Thronreden

22. Januar 2015

Thronrede, Erbprinz Alois

Aufklappen und Zuklappen

Thronrede anlässlich der Eröffnung des Landtages am 22. Januar 2015

Es gilt das gesprochene Wort.

ANSPRACHE

SEINER DURCHLAUCHTERPRINZ ALOIS VON UND ZU LIECHTENSTEIN

ANLÄSSLICH DER LANDTAGSERÖFFNUNG 2015

Sehr geehrte Landtagsabgeordnete

In den kommenden Monaten wird der Landtag einige Reformvorlagen behandeln, die für eine nachhaltige Absicherung unserer Sozialsysteme von grosser Bedeutung sind. Es handelt sich dabei vor allen um den Reformvorschlag für das Krankenversicherungsgesetz und um Reformen der Altersvorsorge. Die Reformen der Altersvorsorge betreffen die AHV - die umlagefinanzierte erste Säule der Altersvorsorge - und die betrieblichen Pensionskassen - die kapitalgedeckte zweite Säule der Altersvorsorge.

Die Kosten für unsere Sozialsysteme, besonders unsere Sozialversicherungen, sind in den letzten Jahren erheblich angestiegen und gehören zu den am stärksten wachsenden Staatsausgaben. Wegen der stetig steigenden Lohnnebenkosten sind sie ausserdem eine immer grössere Belastung für die Unternehmen und für die einzelnen Versicherten. Der jüngste Entscheid der Schweizer Nationalbank, den Wechselkurs zum Euro freizugeben, bedeutet für unsere Unternehmen direkt sowie für unseren Staat und unsere Sozialsysteme indirekt noch eine zusätzliche Herausforderung.

Es ist absehbar, dass wir unsere Sozialsysteme nur mit einschneidenden Reformen erhalten können. Verschiedene Entwicklungen haben zu dieser Situation geführt. Im Bereich der Gesundheitsvorsorge führt besonders der medizinische Fortschritt zu einem riesigen Kostenschub. Dies hat auch Auswirkungen auf die Altersvorsorge: Wir werden immer älter, bleiben glücklicherweise aber auch länger gesund. Gleichzeitig haben wir aber auch weniger Kinder, die einmal zu unserer Altersvorsorge beitragen könnten.

Ausserdem ändern sich die Arbeitsverhältnisse: Die meisten haben heute nicht mehr ein ganzes Arbeitsleben lang denselben Arbeitgeber, die Teilzeitarbeit nimmt zu und immer mehr arbeiten ohne festes Anstellungsverhältnis für verschiedene Arbeitgeber. Letzteres ist ein Trend, der besonders in den USA im Zusammenhang mit der technologischen Entwicklung zugenommen hat und uns wahrscheinlich in Zukunft auch noch stärker beschäftigen wird.

Die Sozialsysteme haben eine ganz wichtige Funktion der Vorsorge und des sozialen Ausgleichs in unserem Staat. Die Sozialsysteme sind aber nur so lange sozial, wie sie nachhaltig finanzierbar sind und angemessene Unterstützung effizient und treffsicher leisten. Ansonsten werden sie asozial, weil irgendwann andere Generationen für jene die Zeche zahlen müssen, die auf zu grossem Fusse gelebt haben. Frühere Generationen haben hart um die Einführung der Sozialsysteme gerungen. Es liegt nun an uns als heutige Verantwortungsträger, diese wertvollen Errungenschaften für künftige Generationen zu erhalten.

Die Reform des Krankenversicherungsgesetzes ist ein schwieriges Unterfangen. Bereits der Reformvorschlag der letzten Regierung wurde im Laufe des Gesetzgebungsprozesses stark zusammengestrichen, weswegen nun ein weiterer Reformversuch notwendig ist. Dieser neue Reformvorschlag war in der Vernehmlassung sehr umstritten. Angesichts der auch im vergangenen Jahr wieder zu beobachtenden Entwicklungen im Gesundheitswesen, wäre es aber problematisch, die notwendigen Reformen weiter hinauszuschieben.

Es ist sicher richtig, kritische Stimmen zu hören und den Vernehmlassungsbericht zum Krankenversicherungsgesetz noch in dem einen oder anderen Punkt anzupassen. Es wäre aber falsch, dabei die Vorlage wiederum so zu verwässern, dass in der nächsten Legislaturperiode ein weiterer Reformversuch für das Krankenversicherungsgesetz gestartet werden müsste.

Wir sind in der glücklichen Lage, dass unsere Altersvorsorge im internationalen Vergleich noch sehr gut abschneidet. Je später wir aber auf die geänderten Rahmenbedingungen reagieren, desto schwieriger und teurer wird es. Die jüngsten Probleme mit der Pensionskasse der Staatsangestellten sollten uns ein warnendes Beispiel sein.

