15. Februar 2011
Thronrede, Erbprinz Alois
ANSPRACHE
SEINER DURCHLAUCHT ERPRINZ ALOIS VON UND ZU LIECHTENSTEIN
ANLÄSSLICH DER ERÖFFNUNG DES LANDTAGES
AM 17. FEBRUAR 2011
Heute beginnt die zweite Halbzeit der Legislaturperiode. Dies ist ein guter Zeitpunkt, um einerseits auf die vergangenen zwei Jahre und das bisher Erreichte zurückzublicken sowie andererseits einen Blick nach vorne zu werfen auf die künftigen Herausforderungen und das noch Anstehende. Vor zwei Jahren drohte die Wirtschaftskrise und wir standen auf der schwarzen Liste betreffend den Informationsaustausch in Steuerfragen. Strukturelle Änderungen beim Finanzplatz wie auch beim Staatshaushalt drängten sich auf. Heute stehen wir auf der weissen Liste und die Kurzarbeit ist weitgehend beendet. Auch dem Staatshaushalt geht es wieder besser. Auf den ersten Blick könnten wir zufrieden sein. Es wäre aber ein Trugschluss, zu glauben, dass die bisher eingeleiteten Massnahmen ihren Dienst getan haben und wir zum Tagesgeschäft übergehen können. Die Weltwirtschaft ist trotz einer guten Entwicklung in den letzten Monaten weiterhin sehr instabil, die Transformation des Finanzplatzes noch nicht abgeschlossen und die strukturellen Probleme beim Staatshaushalt noch nicht beseitigt. Wenn die Jahresergebnisse für 2010 und möglicherweise auch für 2011 und 2012 geringere Defizite als erwartet bringen werden, dann wird dies vor allem auf einmalige Effekte zurückzuführen sein, mit denen wir in Zukunft nicht rechnen dürfen. Ich begrüsse es daher, dass die Regierung weiterhin den eingeschlagenen Weg fortsetzen möchte und sich mit der Agenda 2020 langfristige Zielsetzungen gegeben hat, deren Erreichen für eine erfolgreiche Zukunft unseres Landes von grosser Bedeutung sind. Ich freue mich, dass die Gemeinden ebenfalls zum Sparen bereit sind. Es wird aber entscheidend sein, dass in den kommenden zwei Jahren die bisher ausgearbeiteten Massnahmen auch umgesetzt werden. Die Umsetzung dürfte die politisch schwierigere Phase sein, weil es hier nicht mehr um die grundsätzlichen Zielsetzungen geht, für die leichter eine Mehrheit zu gewinnen ist, sondern um konkrete Reformmassnahmen, von denen Stimmbürger direkt betroffen sein werden. Bei den damit verbundenen Landtagsentscheiden bitte ich Sie, sehr geehrte Landtagsabgeordnete, nicht an die nächste Wahl, sondern an das langfristige gemeinsame Interesse unserer Bürger zu denken. Eine besondere Herausforderung wird der Ausgleich des Staatshaushaltes sein. Wir sollten dazu nicht nur kurzfristig die Staatsausgaben einschränken und sie bei den ersten Zeichen der Erholung wieder ausbauen. Wir sollten vielmehr die Gelegenheit wahrnehmen, um die Abläufe der staatlichen Leistungserbringung zu überdenken und strukturelle Defizite zu beseitigen. Auf diese Weise sparen wir klug und nachhaltig und machen gleichzeitig den Staat fit für künftige Herausforderungen. Es ist daher sinnvoll, dass die Organisation der Verwaltung grundsätzlich hinterfragt wird. Ich begrüsse auch die Pläne der Regierung zur Reform der AHV und des Krankenversicherungsgesetzes. Sie sind richtige Schritte zur nachhaltigen Sicherung unserer Sozialsysteme. Um diese wirklich langfristig abzusichern, werden aber weitere Schritte in Form von grundlegenderen Systemverbesserungen nötig sein, die zu mehr Eigenverantwortung führen. Im Gesundheitswesen sind ausserdem vor allem auch falsche Anreize zu beseitigen. Die kürzlich vom Landtag initiierte und beschlossene Gesetzesänderung über die Publikation der Umsätze gemäss dem Krankenversicherungsgesetz hat vielleicht den Vorteil, dass sie die Diskussion über eine Gesundheitsreform hoch halten wird. Sie ist aber meiner Ansicht nach keine Systemverbesserung an