Thronreden

16. April 1986

Thronrede, Fürst Hans-Adam II.

Aufklappen und Zuklappen

Thronrede anlässlich der Eröffnung des Landtages am 16. April 1986



Es ist für mich eine besondere Freude, erstmals in der liechtensteinischen Geschichte eine Frau im Landtag begrüssen zu können. Ich möchte Ihnen, Frau Abgeordnete, aber auch allen anderen Frauen danken, dass Sie sich dieser Wahl gestellt haben. Sicher hätte die von beiden Parteien vorgeschlagene Landtagserweiterung noch eine stärkere Vertretung der Frauen in unserem Landtag ermöglicht.

Aber auch allen anderen Abgeordneten möchte ich danken, dass Sie sich entschlossen haben. Ihre Zeit und Ihre Arbeitskraft für das Wohl der Allgemeinheit einzusetzen. Der Vorteil des Kleinstaates ist, dass er dem Einzelnen mehr Möglichkeiten der Mitentscheidung einräumt. Andererseits hat der Kleinstaat den Nachteil, dass er stärker auf die Mitarbeit des Einzelnen angewiesen ist. Viele Aufgaben, die im grossen Staat vollamtlich gelöst werden, müssen bei uns im Nebenamt oder gar ehrenamtlich bewältigt werden. Die liechtensteinische Bevölkerung sollte deshalb all denen dankbar sein, die aus idealistischen Motiven politisch tätig sind. Für die meisten ist dies mit finanziellen Opfern verbunden und einem Verzicht auf Freizeit. Leider ist in der Politik Dankbarkeit die Ausnahme und nicht die Regel und jeder muss mit berechtigter und unberechtigter Kritik rechnen, besonders zu Wahlzeiten. Diese Kritik sollte aber nicht so weit führen, dass immer weniger Menschen bereit sind, für die Öffentlichkeit tätig zu sein.

In den nächsten Jahren werden für die Zukunft Liechtensteins wichtige Entscheidungen zu fällen sein. Es ist deshalb erfreulich, dass es den Parteien trotz eines harten Wahlkampfes gelungen ist, wieder eine gemeinsame Grundlage für die weitere Zusammenarbeit zu finden.

Die Erweiterung des Landtages ist sicher eine dieser Fragen, welche beide Parteien versuchen sollten, gemeinsam zu lösen. Die getrennten Vorlagen, über die letztes Jahr abgestimmt wurde, haben in der Bevölkerung eine überraschend hohe Zustimmung gefunden. Offensichtlich steht das liechtensteinische Volk einer Erweiterung des Landtages positiv gegenüber und wartet darauf, dass sich die Parteien auf einen Vorschlag einigen können. Bei der S»uche nach einer Lösung sollte sicher auch die Frage untersucht werden, ob man weiter an der Einrichtung der Ersatzabgeordneten festhalten will, die bereits in der Vergangenheit Anlass zu verschiedenen Diskussionen war.

Der Landtag wird sich auch mit einer Neuregelung im Bereich der Staatsstellen, der Staatsbeamten und Staatsangestellten befassen müssen. Dieser Bereich muss an die verfassungsrechtlichen Vorschriften angepasst werden und auch den Anforderungen genügen, welche die moderne Zeit an unsere Staatsverwaltung stellt. Wir kennen den Zwang aus der Wirtschaft, dass sich Organisationsformen den rasch ändernden Verhältnissen anpassen müssen, um zu überleben. Die staatliche Verwaltung ist diesem Zwang sicher weniger stark ausgesetzt, doch auch sie muss flexibel bleiben. Nur so wird unsere öffentliche Verwaltung bürgernah und effizient sein.

Mit einem weiteren Bereich wird sich der Landtag auseinandersetzen müssen, der in der liechtensteinischen Öffentlichkeit schon lange diskutiert wird. Seine Durchlaucht der Landesfürst hat seit 1960 immer wieder in seinen Landtagsreden auf die Notwendigkeit einer grösseren Steuergerechtigkeit und einer Einkommenssteuer hingewiesen. Damals waren die Widerstände gegen eine so grundlegende Reform unseres Steuerwesens offensichtlich sehr gross, währenddem heute anscheinend die Zeit dafür reif ist.

Wenn auf so einem wichtigen Gebiet wie dem Steuerwesen grundlegende Reformen geplant sind, müssen die Konsequenzen gut durchdacht sein. Das bestehende Steuerrecht entspricht zwar nicht dem heutigen Empfinden nach Steuergerechtigkeit, hat aber den Vorteil, dass es einfach ist. Die Einkommenssteuer r wie sie die meisten Industriestaaten kennen, bietet zwar vom Prinzip her eine grössere Steuergerechtigkeit, ist aber in vielen Fällen äusserst kompliziert. Dies führt zu einer zusätzlichen Belastung, einerseits der staatlichen Verwaltung und andererseits des Steuerzahlers. Ausserdem überblicken dann nur noch mehr ganz wenige hochqualifizierte Fachleute das gesamte System in allen seinen Auswirkungen. Die internationale Erfahrung aus meiner vergangenen wirtschaftlichen Tätigkeit hat mir immer wieder folgendes gezeigt: In den meisten Ländern zahlt nicht der am meisten Steuern, der das höchste Einkommen hat, sondern wer sich keinen guten Steuerberater leisten kann. Ein kompliziertes Steuersystem führt deshalb neben der administrativen Mehrbelastung auch noch zu extremen Steuerungerechtigkeiten, welche von der Öffentlichkeit nur in den seltensten Fällen wahrgenommen werden. Aus Gründen der Steuergerechtigkeit ist das Prinzip der Einkommenssteuer in Liechtenstein zu begrüssen, aber aus dem gleichen Grund soll es so einfach wie möglich gestaltet werden. Nur dann werden wir alle Konsequenzen dieses neuen Steuergesetzes für Staat und Wirtschaft erkennen.

