Thronreden

16. Januar 2020

Thronrede, Erbprinz Alois

Aufklappen und Zuklappen

Thronrede anlässlich der Eröffnung des Landtages am 16. Januar 2020

Es gilt das gesprochene Wort!


ANSPRACHE

SEINER DURCHLAUCHT ERBPRINZ ALOIS VON UND ZU LIECHTENSTEIN

ANLÄSSLICH DER LANDTAGSERÖFFNUNG

am 16. Januar 2020

Sehr geehrte Landtagsabgeordnete und Regierungsmitglieder

In genau einer Woche geht das 300-Jahr-Jubiläum zu Ende. In den letzten Monaten haben wir immer wieder mit Dankbarkeit auf die Entwicklung unseres Landes zurückgeblickt. Heute dürfen wir dies auch auf das vergangene Jahr tun. Auch 2019 ist es uns gut gegangen und die Staatseinnahmen für dieses Jahr werden besonders hoch ausfallen.

In rund einem Jahr ist das Ende der Legislaturperiode und schon bald beginnt der Wahlkampf. Hohe Staatseinnahmen in Wahlkampfzeiten können zu unverantwortlichen Wahlgeschenken verführen, die ein problematisches Ausweiten der Staatsausgaben verursachen. Ich bitte Sie, in dieser Zeit nicht von unserer bewährten Haushaltsdisziplin abzurücken, auch weil unser Staatshaushalt wesentlich volatiler und stärker von internationalen Faktoren beeinflusst ist als jener der meisten anderen Staaten:

  • Durch die starke Exportorientierung unserer Industrie und die relative Grösse des Finanzplatzes sind wir gegenüber negativen Entwicklungen in den wichtigsten Zielmärkten besonders exponiert.
  • Der Anteil der Staatseinnahmen aus dem Finanzvermögen ist dank der Höhe unserer Staatsreserven ausgesprochen gross, damit jedoch auch die Abhängigkeit von den internationalen Börsen und sonstigen Märkten.
  • Unser vor weniger als 10 Jahren revidiertes Steuersystem stellt bei der Unternehmensbesteuerung stärker auf die Gewinne ab als das frühere System. Diese Einnahmen sind innerhalb der Konjunkturzyklen daher heute grösseren Schwankungen unterworfen als früher.
  • Die bedeutende Mehrwertsteuer kann bei uns wegen Sondereffekten sowie unterschiedlichen Entwicklungen der liechtensteinischen und schweizerischen Wirtschaft ebenfalls erheblich schwanken.
  • Die Stempelsteuer ist aufgrund von Reformplänen in der Schweiz gefährdet.
  • Hinzu kommen Pläne der OECD für neue Regelungen der Besteuerung von internationalen Unternehmen, die zu weiteren Einbussen bei den Steuereinnahmen führen könnten.

Da das versicherungstechnische Gutachten für die AHV zusätzlichen Finanzierungsbedarf festgestellt hat, könnte es ausserdem zu einer Erhöhung des Staatsbeitrages für die AHV kommen, obwohl dies meiner Ansicht nach kein sinnvoller Einsatz von Steuermitteln ist. Einerseits sind die Staatsbeiträge für die AHV mit einem erheblichen Export an Steuermitteln verbunden und andererseits sollten wir vor allem die Auswirkungen einer steigenden Lebenserwartung primär durch längere Beitragszeiten bzw. ein höheres Pensionsalter und nicht durch mehr Steuern oder Lohnnebenkosten ausgleichen. Bei immer weiter zunehmenden Beitragserhöhungen verlieren wir ansonsten längerfristig für die Versicherten die Generationengerechtigkeit und für die Unternehmen unsere Standortattraktivität.

Damit wir nicht alle paar Jahre – womöglich noch im Wahlkampf – mit erheblichen politischen Aufwand Sanierungspakete für die AHV schnüren müssen, sollten wir eine Regelung prüfen, wonach sich das Pensionseintrittsalter automatisch an die Lebenserwartung anpasst. Dadurch sind zwar noch nicht die Auswirkungen des Geburtenrückgangs berücksichtigt. Wegen des grossen Anteils an Grenzgängern unter den AHV-Versicherten ist dieser Faktor für Liechtenstein im europäischen Vergleich aber eine kleinere Herausforderung, solange der Anteil der Grenzgänger die geburtenschwächeren Jahrgänge weiterhin kompensiert.

Allerdings bauen sich in der AHV immer grössere Verpflichtungen gegenüber den Grenzgängern auf. Um finanzielle Schwierigkeiten bei einem wirtschaftlichen Abschwung mit einem Rückgang an Grenzgängern zu vermeiden, erscheint es daher sinnvoll, jeweils eine ausreichende Kapitaldeckung für die AHV-Verpflichtungen auch gegenüber den Grenzgängern zu haben. Ansonsten kann die AHV einmal zu einer grossen finanziellen Belastung für die liechtensteinische Bevölkerung werden.

