Thronreden

27. März 2013

Thronrede, Erbprinz Alois

Aufklappen und Zuklappen

Thronrede anlässlich der Eröffnung des Landtages am 27. März 2013

ANSPRACHE
SEINER DURCHLAUCHT ERPRINZ ALOIS VON UND ZU LIECHTENSTEIN

ANLÄSSLICH DER LANDTAGSERÖFFNUNG 2013

Sehr geehrte Landtagsabgeordnete

Ich gratuliere Ihnen herzlich zu Ihrer Wahl in den Landtag. Gleichzeitig möchte ich Ihnen auch danken, dass Sie sich in einer Zeit grosser Herausforderungen für diese wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe in unserem Staat zur Verfügung gestellt haben.

Die grösste Herausforderung der kommenden Legislaturperiode wird das Ausgleichen des Staatshaushaltes sein. Der Landesvoranschlag sieht für 2013 einen Aufwandüberschuss von 210 Mio. CHF vor. Das sind 23% des betrieblichen Aufwands von 909 Mio. CHF bzw. 34% des betrieblichen Ertrags von 623 Mio. CHF. Ich sehe diese Situation mit grosser Sorge für das langfristige Wohl unseres Landes. Die immer noch beträchtlichen Staatsreserven und der positive Jahresabschluss 2012 dürfen nicht den Blick darauf verschleiern, dass wir strukturelle Defizite haben und uns solche Fehlbeträge nicht länger leisten können.

Wir sind deshalb alle gefordert, unseren Staatshaushalt so schnell wie möglich wieder ins Lot zu bringen. Eine Verschuldung und ein Warten auf bessere Zeiten dürfen keine Option sein. Als Kleinstaat würden wir nur schwer Kredite erhalten und sie wären wahrscheinlich im Vergleich zu grossen Staaten mit grossen Volkswirtschaften unverhältnismässig teuer. Wohin eine Schuldenpolitik führen kann, zeigt uns die prekäre Lage vieler europäischer Staaten. Dies sollte für uns ausreichend Abschreckung sein.

Zu Recht wird die Stabilität des Landes als ein wichtiger Standortfaktor gepriesen. Neben der starken politischen Stabilität und der grossen Rechts- und Planungssicherheit brauchen wir aber auch finanzielle Stabilität, was unseren Staatshaushalt und eine nachhaltige Finanzierung der Sozialsysteme betrifft. Ohne eine solche umfassende Stabilität gefährden wir unsere Wirtschaft und in Folge auch unsere Arbeitsplätze, unsere Steuereinnahmen, unsere Sozialsysteme und unseren Wohlstand.

Die Finanzierungslücke können wir aber nicht nur durch höhere Steuern schliessen. Dadurch würden wir mittelfristig Unternehmen und Arbeitsplätze verlieren. Wir benötigen vor allem ein weiteres Sparpaket. Das wird zu schmerzhaften Eingriffen führen. Darüber dürfen wir uns keine Illusionen machen. Je länger wir aber diese Eingriffe vor uns her schieben, desto grösser und unangenehmer werden sie. Daher müssen wir jetzt handeln, schnell handeln, aber nicht überhastet handeln.

Aufbauend auf den Vorarbeiten der alten Regierung sollte die neue Regierung rasch ein gut durchdachtes Sparpaket schnüren. Der Sparprozess sollte gleichzeitig Landtag, Parteien, Gemeinden und Verbände in geeigneter Weise mit einbeziehen, um einen breit abgestützten nationalen Konsens sicherzustellen. Dabei müssen die Landesinteressen im Vordergrund stehen. Parteipolitik und Verfolgen von Partikularinteressen sind bei diesem kritischen Prozess nicht angebracht.

Beim Sparen sollten wir uns auch überlegen, welche Leistungen unser Staat auf welche Weise in Zukunft wahrnehmen soll, wir sollten unkonventionelle Wege prüfen und uns von Tabus der Vergangenheit lösen. Sehr bald sollten wir schon die Frage beantworten, ob unser Staat in Zukunft noch durch eigene Unternehmen das Telefonfestnetz betreiben muss? Eine berechtigte Frage, wenn man bedenkt, dass dies in den meisten anderen Staaten nicht mehr geschieht und ein eigenes, auf nur rund 20‘000 Festnetzanschlüssen aufbauendes Telefonunternehmen langfristig kaum international wettbewerbsfähige Lösungen anbieten kann.

Der Sparprozess sollte auch vorsehen, dass alle nötigen Entscheide basierend auf ausreichenden Abklärungen in der erste Hälfte der anstehenden Legislaturperiode gefällt werden können. Dies bedarf eines guten Prozessmanagements mit einer genauen Prüfung der Aus-  und Wechselwirkungen der geplanten Massnahmen und eines strikten Einhaltens von zeitlichen Meilensteinen.

Zeiten der grossen Herausforderungen sind meist auch Zeiten der grossen Chancen. Wenn die neue Regierung zusammen mit dem neuen Landtag, den Gemeinden und den verschiedenen weiteren Kräften im Land den Sparprozess erfolgreich führt, können wir sowohl rechtzeitig unseren Staatshaushalt ausgleichen als auch unseren Staat entscheidend für eine erfolgreiche Bewältigung der vielen anderen Herausforderungen stärken.

Mit dem Ausgleichen des Staatshaushaltes eng verbunden ist die nachhaltige Sicherung unserer Sozialsysteme. Die jüngst veröffentlichte Generationenbilanz zeigt uns deutlich, dass ohne grundlegende Reformen in diesem Bereich unser Staatshaushalt bald wieder ins Wanken gerät. Vor allem bei der Finanzierung der AHV und der Alterspflege werden sich ansonsten grosse Lücken auftun.

