09. Juli 1953
Thronrede, Fürst Franz Josef II.
Thronrede anlässlich der Eröffnung des Landtages
am 9. Juli 1953
Als ich den am 15. Februar 1953 gewählten Landtag eröffnete, habe ich einige wichtige und dringende Aufgaben, die auf die Beschlussfassung durch die Volksvertretung warteten, genannt und die Herren Abgeordneten ersucht, das ihnen vom Volke übertragene Mandat zum Wohl von Land und Volk auszuüben. Doch wurde der Landtag gleich zu Beginn seiner Tätigkeit aktionsunfähig infolge der Meinungsdifferenzen bei Bestellung des Verwaltungsrates der Alters- und Hinterlassenenversicherung. Ich habe daher den Landtag aufgelöst und das Volk hat seine Vertretung neu gewählt.Die Neuwahlen vom 14. Juni haben keine Veränderung in der Zahl der Abgeordneten, die jede der beiden Parteien in den Landtag entsendet, gebracht. Es ist auch nicht anzunehmen, dass die wahlfähige Bevölkerung des Lande bei einer nochmaligen Befragung des Volkswillens ihren Standpunkt ändert.Unter diesen Verhältnissen bestehen demnach zwei Möglichkelten zur zukünftigen Gestaltung des politischen Lebens. Die eine Möglichkeit, die ich als Staatsoberhaupt dringend empfehle ich die, dass die Parteien sich zur Beilegung des Streites zusammenfinden. Ich bin der festen Überzeugung, dass eine Lösung gefunden werden kann, wenn der Wille vorhanden ist, eine Lösung zu finden und ebenso bin ich der Überzeugung, dass diese Lösung vom Volke gutgeheissen wird, denn das Volk und der Staat verlangen, dass von der Volksvertretung konstruktive Arbeit geleistet wird. Ich appelliere daher an die politischen Parteien, sobald wie möglich eine Lösung der Streitfrage zu bewerkstelligen und auch zu beraten, ob nicht in Anbetracht der noch immer sehr kritischen Weltlage die Notwendigkeit zum Abschluss einer Koalition beste Das Volk erwartet nicht nur, dass die Alters- und Hinterlassenenversicherung in Kraft gesetzt, sondern auch, dass die weitere Arbeit des Parlamentes durchgeführt wird,Die zweite Möglichkeit, die Artikel 10 der Verfassung vorsieht, ist die Erklärung des Notrechtes» Ich hoffe, dass ich als Landesfürst davon keinen Gebrauch machen muss, aber ich sehe mich veranlasst zu erklären, dass ich den Notstand als gegeben erachte, wenn das heute zusammengetretene Parlament nicht arbeitsfähig ist und ich werde nicht zögern, wenn dies sich ergeben sollte, das Notrecht in Kraft zu setzen. Ich kann als Landesfürst nicht gestatten, dass das Land wegen Meinungsdifferenzen der politischen Parteien Schaden leidet und dass Staatsgeschäfte deswegen nicht erledigt werden können. Ich werde nur sehr ungern den Artikel 10 der Verfassung anrufen, aber ich würde in diesem Falle dazu verpflichtet sein.Ich eröffne hiemit den neugewählten Landtag und ich ersuche die Herren Abgeordneten, bei der Ablegung ihres Eides als Vertreter des Volkes an die ihnen übertragene Aufgabe zu denken und sich vorzunehmen, die Konflikte) die sich aus dem politischen Zusammenleben ergeben im Interesse und zum Wohle des Volkes als Gesamtheit zu lösen. Wenn Sie, meine Herren Abgeordneten, jetzt bei dieser feierlichen Handlung Gott anrufen, so wird er, wenn wir guten Willens sind, seinen Segen nicht versagen.