Thronreden

29. März 2001

Thronrede, Fürst Hans-Adam II.

Aufklappen und Zuklappen

Thronrede anlässlich der Eröffnung des Landtages am 29. März 2001

Zur Wahl in den Landtag möchte ich Ihnen sehr herzlich gratulieren und Ihnen danken, dass Sie sich für diese wichtige Aufgabe in unserem Staat einsetzen. Nicht nur dem Landtag, sondern der ganzen liechtensteinischen Bevölkerung ist es in der jüngsten Vergangenheit bewusst geworden, dass unser kleines Heimatland vor grossen Herausforderungen steht.
Die OECD-Staaten haben dem Fürstentum Liechtenstein vorgeworfen, die Justiz würde beim Kampf gegen das organisierte Verbrechen und die Geldwäsche zu wenig unternehmen und die Rechtshilfe funktioniere nur mangelhaft. Leider müssen wir zugeben, dass ein Teil der Vorwürfe berechtigt war. Es gab seit Jahrzehnten Missstände im Justizbereich, auf die sowohl mein Vater als auch ich hingewiesen haben. Die Missstände waren zu einem kleineren Teil auf mangelhafte Vorschriften zurückzuführen, zu einem grösseren Teil jedoch auf personelle Probleme, sowohl was die Quantität als auch die Qualität betrifft. Bekanntlich sind die besten Vorschriften wertlos, wenn sie in der Praxis nicht umgesetzt werden.
Glücklicherweise haben Regierung und Landtag letztes Jahr den Ernst der Lage erkannt und die notwendigen Reformen eingeleitet, was die gesetzlichen Vorschriften und die personellen Ressourcen betrifft. Auch die neue Regierung und der neue Landtag werden auf diesem Weg der Reformen voranschreiten, denn wir müssen zu unserem eigenen Vorteil das grösste Interesse an einem sauberen Finanzplatz haben. Die OECD hat inzwischen auch anerkannt, dass entscheidende Fortschritte erzielt wurden. Was die Sauberkeit des Finanzplatzes betrifft, brauchen wir uns nicht mehr zu schämen. So mancher OECD-Staat hat nun gegenüber Liechtenstein einiges nachzuholen.
In diesem Zusammenhang ist es mir ein Anliegen, die masslosen Beschuldigungen, welche im Herbst 1999 gegen eine Reihe von liechtensteinischen Persönlichkeiten und Institutionen vorgebracht wurden, zurückzuweisen. Die umfangreichen Untersuchungen des liechtensteinischen Sonderstaatsanwaltes in dieser Angelegenheit haben ergeben, dass der Länderbericht über Liechtenstein des Deutschen Bundesnachrichtendienstes, welcher vom Bundeskanzleramt an die Medien weitergeleitet wurde, sich in den Kernaussagen auf Angaben stützt, die ein Informant des Bundesnachrichtendienstes geliefert hat, der wegen Erpressung und Betrug zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde. Dass solche falsche Beschuldigungen ungeprüft übernommen wurden, um auf einen Staat politischen Druck auszuüben, ist eine Vorgangsweise, von der ich gehofft habe, dass sie zumindest in Europa seit einiger Zeit der Vergangenheit angehört.
Sosehr ich davon überzeugt bin, dass das Fürstentum Liechtenstein bedingungslos «Ja» zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens und der Geldwäsche sagen muss sowie zu einer Zusammenarbeit mit den OECD-Staaten auf diesem Gebiet, sosehr bin überzeugt, dass das Fürstentum Liechtenstein bedingungslos «NEIN» zu den Wünschen der OECD-Staaten sagen soll, was die Steuerharmonisierung betrifft. Steuerharmonisierung ist nichts anderes als eine freundliche Umschreibung für den Versuch, ein weltweites Steuerkartell zu errichten. Dass die gleichen Politiker, welche mit allen möglichen und leider auch unmöglichen Mitteln die Errichtung eines weltweiten Steuerkartells anstreben, private Kartelle verbieten und unter Strafe stellen, ist nur die eine Seite des Problems. Das grössere Problem ist, dass dieses Steuerkartell unter völliger Missachtung der Privatsphäre des einzelnen Menschen, was dessen finanzielle Verhältnisse betrifft, errichtet werden soll. Es soll ein umfassender und weltweiter Informationsaustausch stattfinden. Am Ende steht der gläserne Mensch, der gegenüber dem Staat in allen seinen finanziellen Transaktionen Rechenschaft schuldet.