Bei der Altersvorsorge versteht schon ein Primarschüler, dass unser Pensionssystem angepasst werden muss, wenn die Lebenserwartung steigt. Entweder man leistet länger Pensionsbeiträge, zahlt höhere Beiträge oder erhält geringere Pensionsleistungen. Höhere Beiträge wären eine unverhältnismässige Belastung der Wirtschaft und des arbeitenden Teils der Bevölkerung, der in Zukunft aufgrund des Generationenaufbaus ohnehin schon eine wesentlich grössere Anzahl an Pensionisten pro Kopf erhalten muss. Eine Reduktion der Pensionsleistungen auf Schweizer Niveau kann zwar für eine gewisse Zeit die finanzielle Situation verbessern und ein sinnvolles Reformelement sein, sie ist aber alleine auch keine nachhaltige Option. Wir werden daher längerfristig nicht um längere Beitragszeiten herum kommen.

Wir sollten aber nicht einfach das Pensionsalter hinaufsetzen. Wir sollten uns vielmehr Gedanken machen, wie wir unser System der Altersvorsorge grundsätzlich verbessern können. Sollen wir von einem Mindestpensionsalter auf eine Mindestanzahl an Beitragsjahren umstellen, um insbesondere jenen entgegen zu kommen, die zwar früh mit dem Arbeitsleben beginnen, die Arbeit aber aufgrund von physischer Anstrengung auch früh aufgeben müssen? Sollen wir die Mindestanzahl an Beitragsjahren an die Lebenserwartung knüpfen, um wie einige Staaten einen automatischen Nachhaltigkeitsfaktor in unsere Altersvorsorge einzubauen? Gibt es Fehlanreize bei unserer Altersvorsorge, die wir beseitigen sollen? Sollen wir auch Reformen der zweiten Säule der Altersvorsorge vornehmen, um in Zukunft Probleme wie bei der Pensionsversicherung für das Staatspersonal zu vermeiden?

Neben der allgemeinen Altersvorsorge müssen wir besonders bei der Alterspflege mit einer Finanzierungslücke rechnen und entsprechende Reformmassnahmen setzen. Auch bei unserem Gesundheitssystem werden wir uns fragen müssen, wie und wie viel wir in Zukunft für die Gesundheit ausgeben wollen. All diese Grundpfeiler unseres Sozialsystems sollten wir gemeinsam mit dem Staatshaushalt in der nun anstehenden Legislaturperiode nachhaltig sichern. Nur so schaffen wir auch eine langfristige finanzielle Stabilität.

Wir werden den Staatshaushalt nicht ohne eine Reduktion der Staatsbeiträge ausgleichen können. Bei vielen Staatsbeiträgen handelt es sich um sogenannte Transferleistungen, durch die die Einwohner finanzielle Unterstützung erhalten. Änderungen bei den Transferleistungen können zu Umverteilungsdiskussionen führen. Ein gewisses Mass an Umverteilung im Staat ist für dessen Stabilität nötig, zu viel und schlechte Umverteilung hingegen gefährlich.

Bei der Reduktion der Staatsbeiträge sollten wir daher nicht einfach nur durch ein Absenken von Leistungen auf das Schweizer Niveau Einsparungen realisieren. Es wäre sinnvoll, gleich auch die Treffsicherheit der Transferleistungen zu prüfen. Es ist z.B. widersinnig von allen zu nehmen, um wieder an alle zu verteilen. Solche Durchlaufsysteme verursachen unnötige Bürokratiekosten und erhöhen die Gefahr, dass Mittel fehlgeleitet werden oder versickern.

Zu komplizierte Umverteilungssysteme mit vielen verschiedenen Transferleistungen führen leicht zur Anhäufung von Leistungen bei jenen, die die Systeme am besten durchschauen, statt Leistungen im ausreichenden Masse jenen zufliessen zu lassen, die sie benötigen. Auch entstehen häufig Schwellenprobleme, d.h. Situationen, bei denen sich zusätzliche Arbeitsleistung nicht mehr lohnt. Wir brauchen aber ein starkes und nachhaltig finanzierbares Sicherheitsnetz und keine Hängematten.

Der Kommunismus hat gezeigt, dass selbst die grössten Umverteilungssysteme keine geeigneten Mittel sind, um Gerechtigkeit auf Erden zu schaffen. Die kommunistischen Staaten sind vielmehr an diesem Versuch zerbrochen. Am besten fördert man Gerechtigkeit im Staat durch ein gutes Bildungssystem, bei dem alle Teile der Bevölkerung Zugang zu den bestmöglichen Bildungsleistungen erhalten. Hier haben wir noch einigen Verbesserungsbedarf, hier sollten wir ansetzen.

Wir dürfen jedoch keine Reformmassnahmen wählen, die dazu führen, dass zwar alle die gleichen Bildungsleistungen erhalten, dies aber auf einem niedrigeren Niveau. Dies würde nur dazu führen, dass die Wohlhabenden auf Bildungseinrichtungen im Ausland ausweichen und das Gegenteil des Gewünschten erreicht wird. Wir müssen vielmehr den weniger gut Ausgestatteten einen gleichwertigen Zugang zu den besten Bildungsleistungen im In- und Ausland ermöglichen. Gleichzeitig sollten wir Strukturen schaffen, die das Bildungsniveau ständig weiter verbessern, um für den globalen Wettbewerb optimal gerüstet zu sein.

Sehr geehrte Landtagsabgeordnete,

wir stehen vor einer für die Zukunft unseres Landes entscheidende Legislaturperiode. Ich wünsche Ihnen alles Gute und Gottes Segen bei Ihrer wichtigen Aufgabe.