einer Bank zu veräussern. Dieser Vorgang bedarf jedoch einer vorgängigen Meldepflicht an die FMA. Die FMA prüft in Folge den neuen interessierten Erwerber dieser Aktien anhand von im Bankengesetz genannten Kriterien. Eines dieser Kriterien ist die finanzielle Solidität des interessierten Erwerbers. Im Rahmen dieser Prüfung beurteilt die FMA unter anderem die Finanzlage des interessierten Erwerbers und seine Bereitschaft, die Bank mit zusätzlichen eigenen Mitteln zu unterstützen, wenn dies erforderlich ist oder im Falle finanzieller Engpässe. Bestehen hier Zweifel, wird die FMA den neuen interessierten Erwerber nicht genehmigen und daher Einspruch gegen die geplante Veräusserung an den interessierten Erwerber erheben.
zu Frage 4:
Die Voraussetzungen einer Abwicklung werden auch im Falle von nicht systemrelevanten Banken im Einzelfall geprüft. Gemäss aktuellen Abwicklungsplanungen würde ein Konkurs einer nicht systemrelevanten Bank in Liechtenstein die Abwicklungsziele nicht gefährden, und wäre daher aus einer Finanzstabilitätsperspektive für den Bankenplatz durchführbar und nicht kritisch. Jedoch hätte die Eröffnung eines Konkursverfahrens über eine Liechtensteiner Bank (unabhängig davon, ob diese systemrelevant ist) aus einer Reputationsperspektive potenziell weitere Konsequenzen zur Folge. Dabei steht der Schutz der Einleger (und somit der Kunden) im Zentrum.
zu Frage 5:
In Liechtenstein ist die FMA die verantwortliche Behörde für die Bankenaufsicht und verantwortet auch den Vollzug des Sanierungs- und Abwicklungsgesetzes (SAG), welches insbesondere im Krisenfall relevant ist. Die finanzstabilitätsrelevanten Sachverhalte werden zudem regelmässig in den Sitzungen des Ausschusses für Finanzmarktstabilität erläutert, dem Vertreter des Ministeriums für Präsidiales und Finanzen sowie der FMA angehören. Im Krisenfall wäre eine enge Zusammenarbeit zwischen der Regierung sowie der FMA notwendig, zudem wären sicherlich auch die SNB und die Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungs-Stiftung eng in die Diskussionen eingebunden.