Thronrede anlässlich der Eröffnung des Landtages am 9. Februar 1994
Im Jahre 1994 treffen wir voraussichtlich die endgültige Entscheidung über die Mitgliedschaft Liech-tensteins im EWR. Es wird eine sehr wichtige Entscheidung sein, die die wirtschaftliche und politische Zukunft unseres Landes auf Jahrzehnte beeinflussen könnte, ähnlich dem Zollvertrag, für den wir der Schweiz ebenso dankbar sein müssen wie für das Verständnis in den laufenden Verhandlungen.
Trotz der innenpolitischen Schwierigkeiten des vergangenen Jahres ist es der Regierung und den zuständigen Beamten gelungen, mit Vertretern der Schweiz Lösungen auszuarbeiten, welche es Liechtenstein ermöglichen sollten, sowohl den Zollvertrag aufrecht zu erhalten als auch dem EWR beizutreten.
Die Ausarbeitung dieser Lösungsplattform hat länger gedauert als ursprünglich angenommen, denn es mussten zuerst jene Bereiche zwischen der Schweiz und Liechtenstein erfasst werden, in denen eventuell durch unsere EWR-Mitgliedschaft Probleme entstehen könnten. Ausserdem war es nötig, sich einen Ueberblick zu verschaffen, welche technischen Vorschriften aus dem EWR-Abkommen die Schweiz autonom nachvollziehen wird. Entgegen einer oft gehörten Meinung sind es nicht der Zollvertrag oder Zollvorschriften, welche in erster Linie Probleme verursachen, sondern die vielfältigen technischen Vorschriften, welche alle unsere Lebensbereiche erfassen. Beim geplanten Beitritt Liechtensteins zum EWR werden wir folgendes berücksichtigen müssen: Ein rascher Beitritt ist besonders für unsere Industrie von Vorteil. Eine Verzögerung vereinfacht die Administration wegen der laufenden Angleichung der schweizerischen Vorschriften an den europäischen Standard.
Die liechtensteinische Bevölkerung hat zwar mit beeindruckender Mehrheit am 13. Dezember 1992 grundsätzlich Ja zum EWR gesagt. Es gibt allerdings noch einflussreiche Kreise, die aus unterschiedli-chen Gründen dem EWR ablehnend gegenüberstehen. Dafür kann man Verständnis haben, denn das EWR-Abkommen ist ein äusserst umfangreiches und komplexes Vertragswerk, von dem selbst der Fachmann die Auswirkungen nicht im einzelnen voraussagen kann. Deshalb ist ein EWR-Beitritt auch mit gewissen wirtschaftlichen und politischen Risiken verbunden.
Allerdings bin ich überzeugt, dass die Alternativen zum EWR-Abkommen mit sehr viel grösseren Risiken und Nachteilen für Land und Volk verbunden wären. Die Gegner des EWR-Abkommens haben sich in erster Linie auf die möglichen Nachteile und Risiken des Abkommens konzentriert, ohne aber eine bessere Alternative aufzuzeigen. Eine Isolationspolitik Liechtensteins dürfte wohl nicht sehr realistisch sein, nachdem selbst die sehr viel grössere Schweiz über bilaterale Verträge mit der EU versucht, eine Isolation zu verhindern.
Sollen wir gemeinsam mit der Schweiz den Weg der bilateralen Verträge mit der EU gehen? Wer die Verhandlungen der Schweiz mit der EU verfolgt hat, wird feststellen müssen, dass die Ergebnisse, trotz Teilerfolgen, bis jetzt aus liechtensteinischer Perspektive ernüchternd ausgefallen sind. So zeichnet sich bei der Freizügigkeit der Personen ein Abkommen ab, das für Liechtenstein sehr viel ungünstiger wäre als das EWR-Abkommen.
