Thronreden

16. Februar 2000

Thronrede, Fürst Hans-Adam II.

Aufklappen und Zuklappen

Thronrede anlässlich der Eröffnung des Landtages am 16. Februar 2000


In ausländischen Medien erschienen während der vergangenen Monate immer wieder kritische Berichte über das Fürstentum Liechtenstein. Ein Teil dieser Berichte ist sicher falsch, aber wir müssen uns fragen, ob nicht wir manchmal Anlass geboten haben für so eine negative Berichterstattung. Einer der Problembereiche, welcher von den ausländischen Medien dankbar aufgenommen wurde, ist die nun schon seit Jahren andauernde Verfassungsdiskussion. Wir müssen nun im Interesse des Landes eine Entscheidung treffen, wie immer diese Lösung auch aussehen mag, damit alle Beteiligten sich neuen Aufgaben widmen können.

In diesem Zusammenhang möchte ich doch in Erinnerung rufen, dass nicht das Fürstenhaus, sondern Politiker aus allen drei im Landtag vertretenen Parteien mit dieser Verfassungsdiskussion begonnen haben. Der Landtag hat mit überwältigender Mehrheit vor mehreren Jahren eine Verfassungskommission gewählt, welche mit mir in erster Linie über die zukünftige Stellung der Monarchie in der Verfassung Gespräche geführt hat. Bei einigen Verfassungsartikeln konnten wir uns einigen, bei anderen nicht.

Eine unterschiedliche Auffassung besteht offensichtlich schon in der Frage, wozu in Zukunft ein Staat zu dienen hat. Wir sind im Fürstenhaus der Auffassung, dass der Staat dazu dienen soll, dass die Menschen innerhalb seiner Grenzen in Freiheit und Frieden miteinander leben können, und dass die Mitgliedschaft auf Freiwilligkeit beruht. Zwar ist in Europa das Prinzip der Freiwilligkeit, was den Einzelnen betrifft, seit dem Zusammenbruch des Sozialismus in Osteuropa nicht mehr in Frage gestellt, aber inwieweit es grösseren Gruppen zusteht, ist ungeklärt. Das Selbstbestimmungsrecht ist zwar in der UNO-Charta sowie in verschiedenen internationalen Verträgen verankert, aber im Völkerrecht wird es mehrheitlich dahin gehend interpretiert, dass es nur Gruppen zusteht, die sich in Rasse, Religion, Sprache oder Kultur von ihren Nachbarn unterscheiden. Diese Interpretation des Selbstbestimmungsrechtes hat immer wieder zur Unterdrückung von Minderheiten, zur Zwangsassimilierung oder gar zu ethnischen Säuberungen geführt. In einigen Fällen waren Bürgerkriege die Folge, und die betroffenen Staaten sind auseinandergefallen, wie wir das am Beispiel Jugoslawiens in jüngster Zeit aus nächster Nähe mitverfolgen konnten. Aus liechtensteinischer Sicht hat diese problematische Interpretation des Selbstbestimmungsrechtes aber noch einen weiteren grossen Nachteil. Wir unterscheiden uns nicht von unseren Nachbarn in Rasse, Religion, Sprache oder Kultur, und deshalb könnte uns in einem vereinten Europa dieses Selbstbestimmungsrecht nicht mehr zustehen. Das Fürstentum Liechtenstein hat deshalb ein ganz grosses Interesse an einer anderen Interpretation des Selbstbestimmungsrechtes, und zwar eines auf Gemeindeebene. Dafür setzen wir uns schon seit vielen Jahren international ein und können kleine Fortschritte verzeichnen, denn die Einsicht wächst, dass die bisherige Interpretation des Selbstbestimmungsrechtes problematisch ist und viel Unheil angerichtet hat. Wenn wir unsere Interpretation des Selbstbestimmungsrechtes auf Gemeindeebene in der Verfassung verankern, so erhöhen wir nicht nur unsere Glaubwürdigkeit gegenüber aussen, sondern leisten einen wichtigen Beitrag zur langfristigen Absicherung des Selbstbestimmungsrechtes unserer Bevölkerung in Europa.

