Thronreden

13. März 1970

Thronrede, Fürst Franz Josef II.

Aufklappen und Zuklappen

Thronrede anlässlich der Eröffnung des Landtages am 13. März 1970

Der heutige Tag, welcher sowohl Beginn der jährlichen Sessionsperiode, als auch der vierjährigen Legislaturperiode bedeutet, bringt einem in Erinnerung, dass man nicht nur die laufenden Fragen überdenken sollte, sondern auch Probleme, welche vielleicht schon innerhalb der kommenden vier Jahre eine Entscheidung und Lösung verlangen werden. Manche dieser Probleme wurden bereits vom Regierungskollegium erörtert, vom Landtag in irgendeiner Form zur Kenntnis genommen und in der liechtensteinischen Öffentlichkeit besprochen.

Einen der Themenkreise, welcher gerade in der letzten Zeit in der Öffentlichkeit besprochen wurde - ich brauche nur auf eingesandte Artikel in den liechtensteinischen Zeitungen zu verweisen - ist eine Änderung unserer Ehegesetzgebung. Ich habe schon vor vielen Jahren meine Ansicht mitgeteilt, dass in Liechtenstein lebenden Menschen, welche sich nicht katholisch trauen lassen wollen, die Möglichkeit gegeben sein muss, auch in einer anderen Form hier gemäss unseren Gesetzen eine gültige Ehe zu schliessen. Es leben ja in Liechtenstein Menschen, welche anderen christlichen Bekenntnissen, der jüdischen Religionsgemeinschaft, aber auch der Gruppe der Konfessionslosen angehören. Es wird also neben der religiösen Trauung von konfessionell Gebundenen eine zivile Trauung in Erwägung zu ziehen sein. Diese zivile Trauung darf aber nicht, das möchte ich jetzt schon sagen, als Freipass betrachtet werden, um nach Laune und Wunsch Ehen zu schliessen und zu scheiden. Ich muss dies umsomehr betonen, da auch hier im Lande immer wieder von den unglücklichen Partnern gescheiterter Ehen gesprochen wurde, die sich nicht mehr verehelichen können, ohne aber gleichzeitig in diesen Gesprächen der Kinder aus solchen Ehen zu gedenken.

Ein wichtiges Problem, welches sich in der nahen Zukunft stellt, wird eine moderne Organisation der Landesverwaltung sein, für die übrigens schon Vorarbeiten und Pläne existieren. Die Anforderungen an die Landesverwaltung werden nicht nur steigen, da Ausdehnung und Intensivierung unserer Wirtschaft den Ausbau der sozialen Dienste bedingen und die Verpflichtungen des Landes gegenüber den kulturellen und Bildungsansprüchen des Volkes wachsen, sondern auch durch die immer enger werdenden Bindungen mit den internationalen Organisationen. Ich will jetzt drei dieser Institutionen nennen und zwar die EFTA, den Europarat und die UNO. Vielleicht werden wir noch zusätzlich in der Zukunft engere Bindungen zur EWG bekommen. Es zeigt sich zum Beispiel, dass es der Landesverwaltung kaum mehr möglich ist, die Rundschreiben und Anfragen von solchen Institutionen entsprechend zu bearbeiten. Die Leistungsfähigkeit der Landesverwaltung muss erhöht werden, ohne dass dem Land deshalb unnötige Belastungen erwachsen. Daher wird es unbedingt notwendig sein, einen Plan für eine Organisation aufzustellen, welcher den Ansprüchen der heutigen Zeit genügt.

Davon ist auch eine zeitgemässe Arbeitsweise der Regierung nicht zu trennen, denn ein guter Stab von qualifizierten Mitarbeitern genügt nicht, sondern die Regierungsmitglieder müssen auch durch Abtretung von Kompetenzen an untergeordnete Stellen die Zeit bekommen, wichtige Fragen zu überdenken und zu bearbeiten. Es wird auf die Dauer auch nicht gehen, dass der Regierungschef vor dem Landtag die Ressorts aller übrigen Regierungsmitglieder vertritt, denn mit der Intensivierung und der Ausweitung der Landesverwaltung und der Menge wichtiger Probleme, welchen sich die Regierung gegenübersehen wird, ist auf die Dauer ein einzelner Mann überfordert.