Es liegt im eigenen wirtschaftlichen Interesse der Schweiz, die EWR-Vorschriften im technischen Bereich weitestgehend nachzuvollziehen. Trotzdem werden schweizerische Produkte mit nichttarifären Handelshemmnissen wie z.B. mit aufwendigen Zulassungsverfahren konfrontiert werden, bevor sie in den EWR-Staaten verkauft werden können. Ist Liechtenstein im EWR, kann dagegen das liechtensteinische Produkt, sobald es in Liechtenstein zugelassen ist, im gesamten EWR-Raum verkauft werden. Wer die zum Teil sehr langwierigen Zulassungsverfahren in verschiedenen europäischen Ländern kennt, weiss, dass die EWR-Mitgliedschaft deshalb für unsere innovative Exportindustrie einen sehr grossen Vorteil bedeutet. Wir werden die gut bezahlten Arbeitsplätze in der liechtensteinischen Industrie auf Dauer nur durch ständige Innovation erhalten können. Die liechtensteinische Industrie wird immer der Konkurrenz der Billiglohnländer stark ausgesetzt sein. Ohne EWR-Mitgliedschaft setzen wir sie auch noch der Konkurrenz von Ländern aus, die ihrer innovativen Industrie bessere Produktions- und Vermarktungsmöglichkeiten bieten.
Der Weg über bilaterale Verträge mit der EU ist vielleicht für die Schweiz mit weniger Nachteilen verbunden als für Liechtenstein. Trotzdem hat der Bundesrat die Problematik dieses Weges frühzeitig erkannt. Deshalb hatte sich der Bundesrat, leider ohne Erfolg, für eine EWR-Mitgliedschaft der Schweiz eingesetzt und hält nach wie vor am Fernziel einer EU-Mitgliedschaft fest.
Natürlich wäre für uns eine EWR-Mitgliedschaft der Schweiz die einfachste Lösung gewesen. Realistischerweise müssen wir aber heute mit der Möglichkeit rechnen, dass die Schweiz direkt Mitglied der EU wird. Zum Unterschied von Liechtenstein ist der EWR für die Schweiz keine sehr attraktive Lösung, wenn Oesterreich und einige andere EFTA-Staaten Mitglied der EU werden. Umfrageergebnisse in der Schweiz zeigen zwar derzeit noch eine mehrheitliche Ablehnung einer EU-Mitgliedschaft, aber erfahrungsgemäss kann sich die Volksmeinung relativ rasch ändern. Wir müssen unsere Aussenpolitik darauf aufbauen, dass der Bundesrat mit seiner vorgeschlagenen Integrationspolitik langfristig erfolgreich ist. Wer das EWR-Abkommen ablehnt, sollte eine Lösung für Liechtenstein vorschlagen für den Fall, dass unsere beiden Nachbarstaaten Mitglied der EU werden.
Vor zwei Jahren habe ich in meiner Landtagsrede darauf hingewiesen, dass der EWR und die Integrationspolitik eine aussenpolitische und weniger eine innenpolitische Herausforderung sind. Nur wenige Monate danach führte aber die Integrationspolitik Liechtensteins zu innenpolitischen Spannungen und Auseinandersetzungen, die heute noch nachklingen.
In diesem Zusammenhang wurde insbesondere auch die starke verfassungsmässige Stellung des Fürsten in Frage gestellt. Diese innenpolitische Krise traf das Fürstenhaus nicht ganz unvorbereitet, obwohl ich es persönlich vorgezogen hätte, diese Auseinandersetzung erst führen zu müssen, nachdem wir unsere aussenpolitischen Probleme gelöst haben. Da aber dieser Prozess eingeleitet wurde und bei der Auflösung des Landtages vor ein paar Monaten einen neuen Höhepunkt erreicht hat, ist es sicher das Vernünftigste, wir bringen diesen Prozess sobald als möglich zu einem sinnvollen Abschluss.
Bedenken über die Gefahren eines Machtmissbrauches durch den Fürsten auf Grund seiner starken Stellung im Fürstenhaus und in der Verfassung waren teilweise berechtigt. Mein Vater hat sich schon mit dieser Frage auseinandergesetzt. Und in seinem ersten Entwurf zu einem neuen Hausgesetz finden sich schon Vorschriften, welche diese Gefahren verringern sollten. Das nun vom Fürstenhaus beschlossene und publizierte Hausgesetz besitzt erstmals Vorschriften, welche ein Eingreifen des Fürstenhauses ermöglichen, falls der Fürst seine Macht missbraucht oder aus anderen Gründen seine Aufgaben nicht erfüllt.
