22. März 1954
Thronrede, Fürst Franz Josef II.
Thronrede anlässlich der Eröffnung des Landtages
am 22. März 1954
Auf Grund des Art. 54 der Verfassung habe ich den Landtag zur Eröffnung der diesjährigen Sessionsperiode einberufen. Ich will nicht versäumen, zu Ihnen, meine Herren Abgeordneten, einige Worte zu sprechen über Probleme, die mir wichtig scheinen. Die politische Entwicklung der Welt, wie wir sie vorausschauend überblicken, bleibt weiterhin unsicher. Wenn sich auch die bestehenden Spannungen nicht verschärfen, so zeigen doch die Versuche, vorhandene Konfliktstoffe zu beseitigen, nur sehr geringe Erfolge. Wir Liechtensteiner müssen es daher besonders begrüssen, dass unser Land in enger wirtschaftlicher Verbindung mit der Schweiz steht So haben wir auch, was unsere politische Lage gegenüber dem Ausland anbelangt eine sichere Plattform gefunden. Ich möchte hier betonen/ wie dankbar wir der Schweiz sein müssen, die sich uns gegenüber immer als freundlich gesinnter Nachbar und verständnisvoller Partner bei den Staatsverträgen gezeigt hat. Die Schweiz hat stets in vorbildlicher Weise unsere Interessen gewahrt in allen Belangen, die sie für uns zu führen übernommen hat. Alle Liechtensteiner, gleichgültig welcher politischen Richtung sie angehören, werden sicher in diesem Punkte mit mir gleicher Meinung sein. Wenn sich auch unsere Volkswirtschaft im Räume der schweizerischen Wirtschaft seit dem ersten Weltkrieg recht gut entwickeln konnte, so dürfen wir nicht vergessen, dass unser Land durch die seinerzeitige Kronenabwertung sein Kapital verloren hat Es ist daher in Liechtenstein nicht so, wie in der Schweiz, eine entsprechende Kapitalreserve vorhanden. Die Staatsrechnung unseres Landes für das Jahr 1953 hat günstig abgeschlossen, doch darf das den Staat ebensowenig wie den Privaten zu unnötigen Geldausgaben verleiten. Ich möchte nur darauf hinweisen/wie ich es schon in den vergangenen Jahren betonte, dass es mir sehr notwendig erscheint, wenn Land und Gemeinden jetzt, soweit möglich, Kapitalreserven anlegen, um etwa kommende Krisen- oder gar Kriegsjahre ohne Schaden durchstehen zu können. Es wird nicht nur unserer Wirtschaft, sondern jedem einzelnen Bürger zugute kommen, wenn Land und Gemeinden in Zeiten der Arbeitslosigkeit als Auftraggeber erscheinen können. Mit Beginn dieses Jahres ist das Gesetz für die Alters- und Hinterlassenen-Versicherung in Kraft getreten, und es ist zu hoffen, dass die Anfangsschwierigkeiten dieses Instituts nicht zu gross sein werden. Jedenfalls wird es notwendig sein, dass der Landtag mit den Verwaltungsbehörden zusammenarbeitet, damit dieses Gesetz alle Erwartungen, die das Volk daran knüpft, erfüllt. Ich habe bereits vor zwei Jahren darauf hingewiesen, dass ich die Erlassung eines Jugendschutzgesetzes für wichtig halte. Immer wieder zeigen unerfreuliche Vorkommnisse, wie notwendig die Erlassung eines Gesetzes wäre, das das Gedeihen und die Zukunft unserer Jugend sichert Es ist eine der Hauptaufgaben des modernen Staates, dass ersieh der körperlich, geistig oder sittlich gefährdeten Jugend annimmt und dort, wo die einzelne Familie ihre Pflicht nicht erfüllen kann/ helfend und rettend eingreift. Gerade der christliche Staat muss im Jugendschutz eine seiner vornehmsten Aufgaben sehen, und wir bauen an der Zukunft unseres Volkes, wenn wir unserer Jugend das Beste bieten. Im übrigen finde ich es begrüssenswert dass der liechtensteinische Landtag grosse Zurückhaltung übt in der Erlassung neuer Gesetze und dass Liechtenstein zum Unterschied von anderen Staaten verschont bleibt von einer Gesetzesinflation. Denn der Privatinitiative soll in wirtschaftlichen Belangen immer der Vorzug gegeben werden, und nur dort, wo diese versagt, muss der Staat eingreifen. Doch lässt es sich nicht vermeiden, dass die Verwaltung des Staates immer schwieriger und umfangreicher wird. Es kommt dann der Zeitpunkt wo die an der Spitze des Staates stehenden, ständig amtierenden Mitglieder der Regierung so viele verschiedenartige Kompetenzen haben, dass für wichtige Arbeiten die notwendige Ruhe fehlt. Hier wäre beizeiten Vorsorge zu treffen einerseits durch eine klare Scheidung der Aufgabenkreise, andererseits durch die Heranziehung einer juristischen Fachkraft für die Regierungskanzlei. Diesem Gedanken hat der Landtag, soviel ich mich erinnere, schon einmal seine Aufmerksamkeit zugewandt. Ich achte sehr die Sparsamkeit in der Staatsverwaltung, muss aber doch darauf hinweisen, dass eine dauernde Arbeitsüberlastung der Regierungsmitglieder nicht möglich sein wird. Gerade die Probleme, die die Magistratspersonen zu lösen haben, sollten mit etwas mehr Ruhe bearbeitet werden können. Mit dem Wunsche, es möge der Segen Gottes und der Geist der Eintracht Ihre wichtige Arbeit begleiten, erkläre ich die Sessionsperiode 1954 für eröffnet.