sich, sondern bringt vielmehr weitere problematische Anreize in den Gesundheitssektor. Wenn Ärzte in Zukunft Diskussionen wegen hoher Umsätze vermeiden wollen, werden sie am besten jene chronisch kranken Patienten nicht mehr behandeln, die ihnen zwar hohe Umsätze aber auch hohe Kosten bringen. Vielleicht wird es in dieser Legislaturperiode noch nicht gelingen unsere Sozialsysteme wirklich nachhaltig zu sichern. Wir sollten aber möglichst bald mit den zusätzlich nötigen Arbeitsschritten beginnen. Je früher wir optimale Systeme haben, desto mehr ersparen wir uns für die Zukunft. Dies gilt aufgrund des Zinsenzinseffektes besonders für die Sozialversicherungen. Wir sollten uns in den nächsten zwei Jahren aber nicht nur mit der Ausgabenseite sondern auch mit der Einnahmenseite des Staatshaushaltes beschäftigen. Auch hier sind kurzfristige Massnahmen wie Steuererhöhungen keine Lösung, denn sie führen langfristig leicht zu neuen strukturellen Defiziten. Es sind vielmehr die Rahmenbedingungen zu verbessern. Dies bringt uns nachhaltige Vorteile und erlaubt das Thema Staatshaushalt auf andere Themen auszudehnen wie die allgemeine Verbesserung der Standortattraktivität und der Lebensqualität. Mit der Steuerreform ist uns bereits eine bedeutende Verbesserung der Rahmenbedingungen gelungen. Letztlich erhöhen auch alle Massnahmen für einen ausgeglichen Staatshaushalt und nachhaltig finanzierte Sozialsysteme die Standortattraktivität, denn sie geben den Unternehmen wie auch den Einzelnen Stabilität und Sicherheit. Ein wichtiger Standortvorteil werden in Zukunft auch hervorragende Arbeitskräfte sein. Dafür brauchen wir erstklassige Schulen und sonstige Bildungseinrichtungen. Unser Land wird aber auch den Zuzug von ausreichend Fachleuten und Spitzenkräften aus dem Ausland benötigen. Ein Anliegen, das in letzter Zeit besonders vom Finanzplatz auch als ein wichtiger Faktor für einen erfolgreichen Strukturwandel bezeichnet wurde. Eine Ausweitung der Aufenthaltsbewilligungen muss jedoch in politisch verkraftbaren Schritten und in Abstimmung mit einem gut durchdachten Integrationskonzept erfolgen. Einen ersten Schritt hat die Regierung mit einer Ausweitung des Kontingents um 15% getan. Bevor weitere Schritte erfolgen können, werden wahrscheinlich zuerst die dafür nötigen Voraussetzungen zu schaffen sein. Dazu braucht es eine enge Kooperation zwischen der öffentlichen Hand, den Parteien und der Wirtschaft. Wenn die Unternehmen eine aktive Rolle bei der Integration ihrer Mitarbeiter und deren Familien übernehmen, dann sollte es auch leichter möglich sein, weitere nötige Fachkräfte aus dem Ausland willkommen zu heissen. Schliesslich würden zusätzliche, erfolgreich integrierte Ausländer etliche weitere Vorteile bringen: • Gut ausgebildete Fachkräfte werden meist gut bezahlt und sind entsprechend auch gute Steuerzahler und damit eine zusätzliche Einnahmequelle für den Staat. • Die Integration der Bevölkerung – vor allem auch der ausländischen – wird eine der grossen Herausforderungen für die Staaten Europas in den kommenden Jahrzehnten sein. Je früher wir diesbezüglich ein gut funktionierendes Konzept haben, das eine gesunde Durchmischung der Bevölkerungsgruppen sichert, desto besser werden wir darauf vorbereitet sein. • Wir leben in einer immer komplexer werdenden Welt, die immer mehr Anforderungen an das Staatswesen stellt. Die grösseren Ressourcen einer etwas grössen Bevölkerung können dabei von Vorteil sein, solange man sich nicht gleichzeitig die Vorteile der Kleinheit vergibt. Sehr geehrte Landtagsabgeordnete, es erwarten uns zwei für die Zukunft unseres Landes entscheidende Jahre. Ich wünsche Ihnen alles Gute und Gottes Segen bei Ihrer verantwortungsvollen Arbeit.