Thronreden

27. Juni 1962

Thronrede, Fürst Franz Josef II.

Aufklappen und Zuklappen

Thronrede anlässlich der Eröffnung des Landtages am 27. Juni 1962



Anlässlich der Eröffnung der Legislaturperiode des neugewählten Landtages will ich als Thema meiner Ansprache einige Fragen und Aufgabenbereiche nennen, die ich als wichtig betrachte und mit denen wir uns werden befassen müssen.

Bevor ich die einzelnen Abschnitte meiner Rede näher erörtere, möchte ich betonen, dass die erste Voraussetzung, um Ihrer Arbeit den gewünschten Erfolg zu sichern, in einer aufrichtigen und verständnisvollen Zusammenarbeit im Interesse unseres Landes liegt Dieses Interesse betrachten Sie ja alle als Ihr Ziel und über die Wege, dorthin zu gelangen, wird bestimmt ein Einverständnis gefunden werden. Diese Eintracht ist gerade jetzt besonders notwendig in Ansehung der Bedeutung einzelner Fragen und Aufgabenbereiche für unser Land.

Zum Unterschied von früher wird in den kommenden Jahren das Verhältnis Liechtensteins zur Aussenwelt an Bedeutung stark zunehmen. Schon in den letzten Jahren haben sich Landtag und Regierung mit den Fragen der europäischen Integration befassen müssen und unser Land konnte sich, dank der zwischen uns und der Schweizerischen Eidgenossenschaft bestehenden Verträge, unter Zustimmung aller Partner der EFTA dieser Letzteren anschliessen. Im Zuge der Weiterentwicklung der EWG haben nun die Partner der EFTA Schritte unternommen, um in einer, den speziellen Voraussetzungen der einzelnen Staaten angemessenen Form mit der EWG arbeiten zu können. Dieser ganze hiemit verbundene Fragenkomplex berührt unser Land in hohem Masse und es kann dieses Problem nicht ernst genug genommen werden. Aber wir stehen mit diesen Sorgen nicht allein. Bald sind es 30 Jahre, dass wir mit der Schweiz eine Zoll- und Wirtschaftsunion geschlossen haben. In dieser Zeit ist der Vertrag, dank des Verständnisses der Schweiz und der Freundschaft beider Länder, lebendige Wirklichkeit geworden. Unsere beiden Staaten haben für Europa den Beweis geliefert, dass ein enger wirtschaftlicher Zusammenschluss die Wahrung und Achtung der Souveränität sowie des ungestörten politischen Eigenlebens des schwächeren Partners nicht ausschliesst. Dies gibt uns Mut und Zuversicht für die künftige Entwicklung und ich bin überzeugt, dass wir in enger Verbundenheit mit der Schweiz zu einer befriedigenden Lösung kommen werden.

Auf dem Gebiete der Innenpolitik sehe ich die Notwendigkeit, einen erhöhten Schutz unserer Verfassung im Gesetze zu verankern. Die Erfahrung hat gezeigt, dass auf diesem Gebiet eine Gesetzeslücke besteht, die eine effektive Gefährdung unseres Staatsgrundgesetzes bedeutet. Es muss vorgesorgt werden, dass die Verfassung nur aus besonders gewichtigen Gründen und nach eingehender Überlegung abgeändert werden kann. So wie bei einer Änderung der Verfassung durch den Landtag eine qualifizierte Mehrheit bereits gefordert wird, wäre eine ähnliche Bestimmung für eine durch Volksinitiative angestrebte Verfassungsänderung zu erlassen. Denn es ist sinnwidrig, wenn im Wege des Referendums, welches nur eine relative Mehrheit erfordert, Bestimmungen der Verfassung abgeändert werden können. Es wäre sonst, wie in der Vergangenheit, möglich, dass ein Referendum, welches für die Lösung zweitrangiger Fragen gestartet wurde, nebenbei auch eine Verfassungsänderung einschliesst.

Die industrielle Entwicklung unseres Landes hat in den letzten Jahren eine ungewöhnliche Aufwärtsentwicklung genommen. Der Export unserer Industrieprodukte hat einen Umfang erreicht, den man sich vor wenigen Jahren noch nicht vorstellen konnte. In diesem Zusammenhang muss ich aber mit Bedauern feststellen, dass die Landwirtschaft unserer Heimat, die durch Jahrhunderte das Rückgrat der Wirtschaft bildete, immer mehr einem Schrumpfungsprozess unterliegt. Trotz aller industrieller Prosperität unserer Wirtschaft dürfen wir nicht vergessen, dass eine gesunde Landwirtschaft für die Zukunft unseres Landes auch weiterhin von grosser Bedeutung ist. Es wird Aufgabe der Regierung und des Landtages sein, durch gesetzliche Massnahmen die Zukunft unserer Landwirtschaft zu sichern. Die Gesundung der Landwirtschaft wird nicht durch eine uferlose Subventionswirtschaft möglich sein, die sich weder unser Land leisten kann, noch die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung in Europa zulassen wird, sondern durch konstruktive Massnahmen. Die Programme der beiden Parteien, die im Landtag vertreten sind, decken sich ja zu einem Grossteil und es sollte nicht zu schwer sein, dieses Postulat einer vernünftigen Lösung zuzuführen.

Auf sozialem Gebiet ist durch die Arbeit des Landtages in den letzten Jahren ein grosser Schritt nach vorwärts getan worden und es scheint mir auf diesem Gebiet das für unser Land Wünschenswerte und Tragbare erreicht zu sein. Denn die Höhe der sozialen Aufwendungen darf nie so weit gehen, dass dadurch die Konkurrenzfähigkeit unserer Industrie gefährdet wird. Der Landtag müsste aber darüber wachen, dass die Leistungen der Sozialversicherung dem immer weiter sinkenden Geldwert angepasst werden. Gleichzeitig sollte man die Tatsache nicht aus dem Auge verlieren, dass in der heutigen Zeit der Konjunktur ein Fonds angelegt wird, der uns einmal helfen könnte, Zeiten wirtschaftlicher Krisen leichter zu überbrücken. Bei der Ausgabenpolitik des Staates besteht die Notwendigkeit, Reserven anzulegen.

In kurzen Worten soll noch hingewiesen werden auf verschiedene Aufgaben, die der letzte Landtag verhindert war, einer Lösung zuzuführen. Es wäre hiebei an ein schon auf mehrere Jahre zurückgehendes Postulat, nämlich die Gebührenordnung zu denken, welche den veränderten Erfordernissen unserer Wirtschaft entsprechend einheitlich aufgebaut werden sollte. Ebenso harrt der Gesetzesentwurf über die nichtkatholischen Religionsgesellschaften der Fertigstellung; nachdem die Vorarbeiten in den Kommissionen die Frage für eine Lösung reif gemacht haben. Weiters hat sich auf dem Gebiet des Schulwesens in unserem Lande in den vergangenen 33 Jahren so viel geändert, dass eine Neufassung des Gesetzes unter grundsätzlicher Beibehaltung der bestehenden Ordnung angezeigt wäre.

Ein reich gefülltes Mass von Arbeit und Problemen, von denen nur einige hier aufgezeigt wurden, harren der Lösung. Gehen Sie, meine Herren Abgeordneten, an diese Arbeit heran im Vertrauen auf die Hilfe des Hl. Geistes, und es wird Ihnen der Segen Gottes nicht fehlen.

Ich erkläre hiemit die Legislaturperiode des Landtages für eröffnet und wünsche Gottes Schutz und Segen für Ihre Arbeit.