Thronrede anlässlich der Eröffnung des Landtages am 27. Februar 2014
Es gilt das gesprochene Wort.
ANSPRACHE
SEINER DURCHLAUCHTERPRINZ ALOIS VON UND ZU LIECHTENSTEIN
ANLÄSSLICH DER LANDTAGSERÖFFNUNG 2014
Sehr geehrte Landtagsabgeordnete
Die Sanierung des Staatshaushaltes ist weiterhin die grösste Herausforderung für unseren Staat. Damit verbunden ist die Herausforderung, die Sozialsysteme finanziell nachhaltig zu gestalten.
Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, wurden in letzter Zeit immer wieder Strukturreformen gefordert. Dabei wurde auch die Frage thematisiert, welche Aufgaben der Staat heute überhaupt wahrnehmen soll.
Wir sollten uns in den nächsten Monaten intensiv mit dieser Frage beschäftigen. Einerseits halte ich dies für notwendig, um in der nächsten Phase der Haushaltssanierung ausreichend Fortschritte zu machen. Andererseits sehe ich darin auch eine grosse Chance, um unseren Staat für die Zukunft und mögliche weitere Herausforderungen zu stärken.
Um zu wissen, welche Aufgaben der Staat wahrnehmen soll, muss man sich zuerst einmal die Frage stellen, wozu Staaten eigentlich existieren. Staaten kann man als genossenschaftliche Territorialverbände verstehen, die den gemeinsamen Interessen ihrer Bürger dienen sollen.
Was den gemeinsamen Interessen dient, können im Grunde nur die Bürger selbst entscheiden. Eigentlich dürfte der Staat daher nur das tun, wozu alle Bürger zustimmen. Da der Staat mit einer solchen Einstimmigkeitsregel aber nicht funktionieren kann, braucht es Mehrheitsentscheide und die Delegation von Entscheidungskompetenz an die Staatsorgane.
Je besser die Entscheidungsverfahren und -strukturen im Staat gestaltet sind, desto besser wird er auch den gemeinsamen Interessen seiner Bürger dienen. Der Staat sollte einerseits in der Lage sein, den Gemeininteressen dienende Projekte durchzuziehen, und andererseits daran gehindert werden, Massnahmen zu ergreifen, die die Interessen eines Teils der Bürger verletzen.
Da im Normalfall die einzelne Person am besten weiss, was in ihrem Interesse ist, sollte der Staat es auch grundsätzlich dem Einzelnen überlassen, seine Interessen wahrzunehmen. Auch viele Aufgaben, die sich besser in einer kollektiven Anstrengung erledigen lassen, müssen nicht durch den Staat übernommen werden. Sie werden oft genauso gut oder besser durch die Familien, die Unternehmen, Vereine, Verbände oder Genossenschaften wahrgenommen. Der Staat sollte daher immer zurückhaltend sein und genau prüfen, ob er wirklich tätig sein sollte.
Letztlich bestimmen aber die Bürger selbst, welche Aufgaben der Staat übernehmen soll. Der Staat kann die ihm übertragenen Aufgaben dabei auf verschiedene Weise wahrnehmen. Er muss jedenfalls als Regulierer tätig werden. Er kann die Aufgaben zusätzlich noch als Finanzierer und als Anbieter angehen. Um die Staatsaufgaben zu reduzieren, sollte der Staat aber möglichst nur als Regulierer, allenfalls noch als Finanzierer auftreten.
Dort, wo der Staat als Anbieter auftritt, sollte er weder Gewinn erzielen – was einer versteckten Besteuerung jener Bürger gleichkommt, die eine bestimmte Dienstleistung nachfragen – noch sollte er Defizite produzieren – was einer Subvention der diese Leistungen überproportional nachfragenden Bürger gleichkommt.
Der Staat kann bei der Finanzierung von Staatsaufgaben entweder die Anbieter oder die Nachfrager finanziell unterstützen. In den meisten Fällen ist eine Finanzierung der Nachfrager vorzuziehen, weil dadurch in der Regel besser gewährleistet wird, dass das Angebot auch dem Interesse der Nachfrager und damit dem Bürgerinteresse entspricht.
Damit unser Staat möglichst gut den gemeinsamen Interessen der Bürger dient, sollten wir in den nächsten Monaten die Aktivitäten unseres Staates insbesondere auf folgende Fragen hin prüfen:
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Kann die Aktivität auch von Privaten wie Individuen, Vereinen, Verbänden oder Unternehmen bewältigt werden?
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Privilegieren staatliche Aktivitäten einzelne Gruppen?
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Werden den Nutzniessern einer staatlichen Aktivität die vollen Kosten verrechnet? Findet eine versteckte Subvention statt?
Lautet die Antwort auch nur in einem der Fälle „Ja“, deutet dies auf einen Reformbedarf hin. Erst recht gilt dies, wenn alle Fragen mit „Ja“ beantwortet werden.
Sehr geehrte Landtagsabgeordnete,
Wir können bei der Überprüfung der Staatsaufgaben und bei der Umsetzung von Strukturreformen nur erfolgreich sein, wenn wir bereit sind, bestehende Abläufe grundsätzlich zu hinterfragen und berechtigte Reformen konsequent umzusetzen. Dabei werden Veränderungen nötig sein, die sowohl die Staatsangestellten wie auch die meisten anderen Bürger zunächst unangenehm treffen werden. Teilweise werden Übergangsregelungen nötig sein, um die Auswirkungen auf besonders Betroffene abzufedern. Längerfristig werden wir aber alle profitieren, wenn wir diese Strukturreformen rasch und konsequent durchziehen.
Ich begrüsse es daher sehr, dass die Regierung gemäss dem kürzlich veröffentlichten Regierungsprogramm die staatlichen Aufgaben analysieren und Umfang und Ausgestaltung der Leistungen sowie ihre Finanzierung kritisch überprüfen will. Ich bitte Sie die Regierung dabei bestmöglich zu unterstützen.
Wenn wir hingegen diese Arbeit nicht angehen und jetzt nur das umsetzen, was nicht wirklich weh tut, werden wir nicht die richtigen Antworten auf die heutigen Herausforderungen wie die Sanierung des Staatshaushaltes finden. Dadurch würden die Herausforderungen in der Zukunft nur noch grösser und uns noch härter treffen.
Sehr geehrte Landtagsabgeordnete,
Ich wünsche Ihnen viel Weisheit, Mut und Gottes Segen, damit es Ihnen gelingt, bei diesen schwierigen Reformen die richtigen Entscheide zu fällen.