Thronreden

28. März 1979

Thronrede, Fürst Franz Josef II.

Aufklappen und Zuklappen

Thronrede anlässlich der Eröffnung des Landtages am 28. März 1979



Für den einzelnen Menschen wie auch für die menschliche Gesellschaft gilt, dass ein Stehenbleiben in der Entwicklung einen Schritt zurück bedeutet. Dies sollten wir uns immer vor Augen halten.

In den letzten Jahrzehnten erlebten wir eine überraschende wirtschaftliche Entfaltung unseres Landes zu einem der relativ höchstentwickelten Industriestaaten. Diesen Aufstieg verdanken wir in erster Linie allgemein positiven wirtschaftlichen Voraussetzungen, aber auch dem Arbeitseifer und der Intelligenz des Einzelnen sowie dem Verständnis der Allgemeinheit. Die Mittel, welche diese Entwicklung direkt oder indirekt positiv beeinflussten, verdanken wir zu einem grossen Teil unserem Dienstleistungsgewerbe. Unser Gesellschaftswesen brachte Geld ins Land, welches in direkter Weise dem Aufbau diente und indirekt durch die Ermöglichung niederer Steuern das Wachstum förderte.

Dem Staat obliegt es, ein gesundes Gesellschaftswesen zu erhalten. Dies bedingt eine Novellierung unseres Gesellschaftsrechtes. Wie ich zu meiner aufrichtigen Freude höre, sind die Vorarbeiten soweit gediehen, dass bis zum Sommer dieses Jahres dem Landtag entsprechende Gesetzesvorlagen unterbreitet werden können.

Eine gesunde Wirtschaft fusst auch auf einem gesunden sozialen Klima. Ohne Zweifel ist ein gerechtes Steuersystem dafür eine Voraussetzung. Wie ich schon seit langem betonte, muss das System der Erwerbsteuer durch die allgemeine Einkommenssteuer ersetzt werden. Es ist zu begrüssen, dass in diesem Bereich die notwendigen Schritte getan werden. Was die Einkommenssteuer betrifft, möchte ich noch einmal betonen, dass nicht durch unverantwortlich hohe Steuern auf grössere Einkommen in unserem Lande eine Art Ausgleich der Einkommen herbeigeführt werden soll. Auch das neue Steuersystem soll leistungsfreundlich bleiben, aber trotzdem die unterschiedliche wirtschaftliche Kraft der einzelnen Steuerträger berücksichtigen.

Wenn wir von wirtschaftlichen Fragen sprechen, so darf das Währungsabkommen mit der Schweiz nicht unerwähnt bleiben. Im Jahre 1924 hat Liechtenstein den Schweizer Franken autonom als Landeswährung eingeführt. Nur auf die Frankenwährung gestützt, konnte der grosse Aufschwung unserer Wirtschaft kommen. Ich glaube, wir betrachten es alle als eine selbstverständliche Loyalität gegenüber der Schweiz, wenn die Beziehungen auf diesem Gebiete durch einen Währungsvertrag geregelt werden.

Vergessen wir nicht, dass unser Budget und damit Ausgaben für soziale und kulturelle Belange in bedeutendem Masse durch Gesellschaftssteuern gedeckt werden. Erinnern wir uns, dass der Auftrag zur Volkswohlfahrt in unserer Verfassung verankert ist, ein Auftrag, der sich nicht auf wirtschaftliche und soziale Fragen beschränkt, sondern darber hinaus kulturelle und geistige Bereiche erfasst Ich freue mich, feststellen zu können, dass in unserem Lande in umfassenderweise diesem Auftrag nachgelebt wird. So können wir durch eine reiche Palette kultureller und sportlicher Institutionen, vor allem in der Form von Vereinen, alt und jung dienen. Auch auf religiösem Gebiete wird zu meiner aufrichtigen Genugtuung den Menschen in mannigfacher Weise die Möglichkeit gegeben, sich weiter zu bilden und an sich zu arbeiten. Ich glaube, man kann so wirkungsvoll vor allem dem bewussten und unbewussten Verlangen der Jugend entgegenkommen, ihr für Seele, Geist und Körper Nahrung und Beschäftigung zu geben. Dies ist bestimmt der beste Schutz für unsere Jugend.

Der Spruch «Der Mensch lebt nicht vom Brot allein» gilt nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für ein Volk Seien wir uns klar, dass das Staatsbewusstsein die Nahrung ist für die Existenz des Staates. Dieses Bewusstsein muss herangebildet und gepflegt werden, und sein Bestehen ergibt sich, indem man ihm nachlebt Ein Zeichen dafür ist unser Beitritt zum Europarat Unser Land hat so die Möglichkeit, mitzuarbeiten und das Werden eines Europa mitzuerleben, das nicht nur ein leerer Name bleibt.

In diesem Europa leben viele Völker. Manche von ihnen haben uns ihre Bürger gesandt, welche am wirtschaftlichen Bau unseres Landes mitarbeiten. Seien wir uns bewusst, dass wir ohne sie nicht mehr existieren können. Wenn wir Familien, welche bereits lange bei uns leben, einbürgern, so ist das daher keine Gnade, sondern ein Akt der Klugheit und selbstverständlicher Anständigkeit. Der Kreis der Gemeindebürger, welcher noch in seiner Heimatgemeinde lebt, kann die Augen davor nicht verschliessen, dass er Verpflichtungen hat gegenüber seinen auswärtigen Gemeindebürgern, den übrigen Landesbürgern und Europa.

Ich war und bin ein Optimist und glaube, dass auch in Zukunft die Tüchtigkeit und Klugheit der Liechtensteiner unser Land mit Gottes Hilfe durch alle Schwierigkeiten glücklich durchsteuern wird. Eine Voraussetzung ist es natürlich, dass in wichtigen Fragen die Bürger Einigkeit beachten.

Ich möchte nun Ihnen, meine Herren Abgeordneten, für die diesjährige Sessionsperiode des Landtages Gottes Segen und Beistand wünschen und erkläre hiermit die diesjährige Landtagsperiode für eröffnet.