Es sollte aber nicht nur das Fürstenhaus eingreifen können, dessen Mitglieder mehrheitlich im Aus-land leben. Von einem Fürsten, der seine Macht missbraucht oder seine Aufgaben nicht erfüllt, wird ebenso die liechtensteinische Bevölkerung betroffen. Deshalb ist es sinnvoll, im neuen Artikel 13ter der Verfassung ein demokratisches Verfahren vorzusehen, welches ein Misstrauensvotum gegen den Fürsten ermöglicht und notfalls die Abschaffung der Monarchie. Das Fürstenhaus soll das Staatsoberhaupt nur so lange stellen, so lange dies von der Mehrheit der Bevölkerung gewünscht wird.
Was die Stellung des Fürsten in der Verfassung betrifft, ist meiner Ansicht nach nicht nur die Einführung des neuen Art. 13ter wichtig, sondern auch eine Aenderung des Art. 11 über die Beamtenernennung. Bei Art. 11 handelt es sich weitgehend um ein Relikt aus der Zeit, als der Monarch noch die Regierungsgeschäfte führte. In so einer Situation ist es sicher richtig, wenn der Monarch die ihm unterstellten Beamten ernennt. In Liechtenstein war dies von untergeordneter Bedeutung, da der Monarch bis 1938 im Ausland wohnte.
Beamtenernennungen durch den Monarchen wurden später da und dort damit begründet, dass der Beamtenapparat nicht Parteiinteressen unterworfen sein soll. In der Praxis hat sich diese Hoffnung nicht erfüllt, nicht zuletzt wegen der grossen Zahl der Beamten, selbst hier im kleinen Liechtenstein. Um diese Erwartungen nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch erfüllen zu können, müsste der Fürst wohl ein eigenes Personalbüro unterhalten. Da der Fürst aber nicht die Regierungsgeschäfte führt und die Beamten im Normalfall die Weisungen der Regierung auszuführen haben, könnte die Effizienz leiden. So eine Regelung würde voraussichtlich zu unnötigen Spannungen zwischen Fürst und Regierung führen.
Die Frage der Parteiunabhängigkeit hat bei den Gerichten und der Verwaltungsbeschwerdeinstanz sicher grössere Bedeutung als beim Beamtenapparat. Die Richter sind gemäss Verfassung unabhängig und zum Unterschied von den Beamten nicht den Weisungen der Regierung unterworfen. Bei der geringen Zahl der Richter lässt sich das Vorschlags- und Ernennungsrecht des Fürsten sehr viel einfacher verwirklichen als bei den Beamten. Der vorgeschlagene Art. 11 verhindert weitgehend die Möglichkeit eines Missbrauches bei den Richterernennungen, sei es durch den Fürsten, sei es durch den Landtag. Das demokratische Element wird in unserer Verfassung dadurch weiter gestärkt. Ausserdem ist es sicher richtig, wenn wir aus den Erfahrungen der letzten Jahre, wie z.B. aus der Staatsgerichtshofaffäre, gewisse Konsequenzen ziehen.
Damit die Beamtenernennungen der Regierung nicht weiterhin in Verletzung der Verfassung erfol-gen, habe ich, nach Rücksprache mit der Regierung, diese ermächtigt, bis Ende 1994 die Beamten zu ernennen. Ich hoffe, dass es noch in diesem Jahr möglich sein wird, die vorgeschlagenen Verfas-sungsänderungen zu beschliessen.
Theoretisch kann man die verfassungsmässigen Rechte des Fürsten noch weiter einschränken, um einen möglichen Machtmissbrauch zu verhindern. Damit sind aber mehrere Gefahren verbunden: Der Fürst verliert seine Unabhängigkeit und könnte gewissen Kreisen als Instrument bei der Ein-schränkung der demokratischen Rechte dienen. Im Ernstfall hat der Fürst keine ausreichenden Kompetenzen, um die Interessen von Land und Volk wahrzunehmen. Und schliesslich besteht die schon früher erwähnte Gefahr, dass der Fürst in der Rolle des Staatsoberhauptes keine sinnvolle Aufgabe mehr erkennt.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, für die vor Ihnen liegenden wichtigen Aufgaben wünsche ich Ihnen viel Erfolg und Gottes Segen.