Thronreden

11. März 1948

Thronrede, Fürst Franz Josef II.

Aufklappen und Zuklappen

Thronrede anlässlich der Eröffnung des Landtages am 11. März 1948

Meine Herren Abgeordneten! Gemäss Art. 48 der Verfassung habe ich den Landtag für die Sessionsperiode 1948 auf heute einberufen und möchte aus Anlass der Sessionseröffnung einige Worte an Sie richten.

Die vergangenen 2 ½ Jahre, seit Ende des so langen und schrecklichen Krieges, waren eine Zeit des Wohlergehens und Friedens für jene grossen Teile der Welt, die weit entfernt waren von den Schlachtfeldern und hier in Europa für die wenigen Staaten, die der Krieg verschonte. Zu diesen gehört auch unser Land. Diese 2 ½ Jahre wären für unser kleines, neutrales Vaterland nicht nur eine Fortsetzung der generationenlangen friedlichen Entwicklung, die Liechtenstein hatte, sondern es waren diese Jahre auch eine Zeit des Aufschwungs im Wirtschaftsleben Liechtensteins, welchen Aufschwung wir im besonderen verdanken der Zoll- und Wirtschaftsunion, welche uns seit mehr als 25 Jahren mit der Schweizer Eidgenossenschaft verbindet. Das Volksvermögen hat sich vergrössert, in der vollarbeitenden Wirtschaft finden alle Leute Beschäftigung, und unser Staatshaushalt verdankt es dieser Konjunktur, dass er nicht nur für die laufend notwendigen Ausgaben aufkommen kann, sondern dass er auch noch jene Projekte zur Ausführung bringen kann, die man während des Krieges zurückstellen musste. Ich möchte Sie hier erinnern an den Tunnelbau, an den Baubeginn des Samina-Kraftwerkes und an die geplante, so notwendige Modernisierung des Strassennetzes im Unterlande. Die abgelaufenen 2 ½ Jahre waren auch eine Zeit des friedlichen Aufbaues in unserer Aussenpolitik, so dass jetzt so manche Spannungen und hässliche Zwistigkeiten, die es sogar noch während der ernsten Zeit des letzten Krieges im Lande gab, aufgehört haben. Mit Freude nimmt man wahr, dass trotz des allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwunges und der regen Betriebsamkeit das liechtensteinische Volk nicht vergessen hat, das Christentum sich im Herzen zu bewahren, ein Umstand, der zum Ausdruck kommt in der tätigen christlichen Nächstenliebe, wie sie sich äussert in den vielen grossen Hilfeleistungen den notleidenden Nachbarvölkern gegenüber. Das Land ist Ihnen, meine Herren Abgeordneten, und allen liechtensteinischen Behörden zu Dank verpflichtet, dass Sie durch Ihre Tätigkeit und Haltung dem Volke geholfen haben, diese glückliche Entwicklung zu schaffen.

Wir haben jetzt in der Kirche während der hl. Geistmesse Gott nicht nur gedankt für seinen Schutz und Segen, den er uns in so reichlichem Masse auch in der letzten Zeit angedeihen liess, sondern wir haben ihn auch gebeten, dass er uns in der Zukunft seinen so notwendigen Schutz, seine Hilfe und seinen Segen angedeihen lasse. Mit dieser Bitte an Gott haben wir uns alle als Christen auch für die Zukunft verpflichtet, unsere Einzelinteressen zurückzustellen und mit unserer ganzen Kraft unsere Pflichten weiterhin zu erfüllen in der Arbeit für unser Land und unser Volk von Liechtenstein. Diese gemeinsamen Pflichten sollen Alle umschliessen, die für das Wohl des Landes berufen sind zu arbeiten, nicht nur den Landtag und die Regierung, sondern auch alle Behörden des Landes. Wir werden alle trachten, jetzt und in der Zukunft mit Eifer und in voller Pflichterfüllung zu arbeiten, damit die Zeiten glücklichen Wohlstandes für unser Land nicht nur eine kurze Zeit vorübergehender Konjunktur bleiben, sondern dass sie weiterhin eine Periode des Aufschwunges und des Gedeihens werden. Es muss uns dabei bewusst sein, dass die Arbeit des Christen ein Opfer vor Gott und ein Gebet zu ihm sein soll um seinen Schutz und Segen, was wir besonders in der nächsten Zeit brauchen werden. Denn wir müssen uns darüber klar sein, dass die Entwicklung der heutigen Weltlage die Gefahr eines dritten Weltkrieges in sich birgt. Wenn man auch Optimist ist wie ich, darf man heute nicht die Augen verschliessen vor dem Ernst der Situation. Aus diesem Grunde ist es umsomehr notwendig, dass Sie, meine Herren Abgeordneten, und die Behörden des Landes mit Ihrer ernsten, pflichtbewussten Arbeit dem Volk ein Beispiel geben, damit dieses mit Ihnen zusammen auch die kommenden schwierigen Zeiten in Einigkeit und innerem Frieden meistert.

Ich hoffe, dass wir in enger und freundschaftlicher Bindung an die Schweiz und gestärkt durch den Rückhalt, den wir seit Jahren an ihr finden, mit Gottes Segen und Schutz auch in den kommenden schweren Zeiten von Unheil und Rückschlägen verschont bleiben.

Für die künftige Sessionsperiode begleiten meine herzlichsten Wünsche Ihre Tätigkeit für das Land und das Volk von Liechtenstein. Ich erkläre hiemit die Sessionsperiode 1948 für eröffnet.