Wenn hier im Land immer wieder behauptet wird, der Verfassungsvorschlag des Fürstenhauses dient nur dazu, die Macht des Fürsten zu stärken, so ist dies falsch. Wir haben das Notrecht eingeschränkt, um zu verhindern, dass der Fürst auf legalem Wege eine Diktatur errichten kann. Der Fürst soll auf sein Ernennungsrecht bei den Staatsbeamten verzichten sowie auf sein Vetorecht bei den Richterernennungen. Die Regierung soll nicht nur wie bisher zurücktreten, wenn sie das Vertrauen des Fürsten verloren hat, sondern auch dann, wenn sie jenes des Landtages verloren hat. Dem Volk steht das Recht zu, gegen den Fürsten einen Misstrauensantrag einzubringen oder die Monarchie abzuschaffen, ohne das Veto des Fürsten befürchten zu müssen. Der Verfassungsvorschlag des Fürstenhauses soll die Unabhängigkeit der Gerichte erhöhen und verhindern, dass die Parteien oder der Fürst über die Richterernennungen diese Unabhängigkeit gefährden.

Grössere Meinungsverschiedenheiten bestehen auch beim Artikel 112 der Verfassung, der durch den Fall Wille bekannt wurde. Dieser Artikel steht nicht nur im Widerspruch zu Artikel 111 der Verfassung, sondern auch zum modernen Verfassungsstaat. Es ist ein Grundprinzip des modernen Rechtsstaates, dass allgemein verbindliche Erläuterungen auf dem gleichen Wege beschlossen werden müssen wie Verfassungsänderungen, und nicht durch eine Übereinkunft zwischen Regierung und Landtag oder durch einen Beschluss des Staatsgerichtshofes. Den Artikel 112 dahin gehend zu interpretieren, dass der Staatsgerichtshof bei Konflikten zwischen dem Fürsten und dem Landtag entscheidet, würde nicht nur dem Sinne, sondern auch dem Wortlaut der Verfassung widersprechen. Interpretieren staatliche Institutionen Verfassung und Gesetz entgegen ihrem Sinn und ihrem Wortlaut, zerstören sie die Grundlagen des Rechtsstaates.

Ich möchte noch einmal ausdrücklich festhalten, dass es dem Fürstenhaus nicht um politische Macht geht, sondern um politische Prinzipien. Es geht uns auch nicht um wirtschaftliche Vorteile, denn das Amt des Staatsoberhauptes kostet den jeweiligen Fürsten Zeit und Geld. Es geht uns auch nicht um eine Profilierung in der Öffentlichkeit, denn wir ziehen es vor, ein von den Medien ungestörtes Privatleben zu führen, um uns jenen Aufgaben zu widmen, die uns wichtig erscheinen. Man kann mit den Bedingungen des Fürstenhauses einverstanden sein oder nicht. Der Landtag wird sich aber mit der Tatsache abfinden müssen, dass nicht der Landtag, sondern das Fürstenhaus die Bedingungen festlegt, zu denen das Fürstenhaus im Fürstentum Liechtenstein das Staatsoberhaupt stellt. Ist der Landtag mit den Bedingungen des Fürstenhauses nicht einverstanden, so möchte ich ihn bitten, eine Alternative zum Fürstentum Liechtenstein auszuarbeiten und vorzuschlagen.

Grundsätzlich sind wir im Fürstenhaus, wie ich das wiederholt schon gesagt habe, bereit, ein Staatsoberhaupt zu stellen, welches keine politische Macht hat, sondern nur noch eine symbolische Bedeutung. Auch dann werden wir unsere Bedingungen stellen, denn nur in einem funktionierenden demokratischen Rechtsstaat können wir es uns leisten, auf Dauer das Staatsoberhaupt zu stellen. Wir sind jedoch der Überzeugung, dass man zuerst über den Vorschlag entscheiden soll, bei dem die Monarchie politische Funktionen ausübt. Erstens glauben wir, dass eine Mehrheit der Bevölkerung so eine Lösung wünscht, denn die Entwicklung der vergangenen sechzig Jahre ist doch im Grossen und Ganzen recht positiv verlaufen. Zweitens glauben wir, einen positiven Beitrag für die Entwicklung dieses Landes und seiner Bevölkerung weiterhin leisten zu können. Wir tun das gerne, denn wir lieben dieses Land und seine Bevölkerung, es ist schliesslich unsere Heimat. Ich möchte in diesem Zusammenhang aber doch noch einmal ausdrücklich betonen, dass wir diese Aufgabe nur ausüben können und wollen, solange eine Mehrheit des liechtensteinischen Volkes dies auch wünscht.

Sehr geehrte Frau Abgeordnete, sehr geehrte Herren Abgeordnete, für die vor Ihnen liegenden Aufgaben wünsche ich Ihnen viel Erfolg und Gottes Segen.