Ich möchte noch einen Bereich erwähnen, welcher schon in meiner letzten Landtagsrede einen Schwerpunkt bildete und seither nichts von seiner Aktualität für Liechtenstein ein-gebüsst hat - und das ist die UNO. In der Schweiz wurde die UNO-Mitgliedschaft vergangenes Jahr intensiv diskutiert und vor wenigen Wochen massiv abgelehnt. Das Schweizer Volk hat entschieden, dass der Verzicht auf die UNO-Mitgliedschaft den Interessen der Schweiz in der Welt besser dient als eine Mitgliedschaft.

Die Gründe, welche zu diesem Entscheid geführt haben, muss man respektieren. Gleichzeitig muss man aber auch feststellen, dass die Situation Liechtensteins historisch und politisch bedingt grundlegend anders ist.

Am Beginn der liechtensteinischen Unabhängigkeit stand das diplomatische Geschick der Grafen von Werdenberg-Sargans, welche beim damaligen Kaiser die Reichsunmittelbarkeit erreichten. Am Anfang der schweizerischen Geschichte stand dagegen der Krieg gegen die Habsburger und Burgunder für die Unabhängigkeit. Die Existenz und Unabhängigkeit Liechtensteins wurde in den folgenden Jahrhunderten durch die Mitgliedschaften in Organisationen und Teilnahme an Konferenzen gesichert, die man heute als international bezeichnen würde: das Heilige Römische Reich, der Rheinbund, der Wiener Kongress, der Deutsche Bund usw. Die Schweiz dagegen vertraute auf ihre bewaffnete Neutralität, welche seit langer Zeit international anerkannt wird. Die Gleichberechtigung und damit auch die Existenz von Kleinstaaten in der Grosse Liechtensteins wurde in der Vergangenheit immer wieder in Frage gestellt. Neben dem fehlenden Militär war das sicher auch ein Grund, warum das Gesuch Liechtensteins um Mitgliedschaft beim Völkerbund fast einstimmig abgelehnt wurde. Die Schweiz dagegen wurde zum begehrten Sitz vieler internationaler Organisationen, selbst für so4che, bei denen sie nicht Mitglied war. Darüberhinaus verfügt die Schweiz über einen hervorragenden diplomatischen ' Apparat, welcher sowohl die Interessen der Schweiz vertritt, als auch die Unabhängigkeit des Landes dokumentiert. Im Ernstfall kann sich die Schweiz auch auf eine glaubwürdige bewaffnete und international anerkannte Neutralität verlassen. Liechtenstein dagegen wird sich wohl auch in Zukunft nur auf sein diplomatisches Geschick verlassen können.

In aller Offenheit wird man allerdings festhalten müssen, dass der Widerstand gegen eine UNO-Mitgliedschaft in der Schweiz, In Liechtenstein und auch in anderen Demokratien durch die Unbeliebtheit dieser Organisation hervorgerufen wird. Wer sich aber näher mit der UNO befasst, wird feststellen, dass viele Vorurteile in der Bevölkerung unberechtigt sind. Ausserdem unterliegt eine internationale Organisation wie die UNO ebenso wie Liechtenstein und andere Kleinstaaten den Gesetzmässigkeiten der internationalen Medien: schlechte Nachrichten finden gewöhnlich mehr Beachtung als gute. Sicher ist ein Teil der Vorwürfe gegenüber der UNO berechtigt, aber schliesslich ist jede Weltorganisation ein Spiegelbild der Welt, in der wir leben. Auch die Organisationen, in denen Liechtenstein früher Mitglied war oder die Konferenzen, an denen wir teilnahmen, entsprachen nicht unseren Idealvorstellungen und trotzdem verdankt Liechtenstein ihnen seine Unabhängigkeit: dem Heiligen Römischen Reich, dem Rheinbund, dem Wiener Kongress und dem Deutschen Bund.

Ich möchte Sie bitten, die Frage einer UNO-Mitgliedschaft Liechtensteins sorgfältig und gründlich durchzudenken. Lassen Sie sich dabei nicht durch den Einfluss aus dem Ausland, insbesondere der Medien, beeindrucken. Das langfristige Interesse Liechtensteins und seiner Bevölkerung muss im Vordergrund stehen.

Ihnen und all den anderen, die für die Interessen Liechtensteins tätig sind, wünsche ich für die kommende Legislaturperiode nicht nur viel Erfolg und Gottes Segen, sondern auch für Ihren Einsatz die verdiente Anerkennung in der Öffentlichkeit.