Wie auch immer wir die Finanzierung der AHV lösen, wir sollten weiterhin achtsam mit den Staatsausgaben umgehen und uns zusätzliche Investitionen sowie Erhöhungen der Staatsausgaben genau überlegen. Ich würde es daher sehr begrüssen, wenn die Koalitionspartner nach dem Investitionspaket im vergangenen Jahr sich in diesem Jahr auf ein weiteres Paket von Zukunftsinvestitionen einigen könnten. Dazu wären neben Investitionen im Infrastrukturbereich für den Bereich der laufenden Staatsausgaben ein Kostendach und eine Priorisierung auf jene Ausgaben wünschenswert, die hohen Mehrwert für die Zukunft und damit weitere Verbesserungen für unser Staatswesen versprechen. Solche Ausgaben sehe ich insbesondere im Bildungsbereich, in einer nachhaltigen Pflegefinanzierung und in einer zusätzlichen Unterstützung für Eltern mit dem Ziel, die Betreuung ihrer Kinder im ersten Lebensjahr selbst wahrnehmen zu können.

Dort, wo wir in die Zukunft investieren, ohne laufende Kosten zu erhöhen, könnte auch ein Einsatz von Staatsreserven geprüft werden. Dies halte ich vor allem bei grossen Investitionen im Bereich der Verkehrsinfrastruktur und bei einem allfälligen Einkauf von Übergangsgenerationen in eine Pflegeversicherung für überlegenswert, wenn dies zu Systemverbesserungen führt.

Die vom Landtag im vergangenen Jahr beschlossenen Erhöhungen der laufenden Ausgaben waren kaum mit hohem Mehrwert für die Zukunft verbunden und haben den Spielraum bereits reduziert. Zusätzlicher Spielraum bei den laufenden Ausgaben könnte jedoch eine Reform des Finanzausgleiches bringen. Da sich die Staatsaufgaben von Land und Gemeinden und die damit verbundenen Kosten in den letzten Jahren sehr unterschiedlich entwickelt haben, spricht einiges dafür, dass der Finanzausgleich zulasten einiger sehr grosszügig ausgestatteter Gemeinden bzw. zugunsten des Landes sowie finanzschwacher Gemeinden überarbeitet wird.

Eine Reform des Finanzausgleiches ist im letzten Jahr nicht zuletzt deswegen gescheitert, weil eine Zweckbindung der zusätzlichen Einnahmen auf Landesseite verlangt wurde. Ich bedaure dies, auch weil ich Zweckbindungen von Staatseinnahmen generell für problematisch erachte. Zweckbindungen sind mit unnötigem bürokratischem Aufwand verbunden, führen mit der Zeit entweder zu einer Unter- oder einer Überfinanzierung und schränken damit den Handlungsspielraum des Staates ein. Anstatt neue Zweckbindungen einzuführen, sollten wir daher noch vorhandene Zweckbindungen beseitigen.

Die Politik benötigt ausserdem keine Zweckbindung, um einen vernünftigen Einsatz jener zusätzlichen Steuermittel auf Landesseite sicherzustellen, die eine Reform des Finanzausgleiches bringen würde. Dies kann auch dadurch erreicht werden, dass eine Reform des Finanzausgleiches mit dem zuvor skizzierten, weiteren Paket von Zukunftsinvestitionen verbunden und für jene Ausgaben verwendet wird, die als prioritär identifiziert wurden.

In diesem letzten Jahr der Legislaturperiode werden die Parteien auch wieder Kandidatinnen und Kandidaten für die Landtagswahl suchen. Ein Mangel in der Zusammensetzung unseres Landtags ist die stark ausgeprägte Untervertretung der Frauen. Die Gemeindewahlen haben gezeigt, dass grosse Fortschritte möglich sind. Mit Ihren Erfahrungen in Landtag und Regierung können Sie vielleicht am besten möglichst viele Frauen ermutigen, sich als Kandidatinnen zur Verfügung zu stellen.

Aber es fehlt oft nicht nur an der Bereitschaft qualifizierter Frauen, ein Amt in der Politik anzunehmen, sondern auch bei den Männern wird es zunehmend schwieriger. Hohes berufliches Engagement und die heutzutage stärkere Einbindung des Mannes in die Kindererziehung verringern die für ein politisches Amt verfügbare Zeit. Demotivierend wirken zudem ein harscher Umgangston und persönliche Herabwürdigungen, insbesondere in den Sozialen Netzwerken. Wir sind eine kleine Gemeinschaft und müssen besonders darauf achten, dass wir die politische Auseinandersetzung als einen Wettbewerb um die besseren Ideen verstehen und Argumente sachlich austauschen. Eine gewisse Emotionalität ist mit politischen Auseinandersetzungen immer verbunden, aber Hass ist fehl am Platz. Auch in dieser Hinsicht können Sie mit Ihrem Vorbild Kandidaturen für Landtag und Regierung erleichtern.

Sehr geehrte Landtagsabgeordnete und Regierungsmitglieder

Lasst uns das letzte Jahr dieser Legislaturperiode für mutige Schritte in unser aller langfristigen Interesse nutzen. Dazu wünsche ich uns allen viel Kraft, Weisheit und Gottes Segen!