Thronreden

07. Februar 2002

Thronrede, Fürst Hans-Adam II.

Aufklappen und Zuklappen

Thronrede anlässlich der Eröffnung des Landtages am 7. Februar 2002

Dem Landtagspräsidenten, der Regierung und allen Persönlichkeiten innerhalb und ausserhalb des Landtages, die sich für eine Lösung des Verfassungsstreites um die Stellung der Monarchie eingesetzt haben, möchte ich im eigenen Namen sowie im Namen des Fürstenhauses sehr herzlich danken. Der Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag vom 20. November 2001 bietet eine Lösung für den Verfassungskonflikt um die Monarchie, welche den verschiedensten Bedenken Rechnung trägt, ohne die Staatsform grundlegend zu ändern.
Noch einmal möchte ich daran erinnern, dass nicht das Fürstenhaus mit der Diskussion über die Stellung der Monarchie in der Verfassung begonnen hat. Es waren Persönlichkeiten und Gruppen, die teilweise schon seit Jahrzehnten ein Problem mit unserer Staatsform haben, auch wenn sie in der Regel dies öffentlich nicht gerne zugeben. Selbstverständlich steht es jedermann frei, sich für eine Änderung der Staatsform und für die Abschaffung der Monarchie einzusetzen, solange man sich an die Spielregeln des demokratischen Rechtsstaates hält.
Wir haben uns im Fürstenhaus über Jahre hinweg bemüht, berechtigten Bedenken Rechnung zu tragen. Wir waren kompromissbereit, denn sonst würde man heute über den Verfassungsvorschlag des Fürstenhauses vom 1. März 2001 reden, und nicht über die Regierungsvorlage. Wir sind auch bereit, mit einer Delegation des Landtages über die Regierungsvorlage zu sprechen. Wir haben zugestimmt, dass die Rechte des Fürsten eingeschränkt werden, allerdings immer unter dem Vorbehalt, dass die Einschränkungen den demokratischen Rechtsstaat stärken und die Staatsform beibehalten wird. Wir gehen im Fürstenhaus davon aus, dass eine Mehrheit des Volkes weiterhin an dieser Staatsform festhalten möchte, welche dem Land und seiner Bevölkerung viele Vorteile gebracht hat.
Die Regierungsvorlage bietet aber auch jenen Persönlichkeiten und Gruppierungen, welche die bestehende Staatsform ablehnen, die Möglichkeit, im Rahmen des demokratischen Rechtsstaates diese Staatsform zu ändern, ohne dass dies Fürst und Fürstenhaus verhindern können. In diesem Zusammenhang möchte ich doch darauf hinweisen, dass die Geschichte des 20. Jahrhunderts leider allzu viele Bespiele kennt, bei denen selbst ernannte Demokraten, ohne das Volk zu fragen, Monarchien beseitigt haben, um dann eine Diktatur einzuführen. Ich hoffe, dass sowohl die Mehrheit des Landtages als auch des Volkes Verständnis dafür hat, wenn es dem Fürstenhaus beim besten Willen nicht möglich ist, mit jenen einen Kompromiss zu schliessen, für die nicht nur die Monarchie, sondern auch der demokratische Rechtsstaat zur Disposition steht.
Eine Fortsetzung des Verfassungsstreites, der sowohl dem Land als auch dem Fürstenhaus geschadet hat, ist jedenfalls für das Fürstenhaus keine Alternative mehr. Landtag und Volk müssen jetzt über die Regierungsvorlage entscheiden. Die Gegner dieser Regierungsvorlage sollen endlich dem Volk mitteilen, welche Ziele sie tatsächlich verfolgen. Soll es die Rückkehr zur Situation sein wie vor 1938 unter Beibehaltung der Verfassung von 1921? Soll es eine neue Verfassung geben, bei der die Monarchie nur noch eine symbolische Funktion wahrnimmt? Soll es eine Lösung geben, bei der das Fürstenhaus nicht mehr das Staatsoberhaupt stellt?
Ich kann nur wiederholen, was ich bei früheren Gelegenheiten gesagt habe: Dem Fürstenhaus geht es nicht um politische Macht. Wir sind aber im Fürstenhaus eine Verpflichtung gegenüber diesem Land und seiner Bevölkerung eingegangen und wir werden dieser Verpflichtung nachkommen, solange dies von der Mehrheit der liechtensteinischen Bevölkerung gewünscht wird.
Jeder Fürst und jeder Erbprinz, der politische Verantwortung für dieses Land übernimmt, muss damit rechnen, dass er von seinen politischen Gegnern persönlich angegriffen wird. Seit über 30 Jahren, seitdem ich mich öffentlich für die Souveränität des Landes und das Selbstbestimmungsrecht seiner Bevölkerung einsetze, kenne ich diese persönlichen Angriffe. Dass meine politischen Gegner ein personelles Problem mit mir haben, kann ich verstehen. Die Entwicklung der letzten 30 Jahre hat mir weitestgehend Recht gegeben, und seitdem meine Gegner sich entschlossen haben, ihren Konflikt mit mir öffentlich auszutragen, haben sie bis jetzt noch bei jeder Abstimmung und bei jeder Wahl verloren. Das Problem meiner Gegner mit mir als Person wäre schon längst gelöst und der Erbprinz würde heute den Landtag eröffnen, hätten diese nicht mit dem Verfassungsstreit über die Stellung der Monarchie begonnen und eine Beilegung dieses Streites bis jetzt verhindert.
