Thronrede anlässlich der Eröffnung des Landtages am 16. Februar 2006
Das erste Jahr der jetzigen Legislaturperiode liegt hinter uns. Einige wichtige Gesetzesvorhaben konnten bereits realisiert werden, andere werden demnächst folgen. Dazu zählen unter anderem: eine bessere Verankerung des Schutzes des Lebens und der Menschenwürde in der Verfassung, die Einführung der Diversion im Strafverfahren, ein modernes Vermögensverwaltungsgesetz, das Postorganisationsgesetz sowie eine erste Entflechtung von Land- und Gemeindeaufgaben. Bezüglich der Aufgabenteilung zwischen Land und Gemeinden wird es nun notwendig sein, Erfahrungen mit dieser Entflechtung zu machen und dabei zu überlegen, ob nicht weitere Enflechtungsschritte gesetzt werden können. Vor allem müssen wir jetzt daran arbeiten, die Zuweisung von Finanzmitteln an die Gemeinden zu verbessern, insbesondere den Finanzausgleich. Die Finanzzuweisungen sollten den Gemeinden eine ausreichende Mindestfinanzausstattung garantieren und damit die Gemeindeautonomie sichern, gleichzeitig sollten sie aber auch anreizorientiert sein und damit jene Gemeinden belohnen, die sparsam und effizient wirtschaften. Für einige von Ihnen war dieses Jahr im Landtag eine vollkommen neue Erfahrung. Für alle war eine grosse Koalition in der Regierung ohne gleichzeitiger absoluter Mehrheit einer der beiden Grossparteien im Landtag eine Neuigkeit. Diese Konstellation bringt mit sich, dass es nicht immer einfach ist, zu entscheiden, wann man in Opposition zur Regierung gehen soll, um die Oppositionsarbeit nicht nur einer Partei zu überlassen, und wann man der Regierung jene Unterstützung geben soll, ohne die sie nicht zukunftsweisend arbeiten kann. Wichtig wird sein, dass Sie bei den langfristig entscheidenden Fragen mit Mut und Entschlossenheit hinter den notwendigen Reformen stehen und auf kurzfristige parteipolitische Überlegungen vergessen. Was sind diese langfristig entscheidenden Fragen? Es sind diejenigen Fragen, deren richtige Beantwortung unser Land hinsichtlich der grossen zukünftigen Herausforderungen stärken. Stärken heisst, den Staat fit machen, damit er genügend Kraft hat, um die kommenden Herausforderungen zu bewältigen. Stärken heisst nicht, den Staat einfach nur so weit auf Diät zu setzen, bis er nur noch ein Skelett ohne Muskeln ist. Stärken heisst aber auch nicht, dem Staat so viele Mittel zuzuführen, dass er zum überfetten Wohlstandsstaat wird, der auf den sicheren Herzinfarkt zusteuert. Den Staat für die zukünftigen Herausforderungen zu stärken, heisst, Mass zu halten und die beschränkten Mittel vernünftig einzusetzen. Fit ist der Staat, wenn er so organisiert und ausgestattet ist, dass er die Aufgaben, die ein Staat unbedingt wahrnehmen muss, gut erfüllen kann und gleichzeitig über einen ausgeglichenen Haushalt verfügt. Nun kann man zwar kurzfristig den Haushalt ausgleichen, indem man die Steuern erhöht. Langfristig gefährden aber hohe Steuern die Volkswirtschaft und damit auch die Gesundheit des Staates. Daher müssen wir uns vielmehr Gedanken machen, wie wir die Mittel verwenden. Wir müssen uns also in erster Linie über die Ausgaben Gedanken machen. Das heisst nicht, dass wir einfach nach der Rasenmäher-Methode die staatlichen Leistungen für alle kürzen sollen. Denn einige wie z.B. allein Erziehende, kinderreiche Familien oder sozial Benachteiligte werden wohl eher mehr als weniger staatliche Mittel brauchen. Das bedeutet aber, dass wir den Mut haben müssen, dort zu kürzen, wo staatliche Leistungen zwar angenehm, aber nicht unbedingt notwendig sind. Sehr geehrte Abgeordnete, Die Regierung hat vor kurzem ihr Regierungsprogramm vorgestellt. In verschiedensten Bereichen sind Reformen vorgesehen, die in die richtige Richtung gehen und Liechtenstein stärken können. So sollen insbesondere die Verwaltung sowie das Bildungs- und Steuersystem reformiert, die Ausländer stärker integriert, die Umwelt umfassender geschützt, die Sozialkosten und der Haushalt stabilisiert werden. Einigen geht das Reformprogramm nicht weit genug, es ist ihnen zu wenig detailliert und verbindlich. Zu viel zu versprechen, bevor man die Details studiert und ausgearbeitet hat, kann allerdings auch ein Risiko sein. Dadurch könnte man jene Flexibilität verschenken, die für die wirklich besten Lösungen notwendig ist. Wichtig ist in der jetzigen Phase, dass die allgemeine Marschrichtung stimmt, dass die politisch Verantwortlichen ermutigt werden, Reformen zu machen, die uns alle langfristig weiterbringen, und, dass ihnen dafür der Rücken gestärkt wird. Mit Ihren Voten und Ihrem Abstimmungsverhalten können sie den Reformweg entscheidend unterstützen: Sie können mithelfen, jene Stimmung zu erzeugen, die erforderlich ist, damit Ihnen mutige Reformvorschläge vorgelegt werden. Sie können selbst im Gesetzesprozess darauf Einfluss nehmen, dass die Reformen weit genug gehen. Und Sie können durch ein klares Bekenntnis für den Weg der Reformen sowie durch eine gute Information der Öffentlichkeit erreichen, dass die Reformen auch in der Bevölkerung ausreichenden Rückhalt finden.Sehr geehrte Abgeordnete, lassen Sie mich abschliessend nochmals in Erinnerung rufen, welches die grossen Herausforderungen sind, vor denen wir stehen und angesichts welcher wir unsere Entscheidungen auf ihre langfristige Wirkung hinterfragen sollen: Es ist die Globalisierung, die einen immer stärkeren Wettbewerb mit sich bringt und immer höhere Anforderungen an unsere Arbeitskräfte und deren Bildung stellt. Damit verbunden ist auch das Problem der zunehmenden Arbeitslosigkeit. Es ist die demographische und technologische Entwicklung, die die Kosten für die Alters- und Gesundheitsvorsorge immer stärker steigen lässt und ein Ausgleichen unseres Haushalts gefährdet. Und es sind die mit dem Wachstum unserer Wirtschaft verbundenen Herausforderungen wie z.B. die Integration der Ausländer und die zunehmenden Belastungen für unsere Umwelt. Sehr geehrte Abgeordnete, ich wünsche Ihnen für Ihre Aufgabe, insbesondere bei der Entscheidung dieser langfristigen Fragen, viel Weisheit, Entschlossenheit und Gottes Segen.