Wenn aber inskünftig die einzelnen Regierungsmitglieder vor dem Landtage ihre Ressorts vertreten, so wird wohl in der Kollegialregierung die Stellung des Regierungschefs geschwächt, denn nach unserer Verfassung sind die Prärogativen des Regierungschefs kaum ausgebildet. Es ist aber sicher notwendig, dass in der Regierung die Stellung des Regierungschefs irgendwie betont wird und man müsste sich überlegen, wie man in diesem Falle die Schwächung seiner Stellung auf eine andere Weise kompensiert Mir wurde schon öfters von Liechtensteinern das Beispiel der Kollegialregierungen in den Kantonen und des Schweizer Bundesstaates als Beispiel genannt. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass diese Kollegialregierungen der Schweiz gleichzeitig neben ihrer Regierungsfunktion auch die Funktion eines Staatschefs ausüben. Ich als Landesfürst werde aber weiter darauf bestehen, dass es einen Regierungschef gibt, der in erster Linie für die Tätigkeit der Regierung verantwortlich ist und zeichnet

Wie ich schon bei der Jubiläumssitzung des Landtages betonte, müssen wir alles tun, damit das Land in den nächsten Jahren, wenn durch das Zusammenrücken der europäischen Länder wichtige Entscheidungen an uns herantreten, als ein zwar ganz kleiner, aber gesunder und anständiger Partner erscheinen kann. Das beste Rezept dafür ist eine leistungsfähige Industrie und Gewerbe und nicht eine übermässige Aufblähung der Dienstleistungsbetriebe. Neben den bestehenden Investitionsfonds brauchen wir keine neuen, auch keine neuen Banken und Brokerfirmen. Wir sehen, was das zu grosse Wachstum solcher Institutionen für das Arbeitsangebot bedeutet, wenn wir uns vor Augen halten, dass vor ein paar Jahren ein solches Institut vier oder fünf Liechtensteiner und Schweizer beschäftigte und Jetzt über fünfzig. Es werden auf diese Weise dem Gewerbe und der Industrie Arbeitskräfte entzogen und ihr existenznotwendiges Wachstum behindert. Banken und Investitionsfonds können nicht mehr ohne Genehmigung errichtet werden. Wir brauchen aber noch weitere gesetzliche Festlegungen betreffend gewisser Institute.

Ich bin mir bewusst, dass die heutige Landtagseröffnungsrede, wie viele vorhergehende Reden, sehr nüchtern einige Probleme aufzeigt und mit Absicht darauf verzichtet, ihren Inhalt in einen Rahmen grosser Ideale und Ideen zu stellen. Ich habe mir aber vorgenommen, eine der nächsten Landtagsreden wiederum nur dem Menschen zu widmen in seiner Beziehung zu Gesellschaft und Staat. Diesmal kamen mir einige Probleme so wichtig und dringend vor, dass diese die kurze Spanne einer Landtagsrede ganz ausfüllen.

Im Hinblick auf die Zukunft unseres Landes bin ich ein Optimist, und wie könnte es auch anders sein, da ich doch Liechtenstein und sein Volk seit vielen Jahren so gut kenne. Der Charakter und die Fähigkeiten des Liechtensteiners haben aus einem armen und durch die Natur gefährdeten Land etwas geschaffen, auf das wir stolz sein können. Ich hoffe, dass das auch in der Zukunft so bleibt und bitte Gott, dass er in diesem Sinne Land und Leute von Liechtenstein weiterführen möge. Ihnen, meine Herren Abgeordneten, wünsche ich für Ihre Arbeit in den kommenden vier Jahren den Segen Gottes und erkläre die diesjährige Session des Landtages für eröffnet.