Ansprache des Landtagspräsidenten Albert Frick anlässlich des Staatsfeiertages 2020
Es gilt das gesprochene Wort!
Durchlauchter Erbprinz, liebe Liechtensteinerinnen, liebe Liechtensteiner,
„Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.“ Dieser Wilhelm Busch zu geschriebene Spruch trifft auf das Jahr 2020 ganz besonders zu. Mit dem Coronavirus „Covid 19“ brach eine unsichtbare Bedrohung über die Welt herein. Bald mussten auch in Liechtenstein die ersten Infektionen festgestellt werden. Nachrichten von medizinischen Notständen in China, Italien und zunehmend weiteren Ländern lösten Gefühle von Verunsicherung bis hin zu Panik aus. Man war sich einig, dass wir vor der grössten Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg stehen. Das gewohnte und vertraute Alltagsgeschehen wich einer akuten Gefahr mit unbekanntem Ausgang.
Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung waren unverzüglich gefragt. Es war in dieser aussergewöhnlich bedrohlichen Situation völlig klar, dass die Staatsführung ohne Einschränkung funktionieren muss. Auch war klar, dass Regierung und Landtag zusammenarbeiten müssen und sich den Herausforderungen gemeinsam stellen müssen. Es wurden Massnahmen ergriffen und Empfehlungen vermittelt, die viele Bereiche des gewohnten Lebens betrafen und einschneidende Beeinträchtigungen mit sich brachten. Aus heutiger Sicht dürfen wir feststellen, dass eine folgenschwere Ausbreitung der Pandemie in Liechtenstein verhindert werden konnte. Auch dürfen wir dankbar feststellen, dass es uns möglich ist, die wirtschaftlichen Einbrüche dank einer vorausschauenden Finanzpolitik ohne Verschuldung aufzufangen.
Für viele unserer Mitmenschen wurde Corona zur herausfordernden Belastung. Mit Kurzarbeit ging die Angst um den Verlust des Arbeitsplatzes einher. Menschen in Altersheimen erfuhren bedrückende Einsamkeit, weil ihre Angehörigen sie nicht mehr besuchen durften. Grosseltern wurden von ihren Enkelkindern getrennt, eine für beide Seiten schmerzliche Einschränkung. Menschen durften sich nicht mehr umarmen und auch auf das Händeschütteln wurde verzichtet. Mit der Schliessung der Schulen kamen auf Eltern zusätzliche Betreuungsaufgaben zu. Lehrpersonen mussten im Eiltempo auf digitales Lehren umstellen. Besonders belastet waren jene Personen, die im Verkauf oder im Gesundheitswesen ihren Beruf weiterhin vor Ort ausüben mussten und sich dabei erhöhter Ansteckungsgefahr aussetzten. Oder denken wir auch an jene Personen, deren Einkommen existenzbedrohend einbrach.
Liebe Einwohnerinnen und Einwohner,
Bei all diesen Belastungen ist es wirklich bemerkenswert, mit welcher Selbstverständlichkeit grösste Teile der Bevölkerung die Vorgaben verantwortungsbewusst befolgten. Noch ist Corona nicht vorbei. Aber wir dürfen mit Freude feststellen, dass in dieser besonderen Situation eine Welle von Solidarität im Land aufblühte. Nebst dem staatlichen Engagement bildeten sich private Hilfsbewegungen, um besonders betroffene Mitmenschen zu unterstützen. Ich danke all jenen von Herzen, die in dieser schwierigen Zeit Zusammenhalt bewiesen und durch spontane Hilfsbereitschaft für Lichtblicke gesorgt haben. Solidarität ist ein Zeichen von Stärke und ein solides Fundament, auf das wir bauen dürfen. Solidarität ist ein Merkmal, das wir uns auch für die Zeit nach Corona bewahren können. Wenn sich Solidarität mit Mitmenschen im Lande und mit den Ärmsten der Welt als fester Wert unserer Gesellschaft etabliert, dann gehen wir gestärkt aus dieser Krise.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
Unsere duale Staatsform, die die Staatsgewalt im Fürsten und im Volk verankert, hat seit vielen Jahren Bestand und sichert Stabilität und Vertrauen in die Staatsführung. Es ist mir heute ein Bedürfnis, dem Durchlauchten Fürstenpaar im Namen der liechtensteinischen Bevölkerung zum 75. bzw. 80. Geburtstag herzlichst zu gratulieren. Dies verbunden mit den allerbesten Wünschen für eine gute Zukunft.
Unser kleines Land muss sich im internationalen Umfeld immer wieder bewähren. Dabei sind wir oft auf das Wohlwollen anderer angewiesen. Wohlwollen erwirbt man durch Verlässlichkeit, Stabilität und durch erkennbar gute Staatsführung. Als starkes Rückgrat erweisen sich zudem die im liechtensteinischen Volk tief verankerten Werte. Die Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner gelten als fleissig, verlässlich, strebsam und hilfsbereit. Bewahren und stärken wir diese Werte, die für unser erfolgreiches Gemeinwesen von erheblicher Bedeutung sind.
Die Demokratie in Liechtenstein lebt von der Partizipation der Bevölkerung. Wir sind in der glücklichen Lage, dass die Bürgerrechte hierzulande mit hoher Beteiligung ausgeübt werden. In Kürze stehen drei Volkstabstimmungen an. Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner haben das Privileg, bei wichtigen politischen Weichenstellungen mitentscheiden zu können. Ich fordere Sie dazu auf, dieses Recht wahrzunehmen. Die Meinung jeder und jedes Einzelnen ist gefragt und wird gleich gewichtet. Und bald stehen auch wieder Landtagswahlen an. Ich möchte unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger ermutigen, sich für eine Kandidatur zur Verfügung zu stellen. Die Anerkennung, die man vermittelt bekommt, überwiegt eine gelegentliche Kritik bei Weitem. Es ist eine dankbare Aufgabe, für die Menschen im Lande Verantwortung zu tragen und die Zukunft unseres Landes mitzugestalten.
