28. März 1960
Thronrede, Fürst Franz Josef II.
Thronrede anlässlich der Eröffnung des Landtages
am 28. März 1960
Anlässlich der Eröffnung der diesjährigen Session des Landtages möchte ich über einige wichtige Probleme und Aufgaben zu Ihnen sprechen, mit welchem Sie sich in der nächsten Zeit befassen müssen.Im abgelaufenen Jahr hat der Landtag durch die Beschlussfassung betreffend das Invalidengesetz und die Erhöhung der AHV-Renten wichtige soziale Fragen einer Lösung zugeführt. Hiemit sind soziale Probleme, die unser Land bewegten, positiv behandelt worden und die Sozialgesetzgebung hat jenen Stand erreicht, den unser Land benötigtDagegen wird es notwendig sein, durch die Novellierung der Steuergesetzgebung Liechtensteins auch in Steuerfragen jenen Status sozialer Gerechtigkeit zu geben, der den heutigen Zeiten angepasst ist. Die Vorarbeiten hiezu sind soweit gediehen, dass es dem Landtag möglich sein dürfte, diese schon durch mehrere Jahre sich hinziehende Angelegenheit in der jetzigen Session zu erledigen.Einer der ersten Traktandenpunkte, die Ihnen, meine Herren Abgeordneten, zur Beschlussfassung vorgelegt werden wird, ist die Ratifizierung des Einbezuges Liechtensteins in die kleine Freihandelszone. Durch diesen Schritt beginnt für die Wirtschaft Liechtensteins ein neuer Zeitabschnitt. Durch bald vier Jahrzehnte war die Entwicklung unserer Wirtschaft gekennzeichnet durch die Verträge, welche wir mit der Schweizer Eidgenossenschaft abgeschlossen haben. Diese Wirtschaftsunion hat sich für Liechtenstein in einer ausgesprochen glücklichen Form ausgewirkt und ihr Bestehen, das sich zu einem Verhältnis enger Freundschaft entwickelte, erfüllt uns Liechtensteiner stets mit Dankbarkeit. Durch den Beitritt Liechtensteins zur EFTA werden unsere engen Beziehungen zur Schweizer Eidgenossenschaft nicht gelockert, und ich möchte der Hoffnung Ausdruck geben, dass sich unsere Wirtschaft auch im Rahmen der neuen, grösseren Wirtschaftsgemeinschaft in gleicher Weise weiterentwickelt wie bisher.Weitere wichtige Aufgaben des Landtages auf wirtschaftlichem Gebiete sehe ich vor allem in der Schaffung eines Bankengesetzes und eines Gesetzes über die Investmentfonds. Die Kleinheit unseres Landes veranlasst uns, der Frage der Neugründung von Bankinstituten ein besonderes Augenmerk zuzuwenden und der Landtag wird der Regierung alle Mittel in die Hand geben müssen, damit diese bei jedem Antrag auf Neugründung einer Bank die Möglichkeit hat, sowohl die Solidität der Antragsteller als auch die Frage, ob diese Gründung für die Wirtschaft unseres Landes notwendig ist, zu prüfen. Was anderseits die Investmentfonds betrifft, so bringt es die Struktur dieser, in den letzten Jahren immer mehrzunehmenden Anlageform mit sich, dass der Staat im Interesse des soliden Rufes unseres Wirtschaftslebens solche Gründungen genau unter Kontrolle halten muss.Neben diesem, die Wirtschaft unseres Landes berührenden Problem werden Sie sich mit der Schaffung eines neuen Staatsbürgerschaftsgesetzes zu befassen haben. Die Gefahr einer Überfremdung unseres Landes drängt zur Lösung. Es wird zu untersuchen sein, ob man nicht Ausländer, die durch lange Zeit, oft schon durch mehrere Generationen, hier ansässig sind, die Einbürgerung erleichtern kann. Diese Ausländer haben meist hier bei uns tatsächlich eine neue Heimat gefunden, denken und fühlen als Liechtensteiner, in vielen Fällen haben Liechtensteinerinnen in solche Familien hineingeheiratet, und es sollte doch möglich sein, diesen Personenkreis, der der Gesinnung nach schon längst zu uns gehört, nun auch rechtlich in unseren Staatsverband aufzunehmen. Erste Voraussetzung wird natürlich immer sein, in jedem einzelnen Falle die Frage der Würdigkeit einer genauen Prüfung zu unterziehen. Auch für Kinder aus einer Ehe eines Ausländers mit einer Liechtensteinerin, die im Lande geboren und aufgewachsen sind, wären neue Regelungen zu suchen.Mit dem Wunsche, dass Gottes Segen Ihre Arbeit auch in diesem Jahre begleiten möge, erkläre ich die neue Sessionsperiode gemäss Artikel 54 der Verfassung für eröffnet