Thronreden

04. April 1963

Thronrede, Fürst Franz Josef II.

Aufklappen und Zuklappen

Thronrede anlässlich der Eröffnung des Landtages am 4. April 1963

Meine Herren Abgeordneten! Ich habe Sie heute zur Eröffnung der neuen Sessionsperiode des Landtags einberufen und möchte nun auf einige Fragen und Probleme hinweisen, welche sich dem Landtag stellen werden.

Wenn wir heute die politische und wirtschaftliche Situation Liechtensteins und seine für die nächste Zeit gegebenen Entwicklungsmöglichkeiten überdenken, so haben wir vor allem die Lage unseres Landes in Bezug auf die europäischen Einigungsbestrebungen zu betrachten. Das Streben einer Reihe europäischer Länder auf eine immer engere wirtschaftliche und politische Verbindung geht unaufhaltsam vorwärts, und wir haben daher schon jetzt jene Massnahmen zu beraten und vorzubereiten, die notwendig sein werden, um gegenüber dem sich bildenden grossen Wirtschaftsraume bestehen zu können.

Der Haushalt unseres Staates befindet sich seit Jahren in einem erfreulicherweise soliden und ausgeglichenen Zustand. Wir müssen aber bereits heute trachten, die Einnahmenseite des Staatshaushaltes so auszurichten, dass wir auch bei Bestehen eines grossen europäischen Wirtschaftsraumes mit diesen Einnahmen rechnen können. Wenn wir vorausblickend planen wollen, so ist darauf zu sehen, dass sich die Staatseinnahmen nicht auf Quellen stützen, die vielleicht eines Tages nicht mehr zur Verfügung stehen.

Die Wirtschaft unseres Landes zeigt weiterhin eine Aufwärtsentwicklung in einem geradezu stürmi-schen Umfang. Hier wären alle Bemühungen darauf zu richten, dass sich unsere Wirtschaft im Hin-blick auf die kommenden Zeiten weitgehendst rationalisiert. Denn nur so haben wir die Aussicht, wirklich konkurrenzfähig zu bleiben. Wegen ihrer dynamischen Entwicklung muss sich unsere Wirt-schaft in einem sehr weitgehenden Umfang auf fremde Arbeitskräfte stützen. Ich sehe hierin eine gewisse Gefahr für die Zukunft, denn es können Umstände eintreten, dass diese fremden Arbeits-kräfte eines Tages unserer Wirtschaft nicht mehr im notwendigen Masse zur Verfügung stehen.

Als eine der nächsten Aufgaben wird sich wohl die Neufassung des Gewerbegesetzes stellen. Bei der Behandlung dieser Frage wird man trachten müssen, dass das Gesetz sowohl den gesamten Interessen des Gewerbes und des Staates als auch dem Prinzip der wirtschaftlichen Freiheit Rechnung trägt.

In dieser Sessionsperiode wird auch das Problem einer Revision des Gesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung zu behandeln sein. Die fortschreitende Teuerung veranlasst eine Novellierung dieses Gesetzes, doch muss gleichzeitig darauf Bedacht genommen werden, dass sich diese Revision im Rahmen des sowohl versicherungstechnisch, als auch wirtschaftlich Tragbaren hält.

Abschliessend möchte ich noch auf ein Problem weisen, das mir für die Jugend unseres Landes wichtig zu sein scheint. Die immer mehr ansteigenden Bodenpreise machen es den jungen Bürgern unseres Landes, die einen eigenen Haushalt gründen wollen, schwer oder sogar manchmal unmög-lich, den für den Bau eines Eigenheimes notwendigen Grund zu erwerben. Man wird sich die Frage überlegen müssen, ob nicht die einzelnen Gemeinden bestimmte Grundflächen, solange deren Preise noch nicht zu hoch sind, ankaufen sollten, um diese später dann Gemeindebürgern, die einen Hausstand gründen, zu einem tragbaren Preis weiterzugeben. Es wäre daran zu denken, dass vielleicht das Land jenen Gemeinden, die für solche Ankäufe die notwendigen Mittel nicht besitzen, durch Darlehen an die Hand geht. Diese Darlehen könnten dann nach dem Weiterverkauf der Böden verrechnet werden.

Nun wünsche ich Ihnen, meine Herren Abgeordneten, für Ihre verantwortungsvolle Arbeit den Segen Gottes und erkläre die diesjährige Sessionsperiode des Landtages gemäss Artikel 54 der Verfassung für eröffnet.