Es kommt hinzu, dass einige OECD-Staaten den Rechtsstaat bezüglich der Steuern auf den Kopf gestellt haben: Muss der Staat in einem Rechtsstaat dem Verbrecher seine Schuld nachweisen, muss der Steuerzahler dem Staat seine Unschuld nachweisen. Am Ende des 20. Jahrhunderts konnte man hoffen, dass sich die Freiheit und der demokratische Rechtsstaat weltweit durchsetzen werden. Am Anfang des 21. Jahrhunderts müssen wir schon wieder darum kämpfen, dass die Menschen nicht in eine neue Form der Leibeigenschaft absinken, wie dies bereits Professor Friedrich August von Hayek in seinem Buch «Der Weg in die Leibeigenschaft» beschrieben hat. Es gibt das Sprichwort, dass der Weg in die Hölle mit guten Vorsätzen gepflastert ist. Die Bemühungen der OECD um eine falsch verstandene Steuergerechtigkeit führen zum weltweiten Steuerkartell und zur Unterbindung des Steuerwettbewerbes, und von dort in die Leibeigenschaft. Ist denn ein Mensch frei, der mehr als die Hälfte des Jahres über Steuern und Abgaben gezwungen wird, Frondienst für den Staat zu leisten?
Es sind die kleinsten und schwächsten Staaten dieser Welt, die heute das Opfer der OECD sind. Es liegt in der Konsequenz dieser Vorgangsweise, dass früher oder später auch grössere Staaten von diesem Prozess erfasst werden. Sollen wir uns alle dem Diktat der OECD beugen? Wollen wir eine Weltregierung, die OECD heisst und gegenüber niemandem verantwortlich ist, ausser vielleicht einigen Politikern, die im Hintergrund die Fäden ziehen?
Falls die OECD ein Steuerkartell errichten will, steht ihr das frei, solange nur die Mitgliedländer betroffen sind. Jeder Versuch, dieses Steuerkartell mit Sanktionsdrohungen auf Nicht-Mitgliedstaaten auszudehnen, ist ein klarer Verstoss gegen das Völkerrecht. Wenn die OECD der Meinung ist, dass wir im Völkerrecht Vorschriften brauchen, in denen der Steuerwettbewerb geregelt wird, so hat die OECD die Möglichkeit, ihre Wünsche in den dafür zuständigen Gremien vorzubringen. Dabei sollte das Interesse des Steuerzahlers im Vordergrund stehen und nicht vergessen werden, dass alle Kartelle früher oder später gescheitert sind und den Betroffenen mehr Schaden zugefügt haben, als wenn man sich gleich dem Wettbewerb gestellt hätte.
Sehr geehrte Abgeordnete: Wie Sie sehen, steht unser kleines Heimatland in den nächsten Jahren vor grossen Herausforderungen, und wir können uns den Luxus einfach nicht mehr leisten, den Verfassungsstreit über die Zukunft der Monarchie fortzusetzen. Dieser Streit schadet uns allen innen- und aussenpolitisch, in einer Zeit, in der wir im Interesse des Landes zusammenarbeiten sollten. Die Bedingungen, zu denen das Fürstenhaus ein Staatsoberhaupt stellt, welches politische Verantwortung trägt, sind bekannt. Der Vorwurf einiger Politiker, der Verfassungsentwurf des Fürstenhauses stärke die Monarchie auf Kosten des demokratischen Rechtsstaates, entspricht nicht den Tatsachen. Das Gegenteil ist der Fall:
1. Der Fürst verzichtet auf die Beamtenernennungen zugunsten der Regierung.
2. Der Fürst verzichtet bei den Richterernennungen auf das Vetorecht.
3. Das Notrecht des Fürsten wird zeitlich und materiell eingeschränkt.
4. Nicht nur der Fürst kann der Regierung das Vertrauen entziehen, sondern neu auch der Landtag.
5. Dem Volk soll die Möglichkeit gegeben werden, ein Misstrauensvotum gegen den Fürsten einzubringen, worauf das Fürstenhaus den Fürsten seines Amtes entheben kann.
6. Das Volk hat die Möglichkeit, über eine Verfassungsinitiative die Monarchie abzuschaffen, ohne dass Fürst oder Fürstenhaus dagegen ein Veto einlegen können.
Ich möchte ausdrücklich festhalten, dass es dem Fürstenhaus nicht um politische Macht geht. Wir können sehr gut mit einer Monarchie leben, welche nur noch symbolische Bedeutung hat, oder auch mit der Republik. Darüber entscheiden aber nicht einige Politiker, sondern gemäss Verfassungsvorschlag des Fürstenhauses das Volk. Solange die Mehrheit des Volkes wünscht, dass wir im Fürstenhaus zu der politischen Verantwortung stehen, welche unsere Vorfahren übernommen haben, werden wir dies sowohl in guten wie auch in schlechten Zeiten tun. Wir sind im Fürstenhaus zuversichtlich, dass wir gemeinsam die schwierige Situation überwinden werden und die seit Jahrzehnten erfolgreiche Entwicklung des Landes fortsetzen können.
Sehr geehrte Abgeordnete: Für die vor Ihnen liegenden Aufgaben wünsche ich Ihnen viel Erfolg und Gottes Segen.