21. April 1978
Thronrede, Fürst Franz Josef II.
Thronrede anlässlich der Eröffnung des Landtages
am 21. April 1978
Wenn auch ein Jahr im Leben des Landes scheinbar meist genau dem vor- oder nachgehenden gleicht, im Unterschied zum Leben des einzelnen Menschen, so bringt doch jedes neue Jahr neue Probleme oder treibt vertagte Fragen aus früheren Jahren einer Entscheidung zu.Seit Jahren spricht man in allen Ländern viel von der sozialen Gerechtigkeit. Dies trifft auch für unser Land zu. Wir müssen dabei berücksichtigen, dass sich die Voraussetzungen des gesellschaftlichen Lebens ändern. Daher müssen wir immer wieder fragen, ob Formen und Gegebenheiten, welche ihre Gültigkeit hatten, noch weiter bestehen sollen. Ein Komplex, der im Lande mit diesen Fragen zu tun hat, ist die Steuergerechtigkeit. In den anderen Industriestaaten, zum Unterschied von Liechtenstein, gibt es fast überall die allgemeine Einkommenssteuer. Wir kennen im Lande noch die sogenannte Erwerbssteuer, doch wird seit einiger Zeit studiert, wie man die Art der Besteuerung ändern könnte. Ich möchte klarstellen, dass ich nicht für eine generelle Steuererhöhung spreche, sondern nur für eine Steuergerechtigkeit indem man von der Erwerbssteuer abgeht und die allgemeine Einkommenssteuer einführt. Steuergerechtigkeit bedeutet für die Zukunft ein gesundes und ruhiges soziales Klima, welches wieder notwendig ist für die normale Arbeit in Industrie und Gewerbe. Wenn ich gegen allgemeine Steuererhöhungen gesprochen habe, so deshalb, weil sie nicht notwendig sind und wir nicht dem für das Land unzutreffenden Schlagworte anhängen dürfen, durch übertrieben hohe Besteuerung der grossen Einkommen einen Einkommensausgleich zu schaffen. Wir müssen uns immer vor Augen halten, dass das Land kaum Standortvorteile für unsere Industrie bietet. Standortvorteile wären die niederen Steuern und das sozial und politisch ruhige Klima. Demgegenüber stehen grosse Standortnachteile wie Mangel an Arbeitskräften, vor allem an spezifisch ausgebildeten, sowie das Fehlen einer Universität. Dann im weiteren, dass Liechtenstein zu finanzschwach ist als kleines Land, um Exporte durch Garantien abzusichern oder überhaupt die Industrie zu subventionieren, welche ja bei uns zu 95 % exportorientiert ist Sicher ist es auch ein Nachteil, dass Liechtenstein in der Welt wenig bekannt ist Es muss daher, wenn es notwendig ist, um Industrien im Lande zu halten, eben ihrem Wunsche bezüglich hochqualifizierter Arbeitskräfte entgegengekommen werden. Es darf nicht vorkommen, dass zuständige leitende Kräfte unserer Industrien sich gezwungen sehen, die Entwicklung ins Ausland zu verlegen, weil es unmöglich ist, die Erlaubnis zu erhalten, die notwendigen Kräfte aus Österreich oder Deutschland zu bekommen. Der Schweizer Arbeitsmarkt ist in dieser Beziehung ziemlich ausgetrocknet. Die niederen Steuern, dank derer wir Industrie und Gewerbe fördern konnten, verdanken wir unserem Dienstleistungswesen, welcher Sektor in seiner Grosse mitbedingt ist durch unser Gesellschaftswesen. Wir müssen darnach trachten, uns dieses zu erhalten. Dies setzt aber voraus, dass das Gesellschaftswesen in geordnete Bahnen geführt wird. Die auf dieses Ziel gerichteten Gedanken, welche bereits in der letzten Zeit formuliert wurden, sind gut und brauchbar und werden so schnell wie möglich gesetzgeberisch verarbeitet werden müssen. Wir müssen verhindern, dass Skandale vorkommen, welche den Dienstleistungssektor gefährden und den Ruf unseres Landes schwer schädigen. Unser Land kann wohl Gesetze erlassen, welche Missbräuche vermeiden helfen, darüber hinaus gilt es jedoch auch für die in diesem Sektor Beschäftigten, einer erhöhten Sorgfaltspflicht zu genügen. Gerade die Vorfälle, die vor einiger Zeit grosse Publizität verursachten, haben gezeigt, dass trotz bester Adressen und ausschliesslicher Aktivität im Ausland Missbrauche möglich sind und auf unser Land zurückfallen.Wenn die Einnahmen aus dem Gesellschaftswesen fehlen würden, so ist der allgemeine hohe Lebensstandard bedroht. Dann hören sich auch die bis jetzt reichlich nach allen Seiten verteilten Subventionen auf. Dies soll aber nicht heissen, dass nach meiner Meinung die Subventionen so überaus reichlich fliessen sollten wie bisher, gestreut nach allen Seiten. Ich bin ja der Meinung, wie ich es bereits voriges Jahr bei der Landtagseröffnung sagte, dass, solange die Staatseinnahmen den jetzigen Umfang haben, der Staat sich Reserven anlegen soll, wie es in den letzten Jahren erfolgt ist. Liechtenstein darf nicht wie in einer Fabel, die ich las, so leben wie die Eintagsfliege. Sollten die staatlichen Einnahmen zurückgehen, kann ein Übergang dann ruhig und besser durchgeführt werden.Ich schliesse nun meine Rede mit dem Wunsche, dass Gottes Segen den neugewählten Landtag und die neubestellte Regierung in besonderer Weise begleiten möge in ihrer Arbeit in den kommenden vier Jahren.