Der in die Vernehmlassung geschickte Vorschlag zur Reform der AHV erscheint ausgewogen und damit politisch umsetzbar. Wichtig ist, dass er die sich abzeichnende Schieflage beseitigt und neu einen Interventionsmechanismus vorsieht, der ein frühzeitiges Einschreiten bei den künftig zu erwartenden Schieflagen verlangt.

Für die zweite Säule der Altersvorsorge wird ebenfalls an einem Reformvorschlag gearbeitet und wahrscheinlich noch dieses Jahr an den Landtag überwiesen. Der Anteil der zweiten Säule am Altersguthaben der Pensionsversicherten wird zunehmend grösser und entsprechend bedeutender. Dies ist im Sinne einer breiteren Abstützung bzw. Diversifikation der Altersvorsorge zu begrüssen. Damit wird es aber auch wichtiger, durch geeignete Regelungen eine Unterversorgung bei der zweiten Säule effizient zu verhindern.

Heute besteht die Möglichkeit, sich mit Pensionsantritt das in der betrieblichen Pensionskasse angesparte Kapital auszahlen zu lassen. Angesichts der sich ändernden Rahmenbedingungen und der zunehmenden Bedeutung der zweiten Säule für die Pensionsversicherten stellt sich die Frage, ob eine volle Kapitalauszahlung in Zukunft nicht einmal zu Problemen führen könnte. Sollte sich nämlich zeigen, dass die Möglichkeit der frühzeitigen Kapitalauszahlung vermehrt zum Bezug von Ergänzungsleistungen im fortschreitenden Alter führt, würde dies den Staatshaushalt zusätzlich belasten. Vielleicht wäre es dann klug, einen Teil des angesparten Kapitals für solche Notfälle zu reservieren und die Möglichkeit des Kapitalbezugs entsprechend einzuschränken.

Auch erscheint es fragwürdig, dass die einzelnen Versicherten ihre Pensionskassen für die zweite Säule nicht frei wählen können, sondern an jene des Betriebes gebunden sind. Längerfristige Unterschiede in der Performance der Pensionskassen können sich nämlich markant auf das Altersguthaben der Versicherten auswirken. Die freie Wahl unter verschiedenen staatlich anerkannten Pensionskassen der zweiten Säule einzuführen, wäre jedoch ein grösseres Unterfangen. Es wäre aber zumindest in einem ersten Schritt wünschenswert, dass die Pensionsversicherten schon bald bessere Informationen über den Erfolg ihrer Pensionskassen im Vergleich zu anderen erhalten.

Da sich die vorher erwähnten Entwicklungen bezüglich der Demographie und der Arbeitsverhältnisse kaum ändern werden, sollten wir uns mittelfristig im Bereich der Altersvorsorge noch weitere Gedanken machen. Der für die AHV vorgesehene Interventionsmechanismus ist eine wichtige Verbesserung. Wir sollten uns aber in einem nächsten Schritt eingehend damit beschäftigen, wie wir die Altersvorsorge so gestalten können, dass auch regelmässige politische Interventionen nicht mehr nötig sind und die Altersvorsorge besser den neuen Entwicklungen im Bereich der Arbeitsverhältnisse entsprechen kann.

Ein weiterer Bereich der Altersvorsorge, der mittelfristig Änderungen braucht, ist die Pflege. Bei der Pflege geht es einerseits darum, wie in Zukunft noch ausreichend Pfleger und Pflegerinnen gefunden werden können. Andererseits gehören die Pflegekosten zu den am stärksten wachsenden Staatsausgaben. Diese Kosten sind heute in verschiedenen Gefässen versteckt: beim Betreuungs- und Pflegegeld, bei der Hilflosenentschädigung, bei der Krankenkasse sowie den Beiträgen von Land und Gemeinden an die Pflegeheime. Dadurch fallen die Pflegekosten und ihr Wachstum kaum auf. Umso mehr müssen wir uns auch bei der Pflege frühzeitig Gedanken machen, damit wir in Zukunft ein grösseres Finanzierungsproblem vermeiden.

Die demographische Entwicklung und die sich ändernden Arbeitsverhältnisse sind auch für unsere Unternehmen eine Herausforderung. Es wäre somit von Vorteil, wenn Staat und Wirtschaft eng zusammenarbeiten, um gemeinsam die langfristig besten Lösungen für die Altersvorsorge zu entwickeln - insbesondere für die Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf. So würden wir nicht nur die richtigen Antworten auf diese Herausforderungen finden, sondern gleichzeitig auch die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes stärken.

Sehr geehrte Landtagsabgeordnete,

Sie werden in den kommenden Monaten wichtige Entscheide fällen. Ich wünsche Ihnen dafür viel Weisheit, Mut und Gottes Segen.