Die Regierungsvorlage zur Verfassung wird abgelehnt - sei es aus emotionellen Gründen, sei es aus anderen Gründen - mit der Behauptung, damit werde die Monarchie auf Kosten des demokratischen Rechtsstaates gestärkt. Diese Behauptung entspricht nicht den Tatsachen, vielmehr ist das Gegenteil der Fall.
Wie erwähnt, erhalten die Gegner der heutigen Staatsform die Möglichkeit, diese zu ändern, ohne dass Fürst und Fürstenhaus dies verhindern können. Dies ist gemäss Verfassung von 1921 nicht möglich.
Das Volk kann dem Fürsten in einer Abstimmung das Misstrauen aussprechen, wobei es dann am Fürstenhaus liegt, die entsprechenden Massnahmen zu treffen. Damit wird eine klare Trennung zwischen der Person des Monarchen und der Institution der Monarchie geschaffen.
Neu kann der Landtag der Regierung das Vertrauen entziehen und sie zum Rücktritt zwingen. Ein Recht, das bisher nur dem Fürsten vorbehalten war. Fürst und Landtag können nur noch gemeinsam ein einzelnes Regierungsmitglied entlassen. Gegenüber der Verfassung von 1921 wird damit der Landtag gestärkt.
Der Fürst verzichtet auf die Beamtenernennungen zugunsten der Regierung.
Das Notrecht des Fürsten wird zeitlich und materiell eingeschränkt, was bis jetzt nicht der Fall war.
Der Fürst verzichtet auf das Vetorecht bei den Richterernennungen. Der Landtag kann dem Fürsten seinen Richterkandidaten aufzwingen, vorausgesetzt der Landtag vertritt die Mehrheit des Volkes. Darüber hinaus sind alle im Landtag vertretenen Parteien auch in dem Gremium vertreten, welches die Richter dem Landtag vorschlägt.
Liest man sich die einzelnen Stellungnahmen der Landtagsabgeordneten zur Regierungsvorlage durch, so stellt man bedauerlicherweise fest, dass es den Gegnern unserer Staatsform gelungen ist, bei einem Teil der Abgeordneten tiefes Misstrauen gegenüber dem Fürstenhaus zu säen. Können die Gegner der Regierungsvorlage den einzelnen Fürsten während der vergangenen 300 Jahre denn wirklich Machtmissbrauch vorwerfen? Wer für die Zukunft einen Machtmissbrauch fürchtet, darf nicht bei der Verfassung von 1921 bleiben, sondern muss Ja sagen zur Regierungsvorlage. Wer den Verfassungsvorschlag ablehnt, stellt weniger das Fürstenhaus als vielmehr den Landtag vor ein grosses Problem. Spricht der Landtag dem Fürstenhaus das Misstrauen aus und lehnt den Verfassungsvorschlag ab, so stellt sich die Frage: Wie wird das Volk entscheiden?Lehnt auch das Volk den Verfassungsvorschlag ab und spricht dem Fürstenhaus das Misstrauen aus, so ist die Vertrauensgrundlage zerstört, welche es dem Fürstenhaus bis jetzt ermöglicht hat, für dieses Land politische Verantwortung zu tragen. Dem Erbprinzen und mir bleibt dann keine andere Wahl, als den Zustand wiederherzustellen wie vor 1938 und die weitere Entwicklung abzuwarten. Nur so können wir den Verfassungsstreit um die Monarchie beenden und der Öffentlichkeit beweisen, dass es dem Fürstenhaus nicht um die politische Macht geht. Der Landtag steht dann allerdings vor einem politischen Scherbenhaufen, und es wird der Landtag dem Volk einen Weg aus der Krise aufzeigen müssen. Wird der Landtag bei der Verfassung von 1921 bleiben oder wird er eine Verfassung ausarbeiten, bei der die Monarchie nur noch eine symbolische Funktion hat, oder schlägt der Landtag dem Volk eine Lösung vor, bei dem das Fürstenhaus nicht mehr das Staatsoberhaupt stellt?
Lehnt der Landtag den Verfassungsvorschlag ab und spricht das Volk mehrheitlich dem Fürstenhaus und der Regierung das Vertrauen aus, dann wird der Landtag als Institution geschwächt. Der Landtag bezieht seine Legitimation aus dem Anspruch, das Volk zu vertreten. Vertritt der Landtag in so einer entscheidenden Frage, bei der es um die Zukunft dieses Landes geht, nicht mehr das Volk, so stellt sich die Frage: Wen vertritt der Landtag?
Deshalb möchte ich jene Landtagsabgeordneten bitten, welche den Verfassungsvorschlag ablehnen, sich dies noch einmal zu überlegen. Lassen Sie sich nicht von einer kleinen Gruppe missbrauchen, für die der Landtag nichts anderes ist als eine Figur auf dem Schachbrett, die man opfern kann in einem Verfassungsstreit, der schon längst Selbstzweck geworden ist! Stimmen Sie dem Verfassungsvorschlag zu! Das Volk wird Ihnen danken und dem Verfassungssvorschlag ebenfalls seine Zustimmung geben, denn es hat so wie das Fürstenhaus genug von diesem Verfassungsstreit. Dann können wir uns wieder alle gemeinsam zum Wohl dieses Landes und seiner Bevölkerung den Aufgaben und Problemen zuwenden, welche vor uns liegen.
Sehr geehrte Landtagsabgeordnete: Für die vor Ihnen liegende Entscheidung wünsche ich Ihnen viel Erfolg und Gottes Segen