Wie wird diese Zukunft aussehen? Fünf globale Entwicklungstendenzen werden in den kommenden Jahren massgeblichen Einfluss auf unser Land haben:
Der Klimawandel wird zur wohl grössten Herausforderung der Weltgemeinschaft. Der menschengemachte Treibhauseffekt verursacht Rückstau von Wärme auf unserem Planeten. Folgen in Form von schneearmen Wintern, heissen Sommern oder Starkniederschlägen sind hierzulande schon deutlich spürbar.
Die Globalisierung ist für unsere Wirtschaft wegweisend. Derzeit verschieben sich die wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse der Weltregionen. Das Exportland Liechtenstein kann sich den internationalen Märkten nicht entziehen und wird sich den Gegebenheiten laufend anpassen müssen.
Die Digitalisierung verändert das Umfeld, in dem wir leben. IT-Kompetenzen werden in der Unternehmensführung zur Schlüsselkompetenz. Neue Berufe und neue Geschäftsmodelle werden zunehmend unseren Alltag begleiten.
Der demografische Wandel wird hohe Ansprüche an unsere Sozialwerke zur Altersvorsorge stellen. Gleich viele 70-jährige wie 20-jährige Bewohner im Lande sind beredtes Zeugnis einer veränderten Zusammensetzung unserer Gesellschaft.
Der Trend zu Migration wird weiter zunehmen. Prognosen weisen darauf hin, dass Europa in den nächsten 30 Jahren eine Nettozuwanderung von 40 % erleben wird. Eine breit unterstützte Integration von Migranten wird von essenzieller Bedeutung sein.
Diesen fünf Megatrends müssen wir uns mit Selbstvertrauen und mit Innovationskraft stellen. Daneben bleiben uns genügend und vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten, um unser Land verantwortungsbewusst und unter Einbezug der Bevölkerung weiterzuentwickeln. Wir wollen Liechtenstein so gestalten, dass auch unsere Enkel ein gutes Leben führen dürfen.
Liebe Liechtensteinerinnen, liebe Liechtensteiner,
Unser Staatsfeiertag wurde vor genau 80 Jahren in der für unser Land existenzbedrohenden Zeit des Zweiten Weltkrieges ins Leben gerufen. Er sollte damals den gemeinsamen Willen zum Erhalt der Heimat stärken und als Zeichen der Hoffnung und des inneren Zusammenhalts wirken. Diese Vorgabe aus dem Jahr 1940 hat wieder grosse Aktualität erlangt. Bei der Bewältigung der Coronakrise sind innerer Zusammenhalt, Hoffnung und Zuversicht in hohem Masse gefragt.
Dieses Jahr feiern wir unseren Staatsfeiertag anders als gewohnt. „Zemma im klina fiira“ ist das Motto. Am Abend werden wir die Höhenfeuer, die Krone auf Tuass und den Fackelzug entlang des Fürstensteigs geniessen können. Liechtenstein ist beflaggt und in jeder Gemeinde wird ein Gebäude in den Landesfarben erstrahlen.
Für den Staatsakt wurde ein kleiner, aber feiner Rahmen gefunden. Ich danke der Bläsergruppe und dem Männerquartett für die musikalische Gestaltung. Auch danke ich dem Trachtenverein, der Rheinmark und den Pfadfindern. Sie alle machen Heimatverbundenheit erlebbar. Der ehemalige Regierungsrat und Landtagsabgeordnete Dr. Walter Oehry hat unserer Heimat ein Gedicht gewidmet, das gut zum Staatsfeiertag passt: „Die Entstehung Liechtensteins“. Mit seinen im Dialekt verfassten Versen komme ich zum Ende meiner heutigen Rede.
Der Herrgott ischt grad fertig gse
Und hät si ghörig gfreut
Es ischt der letschte Werktig gse
Und er häts ned bereut.
D’Engel luagen öberall,
Well sie muand nochher rumma.
Änn rüaft: Do hat’s noch Matrial
A klises betzle umma.
Es ischt zwor blos a Hüfele
Und gär ned förchtig tüür
I glob, i nümm mis Schüfele
Und wörf’s grad schnell is Füür.
Do seet der Herrgott: Wart a betz,
I glob I mach noch schnell,
Vor i mi nocher ahisetz,
a munzig kliis Modell.
A betzle Berg, a betzle Tal
Viel Sunna und viel Moo,
Drzwösche dinna recht viel Wald
Viel Tierle sowieso.
Und Lütle, grad wie n’is gern mag.
Fromm und met viel Respekt,
Wo schaffen, wenn sie Tag för Tag
Der Güggel jedsmol weckt.
Wenn’s fertig ischt, denn legen mer’s
Grad metta zu da-n-andera
Denn ka ma krüzwiis und verquers
Dors‘ kline Lendle wandera.
Denn sächt ma, dass der kline Rescht
Vom grossa Werk allää
A klises Meischterwerkle ischt
Und hässen’s Liachtaschtää.
Mit dieser Ode an die Heimat wünsche ich allen Einwohnerinnen und Einwohnern einen beglückenden Staatsfeiertag und wünsche Ihnen von Herzen Gottes Segen.